Während der Woche konzentrieren wir uns für unsere Zielgruppe auf das Recht in Wirtschaft und Gesellschaft; am Wochenende auf Unwirtschaftliches bis hin zum Humor. Material finden Sie demnach inbesondere für das Presse-, Äußerungs-, Marken-, Wettbewerbs-, Urheber-, Verkehrsauffassungs-, Forschungs-, Datenschutz-, Nachbarrecht sowie zur Kanzleiorganisation. Humor und Witze würden zwar schon heute Stoff für ein Buch "15 Jahre Humor" bieten, sind jedoch nur zu einem geringen Teil suchfunktionsfähig verfasst.

So betitelt die neue Ausgabe - 29/2005 - der FREIZEIT REVUE das Rechtsthema der Woche. Weitere Informationen zum Thema finden Sie in dem von uns rechtlich betreuten FREIZEIT REVUE Ratgeber Recht.

Gestern haben wir an dieser Stelle über die gerichtliche Auseinandersetzung in Frankreich und das Freiburger Verfahren berichtet. Da nun häufiger nach der juristischen Argumentation gefragt wird, stellen wir unsere Schriftsätze vom 3. Juni und 30. Juni hier ins Netz.

Über das Urteil erster Instanz haben wir an dieser Stelle bereits berichtet: Das Landgericht München I hatte die von ihm zunächst erlassene einstweilige Verfügung aufgrund eines Widerspruchs der FREIZEIT REVUE aufgehoben.
Die Hoffnung, in der zweiten Instanz ein besseres Urteil zu erreichen, zerschlug sich für Frau Gsell durch eigenes Verschulden:
Das Oberlandesgericht München hat sich selbst mit der Homepage Tatjana Gsells vertraut gemacht und festgestellt:
Die Verfügungsklägerin weist auf ihrer eigenen Website (Stand 6. 5. 2005) in reißerischer Weise auf das streitgegenständliche Verfahren hin ...Sie kündigt auf der Website außerdem an, an ihrem ersten Buch zu arbeiten. Auf die Pläne, ein Buch über die Zeit im 'Frauen-Knast' zu schreiben, nehmen auch mehrere der Artikel Bezug...”
Die Konsequenz: Frau Gsell „hat sich derzeit entschieden, der Öffentlichkeit das Strafverfahren wegen Versicherungsbetrugs als Teil ihrer Lebensgeschichte zu präsentieren. Sie muss es derzeit hinnehmen, dass dieser Aspekt ihrer Persönlichkeit auch von der Öffentlichkeit diskutiert wird.”
Also, wenigstens in diesem Falle ist der Versuch gescheitert, einerseits die Medien zur Aufmerksamkeit auszunutzen und andererseits sich darüber auch noch zu empören und den Schutz der Gerichte zu beanspruchen.
Hier können Sie das Urteil des Oberlandesgerichts München nachlesen, Az.: 18 U 2411/05. Die Urteilsbegründung äußert sich auch verhältnismäßig ausführlich dazu, dass über Vorstrafen oftmals nicht mit Namensnennung berichtet werden darf.

So entschieden hat das Landgericht Berlin, Az.: 27 0 387/05. Die wichtigsten Sätze aus diesem Beschluss:
„Zwar liegt auch dann ein Verstoß gegen das Unterlassungsgebot vor, wenn der Kern der Verletzungsform unberührt bleibt, also eine Äußerung getätigt wird, die im Verkehr als gleichwertig angesehen wird (sog. Kerntheorie ..). Eine solche gleichwertige Äußerung stellt die jetzige Veröffentlichung nicht dar. Während die untersagte Äußerung eine eigene Äußerung der Schuldnerin war, berichtet die Schuldnerin nunmehr aus aktuellem Anlass, nämlich aufgrund neuer Beweise über das Verfahren, ohne den Vorwurf als eigenen zu wiederholen. Sie erwähnte lediglich, wogegen sich der Gläubiger wehrte.”
Der Beschluss führt somit aus der Bredouille, in welche die Medien öfters geraten: Die Geschichte setzt sich fort, also muss berichtet werden, aber eine einstweilige Verfügung mit einem Berichterstattungsverbot liegt auf dem Tisch, und über sie sollte sogar berichtet werden.

