Während der Woche konzentrieren wir uns für unsere Zielgruppe auf das Recht in Wirtschaft und Gesellschaft; am Wochenende auf Unwirtschaftliches bis hin zum Humor. Material finden Sie demnach inbesondere für das Presse-, Äußerungs-, Marken-, Wettbewerbs-, Urheber-, Verkehrsauffassungs-, Forschungs-, Datenschutz-, Nachbarrecht sowie zur Kanzleiorganisation. Humor und Witze würden zwar schon heute Stoff für ein Buch "15 Jahre Humor" bieten, sind jedoch nur zu einem geringen Teil suchfunktionsfähig verfasst.
Der BGH wendet § 540 des Bürgerlichen Gesetzbuches an. Dieser Paragraph bestimmt, wie ihn das Urteil auslegt, dass ein Mieter seinen neuen Lebensgefährten nur aufnehmen darf, wenn der Vermieter es erlaubt. Nach diesem Gesetzeswortlaut darf der neue Lebensgefährte also grundsätzlich nicht in die gemietete Wohnung mit aufgenommen werden.
Also ganz klar keine Chance für das Paar, wenn sich der Vermieter nicht einverstanden erklärt? Aber: Die Juristen haben so ihre Konstruktionen. Weitab von § 540 tut sich in § 553 BGB der Ausweg auf. Dieser Paragraph bestimmt: „Entsteht für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, so kann er von dem Vermieter die Erlaubnis hierzu verlangen”. Hilft dieser § 553 aber wirklich?
Nichtjuristen, die in Tests auf § 553 und die Konstruktion hingewiesen wurden, nahmen an, § 553 finde keine Anwendung, weil der neue Partner nicht einen „Teil des Wohnraums” erhalten solle. Der BGH wendet § 553 in seinem neuen Urteil jedoch zugusten des neuen Paares an. An so etwas wie der Formulierung: „Teil des Wohnraums” stört sich der BGH nicht. Also: Der Mieter bedarf zwar der Erlaubnis des Vermieters. Aber in den meisten Fällen muss der Vermieter erlauben.
Az.: VIII ZR 371/02. Wir haben Ihnen dieses Urteil hier ins Netz gestellt.
Eine neue Studie hat zwar einerseits erwartungsgemäß bestätigt, dass die Zeitungsnutzung Jugendlicher abhängig ist von Variablen wie Verfügbarkeit der Zeitung im Elternhaus und davon, ob die meisten Freunde und Freundinnen ebenfalls Zeitung lesen.
Überraschenderweise haben sich jedoch andererseits keine Zusammenhänge mit der formalen Bildung, der rationalen Einstellung zur Zeitung und der Fähigkeit, sich auszudrücken, nachweisen lassen.
Den Studienbericht finden Sie in dem soeben erschienen neuen Heft 1/2004 der „Zeitschrift für Medienpsychologie”.
Hier können Sie das neue Urteil des Bundesfinanzhofs einsehen. Az.: VI R 96/01.
Auf den ersten Blick ist diese Entscheidung sensationell. Die Experten haben sie jedoch vorhergesehen. Sie ist nämlich eine Konsequenz der neueren Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung von Bildungskosten als Erwerbsaufwendungen.
An dieser Stelle haben wir schon öfters beschrieben, warum aufgrund des Dezisionismus Gerichte immer häufiger so entscheiden, dass sehr viele Nicht-Juristen, aber auch Juristen die Entscheidungen als ungerecht empfinden. Siehe bitte auf dieser Homepage bei „Suche” unter „Dezisionismus” und „Gerechtigkeit”. Diese problematische Rechtsprechung wird jetzt durch eine weitere Fehlerquelle vermehrt; - durch die Anwendung des neuen Zivilprozessrechts durch den Bundesgerichtshof. Über zwei eklatante Beispiele berichtet heute ein beim BGH tätiger Rechtsanwalt (von Mettenheim) in der F.A.Z.:
- Zum gleichen Problem waren drei Verfahren beim BGH anhängig. Zum ersten Verfahren stellte der BGH fest, dass es sich um ein Problem von grundsätzlicher Bedeutung handele, und dass die Vorinstanz falsch entschieden habe. Dementsprechend hob er das vorinstanzliche Urteil auf. Im zweiten und dritten Verfahren meinte der BGH, er habe die Rechtslage ja im ersten Verfahren geklärt, deshalb seien die beiden weiteren Verfahren nicht mehr von grundsätzlicher Bedeutung und folglich könne der BGH die Revisionen zu diesen beiden Verfahren nicht zulassen. Der BGH hat somit selbst in Fällen dieser Art bewusst falsche Urteile rechtskräftig bestehen lassen. Az.: IV ZR 39/03.
