Während der Woche konzentrieren wir uns für unsere Zielgruppe auf das Recht in Wirtschaft und Gesellschaft; am Wochenende auf Unwirtschaftliches bis hin zum Humor. Material finden Sie demnach inbesondere für das Presse-, Äußerungs-, Marken-, Wettbewerbs-, Urheber-, Verkehrsauffassungs-, Forschungs-, Datenschutz-, Nachbarrecht sowie zur Kanzleiorganisation. Humor und Witze würden zwar schon heute Stoff für ein Buch "15 Jahre Humor" bieten, sind jedoch nur zu einem geringen Teil suchfunktionsfähig verfasst.

Im neuen Heft des Magazindienst 10/2003 wird ein Urteil des Landgerichts Hamburg zur Irreführung mit der Bezeichnung „Lifting Tagescreme” veröffentlicht. Das Gericht nimmt schlechthin an (Hervorhebungen stets von uns):
„Der Verkehr erwartet sowohl aufgrund der Bezeichnung als 'N. Lift- Lifting Tagescreme' als auch aufgrund der Werbeaussagen zu b 2)-5) eine dauerhafte Wirkung vergleichbar der eines operativen Lifting.” Az.: 312 0 209/03.
Nach den veröffentlichten Urteilsgründen ist anzunehmen, dass dem Gericht und den beteiligten Anwälten die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesgerichtshofs und des OLG Hamburg bei der Entscheidung nicht präsent war.
Der EuGH tendiert in die Gegenrichtung. In seinem Urteil vom 13.1.2000 formuliert er:
„Es ist vor allem zu prüfen, ob ...Eigenheiten es rechtfertigen können, dass das für eine Hautstraffungscreme verwendete Wort 'Lifting' von den deutschen Verbrauchern anders verstanden wird als von den Verbrauchern in anderen Mitgliedsstaaten....Wenn auch auf den ersten Blick wenig dafür spricht, dass ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher erwartet, dass eine Creme, deren Bezeichnung das Wort 'Lifting' enthält, dauerhafte Wirkung hat, so ist es doch Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte zu prüfen, wie es sich im vorliegenden Fall verhält.” Rs. C-220/98 Estée Lauder Cosmetics GmbH & Co. OHG/Lancaster Group GmbH.
Der BGH lässt in einem Urteil vom 12.12.1996, I ZR 7/94, offen, ob die vom OLG Hamburg - gegen die vom LG Hamburg vertretene - Sachverhaltsannahme zutrifft. Der BGH führt nämlich in Bezug auf das vom LG Hamburg unterstellte Sprachverständnis aus:
„....Urteil des OLG Hamburg (WRP 1988, 411 f.)...Dort stellte sich die vom Tatrichter verneinte (sic!) - Frage, ob mit der Bezeichnung 'Antifalten-Creme' die Erwartung einer vollständigen Verhinderung bzw. Beseitigung von Falten verbunden ist. Um ein auf eine vollkommene Faltenbeseitigung gerichtetes Verkehrsverständnis geht es vorliegend indessen nicht.”

Gestern schon haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass das Kammergericht in Berlin zu Lärmstörungen nicht so urteilt, wie es nach unseren Erfahrungen die meisten Mieter erwarten. Auch wenn Sie nicht in Berlin wohnen, müssen Sie damit rechnen, dass das für Sie zuständige Gericht genauso entscheiden wird. In dem vom KG entschiedenen Fall hat der Mieter, um die Lärm- und Staubbelästigungen beweisen zu können, immerhin ein Protokoll geführt. Dem KG reichte dieses Protokoll jedoch nicht:
„Entscheidend ist, dass das Maß und die Intensität der Störungen nur subjektiv wiedergegeben sind. So lassen sich diesbezüglich aus den Bemerkungen 'extremer', 'üblicher', 'andauernder', 'nervender' Baulärm auf die Intensität des Lärms keine sicheren Schlüsse ziehen....Zudem fehlen auch insoweit Schallmessungen, die allein geeignet wären, bloß subjektive Beurteilungen derartiger Lärmbelästigungen auszuschließen.”
Az.: 8 U 74/01.

