Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" muss dem gerichtlich angeordneten Abdruck eines “Nachtrags" zu seiner Berichterstattung über die HSH Nordbank AG aus dem Jahr 2010 derzeit nicht nachkommen. Ein weiterer Aufschub beim Abdruck des Nachtrags, mit dem der frühere Chef-Justitiar der Bank zu den über ihn veröffentlichten Verdächtigungen rehabilitiert werden soll, sei u. a. angesichts des möglichen Imageschadens für das Magazin bis zur weiteren Klärung vertretbar, entschied das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 22.06.2017 (Az. 1 BvR 666/17).
Der Rechtsstreit „lief” zuerst über das LG sowie das OLG Hamburg zum BGH und dann wieder zum OLG Hamburg. Im Nachtrag soll erklärt werden:
„[haben wir durch die Berichterstattung] (…) den Verdacht erweckt, der HSH-Chefjustitiar G. habe an den beschriebenen angeblichen Abhörmaßnahmen gegen R. mitgewirkt. Diesen Verdacht erhalten wir aus heutiger Sicht nicht aufrecht. Der Verlag.“
Die Abwägung schließt der Beschluss wie folgt: „Beurteilt man die Folgen, wiegen die Nachteile, die der Beschwerdeführerin im Falle der Ablehnung des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung drohen, schwerer als die Nachteile, die für den Kläger des Ausgangsverfahrens im Falle eines Anordnungserlasses entstünden. Ein weiterer Aufschub bei der Vollstreckung ist diesem eher zumutbar als es die Verpflichtung zum sofortigen Abdruck für die Beschwerdeführerin wäre.”
Anmerkung
Das Problem ist immer wieder das gleiche. Die Wissenschaft schafft es in Wirklichkeit nicht, rechtsmethodisch der Rechtsprechung sichere Abwägungskriterien für den Einzelfall vorzugeben. Folglich entscheiden die Richter - sicher verantwortungsbewusst - nach eigenem Gutdünken (richterlicher Dezisionismus). Im entschiedenen Fall haben drei Richter der 3. Kammer des Ersten Senats abgewogen, was nach sechs Jahren und drei Instanzen vorerst wichtiger ist: das Persönlichkeitsrecht des Chef-Justitiars oder der Abdruck einiger Zeilen im Heft. Vgl. zum richterlichen Dezisionismus mit vielen Beispielen über die Suchfunktion links, Suchwort: „Dezisionismus”.