Charlotte Casiraghi bei Party (rechtswidrig)
Gericht
KG
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
19. 05. 2008
Aktenzeichen
10 U 35/08
Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Januar 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 27 O 943/07 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung von 20.000 Euro und wegen der Kosten in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 %.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Wortberichterstattung in Anspruch. Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitschrift "...". In der Ausgabe vom 8. März 2007 erschien unter der Überschrift "Charlotte erobert Paris" ein Artikel, der sich u.a. mit dem Auftreten der Klägerin bei der Pariser Modewoche beschäftigte. In dem mit Fotos der Klägerin bebilderten Artikel heißt es:
"Bon soir, wir begrüßen den neuen 1-A-Goldrand-Jetset rund um Charlotte Casiraghi. Die kleine Monegassin ist auf dem Weg zur Gesellschaftsspitze. Bald wird sie den Thron ihrer Mutter besetzen, wenn die ihn freigibt - oder teilt. Sie zu sehen ist wie der jungen Caroline zu begegnen. Dieselbe Schönheit, Grazie, Faszination. Es war die Modewoche der Charlotte. Aufgestiegen wie Phönix von der Cote d'Azur."
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zur Unterlassung der Verbreitung dieser Äußerungen zu verurteilen. Durch das am 10. Januar 2008 verkündete und der Beklagten am 25. Januar 2008 zugestellte Urteil hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil wird verwiesen, § 540 Abs. 1 ZPO.
Die Beklagte hat am 19. Februar 2008 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 25. April 2008 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet. Die beanstandete Berichterstattung sei rechtmäßig. Es handele sich um zulässige Meinungsäußerungen, die das Auftreten der Klägerin bei gesellschaftlichen Ereignissen bewerteten.
Die Beklagte beantragt,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage anzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Klägerin sei keine herausgehobene Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Den beanstandeten Äußerungen fehle ein hinreichender Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu. Mit der hier streitgegenständlichen Berichterstattung hat die Beklagte rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen.
a) Ob ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorliegt, ist anhand des zu beurteilenden Einzelfalls festzustellen; denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich durch eine Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite bestimmt werden (BGH, NJW 2004, 596). In vorliegenden Fall führt diese Abwägung zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die angegriffenen Äußerungen nicht hinnehmen muss.
b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht beinhaltet u.a. das Recht, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen. Im Hinblick darauf ist der Klägerin ein schutzwürdiges Interesse daran zuzubilligen, nicht durch die Bewertung ihrer Persönlichkeit und ihres Erscheinungsbildes und durch die Ausbreitung von Belanglosigkeiten vielfältigster Art der Öffentlichkeit uneingeschränkt präsentiert zu werden (vgl. OLG Hamburg OLGR 2003, 96; vgl. auch OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1551 zum Bruder der Kläger, gebilligt durch BVerfG NJW 2001, 2191 f.). Dieses schutzwürdige Interesse besteht zunächst unabhängig davon, ob es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt und ob diese ihre Privat- oder Sozialsphäre betreffen (vgl. Urteile des 9. Zivilsenats vom 1. September 2006 - 9 U 173/05 - und vom 18. Juli 2008 - 9 U 130/07 -).
Bei den beanstandeten Äußerungen handelt es sich um Meinungsäußerungen, die an das Auftreten der Klägerin in der Öffentlichkeit anknüpfen. Mit den Sätzen "Bon soir, wir begrüßen den neuen 1-A-Goldrand-Jetset rund um Charlotte Casiraghi" sowie "Es war die Modewoche der Charlotte. Aufgestiegen wie Phönix von der Cote d'Azur" werden die Rolle der Klägerin innerhalb des Jetsets bewertet. Die Äußerung "Sie zu sehen ist wie der jungen Caroline zu begegnen. "Dieselbe Schönheit, Grazie, Faszination" bewertet - im Vergleich mit der Mutter - Schönheit und Ausstrahlung der Klägerin. Schließlich sind auch die Äußerungen "Die kleine Monegassin ist auf dem Weg zur Gesellschaftsspitze. Bald wird sie den Thron ihrer Mutter besetzen, wenn die ihn freigibt - oder teilt" keine Tatsachenbehauptungen, sondern Wertungen, denn sie beinhalten eine Einschätzung der künftigen Bedeutung und möglichen Entwicklung der Klägerin. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass nicht die Thronfolge in Monaco gemeint ist. Die Mutter der Klägerin ist nicht regierende Fürstin und könnte ihren "Thron" weder freigeben, noch teilen.
