Während der Woche konzentrieren wir uns für unsere Zielgruppe auf das Recht in Wirtschaft und Gesellschaft; am Wochenende auf Unwirtschaftliches bis hin zum Humor. Material finden Sie demnach inbesondere für das Presse-, Äußerungs-, Marken-, Wettbewerbs-, Urheber-, Verkehrsauffassungs-, Forschungs-, Datenschutz-, Nachbarrecht sowie zur Kanzleiorganisation. Humor und Witze würden zwar schon heute Stoff für ein Buch "15 Jahre Humor" bieten, sind jedoch nur zu einem geringen Teil suchfunktionsfähig verfasst.

Wir berichteten am 15. April dieses Jahres über ein Urteil des OLG Stuttgart zu der Frage, wie bei einer teilweise berechtigten Abmahnung kostenmäßig zu verfahren ist. Das OLG Stuttgart hatte damals sinngemäß geurteilt, dass der Abmahnende grundsätzlich übers Ziel hinausschießen dürfe, ohne seinen Kostenerstattungsanspruch zu verlieren; der Kostenerstattungsanspruch berechne sich aus einem (nach unten) korrigierten Streitwert.
Dem folgte der BGH (Az.: I ZR 149/07) nun in einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit nicht.

Es „sind die Kosten einer nur teilweise berechtigten Abmahnung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nur zu ersetzen, soweit die Abmahnung berechtigt war. Dabei ist die Höhe des Ersatzanspruchs nach dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils der Abmahnung zum Gegenstandswert der gesamten Abmahnung zu bestimmen.“
Im konkreten Fall bedeutete dies:
„Die Abmahnung der Klägerin war - ... - nur wegen zwei der drei von ihr beanstandeten Werbeaussagen ... begründet. ... Den Gegenstandswert der drei Unterlassungsansprüche hat die Klägerin gleich bewertet. Von den geltend gemachten Abmahnkosten in Höhe von 1.030,25 € entfallen demnach 2/3 - also 688,83 € - auf die begründeten Unterlassungsansprüche.“
Anmerkungen:
1. Der BGH verlagert somit das Kostenrisiko auf den abmahnenden Konkurrenten, wenn die Abmahnung zu weit gefasst ist. Zwar schuldet der Unterlassungsgläubiger nach wie vor den Teil, den er aufgrund des Rechtsverstoßes schuldet. Jedoch wird der Unterlassungsschuldner - anders als bei einer Korrektur des Streitwertes - in der Gebühr nicht einseitig belastet. Bei dem oben aufgeführten Beispiel wäre bei einem korrigierten Streitwert der Schuldner ca. € 90 höher belastet worden.
2. Berechnung durch Verband
Der BGH unterscheidet zwischen der Abmahnung durch einen Verband und der Abmahnung durch einen Konkurrenten. Dem Verband soll die Abmahnkostenpauschale auch dann in voller Höhe zustehen, wenn die Abmahnung nur teilweise berechtigt ist. Der Verband, so der BGH, sei gesondert zu behandeln, da seine Pauschale sich nach den Kosten des Verbandes richte, daher auch bei einer nur teilweise berechtigten Abmahnung in voller Höhe anfalle und deshalb auch in voller Höhe zu erstatten sei.

Das OLG Hamburg (Az.: 5 U 43/08) befasste sich mit vorformulierten Einverständniserklärungen im Zusammenhang mit einem Internet-Gewinnspiel (bspw. unter www.[Name einer Inselgruppe]-flug.de) und bewertete sie als nicht mit den OLG Köln in seinem Urteil Az.: 6 U 218/08 entschieden.
Anmerkungen:
Wir berichteten in unserem Beitrag vom 30.07.2010, dass der BGH datenschutzrechtliche Einwilligung in AGB unter Umständen durchaus auch als zulässig ansieht.
Im OLG Hamburg-Fall machte der Verwender zudem drei weitere Fehler, die einer rechtswirksamen Verwendung abträglich waren:
(1). Die Einwilligungsklausel war zeitlich nicht begrenzt. Das Widerrufsrecht reiche bei Gewinnspielen - so das OLG - nicht aus, da beim Verbraucher idR keine Unterlagen verblieben, die einen wirksamen Widerruf ermöglichten.
(2). Die „Einwilligung“, die (wenn auch unwirksam) eingeholt wurde, konnte nicht hinreichend dokumentiert werden. Der Vorgang der Einwilligung muss sich zwanglos aus Unterlagen ergeben, die allesamt vorgelegt werden müssen. Hier hatte der Verwender erhebliche Probleme, diese Unterlagen beweisverwertbar bei Gericht einzureichen.
(3). Anscheinend wurde die Teilnahme am Gewinnspiel an die Werbeeinwilligung gekoppelt, was für die Annahme der „Freiwilligkeit“ der „Einwilligungserklärung“ abträglich ist. Das OLG sah sich veranlasst, hierzu wie folgt Stellung zu nehmen:

„Tatsächlich ist eine derartige Freiheit aber gerade nicht gegeben, weil Einwilligungserklärungen in die Zusendung von Werbung häufig - wie auch vorliegend - (zumindest scheinbar) untrennbar mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel verknüpft werden. Auch der verständige Verbraucher wird hierdurch in eine Zwangslage gebracht, in der er entweder von der gewünschten Teilnahme an dem Gewinnspiel Abstand nehmen oder befürchten muss, sich bei einer Streichung unerwünschter Klauseln um seine Gewinnchancen zu bringen.

„Herr Doktor, mit mir stimmt 'was nicht. Ich renne dauernd hinter jungen Mädchen her”, gesteht der 90-Jährige. Beruhigt der Arzt: „Das ist für einen Mann doch völlig natürlich.” - „Das schon! Aber ich kann mich nicht erinnern, weswegen.”
Aus FREIZEIT REVUE 30/2010

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (siehe Pressemitteilung vom 08.07.2010) hat sich mit der Frage beschäftigt, wie sich das Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Fall "Emmely", siehe Pressemitteilung Nr. 42/10 des BAG vom 10. Juni 2010, 2 AZR 541/09 auf die Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung bei falscher Spesenabrechnung auswirken kann.

Der Fall
Eine Bahnbeschäftigte hatte ihr 40jähriges Dienstjubiläum gefeiert und im Anschluss daran dem Arbeitgeber eine von einer Catering-Firma erhaltene „Gefälligkeitsquittung“ über einen Betrag von 250,00 € für Bewirtungskosten vorgelegt. Für diesen Anlass existierte zwar von Seiten des Arbeitgebers ein Budget von bis zu 250,00 € Tatsächlich beliefen sich die Bewirtungskosten nur auf ca. 90,00 €.

Der Ausweg
Das LAG Berlin-Brandenburg hat einen „Vergleich“ vorgeschlagen, nach dem die Klägerin nach nunmehr einem Jahr seit der fristlosen Kündigung wieder eingestellt werden solle. Das LAG geht von einer auch den Spesenbetrug berührenden Rechtsprechungsänderung durch das BAG-Urteil „Emmely” aus. Das BAG hat die fristlose Kündigung einer Supermarktkassiererin ("Emmely") mit 31 Dienstjahren wegen Unterschlagung von zwei Leergutbons im Wert von 1,30 Euro bekanntlich aufgehoben. Das Vertrauen sei, so das BAG im Fall Emmely, alles gegeneinander abgewogen „nicht vollständig zerstört worden” und die Entlassung deshalb nicht gerechtfertigt gewesen. Es komme nach der BAG-Rechtsprechungsänderung der langjährigen und unbeanstandeten Betriebszugehörigkeit eine sehr hohe Bedeutung zu.
Das LAG stellt zwar klar, dass die Bahnbedienstete - strafrechtlich relevant - grob pflichtwidrig gahandelt habe, so dass ein Kündigungsgrund „an sich“ vorliege. Jedoch komme, so das LAG einschränkend, eben der langjährigen und unbeanstandeten Betriebszugehörigkeit in Anlehnung an „Emmely“ eine sehr hohe Bedeutung zu. Zu Lasten der Arbeitnehmerin falle aber wiederum andererseits ins Gewicht, dass es sich bei dem erschwindelten Betrag um keine "Geringfügigkeit" gehandelt habe. Ferner habe die Klägerin durch die Einreichung der gefälschten Quittung ganz bewusst und geplant betrügerisch gehandelt. Dies deute auf einen erheblichen Unrechtswillen hin.
Sollten die Parteien den Vergleichsvorschlag nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist von vier Wochen annehmen, wird das LAG entscheiden müssen.

