An dieser Stelle wurde schon öfters der richterliche Dezisionismus mit Beispielen belegt. Verantwortlich für ihn sind letztlich die Wissenschaft und die Rechtspolitik, weil sie noch kein besseres Instrumentarium zur Verfügung stellen.
Worum geht es? „Ach, der Richter ist so frei; der Anwalt wird dem Mandanten kaum je sagen können, wie das Gericht entscheiden wird!” So hat ein Richter in einer führenden juristischen Fachzeitschrift (NJW) die Entscheidungen der Gerichte nach eigenen Vorstellungen beschrieben. Ein anderer Richter hat in der Deutschen Richterzeitung dargelegt: „Nur in der Begründung wird so getan, als habe der Richter die Entscheidung aus dem Gesetz entnommen”.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat nun den Vogel abgeschossen. Am 8. 11. 2004 hat der 18. Senat entschieden:
Erklärt die Reiseleiterin, der Jeep-Ausflug könne „über uns” gebucht und bei ihr bezahlt werden, so wird der Ausflug Bestandteil der Pauschalreise, - auch wenn auf einem Informationsblatt zu lesen ist, der Ausflug werde nur vermittelt.
Die Konsequenz: Dieser Senat hat dem - auf dem Ausflug vom Fahrer schuldhaft verletzten - Ehemann eine Reisepreisminderung, eine Entschädigung für vertane Urlaubszeit und Schmerzensgeld zugesprochen.
Am 16. 12. 2004 hat dagegen der 12. Senat die Gegenansicht vertreten und - sage und schreibe - die Klage der Ehefrau abgewiesen; - und dies, obwohl die Ehefrau das im Vormonat zugunsten ihres Mannes erlassene Urteil dem 12. Senat selbstverständlich noch vorgelegt hatte. Der 12. Senat weigerte sich sogar, das einen Monat zuvor erlassene Urteil des 18. Senats (desselben Gerichts) zur Kenntnis zu nehmen. Begründung: „Soweit die Klägerin den Inhalt des Urteils des 18. Zivilsenats zum Gegenstand Ihres Vertrags macht, ist darin enthaltener Sachvortrag jedenfalls verspätet.”
Hochrangige Juristen denken und verhalten sich so nach einer vieljährigen Ausbildung und Berufserfahrung.
Der 12. Senat hat nicht einmal die Revision zugelassen.
Die Ehefrau muss selbstverständlich nicht nur die eigenen und die gegnerischen Anwaltsgebühren bezahlen, sondern auch noch die Kosten für die Arbeit des Gerichts. Anders als bei einem Handwerker ist bei den Gerichtskosten nicht daran zu denken, die Zahlung zu verweigern.
Die Justiz zuckt nur die Achseln und meint, das sei eben richterliche Unabhängigkeit. Die beiden - hier zu Beginn - zitierten Richter wollten auch nicht etwa das System, eine Verfahrensordnung oder die Rechtsfindung kritisieren, sondern nur die Stellung des Richters beschreiben. „Gerechtigkeit als Beruf” heißt der Titel eines von Heldrich und Schmittchen verfassten Buches. Gemeint sind die Juristen. Schön wär's.
Die Aktenzeichen: I-18 U 101/02 (18. Senat), I-12 U 90/04 (12. Senat).