Rechtsanwaltskosten für Aufforderung, auf Rechte aus einstweiliger Verfügung zu verzichten
Gericht
LG Wuppertal
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
19. 08. 2008
Aktenzeichen
1 O 127/08
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den anwaltlichen Gebühren für die Geltendmachung ihres Unterlassungsanspruches durch Abschlusserklärung in Höhe von netto EUR 755,80 freizustellen, Zug-um-Zug gegen Zahlung von EUR 755,80. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Freistellung von im Zusammenhang mit einem Abschlussschreiben entstandenen Anwaltskosten. Die Parteien sind Wettbewerber. Die Beklagte betreibt neben ihrer Tätigkeit als Reiseveranstalterin ein Diskussionsforum in Internet. In diesem Forum veröffentlichte die Beklagte Ende 2007 einen Diskussionsbeitrag mit dem Titel "...", in welchem die Reiseleistungen der Klägerin negativ dargestellt wurden. Die Klägerin nahm daraufhin die Beklagte in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Wuppertal (Az: 1 O 466/07) auf Unterlassung der Verbreitung des besagten Diskussionsbeitrages in Anspruch. Mit Beschluss vom 28. Dezember 2007 untersagte das Landgericht Wuppertal der Beklagten, bei Meidung eines Ordnungsgeldes, in Bezug auf die Klägerin den oben erwähnten Diskussionsbetrag verbreiten zu lassen.
Unter dem 21. Januar 2008 übermittelte die Klägerin die einstweilige Verfügung "vorab per Telefax" an die Beklagte mit einem Anschreiben, in dem es hieß: "anliegenden Verfügungsbeschluss stellen wir Ihnen zum Zwecke der Vollziehung zu. Das Verbot wird mit Zugang wirksam". Gleiches Schreiben ging der Beklagten noch einmal auf dem Postweg zu.
Mit Schreiben vom 05. Februar 2008 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte im Namen der Klägerin auf, die in der einstweiligen Verfügung getroffenen Regelungen als rechtsverbindlich anzuerkennen und auf die Rechte aus §§ 924, 926 und 927 ZPO zu verzichten. Gleichzeitig forderten sie die Beklagten zum Ausgleich einer 1,3er Geschäftsgebühr für ihr Tätigwerden auf. Mit Schreiben vom 29. Februar 2008 wiesen die Prozessbevollmächtigten der Beklagten darauf hin, dass die einstweilige Verfügung der Beklagten nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin übermittelten daraufhin die Ausfertigung der einstweiligen Verfügung und verlangten erneut die Abgabe einer verbindlichen Abschlusserklärung. Mit Schreiben vom 04. März 2008 forderten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Klägerin unter Hinweis auf die fehlende Zustellung des Beschlusses auf, zur Meidung eines Aufhebungsverfahrens bis spätestens zum 25. März 2008 auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten. Gleichzeitig erklärten sie namens der Beklagten eine befristete, strafbewehrte Unterlassungserklärung. Mit Schreiben vom 19. März 2008 erklärten sie, dass die Unterlassungserklärung nunmehr unbefristet gelten solle.
Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erklärten unter dem 25. März 2008, dass die Klägerin aus der einstweiligen Verfügung keinerlei Rechte - auch nicht hinsichtlich der Kostenfolge - gegen die Beklagte mehr herleiten werde. Hinsichtlich der weiteren Details der vorprozessualen Korrespondenz wird auf die als Anlagenkonvolut K1 und Anlage K2 zu den Akten gereichten Kopien der gewechselten Schreiben (Bl. 6 ff. und 55 f. GA) Bezug genommen.
