Personalratsanhörung bei Probezeitkündigung
Gericht
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
10. 06. 2008
Aktenzeichen
11 Sa 1397/07
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am ... 1962 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger ist Diplom-Ingenieur. Aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 15.08.2008 (Bl. 5 d. A.) war er seit dem 16.08.2006 im Rechenzentrum der Universität A-Stadt gegen ein monatliches Entgelt von 1.746,94 € brutto in Teilzeit beschäftigt. Mit Schreiben vom 31.01.2007 (Bl. 17 d. A.) hörte das beklagte Land den bei der Universität A-Stadt gebildeten Personalrat zu einer beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit folgendem Wortlaut an:
Kündigung während der Probezeit
hier: Beschäftigter C., IBIT, IT-Dienste, EG 11 TV-L
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Arbeitsverhältnis von Herrn C. soll während der Probezeit gekündigt werden. Unbeschadet der Tatsache, dass die Gründe für die Kündigung dem Betroffenen nicht mitzuteilen sind, verweise ich auf den als Anlage 1 beigefügten Vermerk von Herrn G. vom 30.01.2007 an die Leitung des Geschäftsbereichs IT-Dienste.
Ich bitte um Benehmensherstellung gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 76 Abs. 2 NPersVG.
Beigefügt war der in Bezug genommene Vermerk des Vorgesetzten Herrn G. vom 30.01.2007 (Bl. 18 d. A.). Dieser weist als Überschrift aus:
„Betreff: Bewertung der Tätigkeit von Herrn C. während der Probezeit vom 15.08.06 bis 15.02.07.“
Der Personalrat forderte von der beabsichtigten Kündigung abzusehen. Hinsichtlich der Gründe wird auf das Schreiben vom 07.02.2007 (Bl. 20/21 d. A.) verwiesen. Eine abschließende Stellungnahme des beklagten Landes vom 12.02.2007 an den Personalrat (Bl. 19 d. A.) schließt wie folgt:
„Nach abschließender inhaltlicher Klärung sehe ich keine Veranlassung, die beabsichtigte Maßnahme in Frage zu stellen. Daher werde ich das Arbeitsverhältnis von Herrn C. mit heutigem Tage kündigen.“
Entsprechend kündigte das beklagte Land mit Schreiben vom 12.02.2007 (Bl. 7 d. A.), dem Kläger zugegangen am 13.02.2007, das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 28.02.2007. Der Kläger macht geltend, das beklagte Land habe den Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt.
Das Arbeitsgericht Oldenburg hat mit Urteil vom 25.07.2007 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kündigung vom 12.02.2007 sei unwirksam wegen unzureichender Beteiligung des Personalrates nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 NPersVG. Für diese Form der Beteiligung gälten dieselben Grundsätze wie für die Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG. Grundsätzlich habe der Arbeitgeber der Arbeitnehmervertretung die Personalien des zu kündigenden Arbeitnehmers, Beschäftigungsdauer, Kündigungsart sowie die Kündigungsgründe mitzuteilen. Auch der Grundsatz der subjektiven Determination des Anhörungsverfahrens führe nicht dazu, dass auf die Mitteilung persönlicher Umstände ganz verzichtet werden könne. Nur wenn es dem Arbeitgeber wegen der Schwere eventueller Kündigungsvorwürfe auf die genauen Daten ersichtlich nicht ankomme und wenn die Arbeitnehmervertretung die ungefähren Daten kenne und daher die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers ausreichend beurteilen könne, stehe die fehlende Mitteilung der genauen Sozialdaten der Wirksamkeit einer Kündigung nicht entgegen. Diesen Anforderungen genüge das Anhörungsschreiben vom 31.01.2007 nicht. Es lasse die Art der auszusprechenden Kündigung offen, es fehlten die Sozialdaten des Klägers. Allein der Umstand, dass ein Mitglied des Personalrates im Zuge eines Bewerberauswahlverfahrens Kenntnis der Sozialdaten erlangt habe, belege nicht, dass diese Daten auch dem Personalrat als Gremium im Zuge der Entscheidung über die beabsichtigte Kündigung positiv bekannt gewesen seien.
Gegen dieses ihm am 13.08.2007 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 12.09.2007 Berufung eingelegt und diese am 11.10.2007 begründet.
