Während der Woche konzentrieren wir uns für unsere Zielgruppe auf das Recht in Wirtschaft und Gesellschaft; am Wochenende auf Unwirtschaftliches bis hin zum Humor. Material finden Sie demnach inbesondere für das Presse-, Äußerungs-, Marken-, Wettbewerbs-, Urheber-, Verkehrsauffassungs-, Forschungs-, Datenschutz-, Nachbarrecht sowie zur Kanzleiorganisation. Humor und Witze würden zwar schon heute Stoff für ein Buch "15 Jahre Humor" bieten, sind jedoch nur zu einem geringen Teil suchfunktionsfähig verfasst.

So hat der Bundesgerichtshof in einem - erst in diesem Monat veröffentlichten - Urteil vom 3.März 2016 - I ZR 110/15 - entschieden.
Der Fall
Vom Händler wurde zu einer Armbanduhr "unverbindliche Preisempfehlung" durchgestrichen und angegeben: „Sie sparen: EUR 20,00 (50%)”. Diese Angabe hatte nicht der Anbieter gemacht, sondern Amazon. Ein Mitbewerber verklagte den Anbieter, weil die Uhr zu dem Zeitpunkt ein Auslaufmodell war, das in den Preislisten des Fachhandels nicht mehr geführt wurde.
Die Urteilsbegründung
Unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung führt der BGH aus:
Schuldner der in § 8 Abs. 1 UWG geregelten Abwehransprüche ist jeder, der durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung selbst, durch einen anderen oder gemeinschaftlich mit einem anderen adäquat kausal verwirklicht oder sich als Teilnehmer an der deliktischen Handlung eines Dritten beteiligt.
Anmerkung
§ 8 Abs. 1 bestimmt:
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

Entschieden hat das Landgericht Berlin mit einem soeben bekannt gegebenen Urteil vom 30.06.2016 (Az.: 52 O 340/15).
Der Fall
Geworben wurde mit einer 14-tägigen Premiummitgliedschaft zum anlockenden Preis von einem Euro. Der Vertrag sollte sich automatisch um sechs Monate zum Preis von 89,90 Euro im Monat verlängern, sofern der Kunde nicht fristgemäß kündigt.
Wie und bis wann man kündigen musste, wurde erst in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen mitgeteilt, zu denen ein Link führte.
Das Urteil, das sich im Ergebnis von selbst versteht
Maßgeblich sind: Art. 246a § 1 Abs.1 Satz1 Nr. 11 EGBGB iVb mit §312d Abs.1 BGB. Der Hinweis muss somit unmittelbar vor Vertragsabschluss klar und verständlich darüber informieren, wie der sich sonst automatisch verlängernde Vertrag gekündigt werden muss. Das heißt: Auf der Webseite ist anzugeben, wie und mit welcher Frist zu kündigen ist. Ein bloßer Verweis auf die AGB des Unternehmens reicht hierfür nicht aus.
Anmerkungen:
1.
§ 312d Abs. 1 bestimmt:
Informationspflichten
(1) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Artikels 246a des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu informieren. Die in Erfüllung dieser Pflicht gemachten Angaben des Unternehmers werden Inhalt des Vertrags, es sei denn, die Vertragsparteien haben ausdrücklich etwas anderes vereinbart.
2.
Vor Inkrafttreten der im Urteil aufgeführten Paragrafen hätte das gleiche Urteil aus §§ 133,157, 242 BGB (Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte) abgeleitet werden müssen.
3.
Die Entscheidung erging zu Verträgen von Dating Portalen. Sie muss nach dem Sinn und Zweck der hier interessierenden Bestimmungen - oben 1. und 2. - grundsätzlich allgemein gelten.

Das Bundesverfassungsgericht entschied in einem, in dieser Woche bekannt gegebenen, Beschluss vom 29.6.2016 (Az.: 1 BvR 2732/15) über eine amüsante Geschichte, die juristisch aufschlussreich ist.
„Der Beschwerdeführer war mehrfach vom selben Polizeibeamten kontrolliert worden. An einem Abend im November 2013 bemerkte er diesen Polizeibeamten in einem Polizeifahrzeug vor seinem Haus, als er in der Einfahrt gegenüber wendete und dabei das vom Beschwerdeführer bewohnte Gebäude anleuchtete. Nachdem er dasselbe Fahrzeug im späteren Verlauf des Abends nochmals gesehen hatte, veröffentlichte er hierzu einen Eintrag auf seiner Facebook-Seite. Er warf dem namentlich genannten Polizeibeamten vor, er habe nichts Besseres zu tun, als in irgendwelchen Einfahrten mit Auf- und Abblendlicht zu stehen und in die gegenüberliegenden Häuser zu leuchten, und bezeichnete ihn als 'Spanner'.”
Das Amtsgericht beurteilte die Bezeichnung „Spanner” als Tatsachenbehauptung und verurteilte den Beschwerdeführer wegen übler Nachrede (§ 186 StGB) zu einer Geldstrafe. Die Sprungrevision zum Oberlandesgericht blieb erfolglos. Der Bürger gab aber nicht auf. Mit einer Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer, er sei in seinem Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG) verletzt worden.
Das BVerfG gab dem Bf. Recht, hob die angegriffenen Entscheidungen auf und verwies die Sache an das AG zurück - mit der für jeden Äußerungsrechtler klassischen Begründung:
Die Äußerung "Spanner" sei in diesem Zusammenhang eine Bewertung, die dem Beweis nicht zugänglich sei. Bereits die falsche Einordnung der Äußerung als Tatsache führe zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen.

