Während der Woche konzentrieren wir uns für unsere Zielgruppe auf das Recht in Wirtschaft und Gesellschaft; am Wochenende auf Unwirtschaftliches bis hin zum Humor. Material finden Sie demnach inbesondere für das Presse-, Äußerungs-, Marken-, Wettbewerbs-, Urheber-, Verkehrsauffassungs-, Forschungs-, Datenschutz-, Nachbarrecht sowie zur Kanzleiorganisation. Humor und Witze würden zwar schon heute Stoff für ein Buch "15 Jahre Humor" bieten, sind jedoch nur zu einem geringen Teil suchfunktionsfähig verfasst.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe antwortet in einem neuen Urteil, Az.:14 U 48/01:
„Die Kennzeichnung, jemand störe sich nicht an Gesetzen, stellt eine allgemeine und von konkreten Verhaltensweisen losgelöste Bewertung dar. Und in gleicher Weise ist das Attribut 'dubios' - anders als 'betrügerisch' - nicht zum näheren Konkrtisieren eines bloß skizzierten Verhaltens geeignet. Auch die Kennzeichnung eines Verhaltens - etwa eines 'Deals' als 'dubios', also als zweifelhaft und fragwürdig, ist lediglich das dem Beweis nicht zugängliche Ergebnis einer Bewertung durch den sich Äußernden.”
Also: Einmal Tatsachenbehauptung und zweimal Meinungsäußerung. Zu beiden Meinungsäußerungen verneinte das Gericht, dass es sich um Schmähkritik handele.
Solange jemand noch nicht rechtskräftig verurteilt worden ist, darf die Presse den Verdächtigen nicht bereits der Straftat bezichtigen. Dieses Verbot der Vorverurteilung ergibt sich sowohl aus dem mareriellen Presserecht als auch aus dem Pressekodex, der die berufsethischen Grundsätze normiert.
Nun die Spezialität, - das Oberlandesgericht Karlsruhe hat sie jetzt im Anschluss an ein 20 Jahre altes Urteil neu hervorgehoben:
„Allerdings kann der Kläger nicht Widerruf der Äußerung in vollem Umfang verlangen, weil ihre Unwahrheit nicht in Bezug auf ihren artikulierten Inhalt feststeht. Es besteht vielmehr nur ein Anspruch auf eine Klarstellung dahingehend, dass der Kläger ledeiglich im dringenden Verdacht steht, die mitgeteilten Handlungen begangen zu haben.” Hervorhebung von uns. Az.: 14 U 48/01.
Es genügt grundsätzlich nicht, nur nachzuweisen, dass das Gerücht existiert. Das Brandenburgische Oberlandesgericht - Az.: 1 U 6/02 - beurteilte eine im Wahlkampf verbreitete E-Mail:
„Von Seiten der PDS ist mir glaubhaft zu Ohren gekommen...”.
Das Gericht urteilte (alle Hervorhebungen von uns):
„Hierbei handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, und zwar sowohl in Bezug auf die Existenz des Gerüchts als auch in Bezug auf dessen Inhalt....Dem Betroffenen muss es möglich sein, sich gegen die Verbreitung unwahrer Gerüchte zur Wehr zu setzen. Hieran wäre er aber gehindert, würde es genügen, dass der Äußernde nur die Wahrheit der Existenz des Gerüchts oder Verdachts dartun müsste, nicht aber auch die Wahrheit des Inhalts.”
Gleich anschließend geht das Gericht noch auf die - im entschiedenen Fall aber nicht erfüllte - Ausnahme ein: „Nur wenn an seiner (des Gerüchts) Darstellung ein öffentliches Interesse besteht und sich der Äußernde hireichend deutlich davon distanziert, beschränkt sich der tatsächliche Gehalt der Äußerung auf die Existenz des Gerüchts. Andernfalls umfasst die Äußerung aus Sicht des Empfängers zugleich die - verdeckte - Behauptung, dass das 'Gerücht' 'wahr' oder 'doch zumindest etwas Wahres daran' sei.” Das neue Heft (4 - 2003) der Fachzeitschrift AfP hat dieses Urteil soeben schon veröffentlicht.
Anmerkung für die Studierenden: Eine Unsicherheit bleibt allerdings, - auch bei allen Vorgängerurteilen und bei den zustimmenden Äußerungen in der Fachliteratur:
Ob Behauptungen über Gerüchte so aufgefasst werden, wie es das Urteil annimmt, wurde bislang noch nie nachgewiesen. Die Gerichte haben diesen Sachverhalt nur unterstellt. Nach den Erfahrungen des Verfassers dieser Zeilen fasst der eine Leser die Behauptung so auf, wie es das Gericht unterstellt hat, der andere Leser fasst soche Berichte dagegen lediglich wortgetreu auf. Mit dieser Problematik der Bedeutung der pluralistischen Wirklichkeit für das Presserecht befassen sich die Gerichte bislang nur ansatzweise. Informieren können Sie sich zu diesen neuen Themen hier in unserem Internetauftritt in der Bibliothek, vor allem in den Abteilungen Rechtstheorie und Wettbewerbsrecht. Über das insoweit weltweit fortschrittlichste presserechtliche Urteil haben wir in dieser Rubrik „Das Neueste..” am 5. Februar 2003 berichtet. Siehe bitte hier im Archiv.
So betitelt die Oktober-Ausgabe 2003 von „mein schöner Garten” das aktuelle Gartenrecht-Thema. Weitere Informationen zum Thema und beispielhafte Gerichtsentscheidungen finden Sie in dem von uns rechtlich betreuten mein schöner Garten Ratgeber Recht.
