Gegendarstellung schließt Identifizierung aus

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

03. 09. 2008


Aktenzeichen

9 O 13422/08


Tenor

  1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die beklagte Partei zur Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Verfügungskläger macht gegen die Verfügungsbeklagte einen presserechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Im ..., dessen Verlegerin die Verfügungsbeklagte ist, wird unter der Überschrift "Gangster in Nadelstreifen" über die Aktivitäten der sogenannten Russenmafia in Deutschland berichtet. Unter anderem heißt es, dass ein Spezialist des BKA in der SOKO Rubel "gegen den mutmaßlichen Ismajlowskaja-Mann ..., der in Berlin lebt" ermittelt wurde. In der Folge ist von einer "Frankfurter Beratungsfirma von ..." die Rede. Weiter heißt es: "Derweil beobachtet das Landeskriminalamt den mutmaßlichen Mafiamann ... und sein Umfeld weiter. Im November 2005 verurteilte das Landgericht Berlin ... Leibwächter und drei weitere russischstämmige Deutsche wegen Betruges und Hehlerei. Die Clique hatte Luxuskarossen nach Russland verschoben. Weiterer Verdacht: Über Mittelsmänner soll ... an einer deutschen Gesellschaft zur Herstellung von Gülleverarbeitungsmaschinen beteiligt gewesen sein. Das Geschäft stinkt: Die Kripo vermutet, dass als Darlehen getarnte Gelder ausländischer Firmen verschleiert wurden - die Güllemaschinen wurden offenbar weder gebaut noch verkauft."

Mit Schreiben vom 29.7.2008 forderte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte zum Abdruck der folgenden Gegendarstellung auf:


Gegendarstellung

In ... verbreiten Sie über mich unter der Überschrift "Gangster in Nadelstreifen" im Zusammenhang mit einem Bericht über die Russenmafia in Deutschland Folgendes:

1. Sie bezeichnen mich als "den mutmaßlichen Ismajlowskaja-Mann" bzw. "mutmaßlichen Mafia-Mann ...".

Hierzu stelle ich fest:

Diese Mutmaßungen sind falsch. Ich gehöre weder der "Ismajlowskaja" noch einer anderen russischen Mafia-Organisation an.

2. Sie schreiben weiter: "Im November 2005 verurteilte das Landgericht Berlin R. 's Leibwächter (...) wegen Betruges und Hehlerei."

Hierzu stelle ich fest:

Ich hatte niemals Leibwächter.

3. Schließlich heißt es: "Weiterer Verdacht: Über Mittelsmänner soll ... an einer deutschen Gesellschaft zur Herstellung von Gülleverarbeitungsmaschinen beteiligt sein. Das Geschäft stinkt: Die Kripo vermutet, dass als Darlehen getarnte Gelder ausländischer Firmen verschleiert werden – die Güllemaschinen wurden offenbar weder gebaut noch verkauft."

Hierzu stelle ich fest:

Der Verdacht ist falsch. Ich bin weder direkt noch indirekt an einer derartigen Gesellschaft beteiligt.

Berlin, 23. Juli 2008
...

Nachdem die Verfügungsbeklagte den Abdruck dieser Gegendarstellung abgelehnt hatte, begehrte der Verfügungskläger mit Schriftsatz vom 4.8.2008, der Verfügungsbeklagten den Abdruck der genannten Gegendarstellung im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben.

In der Folge forderte der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 7.8.2008 auf, eine wie folgt geänderte Gegendarstellung abzudrucken:


Gegendarstellung

In ... verbreiten Sie über mich unter der Überschrift "Gangster in Nadelstreifen" im Zusammenhang mit einem Bericht über die Russenmafia in Deutschland Folgendes:

1. Sie bezeichnen mich als "den mutmaßlichen Ismajlowskaja-Mann" bzw. "mutmaßlichen Mafia-Mann ...".

Hierzu stelle ich fest:

Diese Mutmaßungen sind falsch. Ich gehöre weder der "Ismajlowskaja " noch einer anderen russischen Mafia-Organisation an.