Paris Match greift in seiner Ausgabe vom 7. Juli das Urteil des Gerichts von Nanterre heftig an. Paris Match hatte, wie bekannt, gleichzeitig und in Abstimmung mit BUNTE aufgedeckt, dass Albert II Vater eines fast zweijährigen Sohnes Alexandre ist.
Veröffentlicht wurde - von BUNTE und Paris Match - ein Interview mit der Mutter und Fotos, die Fürst Albert II in einer Wohnung mit Sohn Alexandre und Mutter Nicole Coste zeigen. Die Fotos hatte die Mutter BUNTE und Paris Match ausgehändigt.
Verurteilt wurde Paris Match - Berufung ist jedoch bereits eingelegt - zu einer Geldentschädigung von 50.000 Euro und einer Veröffentlichung des Urteils auf der Titelseite.
Paris Match kritisierte nun (übersetzt):
„...Und überhaupt nicht bei diesem Staatschef, der ... sich hinter einer frommen Lüge versteckt und behauptet - wie vor ein paar Monaten noch -, dass er keine Kinder hat. Aus Respekt vor seinen Lesern hat Match die Wahrheit nur wieder hergestellt. Muss daran erinnert werden, dass unserer Republik als erster viel daran liegt, dass es eine Nachfolge für den Thron des Fürstentums gibt? .. Gegenüber den echten Problemen der Welt kann das alles lächerlich erscheinen. Monaco ist lächerlich...”.
In Deutschland ist Fürst Albert II in gleicher Weise presserechtlich vorgegangen. Das angerufene Landgericht Freiburg hat am 29. Juni über die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 26. Mai verhandelt. Eine Entscheidung ist für den 19. Juli angekündigt. Unsere (zu dieser Verhandlung eingereichte) Erwiderungen auf die Anträge des Fürsten werden wir morgen an dieser Stelle veröffentlichen.

Der Frankfurter Oberstaatsanwalt Schaupensteiner, der als führender Korruptionsexperte gilt, antwortet in dem morgen erscheinenden FOCUS auf die Frage, ob "sich Sportreporter von Privatsendern schmieren lassen dürfen":
Da ist eine Gesetzeslücke, die wir rasch schließen sollten. Wir brauchen auch noch weitere Straftatbestände auf dem Feld der Korruption, um gegen Betrügereien von niedergelassenen Ärzten oder Schiedsrichtern entschieden vorgehen zu können.”
Dass für die Medien hier ein Kardinalproblem droht, ergibt sich aus der Erfahrung: Eine aus guten Gründen geschaffene neue Strafnorm muss unbestimmte Rechtsbegriffe - wie „befugt” oder „unverhältnismäßig” - verwenden. Damit schwebt schnell allgemein ein Damoklesschwert über der journalistischen Tätigkeit.
Zu den Vorgängen um die Schleichwerbung können Sie sich informieren, wenn Sie bitte links in die Suchfunktion „Schleichwerbung” eingeben.

