Während der Woche konzentrieren wir uns für unsere Zielgruppe auf das Recht in Wirtschaft und Gesellschaft; am Wochenende auf Unwirtschaftliches bis hin zum Humor. Material finden Sie demnach inbesondere für das Presse-, Äußerungs-, Marken-, Wettbewerbs-, Urheber-, Verkehrsauffassungs-, Forschungs-, Datenschutz-, Nachbarrecht sowie zur Kanzleiorganisation. Humor und Witze würden zwar schon heute Stoff für ein Buch "15 Jahre Humor" bieten, sind jedoch nur zu einem geringen Teil suchfunktionsfähig verfasst.

Ein Gesetzentwurf des Bundesrats (BT-Drs. 18/12949) sieht vor, dass die immissionsschutzrechtliche Ausnahme für von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und Ballspielplätzen ausgehenden Kinderlärm auch auf Sportanlagen übertragen wird. Geändert werden soll dazu § 22 Abs. 1a BImSchG, wie die Bundestagspressestelle am 04.07.2017 mitteilte.
Begründung
Die Ungleichbehandlung von Kinderlärm auf Ballspielplätzen gegenüber Kinderlärm auf Sportanlagen sei nicht sachgerecht.
Anmerkungen:
Auf die Interessen der vielen nun neu betroffenen Anwohner wird also keine Rücksicht genommen.
Gesetzestaktisch handelt es sich um ein schönes Beispiel: Wird einmal für einen Fall eine Regelung getroffen, kann man ganz einfach mit dem Grundsatz der Gleichbewertung des Gleichsinnigen nachziehen

Am 7. April 2017 hatten wir an dieser Stelle berichtet, dass Umweltschützer ein Urteil feierten, das dem Ganges den Status eines Lebewesens zubilligte. Kommentar der Umweltschützer:
„ Wenn dem Fluss Ganges oder einem Nebenfluss Schaden zugefügt wird, verhält es sich so, als habe man einem Menschen Schaden zugefügt“. Der Umweltaktivist Shekhar Pathak ergänzte: „Solch ein Urteil ist nötig, um schwindende Wasser-Ökosysteme zu retten”.
Der Oberste Gerichtshof Indiens hob jedoch am 7.7.2017 das Urteil des höchsten Gerichts des Bundesstaates Uttarakhand vom März 2017 auf.
Quelle: Times of India, Beck Aktuell
Anmerkung
Um den Hintergrund dieses Rechtsstreites zu verstehen, ist es gut zu wissen: Für Hindus ist der Ganges, wie man weiß, ein heiliger Fluss. Sie baden in ihm, um sich von ihren Sünden zu reinigen.
Das hundertfache Abkippen von Leichen im Ganges ist quasi Gewohnheitsrecht nach der jahrtausendealte Hindu-Tradition. Täglich fließen 3,6 Milliarden Liter Abwasser in den Fluss. Offiziellen Schätzungen zufolge hat etwa die Hälfte der Menschen in Indien keinen Zugang zu Toiletten. Müll wird in großen Mengen abgelagert. Die Wäsche wird im heiligen Fluss gewaschen.
Varanasi am Ganges ist für Hindus die heiligste Stadt Indiens. Sie gilt als die Stadt des Todes. Der gläubige Hindu versucht, hierherzukommen, um hier auf den Tod zu warten. Der Glaube besagt, dass man sich durch den Tod in Varanasi aus dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburten befreien kann.