2. Sie schreiben weiter: "Im November 2005 verurteilte das Landgericht Berlin ... Leibwächter (...) wegen Betruges und Hehlerei."

Hierzu stelle ich fest:

Ich hatte niemals Leibwächter.

3. Schließlich heißt es: "Weiterer Verdacht: Über Mittelsmänner soll ... an einer deutschen Gesellschaft zur Herstellung von Gülleverarbeitungsmaschinen beteiligt sein. Das. Geschäft stinkt: Die Kripo vermutet, dass als Darlehen getarnte Gelder ausländischer Firmen verschleiert werden – die Güllemaschinen wurden offenbar weder gebaut noch verkauft. "

Hierzu stelle ich fest:

Der Verdacht ist falsch. Ich bin weder direkt noch indirekt an einer derartigen Gesellschaft beteiligt.

Berlin, den 5. August 2008
...

Nachdem die Verfügungsbeklagte auch den Abdruck dieser Gegendarstellung abgelehnt hatte, begehrte der Verfügungskläger mit Schriftsatz vom 7.8.2008, die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zum Abdruck dieser Gegendarstellung zu verpflichten. Die Kammer hat daraufhin Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt.

Der Verfügungskläger beantragt zuletzt:

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die nachfolgend wiedergegebene Gegendarstellung ohne Einschaltungen und Weglassungen in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe des ... und in allen Ausgaben, in denen der Ausgangsartikel erschienen ist, an der der Ausgangsmitteilung entsprechenden Stelle und in derselben Schrift wie der Ausgangsartikel zu veröffentlichen, wobei die Überschrift "Gegendarstellung" in der Größe der Artikelüberschrift "Gangster in Nadelstreifen" des Ausgangsartikels zu veröffentlichen ist und die Fundstelle des Ausgangsartikels sowie der Name des Antragstellers in einfachem Fettdruck zu erfolgen hat.


Gegendarstellung

In ... verbreiten Sie über mich unter der Überschrift "Gangster in Nadelstreifen" im Zusammenhang mit einem Bericht über die Russenmafia in Deutschland Folgendes:

1. Sie bezeichnen mich als "den mutmaßlichen Ismajlowskaja-Mann" bzw. "mutmaßlichen Mafia-Mann ...".

Hierzu stelle ich fest:

Diese Mutmaßungen sind falsch. Ich gehöre weder der "Ismajlowskaja" noch einer anderen russischen Mafia-Organisation an.

2. Sie schreiben weiter: "Im November 2005 verurteilte das Landgericht Berlin ... Leibwächter (...) wegen Betruges und Hehlerei."

Hierzu stelle ich fest:

Ich hatte niemals Leibwächter.

3. Schließlich heißt es: "Weiterer Verdacht: Über Mittelsmänner soll ... an einer deutschen Gesellschaft zur Herstellung von Gülleverarbeitungsmaschinen beteiligt sein. Das Geschäft stinkt: Die Kripo vermutet, dass als Darlehen getarnte Gelder ausländischer Firmen verschleiert werden - die Güllemaschinen wurden offenbar weder gebaut noch verkauft."

Hierzu stelle ich fest:

Der Verdacht ist falsch. Ich bin weder direkt noch indirekt an einer derartigen Gesellschaft beteiligt.

Berlin, den 5. August 2008
...

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte meint, der Verfügungskläger sei durch die Ausgangsmitteilung nicht hinreichend erkennbar gemacht worden.

Der Verfügungskläger meint, die in der Ausgangsmitteilung über ihn gemachten Angaben ließen ihn in einem hinreichend großen Personenkreis erkennbar werden.