An dieser Stelle wurde schon öfters der richterliche Dezisionismus mit Beispielen belegt. Verantwortlich für ihn sind letztlich die Wissenschaft und die Rechtspolitik, weil sie noch kein besseres Instrumentarium zur Verfügung stellen.
Worum geht es? „Ach, der Richter ist so frei; der Anwalt wird dem Mandanten kaum je sagen können, wie das Gericht entscheiden wird!” So hat ein Richter in einer führenden juristischen Fachzeitschrift (NJW) die Entscheidungen der Gerichte nach eigenen Vorstellungen beschrieben. Ein anderer Richter hat in der Deutschen Richterzeitung dargelegt: „Nur in der Begründung wird so getan, als habe der Richter die Entscheidung aus dem Gesetz entnommen”.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat nun den Vogel abgeschossen. Am 8. 11. 2004 hat der 18. Senat entschieden:
Erklärt die Reiseleiterin, der Jeep-Ausflug könne „über uns” gebucht und bei ihr bezahlt werden, so wird der Ausflug Bestandteil der Pauschalreise, - auch wenn auf einem Informationsblatt zu lesen ist, der Ausflug werde nur vermittelt.
Die Konsequenz: Dieser Senat hat dem - auf dem Ausflug vom Fahrer schuldhaft verletzten - Ehemann eine Reisepreisminderung, eine Entschädigung für vertane Urlaubszeit und Schmerzensgeld zugesprochen.
Am 16. 12. 2004 hat dagegen der 12. Senat die Gegenansicht vertreten und - sage und schreibe - die Klage der Ehefrau abgewiesen; - und dies, obwohl die Ehefrau das im Vormonat zugunsten ihres Mannes erlassene Urteil dem 12. Senat selbstverständlich noch vorgelegt hatte. Der 12. Senat weigerte sich sogar, das einen Monat zuvor erlassene Urteil des 18. Senats (desselben Gerichts) zur Kenntnis zu nehmen. Begründung: „Soweit die Klägerin den Inhalt des Urteils des 18. Zivilsenats zum Gegenstand Ihres Vertrags macht, ist darin enthaltener Sachvortrag jedenfalls verspätet.”
Hochrangige Juristen denken und verhalten sich so nach einer vieljährigen Ausbildung und Berufserfahrung.
Der 12. Senat hat nicht einmal die Revision zugelassen.
Die Ehefrau muss selbstverständlich nicht nur die eigenen und die gegnerischen Anwaltsgebühren bezahlen, sondern auch noch die Kosten für die Arbeit des Gerichts. Anders als bei einem Handwerker ist bei den Gerichtskosten nicht daran zu denken, die Zahlung zu verweigern.
Die Justiz zuckt nur die Achseln und meint, das sei eben richterliche Unabhängigkeit. Die beiden - hier zu Beginn - zitierten Richter wollten auch nicht etwa das System, eine Verfahrensordnung oder die Rechtsfindung kritisieren, sondern nur die Stellung des Richters beschreiben. „Gerechtigkeit als Beruf” heißt der Titel eines von Heldrich und Schmittchen verfassten Buches. Gemeint sind die Juristen. Schön wär's.
Die Aktenzeichen: I-18 U 101/02 (18. Senat), I-12 U 90/04 (12. Senat).

Am 6. Juli haben wir an dieser Stelle vorab über ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe berichtet. Sie können hier dieses Urteil nun vollständig nachlesen, Az.: 14 U 16/05.
Neben anderen Details wie die namentliche Nennung von Kommunalpolitikern als relative Personen der Zeitgeschichte erschließt dieses Urteil:
1. „Die Bezeichnung der auch den Namen des Klägers tragenden Rechtsanwaltskanzlei stellt für sich allein schon deshalb keinen unzulässigen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Klägers dar, weil ... die Berichterstattung zur Gewinnspielproblematik eine die Interessen der Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage betrifft.”
2. Der in der Kanzleibezeichnung namentlich erscheinende, aber sonst unbeteiligte Sozius muss jedoch insoweit geschützt werden:
„Ist der für den unbefangenen Leser vielleicht auch nicht zwingende, aber doch naheliegende Schluß auf einen über das ausdrücklich Gesagte hinausgehenden Sachverhalt falsch, so ist die Berichterstattung jedenfalls dann wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, wenn die Weglassung eines klarstellenden Hinweises bewußt erfolgt ist (BGH, NJE 2000, S. 656 ff., 657).”
Im konkreten Fall war deshalb „gleichzeitig mitzuteilen, dass sich die strafrechtlichen Ermittlungen nicht auch gegen den Kläger richten”.
Diese Ausführungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe werden zusätzlich durch die neue - vom OLG nicht ausdrücklich aufgeführte - Rechtsprechung zur Rechtsnatur der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bekräftigt. Erst vor zwei Wochen, am 27. Juni, hat diese Rechtsprechung hier in dieser Rubrik Bedeutung gewonnen: Die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist „ein selbständiger Träger von Rechten und Pflichten”. Dieser selbständige Träger muss sogar so bennannt werden, wie er eben heißt.
3. Ist der Antrag insgesamt abzuweisen, wenn der unbeteiligte Sozius nicht nur verlangt, wie zitiert einzuschränken, sondern schlechthin fordert, den Kanzleinamen nicht zu nennen? Nein. Das Gericht:
„Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Senat nicht aufgrund des auf uneingeschränkte Unterlassung gerichteten Klageantrags an der Verurteilung zur Unterlassung der beanstandeten Behauptungen ohne einen entsprechenden klarstellenden Zusatz gehindert. Dies ergibt sich schon aus dem im einstweiligen Verfügungsverfahren gegenüber § 308 Abs. 1 ZPO erweiterten Entscheidungsspielraum (§ 938 Abs. 1 ZPO ... Zudem stellt eine derartige Verurteilung gegenüber dem Begehren des Klägers nach Auffassung des Senats kein 'aliud', sondern ein 'minus' dar (vgl. - für den Fall eines Widerrufsbegehrens - BGH, NJW 1982, S. 2246 ff., 2248).”
Die in Nrn. 1. - 3. beschriebenen Grundsätze gelten selbstverständlich genauso für andere Geselschaften des bürgerlichen Rechts und insoweit vergleichbare Gesellschaftsformen.