- Zu einem anderen Rechtsstreit (mit anderen Rechtsproblemen) stellte der BGH fest, das vorinstanzliche Urteil sei gleich doppelt fehlerhaft: Der eine Fehler betreffe eine Grundsatzfrage, der andere Fehler sei nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Also ganz einfach? Da das Urteil wegen eines Fehlers von grundsätzlicher Bedeutung und darüber hinaus auch noch wegen eines weiteren Fehlers falsch ist, muss das vorinstanzliche Urteil selbstverständlich aufgehoben werden? Weit gefehlt. Der BGH hat die Revision nicht zugelassen und das auch nach seiner Ansicht doppelt falsche Urteil rechtskräftig bestehen lassen. Die Logik des BGH: Weil das vorinstanzliche Urteil nicht nur wegen eines Fehlers von grundsätzlicher Bedeutung, sondern zusätzlich wegen eines weiteren Fehlers falsch sei, sei der Fehler zur Grundsatzfrage nicht entscheidungserheblich und deshalb lasse er das doppelt falsche Urteil rechtskräftig bestehen. Der BGH hätte dagegen das vorinstanzliche Urteil aufgehoben, wenn das Urteil nicht auch noch zusätzlich fehlerhaft gewesen. Az.: V ZB 72/02.
Früher schon haben wir zu Rechtsprechung dieser Art angemerkt: Zeitschriften und Zeitungen wie FOCUS, SPIEGEL und BILD könnten zwar mit klarer Sprache aufrütteln. Aus redaktionell-wirtschaftlichen Gründen sind ihre Möglichkeiten, diese Probleme aufzugreifen, jedoch beschränkt.
Seit dem 31. Januar berichten Zeitungen über eine beim Presserat eingereichte Beschwerde des BGH-Präsidenten, Prof. Dr. Hirsch. Noch nicht aufgefallen ist zu diesen Berichten:
Eingegangen ist diese Beschwerde beim Presserat überhaupt erst am Dienstag, 3. Februar. Wie es sich erklärt und rechtfertigt, dass das Schreiben vom 30. Januar (Freitag) längst öffentlich bekannt war, ehe es dem Presserat zuging, ist bislang unbekannt.
Der Präsident des Bundesgerichtshofs argumentiert in seiner Beschwerde, die BILD-Zeitung habe Urteile des BGH fachunkundig verfälscht wiedergegeben und die beteiligten BGH-Richter in einer Kampagne desavouiert mit Angriffen wie „Saustall Justiz! Richter ließen Serienvergewaltiger laufen, obwohl die Polizei warnte” und „Schämen Sie sich, Herr Richter!”.
Siehe zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch in dieser Rubrik die Meldung von gestern: „Die Gerechtigkeit verliert weiter”.
So betitelt die heute neu erschienene Ausgabe - 7/2004 - der FREIZEIT REVUE das Rechtsthema der Woche. Weitere Informationen zum Thema finden Sie in dem von uns rechtlich betreuten FREIZEIT REVUE Ratgeber Recht.
Wenn es schon vor 8 Uhr schneit, die Räum- und Streupflicht nach der städtischen Satzung um 8 Uhr beginnt und ein Fußgänger um 8.02 Uhr verunglückt, dann haftet der nach der Satzung Verpflichtete nicht. So hat das Oberlandesgericht Schleswig entschieden. Az.: 11 U 174/2001.
Die Begründung: Satzungen zur Räum- und Streupflicht müssen bestimmt sein und nach diesem Grundsatz streng ausgelegt werden. Deshalb muss erst um 8 Uhr begonnen werden. Es besteht keine Pflicht, an einer bestimmten Stelle zu beginnen. Um 8.02 Uhr konnte im entschiedenen Fall der Gehweg noch nicht in voller Länge geräumt und gestreut sein; und folglich war der Fußgänger zu dieser Zeit durch die Satzung noch nicht geschützt.
Weitere Einzelheiten können Sie hier in dem Urteil des OLG Schleswig nachlesen.
Die Medien verwenden bekanntlich häufig Marken und Titel mit beschreibenden Bestandteilen. Dementsprechend kann sich das neue BGH-Urteil „Kinder” gegen „Kinder Kram” - obwohl es sich nicht mit den Medien befasst - grundlegend und weitreichend auf die Medien auswirken. Der BGH vertritt nämlich in diesem Urteil die Ansicht, dass ein Zeichenbestandteil wie „Kinder” grundsätzlich eine Wort-/Bildmarke für Schokolade nicht prägt. Eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken verneint der BGH. Nach dem prägt die Bezeichnung erst und nur, wenn sich mit nahezu einhelliger Verkehrsbekanntheit durchgesetzt hat.
Geklagt hatte der Hersteller von Schokoladeprodukten, für den seit 1991 die - sicher vielen bekannte - farbige Wort-/Bildmarke „Kinder” geschützt ist. Für den Gegner, einen anderen Süßwarenhersteller, wurde 1998 die Marke „Kinder Kram” eingetragen. Geklagt wurde auf Unterlassung. Der BGH hob das Urteil des OLG Köln, das der Unterlassungsklage stattgegeben hatte, auf und verwies den Rechtsstreit zurück.
Az.: I ZR 257/00. Das Urteil ist gespickt mit vielen wichtigen Detailaussagen. Sie können es hier nachlesen.
Trotz der vielen Detailaussagen ist das juristisch Wichtigste unklar, nämlich: Wollte der BGH normativ korrigieren? Oder unterstellt er, nicht einmal ein (erheblicher) Teil fasse anders auf als die Richter des Senats? Solange diese Fragen offen sind, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen (auch wenn künftig das Urteil hundertfach bedenkenlos zitiert werden wird).
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