Anmerkung:
Die Frage ist, ob der Vergleichsvorschlag die höchstrichterliche „Emmely“-Rechtsprechung unverhältnismäßig ausdehnt, indem es die lange Betriebszugehörigkeit über Gebühr betont. Fest steht jedenfalls immer noch: Trotz „Emmely“ kann nach der BAG-Rechtsprechung ein vorsätzlicher Verstoß eines Arbeitnehmers gegen Vertragspflichten unabhängig von der Schadenshöhe eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Insgesamt braucht man kein Hellseher zu sein, um feststellen zu müssen: Die Gerichte haben nun noch mehr freie Hand, nach der subjektiven Vorstellung des Gerichts zu erklären, bei einer Abwägung aller Umstände im zu entscheidenden Einzelfall sei das Vertrauensverhältnis zerstört oder eben noch „nicht vollständig zerstört worden”. Somit, eine zusätzliche neue Schleuse für den richterlichen Dezisionismus. Siehe zu dieser Problematik links in der Suchfunktion „Dezisionismus”.

Zum Sachverhalt:
Ein Weinhändler hatte in seinem Online-Angebot keine Widerrufsbelehrung angegeben. Zudem rief er potentielle Kunden an, um für seine Produkte zu werben, ohne dass er die Einwilligung der Angerufenen besaß. Die Verbraucherzentrale verlangte Unterlassung und klagte gegen den Weinhändler, wobei sie den Streitwert auf jeweils 30.000,- EUR festsetzte.
Die Entscheidung:
Das Kammergericht (Az.: 5 W 3/10) gab der Klägerin teilweise Recht:
Der Beklagte habe sich rechtswidrig verhalten, weil er es unterlassen habe, in seinem Online-Angebot eine Widerrufsbelehrung anzugeben und zudem unerlaubt telefonisch warb. Das Gericht war der Auffassung, dass die unerlaubte Telefonwerbung einen Streitwert von 30.000,- EUR rechtfertige. Begründung:
„Klagt ein Verbraucherverband auf Unterlassung unerbetener Telefonwerbung, so ist bei der Streitwertbemessung in Rechnung zu stellen, dass ein massiver Angriff auf Verbraucherinteressen in Rede steht, welcher das – auch verfassungsrechtlich - geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Angerufenen und dessen Privatsphäre in schlechterdings nicht hinzunehmender Weise missachtet“ (Leitsatz). Dies beeinträchtige, so das Gericht, den Angerufenen massiv und rechtfertige diesen hohen Streitwert. So heißt es dazu:
„Unter Berücksichtigung alles Vorstehenden rechtfertigt sich im Streitfall - dem klägerischen Interesse an wirklich nachhaltiger Unterbindung dieses Grundübels Rechnung tragend - in der Tat eine Bewertung des ersten Begehrens mit 30.000 €“.” Hinsichtlich der unterbliebenen Widerrufsbelehrung sei, so das Gericht, ein Streitwert von 7.500,- EUR ausreichend und angemessen.
Anmerkung:
Dieses Urteil bildet das Recht zu unerbetener Telefonwerbung fort. Wir haben bereits in anderem Zusammenhang berichtet, so z.B. zu dem Urteil des OLG Köln, nach dem es für die Einwilligung auf den Willen des Anschlussinhabers ankommt, vgl. Mitteilung vom 09.02.2010. Zu dem unsere Mitteilung vom 04.08.2009.