Entschieden hat niemand Geringeres als der Bundesfinanzhof in einem soeben bekannt gegebenen Urteil vom 12. Mai 2016, Az. II R 17/14. Verurteilt wurde ein Zeitungsverlag zur Übermittlung von Personen- und Auftragsdaten sämtlicher Auftraggeber von zwei Jahren. Die Pressefreiheit soll nur für solche Anzeigen bestehen, die für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsam sind oder der Kontrollfunktion der Presse dienen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Anzeigen für das Presseerzeugnis (und damit auch der Finanzierung der Redaktionen) soll in diesem Falle belanglos sein.

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs meldete soeben, dass die Herausgeberin die geforderte Verpflichtung zur Unterlassung sofort erklärt hat. Der Fachmann wird sich ausrechnen, was der Kunstgriff doch gebracht hat.
Anmerkung:
Erst auf der Innenseite der Titelumschlagseite wurde der Käufer aufgeklärt: Die vermeintlich gekaufte Zeitschrift TV Wissen sei bereits ersatzlos eingestellt worden. Stattdessen empfehle man auf die hier dargestellte Weise die Zeitschrift TVdirekt. Abgemahnt wurde selbstverständlich wegen Irreführung über wesentliche Merkmale der verkauften Ware.

So betitelt die Ausgabe 34/2016 der FREIZEIT REVUE das „Rechtsthema der Woche”. Weitere Informationen finden Sie im FREIZEIT REVUE Ratgeber Recht.

Der Südwestrundfunk hat am 28. Juli 2016 als Erster über einen Beschluss des Landgerichts Karlsruhe berichtet.
Ein deutsch-ghanaischer Anwalt hatte in einem Schreiben an Bayerns Innenminister Herrmann mit dem Betreff „Ihre rassistische Gesinnung” den Politiker als "ganz wunderbares Inzuchtsprodukt" bezeichnet. Das Landgericht Karlsruhe bestätigte eine erstinstanzliche Entscheidung. Herrmann hatte 2015 in einer Talkshow - offenkundig um ein positives Beispiel anzuführen - über den Sänger Roberto Blanco gesagt, er sei ein "wunderbarer Neger". Daraufhin hat der Anwalt an Herrmann geschrieben.
Herrmann hatte Strafanzeige wegen Beleidigung gestellt. Das Landgericht meint in seinem Beschluss, die Bezeichnung sei zwar "bewusst ehrverletzend", aber durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Das Schreiben stehe in klarem Zusammenhang mit Herrmanns Äußerung. Wer sich an einer öffentlichen Auseinandersetzung über gesellschaftliche Fragen beteilige, müsse eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindere. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Richter liebäugeln oft, nach der Tätigkeit als Richter noch als Rechtsanwalt zu arbeiten. In der Praxis kommt mitunter auch der Verdacht auf, dass der Richter in eine bestimmte Kanzlei wechseln wird.
In einem Fall hat nun das Verwaltungsgericht Hannover in einem Beschluss vom 26. Juli 2016, Az.: 2 B 3650/16, bestätigt, dass der Präsident des Landgerichts Hannover einem Richter im vorzeitigen Ruhestand untersagen durfte, als Rechtsanwalt aufzutreten. Begründung: Es sei zu besorgen, dass dienstliche Interessen beeinträchtigt werden.