Zur Begründung der Berufung führt das beklagte Land aus, dem an den Personalrat gerichteten Schreiben vom 31.01.2007 sei mit ausreichender Deutlichkeit sowohl die Art der auszusprechenden Kündigung als auch die einzuhaltende Kündigungsfrist zu entnehmen gewesen. Der Begriff „Kündigung wegen der Probezeit“ sei ein feststehender Begriff im Personalvertretungsrecht. Dies lasse den Rückschluss zu, dass keine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden sollte. Die Dauer der Probezeit ergebe sich aus dem beigefügten Vermerk des Vorgesetzten Herrn G. Die Kündigungsfrist während der Probezeit ergebe sich aus § 34 Abs. 1 TV-L. Das Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses habe sich für den Personalrat damit ausreichend erkennen lassen. Ferner sei der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu entnehmen, dass im Allgemeinen dem Betriebsrat das Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit des betroffenen Mitarbeiters dann mitzuteilen sei, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen müsse, dass sie für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung von Bedeutung sind. Erfahrungsgemäß entscheide sich aber der Arbeitgeber während der Probezeit bei Leistungsmängeln, wie sie durch den Vermerk ausreichend dokumentiert worden seien, ungeachtet irgendwelcher Sozialdaten zu einer Kündigung.
Das beklagte und berufungsführende Land beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht habe zutreffend die Ansicht vertreten, dass die Beteiligung des Personalrates nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehörten zur umfassenden Unterrichtung auch während der Probezeit die Mitteilung der Person des zu Kündigenden, die Art der Kündigung, Kündigungszeitpunkt und die Gründe der Kündigung. Auch innerhalb der Probezeit könne außerordentlich gekündigt werden. Eine Kündigung während der Probezeit sei nicht automatisch eine fristgerechte. Auch aus der Überschrift des Anhörungsschreibens sei insoweit kein zwingender Schluss gerechtfertigt. Hinsichtlich der Sozialdaten habe das beklagte Land in der Kammerverhandlung vom 25.07.2007 beim Arbeitsgericht ausdrücklich erklärt, dass die Personalratsvorlage bei der Einstellung die Angabe von Sozialdaten nicht vorsehe. Damit sei dem Personalrat als Kollegialorgan die Sozialdaten der zur Einstellung vorgesehenen Mitarbeiter nicht mitgeteilt worden. Dies sei auch nicht verzichtbar gewesen. Das Bundesarbeitsgericht formuliere, dass die Sozialangaben „für die Beurteilung durch den Betriebsrat unverzichtbare Daten sind“. Es hebe damit nicht allein darauf ab, ob die Sozialdaten für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers von Belang sind oder nicht. Schließlich sei auch die anzuwendende Kündigungsfrist für den Personalrat nicht ausreichend erkennbar gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokollerklärungen der Parteien Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist gemäß §§ 519, 520 ZPO, §§ 64, 66 ArbGG zulässig.
Sie ist aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit zutreffender Begründung stattgegeben.
Die Kündigung ist unwirksam wegen unzureichender Anhörung des Personalrates im Verfahren der Benehmensherstellung nach § 75 Abs. 1 Nr. 3, § 76 Abs. 2 Satz 3 NPersVG. Für die Beteiligung des Personalrates bei Kündigungen sind nach § 76 Abs. 1 Satz 2, § 68 Abs. 2 NPersVG dieselben Rechtsgrundsätze maßgeblich, wie bei der Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG. Dies ist zwischen den Parteien im Grundsatz auch nicht strittig. Im konkreten Fall weist die Information des Personalrates mit Datum vom 30.01.2007 eine größere Zahl von Auslassungen auf, die jedenfalls in der Gesamtheit zu der rechtlichen Beurteilung führen, dass eine ordnungsgemäße Information des Personalrates nicht gegeben war. Auch bei der so genannten Probezeitkündigung sind die grundsätzlichen Anforderungen an den Inhalt der Anhörung nicht abgesenkt (BAG vom 16.9.2004, 2 AZR 511/03, AP § 102 BetrVG 1972 Nr. 142; LAG Rheinland-Pfalz vom 5.4.89, 2 Sa 754/88, PersR 90, 344). Danach sind die Person des zu Kündigenden, die Kündigungsfrist und die Gründe der Kündigung mitzuteilen.