Wenn ein Urteil des Kammergerichts Schule macht, werden viele lärmgeplagte Mieter die Rechtsprechung nicht mehr verstehen. Das in Berlin angesiedelte KG lehnt eine Mietminderung ab, wenn bei Abschluss des Mietvertrages erkennbar war, dass Baulärm auftreten kann. Bei der Frage, ob die Lärmbelästigung vorhersehbar war, verlangt das KG viel Weitsicht und Misstrauen. Das Gericht meint für den von ihm entschiedenen Fall::
„Es handelt sich bei der Umgebung des Mietobjekts nicht um ein Neubaugebiet, so dass im Hinblick auf die ältere Bausubstanz jederzeit mit baulichen Veränderungen und Reparaturen zu rechnen war. Das trifft insbesondere auf die am Nachbargrundstück vorgenommene Fassadenerneuerung zu.”
Az.: 8 U 74/01. Es besteht die Gefahr, dass dieser Gedanke auch auf andere Ansprüche ausgedehnt wird; zum Beispiel auf Schadensersatzansprüche.
Helfen können Sie sich, indem Sie sich bei Abschluss des Mietvertrages absichern. Legen Sie, ehe Sie unterschreiben, bei „Sonstige Vereinbarungen” fest, was bei Baulärm gelten soll.

Die Leitsätze lesen sich immer ganz vernünftig. Aber angewandt werden sie sehr eng. Jüngstes Beispiel: ein Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig. Az.: 4 U 84/97; Vorinstanz LG Lübeck Az.: 9 0 242/96.
Das OLG Schleswig bejaht zwar, wie andere auch, „eine Aufklärungspflicht, wenn zu Lasten einer Partei ein Informationsgefälle besteht und ausdrücklich nach bestimmten Umständen gefragt wird”. Das OLG betont auch, dass bei einem solchen Informationsgefälle „die Fragen des anderen Teils vollständig und richtig beantwortet werden müssen”. Aber:
Ob der nach diesem Grundsatz Verpflichtete arglistig getäuscht hat, verneinte das Gericht dann doch. Die Käufer hatten ausdrücklich nach Geruchsbelästigungen gefragt. Die Verkäuferin antwortete, dass es 2-3-mal im Jahr dann stinke, wenn Gülle gefahren werde. Geruchsbelästigungen durch einen ca. 80 Meter entfernten Schweinemastbetrieb erwähnte die Verkäuferin nicht. Die Urteilsbegründung:
„Für Arglist genügt zwar ein bedingter Vorsatz, zu diesem Vorsatz genügt jedoch auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit. Im Hinblick darauf, dass Geruchsbelästigungen ohnehin nur sehr schwer messbar sind und das Ausmaß der Beeinträchtigung - je nach subjektiver Empfindlichkeit - unterschiedlich ausfallen kann, sieht der Senat als unterste Schwelle für eine Aufklärungspflicht ein Überschreiten der Duldungspflicht gem. § 906 Abs.1 und 2 BGB an.”
Diese „Schwelle” entspricht nach unseren Erfahrungen bei weitem nicht dem, was die Verkehrsbeteiligten als richtig ansehen.
Deshalb erneut: Sichern Sie sich schriftlich, möglichst notariell ab. Lesen Sie zu diesem Thema bitte auch in dieser Rubrik unsere Eintragung vom 14. April dieses Jahres nach.