Es wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll vom 3.9.2008. Weiter wird verwiesen auf die streitgegenständliche Berichterstattung, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie sämtliche sonstigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, weil der Verfügungskläger durch die Ausgangsmitteilung nicht erkennbar gemacht worden ist.

1. Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Pressegesetz kann den Abdruck einer Gegendarstellung nur verlangen, wer durch die streitgegenständliche Berichterstattung unmittelbar betroffen ist. Unmittelbar betroffen wiederum ist nur, wer auch erkennbar ist (vgl. Prinz-Peters, Medienrecht, Randnr. 142). Erkennbar wiederum ist derjenige, der durch Nennung seines Namens oder durch die Mitteilung anderer Umstände von einem Teil des Adressatenkreises der Ausgangsmitteilung identifiziert werden kann; ausreichend sind insoweit individualisierende Merkmale wie Schilderungen von Einzelheiten des Lebenslaufs, Angaben der Berufstätigkeit, des Wohnorts oder Teilen des Namens (vgl. Prinz-Peters, a.a.O., Randnr. 143).

2. Vor diesem Hintergrund ist der Verfügungskläger für einen über sein engstes persönliches Umfeld hinausgehenden relevanten Adressatenkreis nicht erkennbar.

a) Als individualisierende Merkmale des Verfügungsklägers werden in der streitgegenständlichen Berichtserstattung sein Vorname, das Initial seines Nachnamens, Berlin als sein Wohnort, die Existenz eines Leibwächters, der verurteilt wurde, eine im weitesten Sinne ihm gehörende Beratungsfirma in Frankfurt, Mafia-Verbindungen sowie eine Beteiligung einer deutschen Gesellschaft zur Herstellung von Gülleverarbeitungsmaschinen über Mittelsmänner mitgeteilt.

b) Ausweislich der Gegendarstellung, deren Abdruck der Verfügungskläger begehrt, gehört er keiner Mafia-Verbindung an, hatte niemals Leibwächter und ist auch nicht an einer deutschen Gesellschaft zur Herstellung von Gülleverarbeitungsmaschinen beteiligt. Nach seinem Sachvortrag lebe er auch nicht in Berlin, sondern in Israel.

c) Somit verbleiben an identifizierbaren Merkmalen der Vorname ..., das Initial des Nachnamens ... sowie die Tatsache, dass ihm eine Frankfurter Beratungsfirma gehört. Diese Anknüpfungstatsachen sind jedoch derart spärlicher Natur, dass sie nicht geeignet sind, den Verfügungskläger - so es sich bei ihm denn tatsächlich um den in der Ausgangsberichterstattung genannten handelt - so aus der Anonymität herauszuheben, dass er für einen über sein engstes persönliches Umfeld hinausreichenden Personenkreis identifizierbar wäre. Im Gegenteil: Die weiter mitgeteilten Anknüpfungstatsachen, die nach seinem eigenen Vortrag in der Gegendarstellung unzutreffend sind, würden denjenigen, dessen Aufmerksamkeit durch die Berichterstattung auf den Verfügungskläger gelenkt wurde, gerade wieder davon abbringen, diesen als Subjekt der Berichterstattung zu betrachten, wären doch gerade wesentliche, zu seiner Identifizierung beitragende Umstände unzutreffend und ließen folglich gerade nicht den Rückschluss zu, dass es sich bei der dort genannten Person gerade um den Verfügungskläger handelt.

3. Nach alledem ist der Verfügungskläger durch die streitgegenständliche Berichterstattung nicht einem hinreichend großen Personenkreis erkennbar und damit auch nicht im Sinne des Bayerischen Pressegesetzes unmittelbar betroffen, so dass ihm auch ein Anspruch auf Gegendarstellung von Rechts wegen nicht zukommt.


II.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.


III.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 6 ZPO.


Dr. Steiner
Vors. Richter
am Landgericht

Dopheide
Richter
am Landgericht

Schütz
Richter
am Landgericht

Rechtsgebiete

Presserecht