Während der Woche konzentrieren wir uns für unsere Zielgruppe auf das Recht in Wirtschaft und Gesellschaft; am Wochenende auf Unwirtschaftliches bis hin zum Humor. Material finden Sie demnach inbesondere für das Presse-, Äußerungs-, Marken-, Wettbewerbs-, Urheber-, Verkehrsauffassungs-, Forschungs-, Datenschutz-, Nachbarrecht sowie zur Kanzleiorganisation. Humor und Witze würden zwar schon heute Stoff für ein Buch "15 Jahre Humor" bieten, sind jedoch nur zu einem geringen Teil suchfunktionsfähig verfasst.

Die "neue woche” hat nun auch in der zweiten Instanz ein Gegendarstellungsverfahren gewonnen. Geschrieben hatte die „neue Woche”, ohne dabei zu zitieren:
„... [Name einer Schauspielerin]: Mama hat meine erste Liebe zerstört
Zu dieser Äußerung wollte die Schauspielerin gegendarstellen:
Zu keinem Zeitpunkt habe ich einen derartigen Vorwurf gegenüber meiner Mutter erheben. Diese Aussage stammt auch nicht von mir.”
Das Oberlandesgericht Karlsruhe, 14. Zivilsenat in Freiburg, hat geurteilt:
Eine verdeckte Äußerung mit dem in der beantragten Gegendarstellung genannten Inhalt ist in der Erstmitteilung jedoch nicht enthalten. ... Die Auffassung der Klägerin, wonach das Erheben von Vorwürfen gegenüber jemandem 'sowohl äußerlich wie auch innerlich geschehen kann', ist falsch. Es entspricht vielmehr allgemeinem Sprachgebrauch, den Begriff 'einen Vorwurf erheben' ausschließlich in dem Sinne zu verwenden, dass der Vorwurf nach außen erkennbar zum Ausdruck gebracht wird ... Für Verhaltensweisen, bei denen ein Vorwurf nicht geäußert wird, werden dagegen Formulierungen wie 'Verübeln', 'Nachtragen', 'böse sein', ärgerlich sein' usw. verwendet.”
Hier können Sie im Urteil des OLG Karlsruhe, Az. 14 U 140/06, alle Details nachlesen und hier unseren Bericht zum erstinstanzlichen Urteil - LG Offenburg, Az.: 3 0 225/06.

Die Diskussion um das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, Rechtssache C 380/03, vom 12. Dezember 2006 wird erst noch so richtig beginnen. Die EU ist nach diesem Urteil grundsätzlich stets zuständig, wenn der Wettbewerb verzerrt ist. Verzerrt ist der Wettbewerb schon dann, wenn in einem Land für ein Produkt wie Tabakerzeugnisse geworben werden darf und in einem anderen dagegen nicht. Sachlich betrifft das Urteil mittelbar grundsätzlich alle Wirtschaftsbereiche.
Eingeschränkt hat das Urteil aber immerhin insoweit:
Das in der EU-Richtlinie festgelegte Verbot der - so der Text der Richtlinie - „Kommunikation mit der direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Tabakerzeugnisses zu fördern” gilt nicht für Redaktionen. Im Einzelnen:
1. Das Urteil legt dar, die Bundesregierung habe vorgetragen, der Wortlaut des Verbots sei so weit gefasst, „dass selbst redaktionelle Beiträge von Journalisten über bestimmte mit der Herstellung oder dem Vertrieb von Tabakerzeugnissen zusammenhängenden Sachverhalte unter dieses Verbot fallen könnten”; siehe bei Randnummer 132 des Urteils.
2. Anschließend, in Rn 141, weist der EuGH darauf hin, das Parlament, der Rat und ihre Streithelfer hielten der Bundesregierung jedoch entgegen, dass „die Artikel 3 und 4 der Richtlinie keinen Einfluss auf redektionelle Beiträge von Journalisten hätten”.
3. Unter der Überschrift: „Würdigung durch den Gerichtshof” urteilt der EuGH In Rn 156 schließlich, wenn auch nur kurz:
„... bleibt die Freiheit der journalistischen Meinungsäußerung als solche unberührt und redaktionelle Beiträge der Journalisten wären folglich nicht betroffen”.

