Am 24. Juli haben wir in dieser Rubrik über ein Urteil des Landgerichts Münster berichtet, das einen Autor sehr großzügig gegen Ansprüche wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Romanfiguren schützte.
Ganz anders hat nun das Landgericht München I entschieden. Az.: 9 0 3969/03.
Es hat die „Erkennbarkeit” im Ergebnis weit strenger beurteilt. Wörtlich:

„Es mag durchaus zutreffend sein, dass die familiären Verhältnisse und Beziehungen der Klägerin nur ihrem näheren Umfeld bekannt sind und eine Identifizierung durch Dritte allein deswegen nicht wahrscheinlich erscheint. Etwas anderes gilt aber hinsichtlich der Schilderung der Hauptfigur des Romans und ihrer Mutter als Preisträgerinnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes reicht es aus, wenn der Betroffene begründeten Anlass hat anzunehmen, er werde erkannt. Davon kann vorliegend ausgegangen werden: Die Verleihung des Bundesfilmpreises an eine 17-jährige Türkin sowie des alternativen Nobelpreises, ebenfalls an eine Türkin, sind Vorgänge, die, auch wenn sie bereits einige Zeit zurückliegen, durchaus die Annahme begründen können, dass Dritte, auch wenn sie nicht aus dem engeren Umfeld der Klägerinnen stammen, sich daran erinnern und einen Bezug zu den Klägerinnen herstellen.”

Dementsprechend bejahte das LG München I, dass der Roman Persönlichkeitsrechte schwerwiegend verletzt und verfügte, dass das Buch nicht veröffentlicht und nicht vertrieben werden darf.

Anmerkung für die Studierenden: Wer die beiden Entscheidungen auf den Dezisionismus hin studiert, dem wird zum Gutdünken der beteiligten Richter auffallen: Das LG Münster war gegenüber der Person des betroffenen Klägers ersichtlich sehr kritisch eingestellt. In München verhielt es sich umgekehrt. Nebenbei bemerkte das LG München I - insoweit die Gefühle aufdeckend: „Nach dem nicht bestrittenen Sachvortrag der Klagepartei ist der Tochter und Enkeltochter der beiden Klägerinnen darüber hinaus das Ausmaß ihrer Erkrankung nicht bekannt...Die Erörterung der Erkrankung, noch dazu schweren Erkrankung, hat nichts in der Öffentlichkeit zu suchen.”