Bei isolierter Betrachtung der einzelnen Punkte ergibt sich folgende rechtliche Beurteilung:
Der Personalrat ist durch Beifügen des Vermerks des Vorgesetzten Herrn G. über die sachlichen Gründe der Kündigung ausreichend informiert worden. Das zieht auch der Kläger nicht in Zweifel.
Dem Anhörungsschreiben lässt sich bei Würdigung des Gesamtzusammenhangs in ausreichender Weise entnehmen, dass eine ordentliche Kündigung gewollt gewesen ist. Auch für die wechselseitigen Erklärungen im Mitbestimmungsverfahren gelten die Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen der §§ 133, 157 BGB. Danach ist eine Willenserklärung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte vom Empfängerhorizont auszulegen. Zwar umfasst der einschlägige Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 1 Nr. 3 NPersVG gleichermaßen die außerordentliche Kündigung als auch die ordentliche Probezeitkündigung. Die außerordentliche Kündigung ist aber sowohl nach den rechtlichen Grundlagen als auch der Rechtswirklichkeit, insbesondere im öffentlichen Dienst, ein Ausnahmetatbestand. Der Regelfall der Kündigung ist die ordentliche Kündigung. Da in dem Anhörungsschreiben keinerlei Hinweise darauf hindeuten, dass Anlass für eine fristlose Kündigung gegeben war, war eine ordentliche Probezeitkündigung auch aus der Perspektive des Personalrates naheliegend. Ein gegenteiliges Verständnis des Personalrates lässt sich auch aus dessen Stellungnahme nicht ersehen.
Die fehlende Angabe der Kündigungsfrist allein bleibt im Ergebnis unschädlich. Es ist davon auszugehen, dass mangels anderer Anhaltspunkte im öffentlichen Dienst Arbeitsverhältnisse auf Grundlage des jeweiligen Tarifvertrages begründet werden. Die zwischenzeitliche Problematik des tariflosen Zustandes nach Kündigung des BAT lag hier nicht mehr vor. Die maßgebliche Kündigungsfrist während der Probezeit in § 34 TV-L konnte das beklagte Land insoweit bei der Anhörung berechtigt als bekannt voraussetzen, ohne diese noch einmal ausdrücklich zu benennen. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es insoweit auch nicht auf eine taggenaue Bezeichnung an, sondern es genügt, wenn der Personalrat das ungefähre Beendigungsdatum ermitteln kann (Urteil vom 15.12.1994, 2 AZR 327/94, AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 67; vom 24.10.1996, 2 AZR 895/95, AP § 17 KSchG 1969 Nr. 8).
Jedenfalls als problematisch erweist es sich, dass der Beginn des Arbeitsverhältnisses und damit der Ablauf der Probezeit nicht exakt datumsmäßig wiedergegeben ist. In dem Anhörungsschreiben selbst fehlt eine Angabe dazu ganz. Allerdings ist in dem beigefügten Vermerk des Vorgesetzten Herrn G. der Zeitraum 15.08.2006 bis 15.02.2007 angegeben. Tatsächlich hat das Arbeitsverhältnis des Klägers aber erst am 16.08.2006 begonnen. Umgekehrt wäre bei dem angegebenen Beginn am 15.08.2006 die Probezeit bereits am 14.02.2007 abgelaufen. Schon die Verschiebung des maßgeblichen Zeitraumes um einen Tag kann aber dazu führen, dass aus der Mitbestimmungsform des Benehmens nach Ablauf der Probezeit ein volles Mitbestimmungsrecht des Personalrates nach § 65 Abs. 2 Nr. 9 NPersVG erwächst. Auch die Abweichung um nur einen Kalendertag kann insoweit rechtserheblich sein. Geht man von der ständigen Formulierung des Bundesarbeitsgerichts aus, wonach der Betriebsrat ohne Nachforschungen in der Lage sein muss, sich ein eigenes Bild der Angelegenheit zu machen (etwa BAG vom 15.11.1995, 2 AZR 974/94, AP § 102 BetrVG 1972 Nr. 73), so ist festzustellen, dass der Personalrat an der maßgeblichen Stelle des Datums des Ablaufs der Probezeit unzutreffend bzw. unklar informiert worden ist.