Mit Klageerwiderung vom 16. Mai 2008 hat die Beklagte mit einem Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren für die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von EUR 755,80 gegen den mit der Klageforderung geltend gemachten Anspruch aufgerechnet.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagten stehe ein Kostenerstattungsanspruch nicht zu. Insbesondere ergebe sich ein solcher Anspruch nicht aus den Regelungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag, da die Einschaltung der gegnerischen Prozessbevollmächtigten und der von diesen erteilte Hinweis auf das Aufhebungsverfahren nicht im Interesse der Klägerin erfolgt seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von ihren anwaltlichen Gebühren für die Geltendmachung ihres Unterlassungsanspruches durch Abschlusserklärung in Höhe von netto EUR 755,80 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf die erklärte Aufrechnung. Sie ist der Ansicht, ihr stehe ein Kostenerstattungsanspruch nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Es habe dem mutmaßlichen Willen der Klägerin entsprochen, vor Einleitung eines Aufhebungsverfahrens nach § 927 ZPO die Gelegenheit zum Rechtsverzicht zu erhalten. Diese Situation sei mit der einer Abmahnung vergleichbar, bei der ebenfalls ein Kostenanspruch gegeben sei.
Wegen der weiteren Details wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
Die Klage ist zulässig. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Wuppertal ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG, denn der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von den für das Abschlussschreiben angefallenen Rechtsanwaltskosten folgt aus einer analogen Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Allerdings ist die Klage nur teilweise begründet. Der Klägerin steht der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von Anwaltskosten in Höhe von netto 755,80 nur Zug-um-Zug gegen Erstattung der bei der Beklagten angefallenen Anwaltskosten in gleicher Höhe zu.
Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten für das Abschlussschreiben in Höhe von netto EUR 755,80 zu. Der Anspruch folgt aus einer analogen Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die Kosten eines Abschlussschreibens sind keine Kosten des Verfügungsverfahrens sondern vielmehr Vorbereitungskosten des Hauptsacheverfahrens. Gibt der Schuldner die Abschlusserklärung ab, so muss er die Kosten jedenfalls in Analogie zu § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG erstatten (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 26. Auflage 2008, § 12 Rn 3.73 und Rn 1.78; so auch Nill, GRUR 2005, 740f.).
Das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 05. Februar 2008 stellt ein Abschlussschreiben dar. Dieses war berechtigt im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die Beklagte hat unter dem 19. März 2008 eine unbefristete, strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und sich dem von der Klägerin zunächst im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruch unterworfen. Das Abschlussschreiben sowie die Einschaltung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin waren erforderlich um die Kostenfolge des § 93 ZPO im Hauptsacheverfahren zu vermeiden. Gegen den Anspruch aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG spricht nicht, dass die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, nicht aber eine Abschlusserklärung, abgegeben hat. Denn die Funktion des Abschlussschreibens wurde hierdurch ebenso erfüllt, als hätte die Beklagte eine Abschlusserklärung abgegeben. Die Funktion des Abschlussschreibens ist die Vermeidung der Kostenfolge des § 93 ZPO dadurch, dass dem Schuldner vorab die Möglichkeit einer Anerkennung des Unterlassungsanspruches eingeräumt und somit ein Hauptsachverfahren vermieden wird. Auch durch die abgegebene Unterlassungserklärung wurde der zwischen den Parteien bestehende Streit ohne Durchführung eines Hauptsachverfahrens beendet.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist in voller Höhe entstanden. Die Klägerin ist mit einer Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von EUR 755,80 netto belastet. Der Streitwert des Hauptsacheverfahrens hätte mindestens EUR 15.000,00 betragen. Eine für das Tätigwerden der Prozessbevollmächtigten angemessene 1,3er Geschäftsgebühr beträgt bei diesem Streitwert EUR 735,80 netto. Zuzüglich einer Auslagenpauschale von EUR 20,00 ergibt sich die Klageforderung von EUR 755,80.
Der Befreiungsanspruch ist nicht durch die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 16. Mai 2008 erklärte Aufrechnung erloschen. Die Aufrechnung mit einem der Beklagten zustehenden Kostenerstattungsanspruch ist unwirksam, da mangels Gleichartigkeit der Ansprüche keine Aufrechnungslage im Sinne des § 387 BGB besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann mit einer auf Zahlung gerichteten Forderung nicht gegen einen Befreiungsanspruch aufgerechnet werden (vgl. BGH NJW 1983, 2438; NJW 1999, 1182).