Anmerkungen - Es handelt sich um einen Sonderfall. Der Beschluss lässt sich aber doch für recht viele Fälle verallgemeinern:
1.
Der Richter war ca. 30 Jahre lang als Richter bei demselben Amtsgericht tätig und dort vornehmlich für Strafsachen zuständig. Ende Mai 2015 wurde er auf seinen Antrag in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Nach seiner Zulassung als Rechtsanwalt trat er an alter Wirkungsstätte in einer Strafsache als Verteidiger auf. Der Präsident des Landgerichts Hannover stützte sich für die Untersagung auf §§ 71 DRiG (Dt. Richtergesetz), 41 Satz 2 und 3 BeamtStG in Verbindung mit § 2 Nds.RiG.
2.
Diese Rechtsgrundlagen legen fest:
„Die Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung ist zu untersagen, wenn zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Das Verbot endet spätestens mit Ablauf von fünf Jahren nach Beendigung des Beamtenverhältnisses.”
3.
Die weitere Begründung:
Eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen liege hier darin, dass das Auftreten des Antragstellers vor dem Gericht seiner früheren richterlichen Dienstausübung geeignet sei, aus Sicht eines Bürgers den Anschein zu erwecken, dass durch die persönlichen Beziehungen des früheren Richters zu aktiven Richtern und nichtrichterlichen Dienstkräften dieses Gerichts eine dort anhängige Rechtssache in einer nicht sachgerechten Weise gefördert werden könnte. Dabei komme es nur auf die Eignung an, diesen Anschein zu erzeugen. Bei - so das Gericht weiter wörtlich - einem vernünftigen Bürger könne der Eindruck entstehen, dass der Antragsteller kollegiale Kontakte zu noch aktiven Bediensteten seiner früheren Dienststelle nutze. Dies würde das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Justiz erschüttern und deshalb dienstliche Interessen beeinträchtigen. Zudem könnten Mitarbeiter des Amtsgerichts Loyalitätskonflikten ausgesetzt sein.

So betitelt die Ausgabe 33/2016 der FREIZEIT REVUE das „Rechtsthema der Woche”. Weitere Informationen finden Sie im FREIZEIT REVUE Ratgeber Recht.

Das OLG München hat am 21. Juli 2016 verhandelt und wie das LG München I zugunsten der Presse entschieden. Die Parteien waren:
a. Die Dokumentations- und InformationsZentrum München GmbH (DIZ), welche im Auftrag der SZ die Nutzungsrechte an den Inhalten der Zeitung verwertet.
b. Das vor wenigen Jahren gegründete Start-up »uberMetrics«, welches kundenspezifisch die gesamte Online- und Offline-Medienlandschaft beobachtet und Ergebnisse zu einem bestimmten Thema anschließend umfangreich aufbereitet. »Ubermetrics« erstellte hierzu Auszüge aus bestimmten Artikeln von teilweise bis zu 250 Zeichen, und es verlinkte auf die Quelle.
Kritisiert wird die Münchener Rechtsprechung so heftig wie unangemessen diese Kritik ist. Ein Beispiel für diese heftige Kritik:
„Kollateralschäden eines unsinnigen Gesetzes”. Kritisiert wird zum Münchener Fall, dass das Kriterium "kleinste Textmenge", die das Leistungsschutzrecht erlaubt, untauglich sei.

Anmerkungen
1.
§ 87 f Abs. 1 Satz 1 UrhR-Gesetz, um den im Münchener Fall gestritten wird, bestimmt:
(1) Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte.
2.
Kein Gesetz kommt ohne sog. unbestimmte Rechtsbegriffe aus. Ein Beispiel bildet das BundesdatenschutzG, das von Anfang an Begriffe wie „berechtigte Interessen” und „schutzwürdige Belange” und noch mehr unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet. Die Kritiker werden jedoch nicht das BDSG wegen dieser Begriffe als Kollateralschaden verteufeln.
3.
Anscheinend haben sich die Kritiker der Münchener Rechtsprechung, aber bislang auch alle Gerichte nicht darum gekümmert, wie der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des § 87 f UrhG im März 2013 den Begriff „kleinste Textmenge” verstanden hat.
4.
Die schriftlich festgehaltenen Reden der Abgeordneten im Bundestag reichen aus, um den Begriff zu definieren.
5.
Die Auslegung nach den anerkannten methodischen Grundsätzen erfolgt nach diesem, auch vom Gesetzgeber vorgegebenen Sinn und Zweck: Nämlich danach, ob der Text „eine verlagstypische Leistung” ist oder (noch) „eine originäre Leistung der Suchmaschine”, die beschreibend „lediglich das Auffinden des gewünschten Suchbegriffs ermöglichen” soll.
6.
Es geht somit nur um eine durchschnittlich schwierige Auslegungsaufgabe!
7.
In einer Verbandserklärung der Sartups vom 26.7. heißt es sogar, das Gesetz sei gescheitert. Wollte man bei jedem Gesetz mit durchschnittlichen Auslegungsschwierigkeiten annehmen, das Gesetz sei gescheitert, gäbe es keine Rechtsordnung mehr.
8.
Um festzustellen, dass Snippets mit 200 Zeichen oder noch mehr, wie teilweise im Münchener Fall, keine „kleinste Textausschnitte” sind, reicht im Übrigen der gesunde Menschenverstand aus.
9.
Bedauerlich ist, dass Journalisten bei ihrer heftigen Kritik gegen das Leistungsschutzrecht nicht erkennen, dass sie in Wirklichkeit gegen den Journalismus argumentieren.
10.
Hinweise zum Leistungsschutzrecht finden Sie, wenn Sie links in die Suchfunktion „Leistungsschuzrecht” eingeben.