So betitelt die neue Ausgabe - 51/2006 - der FREIZEIT REVUE das Rechtsthema der Woche. Weitere Informationen zum Thema finden Sie im FREIZEIT REVUE Ratgeber Recht.

Gewonnen hat die Zeitschrift TV Spielfilm, die kritisiert hatte:
„... Kommt uns bekannt vor: Drehbuchautor ... ließ sich offenbar von '21 Gramm', dem US-Hit mit Sean Penn und Naomi Watts, inspirieren. So unrühmlich dieser Ideenklau auch sein mag ...”
Gleich anschließend, vor der Wertung, fügte TV Spielfilm hinzu:
„Gut geklaut ist halb gewonnen.”
Der Regisseur klagte auf Widerruf, hilfsweise Richtigstellung sowie auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens.
Das Landgericht Berlin wies sämtliche Anträge ab. Die Begründung:
Die Anträge scheitern daran, „dass es sich bei der beanstandeten Äußerung ... in ihrem Kontext insgesamt um eine Meinungsäußerung handelt und von der Richtigkeit des der Meinungsäußerung zugrunde liegenden Tatsachenkerns auszugehen ist. Die Äußerung findet sich im Zusammenhang mit einer Filmkritik. ... Der Kritiker stellt, wie er auch durch 'offenbar' unterstreicht, erkennbar gerade nicht eine Tatsachenbehauptung dahingehend auf, dass der Kläger die Idee tatsächlich in dem Sinne 'geklaut' habe, dass er den Film '21 Gramm' also geradezu bewusst 'kopiert' habe, sondern er mutmaßt ('offenbar') lediglich eine 'Inspiration' und legt offen, wie er zu dieser Mutmaßung gelangt ist. ... Der auf die Mutmaßung einer 'Inspiration' folgende Satz ... stellt keine eigenständige Tatsachenbehauptung auf, weil eindeutig auf die 'offenbare' (also vermutete, gemeinte, angenommene) 'Inspiration', die Gegenstand des vorangegangenen Satzes war, Bezug genommen wird, die der Kritiker den Parallelen beider Filme entnommen hat. ... Bei der Äußerung handelt es sich nicht um eine Schmähkritik ...”
Hervorgehoben haben wir. Hier können Sie alle Einzelheiten im Urteil des Landgerichts Berlin, Az.: 27 0 745/06, nachlesen.

Gestritten wurde vor einer Gutachterkommission darüber, ob ein Sachverständiger aufgrund einiger vorangehender Umstände befangen ist oder nicht. Die Antragstellerin verband ihr Befangeneheitsgesuch mit „nicht unerheblichen Vorwürfen”. Der Sachverständige nahm ausführlich schriftlich Stellung und erklärte zuletzt, die Antragstellerin habe „erhebliche Wahrnehmungsstörungen”.
Die betroffene Antragstellerin klagte auf Widerruf nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Das Landgericht Bonn, Az.: 9 0 31/05, wies die Klage ab. Die Begründung:
„Im vorliegenden Fall liegt eine Meinungsäußerung vor, die von dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 I GG gedeckt ist und keine Schmähkritik darstellt. ... Ein Tatsachengehalt, der dem Beweis zugänglich wäre, ist insoweit nicht erkennbar. ... Auch wenn die Äußerung als pauschale Wertung der Sachlichkeit entbehrte, war sie auf Grund der erhobenen Vorwürfe, der sich der Bekl. durch die Kl. zu Unrecht ausgesetzt sah, von Art. 5 GG gedeckt und zwar im Rahmen einer legitimen Verteidigung und in Wahrnehmung seiner Interessen in einem gegen ihn gerichteten Verfahren; es gelten insoweit keine anderen Grundsätze wie in einem Rechtsstreit (Prozess), in dem der Beschuldigte seine Rechte und Interessen ungehindert wahrnehmen und sich verteidigen darf ...”.

„Die Parteien waren einmal Gemeinschaften von Entschlossenen ... Diese Gemeinschaften sind perdu. Letztlich wird die Politik in Deutschland - Regierung und Opposition zusammengenommen - bestenfalls von 20 Leuten wirklich bestimmt. Das sind weniger, als die untergegangenen Zentralkomitees des Ostens im Einzelfall Mitglieder hatten. ... Die Parteien haben sich die Abgeordneten zu Eigen gemacht, sie haben sie entmündigt - und damit auch das Volk, das keine andere Möglichkeit zum Eingreifen hat ...”.