Das Kammergericht untersagte diese Werbung einer Abonnementzeitung als irreführend. Die angeblich günstigste Abonnementzeitung Berlins erscheint sechsmal, eine andere sieben Mal wöchentlich.
„Eine solche Angabe bezieht sich nicht allein auf den Preis in absoluten Zahlen, sondern umfasst das Element der Preiswürdigkeit. Dieses Element kann jedoch umfassend nur beurteilt werden, wenn ersichtlich ist, ob das Abonnement auch eine Sonntagszeitung erfasst oder aber nicht.” Az.: 5 U 272/02.
Anmerkung: Umgerechnet auf den Tagespreis war die angeblich „günstigste Abonnementzeitung Berlins” mit 61,5 Cent „ungünstiger” als die Konkurrenz mit 57 Cent. Aus dem Urteil ergibt sich nicht eindeutig, ob das Brliner Gericht bei anderen Zahlen anders entschieden hätte. Wohl nicht:
Außer dem aus dem oben zitierten Satz spricht für diese Interpretation, dass das Gericht einleitend zustimmend Köhler/Piper zitiert: „Nicht objektiv bzw. irreführend kann ein Preisvergleich dann sein, wenn sich die preisrelevanten Konditionen der Wettbewerber unterscheiden und auf diese Unterschiede nicht deutlich und unmissverständlich hingewiesen wird”.
Das Urteil geht auch nicht darauf ein, ob der Begriff von den Werbeadressaten überhaupt in einem weiteren Sinne verstanden wird. Das Kammergericht fragte sich ebenso nicht, ob mit diesem Slogan eine Meinung geäußert und - anders als vom Gericht unterstellt - gar keine Tatsache behauptet wird.

Wer zur Unterlassung verurteilt worden ist, oder wer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, muss nur dann ein Ordnungsgeld oder eine Vertragsstrafe zahlen, wenn er schuldhaft das Verbot verletzt. Diese Rechtslage kennt jeder Medien- und jeder Wettbewerbsrechtler.
Das Oberlandesgericht Hamburg hat zum Verschulden entschieden:
„Der Schuldner eines derartigen Verbots ist zumindes nicht verpflichtet, einen ihm verbotenen Begriff als Suchbegriff bei sämtlichen Suchmaschinen einzugeben, um nach verbotenen Verwendungen zu suchen und/oder die Betreiber von Suchmaschinen ohne konkrete Anhaltspunkte anzuschreiben, um sie zu veranlassen, dass bei Eingabe des umstrittenen Suchbegriffs seine Seite nicht mehr aus dem Server der Suchmaschine aufgerufen werden kann. Schon angesichts der Vielzahl der Suchmaschinen ist das für ihn unzumutbar. Nach vollständiger Löschung seiner Seite, wie hier, darf sich der Schuldner vielmehr grundsätzlich auf eine regelmäßige Aktualisierung der Datenbanken verlassen und muss nicht damit rechnen, dass eine von ihm bereits gelöschte Seite sich für längere Zeit weiterhin im Speicher eines dritten Servers befindet und von dort noch aufgerufen werden kann.” Hervorhebungen von uns. Az.: 3 W 60/02.
Anmerkung: Gegenwärtig werden Dienste aufgebaut, die systematisch archivieren und ältere Texte zur Verfügung stellen. Bei ihnen kann sich der Verpflichtete nicht auf eine Löschung durch Aktualisierung verlassen. Wir erwarten, dass zu solchen Diensten die Rechtsprechung differenzieren wird. Zu untersagten Diskriminierungen und Reszialisierungsgeboten wird sich der Verpflichtete auf jeden Fall an diese Archivdienste wenden müssen. Daneben eröffnen sich für diese Dienste Haftungsgefahren.
Das neue Heft (8/9) des Rechtsprechungsdienstes der Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht führt dieses Urteil des OLG Hamburg unter einem anderen Aspekt auf, nämlich: Es wird nicht vermutet, dass der zur Unterlassung Verpflichtete die Seite nicht gelöscht hat.