Gesichtsschleier wie Burka und Nikab sind nach einem Gesetz vom 6.7.2017 ab August in Bayern für Beamte und Angestellte im Öffentlicher Dienst, an Hochschulen und Schulen, in Kindergärten und Kinderkrippen sowie in Wahllokalen verboten. Gemeinden dürfen Burka und Nikab bei Vergnügungsveranstaltungen oder Massenansammlungen in Einzelfällen zu verbieten.
Die Gesetzesbegründung erklärt insbesondere:
"Ein kommunikativer Austausch findet nicht nur durch Sprache, sondern auch durch Blicke, Mimik und Gestik statt. Er bildet die Grundlage unseres zwischenmenschlichen Miteinanders und ist Basis unserer Gesellschaft und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung."
Anmerkung, heute wird gemeldet, auch schon von den Nachrichtenportalen: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigte heute bereits zum zweiten Mal Verbote der Vollverschleierung (Beschwerde-Nr. 37798/13 und 4619/12). Dieses Mal ging es um ein belgisches Gesetz, das es seit Mitte 2011 untersagt, im öffentlichen Raum Kleidung zu tragen, die das Gesicht teilweise oder ganz bedeckt. Verstöße können mit einer Geldstrafe und mehreren Tagen Haft betraft werden. Außerdem ging es um Satzungen von drei belgischen Gemeinden von 2008 mit ähnlichen Verboten.

Die Lobby der Internetgiganten war stärker. Ihr „Argument”: Die Meinungsfreiheit würde durch ein Gesetz zu Hass und Gesetz eingeschränkt, weil sich Netzwerke aus Angst vor Strafen eher für das Löschen grenzwertiger Beiträge entscheiden könnten. Die EU erlässt - anders als soeben die Bundesrepublik Deutschland - kein Gesetz zum Umgang mit Hass und Hetze im Internet. Erst wenn die freiwillige Selbstkontrolle der sozialer Netzwerke scheitere, könnten europäische Vorgaben in Frage kommen, sagte EU-Justizkommissarin am 7. Juli 2017 bei einem Treffen Treffen der EU-Justizminister.
Das deutsche Gesetz wird von der Kommissarin freundlich abgetan. Es sei "ziemlich wichtig, jetzt auf Deutschland zu schauen und wie das dort klappt".
Anmerkung
Den (deutschen) Bundesrat durchlief am 7.7.2017 erfolgreich das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Das deutsche Gesetz sieht unter anderem vor, dass Netzwerke klar strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach einem Hinweis löschen müssen. Für nicht eindeutige Fälle ist eine Frist von sieben Tagen vorgesehen. Die Netzwerke sollen Beschwerden auch an eine neu zu schaffende Stelle abgeben können. Bei systematischen Verstößen gegen die Löschvorgaben drohen Strafen von bis zu 50 Millionen Euro. Wie oben erwähnt konnten die Netzwerke die EU-Kommission davon abhalten, für alle EU-Staaten eine solche Regelung einzuführen.

OLG Köln , Beschluss vom 02.06.2017 - III-1 RVs 93/17:
Das OLG Köln urteilte für den entschiedenen Fall, dass der Journalist die Rechtslage beurteilen konnte und eine Publikation nicht fördern durfte.
Die Rechtsgrundlage
Der Journalist wurde wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses nach §§ 33 Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 des Kunsturhebergesetzes persönlich bestraft. Nach dieser Vorschrift ist es strafbar, Bilder ohne Einwilligung des Betroffenen zu verbreiten. Bilder aus dem Bereich der Zeitgeschichte dürfen nur verbreitet werden, wenn dadurch kein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird.
Anmerkung:
Die Redaktion kannte den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtswidrigkeit und selbst die Strafbarkeit ergab. Beck aktuell berichtet: Der Journalist hatte im Klinikum einen dunkelhäutigen Patienten bemerkt, der von Mitarbeitern des Klinikums mit Mundschutz und Handschuhen versorgt und aufgefordert wurde, von den anderen Patienten Abstand zu halten. Der Journalist hörte, sagt er, das Wort "Ebola". Daraufhin nahm er ungefragt Fotos des Patienten auf und folgte diesem mit seinem Fotohandy ins Behandlungszimmer. Obwohl der Patient erklärte, dass er keine Fotos von sich wolle, obwohl die behandelnde Ärztin den Journalisten bat, die Fotos zu löschen und obwohl die Ärztin ihm mitteilte, dass sich der Ebola-Verdachtsfall nicht bestätigt habe, konnte nicht einmal die hinzugerufene Polizei den Journalisten zum Löschen der Bilder bewegen. Der Journalist bot die Fotos mehreren Redaktionen an, allerdings zusammen mit einer inhaltlichen Information über die Vorkommnisse im Klinikum. Eine Redaktion übernahm die Fotos. Dabei wurde nicht darüber gesprochen, ob der fotografierte Patient unkenntlich zu machen sei. In der Onlineausgabe der Zeitung erschien daraufhin ein ungepixeltes Foto des Patienten mit Mundschutz und Handschuhen.