Das Landgeicht Köln hatte in einem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. 3. 2005, Az.: 31 0 689/04, für die Schutzschrift nur eine 0,8-Verfahrensgebühr zugebilligt.
Einer sofortigen Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das LG Köln am 6. 6.2005 mit einer Begründung von nur wenigen Zeilen nicht abgeholfen und dem Beschwerdegericht vorgelegt.
Das Oberlandesgericht Köln verwies schnell, schon am 13. Juni, die Sache an den Rechtspfleger des Landgerichts Köln zurück, weil „lediglich floskelhaft auf die Gründe des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses Bezug genommen” worden ist, und sich „der Rechtspfleger auch nicht ansatzweise mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die seinerzeit anerkannten Grundsätze auch unter Geltung des RVG weiterhin anwendbar sind”. Az.: 17 W 121/05.
Daraufhin fackelte der Rechtspfleger nicht lange. Er entschied nun grundlegend und von herausragender Bedeutung (Beschluss des LG Köln vom 23. 6. 2005, Az.: 31 0 689/04):
Im Geltungsbereich des RVG löst eine bei Gericht eingereichte Schutzschrift eine volle Verfahrensgebühr aus (1,3 Gebühr gemäß VV 3100), wenn der Gegner einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellt. Vgl. OLG Nürnberg, 5. Zivilsenat vom 11. 4. 2005, RVG-Letter 2005 (65). Eine Ausnahme wird nur noch zugelassen, wenn die Schutzschrift auf Grund eines Auftrages zu einer reinen Einzeltätigkeit und nicht auf Grund einer Beauftragung für ein einstweiliges Verfügungsverfahren gefertigt wurde.”
Sie können hier alle Entscheidungen einsehen, - in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge, den wesentlichen Beschluss vom 23. 6. 2005 finden Sie somit an erster Stelle.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem neuen Urteil entschieden, dass ein Rechtsanwalt verlangen kann, nicht so über ihn zu berichten, dass er mit möglichen Straftaten seines Sozius in (eine nicht bestehende) Verbindung gebracht wird. Das Gericht:
Der unbefangene Durchschnittsleser eines seriösen Presseprodukts geht aber davon aus, dass dieses Blatt niemanden ohne Not an den Pranger stellt und so der Gefahr erheblicher Nachteile persönlicher und wirtschaftlicher Natur aussetzt.
Einige Umstände kamen noch hinzu. So wurde ein Foto veröffentlicht, das den nicht verdächtigten Sozius in der Kanzlei mit Kriminalbeamten zeigt. Und: Der nicht verdächtigte Sozius ist ein am Ort allgemein bekannter Kommunalpolitiker.
Aktenzeichen des Urteils: 14 U 16/05. Informiert hat uns zu diesem Urteil RA Dirk Knop/Oberkirch, Rechtsvertreter des Anspruchstellers und zehn Jahre Mitglied unserer Kanzlei. Wir werden dieses noch unveröffentlichte Urteil ins Netz stellen, sobald es uns vorliegt.