Ein äußerst wichtiges Urteil des Landgerichts München I, Az.: 33 0 11693/06, verdient, weitreichend beachtet zu werden. FOCUS MONEY hat dieses - noch nicht rechtskräftige - Urteil für alle Medien und mittelbar auch für alle Forscher erstritten. Der entscheidende Sachverhalt:
Aus der e-mail mit Anlagen geht klar hervor, dass es der Beklagten [Anmerkung: gemeint ist die Focus Magazin Verlag GmbH] um die Gewinnung von Umfrageergebnissen ging, die ... präsentiert werden sollten. ... Entgegen der Auffassung des Klägers war auch das Ziel der Informationsbeschaffung nicht vorgeschoben, so dass es sich um eine 'verkappte Werbung' handeln würde.”
Die wichtigsten rechtlichen Aspekte:
1. „Es liegt keine Werbung vor. Die streitgegenständliche e-mail diente weder unmittelbar noch mittelbar der Absatzförderung der Produkte der Beklagten.”
2. „Jedenfalls liegt keine Widerrechtlichkeit i.S.d. § 823 I BGB vor. Eine vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Beklagten an der Zusendung der streitigen e-mail überwiegt. ... Würde man in der Zusendung jeder Umfrage-, oder überhaupt jeder e-Mail einer Redaktion einen rechtswidrigen Eingriff i.S.d. § 823 I BGB sehen, wäre der Presse die Informationsbeschaffungsmöglichkeit über das Internet fast völlig verwehrt.
Der Grundgedanke dieser Entscheidung trifft auch zu, wenn ein Institut per e-mail forscht; - erst recht, wenn ein Forschungsinstitut für einen Verlag repräsentativ umfragt. Auch für die gegenwärtig laufenden Auseinandersetzungen um die telefonische Marktforschung gewinnt die Begründung dieses Urteils grundlegende Bedeutung. Hinweise zu diesen Auseinandersetzungen finden Sie, wenn Sie bitte links in die Suchfunktion „telefonische Marktforschung” eingeben.

Eine Zeitschrift hatte (wahrheitsgemäß) über eine Beerdigung berichtet und ein Foto des Klägers publiziert, das ihn gemeinsam mit seiner Begleiterin, einer besonders bekannten Sportlerin, zeigt.
Der Verlag gab nur zum Text eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, nicht jedoch zur Bildpublikation. Die anwaltliche Kostennote beglich der Verlag insgesamt nicht.
Das Landgericht Hamburg stellte - in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil mit dem Az.: 324 0 589/06 unter Hinweis auf das Schrifttum den Leitsatz voran:
Trauerfeiern sind regelmäßig der Privatsphäre zuzuordnen; die Angehörigen haben einen Anspruch darauf, dass ihre Trauer respektiert und nicht zum Gegenstand öffentlicher Berichterstattung gemacht wird.
Rechtswidrig ist nach dem Urteil grundsätzlich auch, über Einzelheiten zur Organisation zu berichten, - wie zum Beispiel darüber, wer das Grab ausgesucht hat.
Dennoch hatte die Klage nur - vgl. die Kostenverteilung - zu 4 % Erfolg. Das Gericht hat nämlich einen Anspruch auf eine Geldentschädigung abgelehnt. Vor allem deshalb:
„Der Kläger wird auf dem Foto nicht nur nicht in abträglicher Weise abgebildet, sondern darüber hinaus nicht in einem für Dritte deutlich sichtbaren Moment der Trauer. ... Es kommt außerdem hinzu, dass der Kläger auf dem Weg zur Grabstätte oder von dieser zurück gezeigt wird und nicht etwa an der Grabstätte selbst. ... Der Kläger ist in seinem Recht am eigenen Bild nicht derart schwer verletzt worden, dass die Zubilligung einer Geldentschädigung unabdingbar erforderlich wäre.”