So geurteilt hat das Bundesverwaltungsgericht am 29.6.2017 (Az.: 7 C 24.15). Im Volltext liegt dieses Urteil noch nicht vor. Aus einer Pressemittelung des BVerwG lässt sich jedoch die Begründung im Wesentlichen entnehmen.
Begründung:
Der Schutz personenbezogener Daten ist in diesem Falle bei noch Lebenden gegenüber der Informationsfreiheit höherrangig. Der Betroffene kann jedoch nach den allgemeinen Grundsätzen einwilligen.
Demgegenüber geht das Informationsinteresse der Presse vor, soweit im Gutachten die Lebensläufe bereits verstorbener Mitarbeiter behandelt werden. Der postmortale Persönlichkeitsschutz gebietet auch bei Würdigung der Belange der Hinterbliebenen nicht, den Zugang zu diesen Unterlagen während eines Zeitraums von drei Jahren nach dem Tod zu sperren.

Ein Anbieter von Luxuswaren kann es seinen autorisierten Händlern verbieten, seine Waren auf Drittplattformen wie Amazon oder eBay zu verkaufen. Diese Auffassung vertritt Nils Wahl, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof, in seinen Schlussanträgen vom 26.07.2017. In der Regel folgt der EuGH der Rechtsansicht des Generalanwalts. Ein solches Verbot, das die Wahrung der luxuriösen Ausstrahlung der betreffenden Waren bezwecke, falle unter bestimmten Bedingungen nicht unter das Kartellverbot, da es geeignet sei, den auf qualitativen Kriterien beruhenden Wettbewerb zu verbessern, betonte er (Az.: C-230/16).

Ziert ein urheberrechtlich geschütztes Werk ein Kreuzfahrtschiff, darf es fotografiert und die Aufnahme auch gewerblich genutzt werden. BGH, Urteil vom 27.4.2017, Az. I ZR 247/15.
Die maßgebliche Rechtsnorm:
§ 59 Werke an öffentlichen Plätzen
(1) Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.
Der Fall
Die Klägerin veranstaltet Kreuzfahrten. Ihre Kreuzfahrtschiffe sind mit dem sogenannten "AIDA Kussmund" dekoriert. Das Motiv besteht aus einem am Bug der Schiffe aufgemalten Mund, seitlich an den Bordwänden aufgemalten Augen und von diesen ausgehenden Wellenlinien ("Augenbrauen"). Das Motiv wurde von einem bildenden Künstler geschaffen. Er hat der Klägerin daran das ausschließliche Nutzungsrecht eingeräumt.
Der Beklagte betrieb eine Internetseite, auf der er Ausflüge bei Landgängen auf Kreuzfahrtreisen in Ägypten anbot. Auf dieser Seite veröffentlichte er ein Foto mit der Seitenansicht des Kreuzfahrtschiffes der Klägerin, auf welchem der "AIDA Kussmund" zu sehen ist.
Die Klägerin hat beantragt, dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, das Werk "AIDA Kussmund" öffentlich zugänglich zu machen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen.
Die Begründung des BGH-Urteils:
So wie § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG das Interesse der Allgemeinheit an der Freiheit des Straßenbildes schützt und damit für den öffentlichen Straßenverkehr gilt, ist § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG auch anwendbar, wenn das Werk den Ort wechselt und es sich bei den verschiedenen Orten um öffentliche Orte handelt.