So betitelt die heute neu erscheinende Ausgabe - 39/2003 - der FREIZEIT REVUE das Rechtsthema der Woche. Weitere Informationen zum Thema finden Sie in dem von uns rechtlich betreuten FREIZEIT REVUE Ratgeber Recht.
Themen werden unter anderem sein:
Ein Vorschlag der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten.
Die Initiativen zur Novellierung des Strafgesetzbuches betreffend Bildaufnahmen.
Die freiwillige Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz.
Prof. Schweizer wird über die Pressefreiheit im Recht der EU referieren.
Verhandelt werden 47 Beschwerden.
Berufsethisch werden besonders mehrere Beschwerden über eine Bildpublikation zum Bürgerkrieg zwischen Rebellen und Regierungsmilizen im westafrikanischen Staat Liberia interessieren: Ein Soldat trägt den abgeschlagenen Kopf eines Rebellen durch die Hauptstadt Monrovia. Stellt diese Veröffentlichung - ethisch verwerflich - unangemessen sensationell Gewalt und Brutalität dar? Oder bedarf es einer solchen Publikation, weil sich nur so das wahre Ausmaß des Schreckens vermitteln läßt?
Das Gebot, Redaktion und Werbung zu trennen, wird in einer neuen Form praktisch: Eine bislang unbekannte Redaktion führte - so eine Beschwerde - ein Interview, bat um Bildmaterial und wollte dann im nachhinein für die Bildpublikation kassieren.
Ein verhältnismäßig seltenes Beispiel bietet ein neuer Beschluss des Oberlandesgerichts Saarbrücken. Das OLG hat gebilligt, dass das erstinstanzliche Gericht die alleinige elterliche Sorge dem nicht ehelichen Vater übertragen hat.
Zum einen hat das OLG zunächst festgestellt, dass „die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinn enthält, dass ein Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als Ultima Ratio in Betracht kommt”.
Zum anderen haben die Gerichte erster und zweiter Instanz darauf abgestellt:
Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer Gerichte neben den Bindungen des Kindes an seine Eltern „der Gesichtspunkt der Kontinuität”. Im konkreten Fall spricht dieser Gesichtspunkt für den nicht ehelichen Vater, so das OLG: „Denn die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse ist beim Antragsteller besser gewährleistet als bei der Antragsgegnerin, deren Gesundheitszustand sich nach der erstinstanzlichen Entscheidung ersichtlich noch verschlechtert hat.”.
Az.: 9 UF 149/02. Vorinstanz: AG Homburg - 10 F 326/01.
Am 24. Juli haben wir in dieser Rubrik über ein Urteil des Landgerichts Münster berichtet, das einen Autor sehr großzügig gegen Ansprüche wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Romanfiguren schützte.
Ganz anders hat nun das Landgericht München I entschieden. Az.: 9 0 3969/03.
Es hat die „Erkennbarkeit” im Ergebnis weit strenger beurteilt. Wörtlich:
„Es mag durchaus zutreffend sein, dass die familiären Verhältnisse und Beziehungen der Klägerin nur ihrem näheren Umfeld bekannt sind und eine Identifizierung durch Dritte allein deswegen nicht wahrscheinlich erscheint. Etwas anderes gilt aber hinsichtlich der Schilderung der Hauptfigur des Romans und ihrer Mutter als Preisträgerinnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes reicht es aus, wenn der Betroffene begründeten Anlass hat anzunehmen, er werde erkannt. Davon kann vorliegend ausgegangen werden: Die Verleihung des Bundesfilmpreises an eine 17-jährige Türkin sowie des alternativen Nobelpreises, ebenfalls an eine Türkin, sind Vorgänge, die, auch wenn sie bereits einige Zeit zurückliegen, durchaus die Annahme begründen können, dass Dritte, auch wenn sie nicht aus dem engeren Umfeld der Klägerinnen stammen, sich daran erinnern und einen Bezug zu den Klägerinnen herstellen.”
Dementsprechend bejahte das LG München I, dass der Roman Persönlichkeitsrechte schwerwiegend verletzt und verfügte, dass das Buch nicht veröffentlicht und nicht vertrieben werden darf.
Anmerkung für die Studierenden: Wer die beiden Entscheidungen auf den Dezisionismus hin studiert, dem wird zum Gutdünken der beteiligten Richter auffallen: Das LG Münster war gegenüber der Person des betroffenen Klägers ersichtlich sehr kritisch eingestellt. In München verhielt es sich umgekehrt. Nebenbei bemerkte das LG München I - insoweit die Gefühle aufdeckend: „Nach dem nicht bestrittenen Sachvortrag der Klagepartei ist der Tochter und Enkeltochter der beiden Klägerinnen darüber hinaus das Ausmaß ihrer Erkrankung nicht bekannt...Die Erörterung der Erkrankung, noch dazu schweren Erkrankung, hat nichts in der Öffentlichkeit zu suchen.”
verschaffte dem Verlag auch einen presserechtlichen Vorteil. Das Landgericht München I entschied, dass eine Gegendarstellung zu einem im NRW-Teil veröffentlichte Artikel nach der Einstellung nicht publiziert werden muss. Eine Veröffentlichung in der Bundesausgabe lehnte das Gericht mit der Begründung ab, dem angegriffenen Artikel komme lediglich regionale Bedeutung zu. Az.: 9 0 6183/03.
Veröffentlicht wurde dieser Beschluss bereits im neuesten Heft, 8/9-2003, der Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZUM.
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