Abgesehen davon, dass über die Verfügung des Landgerichts Berlin erst noch in zweiter Instanz und eventuell in einem Hauptsacheverfahren verhandelt werden muss:
Die einstweilige Verfügung wird in dem uns gestern zugestellten Urteil im Kern damit begründet, eine „vertraute Begleitung” sei nicht nachgewiesen. Dieses Urteil betrifft das mittlerweile bekannte Foto vom Trödelmarkt, das erstmals in BUNTE 28/2003 publiziert worden ist.
Nun aber wurde schon vor einer Woche in der Presse - bislang unwidersprochen - über einen gemeinsamen Urlaub sowie darüber berichtet , dass die Begleiterin beim beliebtesten deutschen Politiker eingezogen ist.
Demnach lässt sich heute auf jeden Fall nicht mehr annehmen, „die Neue” begleite den Außenminister und Vizekanzler nicht vertraut. Schon das Foto spricht für sich. Ausgesucht hat BUNTE ein Foto von einem Spaziergang auf einer belebten Strasse, also, wie die Juristen sagen, aus der Sozialsphäre. Es zeigt, wie ganz und gar vertraut die beiden sind, und es bringt zum Ausdruck, was Eva Kohlrusch, ebenfalls in BUNTE 40/2003, schreibt: „Keiner zieht so unbeirrbare Sympathie auf sich wie der Grüne”.
In Urteilen ausgedrückt: Es greift zugunsten BUNTE die vom Bundesgerichtshof am 19. 12. 1995 sowie vom Bundesverfassungsgericht am 15. 12. 1999 und am 26. April 2001 grundsätzlich bestätigte Begleiter-Rechtsprechung, die mit einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg „Roy Black mit vertrauter Begleitung” am 13. 7. 1989 eingeleitet worden ist.
Ob zusätzlich zu fordern ist, dass ein zeitgeschichtliches Ereignis bebildert wird, kann dahinstehen. Wie die Resonanz in allen Medien eindrucksvoll beweist, sind die Scheidung der vierten Ehe des Vizekanzlers und seine neue Bindung selbstverständlich ein Ereignis.

So betitelt die heute neu erscheinende Ausgabe - 40/2003 - der FREIZEIT REVUE das Rechtsthema der Woche. Weitere Informationen zum Thema finden Sie in dem von uns rechtlich betreuten FREIZEIT REVUE Ratgeber Recht.

Hier können Sie den Bericht über das von der dpa mit RA Schweizer geführte Gesprach zur Einschränkung der Pressefreiheit durch die Europäische Union nachlesen. Die Presse soll zensiert werden, indem die weitreichenden Werbeverbote unmittelbar auch für redaktionelle Beitäge anzuwenden sind.

Das Oberlandesgericht Köln hat die Reihe von Entscheidungen zum Plagiatsvowurf bereichert. Az.: 6 W 108/01. Ältere Entscheidungen finden Sie hier in unserem Internetauftritt mit „Suche” unter „Plagiat”.
Zunächst legt das Urteil dar, dass ermittelt werden muss, ob der Begriff technisch oder alltagssprachlich verwendet worden ist:
„Denn selbst exakt definierten Rechtsbegriffen kann im alltaglichen Sprachgebrauch eine abweichende Bedeutung zugewiesen werden (z.B. 'Eigentum'; 'Besitz'; 'Leihe'; 'Nötigung' usw.). Werden solche Begriffe in der öffentlichen Auseinandersetzung verwendet, kann ihnen daher nicht ohne weiteres der fachlich-technische Sinngehalt entnommen werden, sondern muss je nach den Umständen ermittelt werden, ob eine 'technische' oder 'alltagssprachliche' Begriffsverwendung vorliegt.”
Fachlich-technisch bedeutet Plagiat - so das Gericht - „Diebstahl geistigen Eigentums bzw. bewusste - vollständige oder teilweise - Anregung einer fremden, in aller Regel urheberrechtlich geschützten Vorlage.”
Alltagssprachlich wird der Begriff - urteilte das Gericht weiter - „unspezifisch als Nachahmung einer fremden Leistung/eines fremden Vorbilds verwendet”.
Im entschiedenen Fall nahm das Gericht an, der Begriff sei alltagssprachlich verwendet worden, als Meinungsäußerung zu verstehen und anders als andere Meinungsäußerungen rechtmäßig gewesen.