Wenn Sie links in die Suchfunktion eingeben: „IP-Adresse" erhalten Sie einen Einblick in die bisherige Rechtsprechung. Wir haben dort auch Zusammenhänge und den Begriff kurz erläutert. Nun hat der BGH in einem gestern bekannt gegebenen Urteil vom 16. Mai 2017 - VI ZR 135/13 - nicht mehr überraschend - in zwei Leitsätzen ergänzt beziehungsweise wiederholt:

„Die dynamische IP-Adresse, die von einem Anbieter von Online-Mediendiensten beim Zugriff einer Person auf eine Internetseite, die dieser Anbieter allgemein zugänglich macht, gespeichert wird, stellt für den Anbieter ein personenbezogenes Datum im Sinne des § 12 Abs. 1 und 2 TMG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 BDSG dar (Fortführung von EuGH NJW 2016, 3579).
§ 15 Abs. 1 TMG ist entsprechend Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 EG dahin auszulegen, dass ein Anbieter von Online-Mediendiensten personenbezogene Daten eines Nutzers dieser Dienste ohne dessen Einwilligung auch über das Ende eines Nutzungsvorgangs hinaus dann erheben und verwenden darf, soweit ihre Erhebung und ihre Verwendung erforderlich sind, um die generelle Funktionsfähigkeit der Dienste zu gewährleisten, wobei es allerdings einer Abwägung mit dem Interesse und den Grundrechten und -freiheiten der Nutzer bedarf (Fortführung von EuGH aaO).”

Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" muss dem gerichtlich angeordneten Abdruck eines “Nachtrags" zu seiner Berichterstattung über die HSH Nordbank AG aus dem Jahr 2010 derzeit nicht nachkommen. Ein weiterer Aufschub beim Abdruck des Nachtrags, mit dem der frühere Chef-Justitiar der Bank zu den über ihn veröffentlichten Verdächtigungen rehabilitiert werden soll, sei u. a. angesichts des möglichen Imageschadens für das Magazin bis zur weiteren Klärung vertretbar, entschied das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 22.06.2017 (Az. 1 BvR 666/17).
Der Rechtsstreit „lief” zuerst über das LG sowie das OLG Hamburg zum BGH und dann wieder zum OLG Hamburg. Im Nachtrag soll erklärt werden:
„[haben wir durch die Berichterstattung] (…) den Verdacht erweckt, der HSH-Chefjustitiar G. habe an den beschriebenen angeblichen Abhörmaßnahmen gegen R. mitgewirkt. Diesen Verdacht erhalten wir aus heutiger Sicht nicht aufrecht. Der Verlag.“
Die Abwägung schließt der Beschluss wie folgt: „Beurteilt man die Folgen, wiegen die Nachteile, die der Beschwerdeführerin im Falle der Ablehnung des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung drohen, schwerer als die Nachteile, die für den Kläger des Ausgangsverfahrens im Falle eines Anordnungserlasses entstünden. Ein weiterer Aufschub bei der Vollstreckung ist diesem eher zumutbar als es die Verpflichtung zum sofortigen Abdruck für die Beschwerdeführerin wäre.”
Anmerkung
Das Problem ist immer wieder das gleiche. Die Wissenschaft schafft es in Wirklichkeit nicht, rechtsmethodisch der Rechtsprechung sichere Abwägungskriterien für den Einzelfall vorzugeben. Folglich entscheiden die Richter - sicher verantwortungsbewusst - nach eigenem Gutdünken (richterlicher Dezisionismus). Im entschiedenen Fall haben drei Richter der 3. Kammer des Ersten Senats abgewogen, was nach sechs Jahren und drei Instanzen vorerst wichtiger ist: das Persönlichkeitsrecht des Chef-Justitiars oder der Abdruck einiger Zeilen im Heft. Vgl. zum richterlichen Dezisionismus mit vielen Beispielen über die Suchfunktion links, Suchwort: „Dezisionismus”.