Da es sich um eine fortlaufend auftretende Problematik handelt, stellen wir ausnahmsweise die Sach- und Rechtsproblematik ausführlicher dar.
Im Urteil 4 U 4/10 hatte sich das OLG Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - neben anderem mit der Frage zu befassen, ob ein Zeitschriftenbeitrag in der Rubrik „NaturApotheke“ zu Mangostansaft in erster Instanz zutreffend als unzulässig redaktionelle Werbung beanstandet worden war. Im Beitrag selbst waren als Bezugsquellen „www.mangostangold.de“ und „alle Apotheken“ genannt, Gezahlt wurde nichts.
Das Gericht hat diesen Fall zum Anlass genommen, sich umfassend mit den Rechtsgrenzen redaktioneller Produktberichterstattung mit Bezugsquellennachweis auseinanderzusetzen: Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung streitet bei Handlungen, die geeignet sind, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung für entsprechende Absichten. Wegen der durch OLG München (AfP 1997, S. 930), die in dem dortigen Fall nur deshalb ein Sachverständigengutachten für erforderlich hielt, weil aufgrund einer konkreten Umfrage erhebliche Zweifel an der Einschätzung angebracht waren. Entsprechende Anhaltspunkte für eine Fehleinschätzung bestehen im vorliegenden Fall jedoch nicht.“
Anmerkung
Da beide hier aufgeführten Verfahren von uns geführt wurden, wird es angemessen sein, wenn wir ergänzen:
So wie in dem Rechtsstreit OLG München steht es den Parteien frei, ein Parteigutachten mit einer Umfrage vorzulegen und so beim Gericht die Meinung zum Verkehrsverständnis zu ändern. Siehe dazu die ausführliche Urteilsanmerkung AfP 1997, 931 ff.

Welchem Rechtsanwalt ist noch nicht der Fall begegnet: Das Gericht hätte nach seiner eigenen Rechtsansicht auf entgegenstehende Ausführungen des Rechtsanwalts eingehen müssen, schweigt sich in seiner Entscheidungsbegründung jedoch aus? Was tun? Hier hilft nun ein gestern veröffentlichter Beschluss des Bundesgerichtshofs Az. II ZR 142/09.
Dieser Beschluss hebt ein Berufungsurteil des 18. Zivilsenats des OLG Köln vom 14. Mai 2009 wegen der Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) auf und legt klar dar:
Geht ein Gericht in der Begründung seiner Entscheidung auf den Vortrag einer Partei nicht ein, der für die Beurteilung einer nach seiner eigenen Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Frage von zentraler Bedeutung ist, rechtfertigt dies den Schluss, dass es den Vortrag nicht zur Kenntnis genommen hat. Denn nach Meinung des BGH ist es nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Erkenntnis gelangt wäre, wenn es den übergangenen Vortrag berücksichtigt hätte.

Der Fall:
Ein Journalist hatte in Anlehnung an die „Heuschrecken-Debatte“ um räuberische Investoren die Gruppe der Berufskläger als „Schmeißfliegen“ bezeichnet. Anlass war ein Aufsehen erregendes Urteil, mit dem einer dieser sog. Berufskläger wegen zahlreicher missbräuchlicher Anfechtungsklagen gegen Unternehmen erstmals zu Schadensersatz verurteilt wurde. Einer der Kläger machte seinem Ruf als Berufskläger alle Ehre – und klagte erneut. Diesmal auf eine Geldentschädigung.
Die uns nun zugestellte Entscheidung:
Das Amtsgericht Düsseldorf (Az.: 54 C 984/10) wies die Klage ab. Es sah in der Gruppenbezeichnung, von welcher der Kläger nicht einmal direkt betroffen war, lediglich eine symbolhafte Bezeichnung einer als lästig empfundenen Berufsgruppe und keine Schmähkritik. Das Gericht wörtlich in seiner Urteilsbegründung:
„Vielmehr soll das Symbol der Schmeißfliege eine subjektivierte Versinnbildlichung von Lästigkeit im Sinne von lästig wie die Fliegen darstellen“. Eine Herabsetzung der Person, wie sie für die Annahme der Schmähkritik erforderlich wäre, sei dadurch nicht zu erkennen, so das Gericht weiter. Der Journalist habe seine Äußerung erkennbar in einen Sachzusammenhang zu der Debatte gestellt, in der Franz Müntefering Investoren als „Heuschrecken“ bezeichnet hatte.

So betitelt die neue Ausgabe - 31/2010 - der FREIZEIT REVUE das Rechtsthema der Woche. Weitere Informationen zum Thema finden Sie im FREIZEIT REVUE Ratgeber Recht.

So betitelt die neue Ausgabe - 30/2010 - der FREIZEIT REVUE das Rechtsthema der Woche. Weitere Informationen zum Thema finden Sie im FREIZEIT REVUE Ratgeber Recht.