Grundlage der Wertungen sind Vorgänge aus der Sozialsphäre. Auch in diesem Bereich bleibt grundsätzlich dem Einzelnen die Bestimmung darüber vorbehalten, welcher Öffentlichkeit er personal vorgestellt wird. Der Lebens- und Entfaltungsraum der Persönlichkeit wäre übermäßig eingeengt, wenn sie der steten Gefahr konfrontiert wäre, einer breiteren Öffentlichkeit ausgesetzt zu werden als jener, die sie im sozialen Kontakt gesucht hat (vgl. BVerfG, NJW 1973, 1226; BGH, NJW 1981, 1366).
c) Zwar kann sich die Beklagte gegenüber den schutzwürdigen Belangen der Klägerin an der Wahrung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts ihrerseits gemäß Art. 5 Abs. 1 GG auf die verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit und das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit berufen. Allerdings fällt die insoweit gebotene unfassende Interessen- und Güterabwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin im Ergebnis zu deren Gunsten aus.
Nach der ständigen Rechtsprechung des 9. und 10. Zivilsenats des Kammergerichts (Urteile vom 1. September 2006 - 9 U 173/05 und vom 12. November 2007 - 10 U 16/07) braucht es die Klägerin nicht hinzunehmen, dass ohne einen konkreten Anlass über ihre Persönlichkeit und ihr Privatleben berichtet wird. Insbesondere muss die Klägerin die beanstandete Berichterstattung nicht bereits deshalb hinnehmen, weil sie als Nichte des Fürsten Albert von Monaco Angehörige eines regierenden Fürstenhauses ist. Denn über ihre bloße Zugehörigkeit zu der genannten Familie bekleidet sie weder ein öffentliches Amt, noch nimmt sie eine herausgehobene Position im öffentlichen Leben ein. Mit dem regierenden Fürsten ist die Klägerin nicht im ersten Grad verwandt, weshalb sie auch keinen Adelstitel trägt. Darüber hinaus übt die Klägerin auch keinen politischen oder wirtschaftlichen Einfluss aus.
Entgegen der Auffassung der Beklagten muss die Klägerin die angegriffene Berichterstattung auch nicht deshalb dulden, weil sie als Gast herausragender Veranstaltungen aufgetreten ist, denen ein hohes öffentliches Informationsinteresse zukam. Zwar ist es zutreffend, dass bei der Beurteilung des Informationswertes bzw. der Frage, ob es sich bei einem Vorgang um ein zeitgeschichtliches Ereignis handelt, ein weites Verständnis geboten ist, damit die Presse ihrer meinungsbildenden Funktion gerecht werden kann. Es gehört deshalb zum Kern der Presse- und Meinungsfreiheit, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, innerhalb dessen sie nach publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist (BVerfG NJW 2000, 1021; BGH, NJW 2006, 599). Aus diesem Grund muss die Presse zur Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden Aufgaben grundsätzlich auch selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesse für wert hält (vgl. BVerfG, a.a.O.).
Andererseits ist in höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass bei der vorzunehmenden umfassenden Güter- und Interessenabwägung nicht außer Betracht bleiben kann, ob die in Rede stehenden Berichterstattung zu einer Debatte mit einem Sachgehalt beiträgt, der über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgeht. Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist (BVerfG NJW 2000, 1021). Das Interesse der Leser an bloßer Unterhaltung hat gegenüber dem Schutz der Privatsphäre regelmäßig ein geringeres Gewicht und ist nicht schützenswert (BVerfG MJW 1973,1221; BGH NJW 1996,1128).
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist bereits zweifelhaft, ob es sich bei der in einer Bildunterschrift erwähnten "Charity-Party von Sidaction" sowie der von Donatella Versace für den Fotografen Testino ausgerichteten Party tatsächlich um zeitgeschichtliche Ereignisse handelte, die grundsätzlich geeignet gewesen wären, eine Berichterstattung zu den dort jeweils eingeladenen Gästen zu rechtfertigen. Um Veranstaltungen des Fürstenhauses, an denen die Klägerin in offizieller Funktion teilgenommen hat, handelte es sich dabei nicht. Zu der von "Sidaction" veranstalteten Party werden irgendwelche Einzelheiten nicht mitgeteilt.
Unterstellte man eine hinreichende zeitgeschichtliche Bedeutung der Veranstaltung, würde dieser Umstand zur Rechtfertigung der streitgegenständlichen Berichterstattung dennoch nicht ausreichen. Der Beitrag konzentriert sich in Wort und Bild derart auf das Aussehen und die persönlichen Eigenschaften der Klägerin, dass die von Donatella Versace veranstaltete Party als bloßer Anlass für die beanstandete Berichterstattung erscheint. Die beanstandeten Äußerungen beschreiben nicht einen Vorgang, der sich auf der Veranstaltung ereignet hat und erschöpfen sich auch nicht in der Beschreibung einer etwa zulässigen Bildveröffentlichung. Für die Einordnung und Bewertung der Party durch die Leser der ... kommt es auf die der Klägerin zugeschriebene Rolle, ihre künftige Bedeutung und mögliche Entwicklung sowie den Vergleich mit ihrer Mutter nicht an. Der Informationswert der Berichterstattung ist - wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - gering. Dass die beanstandeten Äußerungen einen Anlass für sozial kritische Überlegungen der Leser (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1793, 1801) oder für eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte sein könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen.
2. Die Nebenentscheidungen folgen §§ 97 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO.
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