Der Anspruch der Klägerin ist allerdings nur durchsetzbar Zug-um-Zug gegen Erstattung der bei der Beklagten im Zusammenhang mit der Anzeige eines beabsichtigten Aufhebungsverfahrens entstandenen Rechtsanwaltskosten. Der Beklagten steht gegenüber dem Anspruch der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB zu. Dies hat die Beklagte geltend gemacht, indem sie unter Hinweis auf die von ihr erklärte Aufrechnung die Klageabweisung beantragt hat. In dem Hinweis auf die Aufrechnung ist auch die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB zu erblicken (vgl. BGH NJW 1983, 2438).
Der Beklagten steht gegen die Klägerin ein fälliger Gegenanspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von netto EUR 755,80 aus §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB zu. Die Beklagte hat durch ihre Prozessbevollmächtigten die Klägerin mit Schreiben vom 04. März 2008 aufgefordert, zur Meidung eines Aufhebungsverfahrens auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu verzichten. Hiermit hat die Beklagte auch ein objektiv fremdes Geschäfts im Sinne des § 677 BGB geführt, da das Risiko einer wirksamen Zustellung und eines Aufhebungsverfahrens grundsätzlich die Klägerin trug.
Die zur Vermeidung des Aufhebungsverfahrens ergangene Aufforderung, der die Klägerin durch Verzicht auf ihre Rechte aus der einstweiligen Verfügung nachgekommen ist, entsprach dem mutmaßlichen Willen und dem Interesse der Klägerin. Denn mangels wirksamer Parteizustellung innerhalb der Frist des §§ 929, 936 ZPO und damit fehlender Vollziehung wäre die einstweilige Verfügung aufzuheben gewesen. Eine Zustellung an die Beklagte hätte gemäß § 192 ZPO durch den Gerichtsvollzieher erfolgen müssen. Mangels Beauftragung eines Gerichtsvollziehers heilt auch die hier unstreitige Übersendung der einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb die fehlerhafte Zustellung nicht nach § 189 ZPO. Durch den Hinweis der Beklagten wurde das Aufhebungsverfahren vermieden, in welchem die Klägerin unterlegen gewesen und möglicherweise mit höheren Kosten, z.B. durch eine Terminsgebühr, belastet worden wäre. Die Vermeidung des Aufhebungsverfahren war in ihrem Interesse. Um dem Verfügungskläger die Möglichkeit des Verzichts auf seine Rechte aus der einstweiligen Verfügung zu geben, verlangt auch die herrschende Meinung, dass diesem das Aufhebungsverfahren angedroht wird (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Auflage 2007, § 927 Rn. 12). Insofern ist die Rechtslage vergleichbar mit dem Fall einer berechtigten Gegenabmahnung. Ist die Gegenabmahnung geboten, steht dem Abmahnenden ein Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu (vgl. BGH GRUR 2004, 790, 792; Baumbach in Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 26. Auflage 2008, § 12 Rn 1.75).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Beklagte ist vorliegend nur geringfügig unterlegen. Hätte die von der Beklagten erklärte Primäraufrechnung durchgegriffen, so hätte die Beklagte vollumfänglich obsiegt und keinerlei Kosten tragen müssen. Da das vorliegend zugunsten der Beklagten eingreifende Zurückbehaltungsrecht wirtschaftlich der zunächst erklärten Primäraufrechnung zumindest sehr nahe kommt, ist es angemessen, der Klägerin die gesamten Kosten des Rechtsstreites aufzuerlegen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf EUR 755,80 festgesetzt.
Pyschny
Vorsitzender Richter am
Landgericht
Franke
Richter am Landgericht
Planken
Richterin
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