Vor kaum zwei Monaten haben wir an dieser Stelle mit einem Hinweis auf den BGH-Beschluss Az.: XII ZB 103/06 getitelt:
„Anwälte müssen damit rechnen, dass ihre Mitarbeiterin vergisst, am nächsten Tag einen Schriftsatz einzuwerfen.”
Nun liegt ein weiterer Beschluss des BGH zu dem Fall vor, dass eine Mitarbeiterin, anders als von ihr zugesagt, am nächsten Tag einen Schriftsatz nicht bei Gericht einreichte und deshalb die Frist verstrichen ist. Wieder musste der BGH beurteilen, ob der Wiedereinsetzungsantrag begründet ist. Dieses Mal hat der BGH ein Organisationsverschulden verneint und den Rechtsstreit wieder eingesetzt.
Hier können Sie den Beschluss Az. XII ZB 103/06 und hier den neuen Beschluss Az.: XI ZB 16/06 nachlesen.
Ist der Unterschied darin begründet, dass das eine Mal der XII. Zivilsenat und nun der XI. Zivilsenat entschieden hat?
Nein. Im zweiten Fall hat die Mitarbeiterin am nächsten Tag der Prozessbevollmächtigten, ihrer Chefin, auf deren Frage bestätigt, sie habe die Post bei Gericht abgegeben. Im ersten Fall hatte der BGH dagegen eine Nachfrage der Prozessbevollmächtigten vermisst.

Der Senat für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs hat vorgestern beschlossen, dass das verkrustete Auswahlsystem bestehen bleiben soll. Vor dem Bundesgerichtshof darf als Rechtsanwalt nach wie vor nur auftreten, wer die folgenden althergebrachten Bewerbungsstationen durchlaufen hat:
1. Der RA muss als erstes von der örtlichen Rechtsanwaltskammer benannt werden. Um es dahin zu bringen, muss sich der Anwalt erfahrungsgemäß schon gut in das System eingefügt haben.
2. Aus den von den örtlichen Rechtsanwaltskammern benannten Kandidaten wählen die Bundesrechtsanwaltskammer und die Rechtsanwaltskammer beim Bundesgerichtshof einige aus. Jemand, der nicht ins System passt, oder gar ein „junger Wilder” wird jedenfalls spätestens in dieser Stufe ausscheiden. Wer denkt, wenigstens hier sei dann genug konventionell „ausgesiebt” worden, täuscht sich.
3. Nun ist der Wahlausschuss für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof an der Reihe. Das System kann also weiter aussondern.
4. Anschließend entscheidet und ernennt das Bundesjustizministerium der Justiz die neuen BGH-Anwälte. Das Bundesjustizministerium kann zusätzlich darauf achten, dass für „Kontinuität” gesorgt ist. Dem Bundesjustizministerium werden nämlich vom Wahlausschuss für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof doppelt so viele Bewerber vorgeschlagen wie Anwälte zu ernennen sind.
Womit wird dieses System offiziell gerechtfertigt? Es soll sichergestellt werden, dass die Fragen, die der Bundesgerichtshof wegen ihrer grundsätlichen Bedeutung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts zu entscheiden hat, durch einen besonders qualifizierten Rechtsanwalt aufbereitet werden.
Finden ließen sich mindestens 1.000 entsprechend qualifizierte Anwälte; - oft mit größeren Spezialerfahrungen, Anwälte mit neuen Ideen und interdisziplinären Kenntnissen für eine neue Zeit. Eine Gegenprobe: Wo finden sich die BGH-Anwälte in den Rankings der am meisten empfohlenen Rechtsanwälte? Der Verfasser dieser Zeilen ist nicht fündig geworden.
Die Gruppe der hoch qualifizierten Anwälte wäre auch durchaus ohne Weiteres in der Lage, das spezielle Revisionsverfahrensrecht zu beherrschen.
Wie soll sich unter all diesen Umständen der geschlossene Zirkel mit dem heutigen konventionellen Auswahlsystem und der Beschränkung der Berufsfreiheit der Rechtsanwälte noch rechtfertigen lassen?
Der Beschluss - AnwZ 2/06 - wurde noch nicht im Volltext bekannt gegeben. Nur eine Mitteilung der Pressestelle Nr. 171/2006 liegt vor.