Am schwersten wiegt jedoch, dass dem Personalrat - außer der Betriebszugehörigkeit - keine der grundlegenden personellen Daten des Klägers mitgeteilt worden sind, also weder Geburtsdatum, Familienstand oder das Vorhandensein von Kindern. Das Gesetz selbst nennt insoweit keine Mindestanforderungen. Das Bundesarbeitsgericht stellt für die Bestimmung des Umfangs der erforderlichen Informationen darauf ab, welche Bedeutung den personellen Daten für die Beurteilung des Kündigungsentschlusses zukommt. Im Urteil vom 15.12.1994 (2 AZR 327/94, AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 67) hat es ausgeführt, das Lebensalter und die Betriebszugehörigkeit seien „im allgemeinen“ für die Beurteilung durch den Betriebsrat unverzichtbare Daten. Ähnlich heißt es im Urteil vom 15.11.1995 (2 AZR 974/94, AP § 102 BetrVG 1972 Nr. 73) im Allgemeinen seien Lebensalter und Betriebszugehörigkeit mitzuteilen, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen müsse, dass sie für die Beurteilung der Kündigung von Bedeutung sei. Einzubeziehen in diese Mindestanforderungen ist ferner der Familienstand (so etwa Richardi/Thüsing BetrVG 11. Aufl. § 102 Rn. 51; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatzmann/Rehak/Faber BPersVG Kommentar § 79 Rn. 31; Ilbertz/Widmaier BPersVG 10. Aufl. § 79 Rn. 3).
Die Angaben der Personaldaten waren vorliegend auch nicht ausnahmsweise verzichtbar. Zwar können diese Angaben entbehrlich sein, etwa wenn sie bei schweren Fehlverhalten des Arbeitnehmers für die Arbeitgeberentscheidung erkennbar keine Rolle spielen (BAG vom 15.11.1995, 2 AZR 974/94, AP § 102 BetrVG 1972 Nr. 73). Diese Überlegung lässt sich aber in dieser Allgemeinheit nicht auf die Probezeitkündigung übertragen. Da nach der Konzeption des Personalvertretungsrechts im Land N. der Personalrat bei der Probezeitkündigung kein voll ausgeprägtes Mitbestimmungsrecht hat, sondern lediglich das Mitbeteiligungsrecht in der schwächeren Form der Benehmensherstellung, die der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG ähnelt, ist der Personalrat umso mehr darauf angewiesen, durch Verhandlungsführung und Überzeugungskraft den Arbeitgeber in seinem Kündigungsentschluss zu beeinflussen. Es sind insoweit mannigfaltige Konstellationen denkbar, in denen sich aus den sozialen Daten des Betroffenen gewichtige Argumente ergeben können. So wird kann etwa die Beurteilung des Leistungsverhaltens und die Einschätzung der zukünftigen fachlichen Entwicklungsaussichten des betroffenen Arbeitnehmers durchaus erheblich davon abhängen, in welcher Lebens- und Berufsphase sich dieser befindet. Schon das eigene Lebensalter des betroffenen Arbeitnehmers ist deshalb ein wichtiges Entscheidungsdatum, das nicht ohne weiteres verzichtbar ist. Das gilt erst recht für die Information darüber, ob der Arbeitnehmer verheiratet ist und Kinder hat oder nicht. Neben den rein finanziellen Aspekten dieser Daten kann Anlass gegeben sein, etwa besondere vorübergehende familiäre Situationen des Arbeitnehmers einzuschätzen und zu würdigen. Auch bei der Probezeitkündigung ist die Angabe der wesentlichen Sozialdaten daher ein notwendiger Bestandteil der vollständigen Information des Personalrates. Auf eine schwere Vertragspflichtverletzung, bei der für soziale Rücksichtnahme kein Raum mehr ist, wird die Kündigung hier nicht gestützt.
Das beklagte Land kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass dem Personalrat diese Daten im Rahmen des Einstellungsverfahrens - mündlich - bekannt geworden seien. Für die Beurteilung der Frage, ob das Kollegialorgan Personalrat ausreichend und wirksam informiert worden ist, ist nach §§ 28, 68 Abs. 2 Satz 5 NPersVG - wie nach §§ 26 Abs. 2, 102 BetrVG - darauf abzustellen, welche Informationen dem empfangszuständigen Vertreter übermittelt wurden (etwa BAG Urteil vom 27.06.1985, 2 AZR 412/84, AP § 102 BetrVG 1972 Nr. 37). Auf andere Weise erworbenes Einzelwissen von Mitgliedern des Personalrates bzw. Betriebsrates ist nicht dem Gremium im Grundsatz nicht zuzurechnen. Da der im Einstellungsverfahren beteiligte Herr G. zugleich stellvertretender Personalratsvorsitzender war, stünde dieses formale Argument einer Verwertung früherer mündlicher Informationen nicht entgegen.
Gegen eine Bezugnahme auf das Einstellungsverfahren ergeben sich schon grundsätzliche Bedenken. Zwar brauchen Informationen, die dem Personalrat bereits bekannt sind, nicht notwendig noch einmal bei der Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens wiederholt zu werden (etwa BAG vom 20.5.99, 2 AZR 532/98, BAGE 91, 341 zu § 102 Abs. 1 BetrVG). Voraussetzung ist dann aber, dass ein derartiges aktuelles Wissen des Personalrats tatsächlich feststellbar ist. Es wäre daher zeitlich abzugrenzen, nach welchem Zeitverlauf noch eine „Kenntnis“ des Personalrats angenommen werden könnte. Die Möglichkeit einer allgemeinen Bezugnahme auf das Einstellungsverfahren würde dem gesetzlichen Grundsatz, wonach der Arbeitgeber den Betriebs- bzw. Personalrat anlässlich einer beabsichtigten Kündigung über die Person und die sozialen Daten vollständig zu informieren hat, nicht gerecht. Bei nicht schriftlich fixierten Informationen ist bereits der zeitliche Abstand von 5 Monaten als bedenklich anzusehen. Dies braucht jedoch nicht abschließend beantwortet zu werden.
Jedenfalls lässt sich aus dem Sachvortrag des beklagten Landes nicht ausreichend nachvollziehen, welche Informationen Herr G. wann auf welche Weise erhalten haben soll. So ist unklar, ob es um mündliche Informationen durch den Arbeitgeber anlässlich der Einstellung ging oder Herr G. an den Einstellungsgesprächen selbst teilgenommen hat. Soweit sich das beklagte Land auf die „ungefähre“ Einschätzung des Alters des Klägers bezieht, war damit die Frage nach dem weiteren Familienstand jedenfalls noch offen.
Demnach führt bereits die unzureichende Information über die Personaldaten des Klägers zu einer Unwirksamkeit der Kündigung. Wenn man dies hingegen anders beurteilen wollte, liegt nach Auffassung der Kammer jedenfalls infolge der Summierung mehrerer Ungenauigkeiten und Auslassungen in der Gesamtschau keine wirksame Information des Personalrats vor. Zusammenfassend sind folgende Mängel festzustellen: die Kündigungsart, Kündigungsfrist und -termin sind nicht angegeben, das Datum des Ablaufs der Probezeit unrichtig, Geburtsdatum, Familienstand, Kinder sind wiederum gar nicht mitgeteilt. Damit war eine ausreichend vollständige Grundlage, um ohne weitere Nachforschungen die Kündigungssituation zu beurteilen, für den Personalrat nicht gegeben.
Offen bleiben kann danach, ob die Kündigung bereits deswegen unwirksam ist, weil das Verfahren zur Benehmensherstellung nicht vor Ausspruch der Kündigung abgeschlossen gewesen ist. Nach § 76 Abs. 3 NPersVG hat der Arbeitgeber dem Personalrat mitzuteilen, wenn er den Einwendungen des Personalrats nicht entsprechen und an der beabsichtigten Maßnahme festhalten will. Wann das entsprechende Schreiben des beklagten Landes vom 12.02.2007 dem Personalrat zugegangen ist, ist nicht vorgetragen. Am 13.02.2007 wurde das Kündigungsschreiben dem Kläger übergeben. Nach der gegenüber § 79 Abs. 4 BPersVG konkretisierten Fassung des § 76 Abs. 2 Satz 3 NPersVG bliebe eine Verletzung dieser Verfahrensvorschrift jedoch unerheblich, weil danach lediglich eine ohne Durchführung des Verfahrens nach Absatz 1 durchgeführte Kündigung unwirksam ist. Damit löst die Verletzung der Pflicht aus § 76 Abs. 3 NPersVG jedenfalls im Verhältnis gegenüber dem zu kündigenden Arbeitnehmer keine Unwirksamkeitsfolge aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden.
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