Namensnennung von Prozessparteien in Urteilsdatenbanken
Gericht
KG
Art der Entscheidung
Beschluss
Datum
30. 01. 2007
Aktenzeichen
9 U 131/06
Zur Frage der Zulässigkeit der Namensnennung von Prozessparteien in Urteilsdatenbanken von Rechtsanwaltskanzleien, auf die Dritte über die Homepage der Kanzlei Zugriff nehmen können
Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 II ZPO zurückzuweisen.
Der Ag. erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.
Gründe:
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Die Antragstellerin kann von dem Antragsgegner gem. §§ 823 I, 1004 BGB, Art. 2 I GG Unterlassung der - unter Nennung des Namens oder von Namensbestandteilen - identifizierenden Berichterstattung über einen presserechtlichen Zivilprozess verlangen, wie auf der Homepage der Anwaltskanzlei des Antragsgegner unter dem Datum 11. 3. 2006 geschehen.
Zu Recht hat das LG angenommen, dass die namentliche Nennung der Antragstellerin auf der Homepage eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt.
Unbeschadet der hier nicht zu entscheidenden Frage, unter welchen Umständen unter Namensnennung der Prozessbeteiligten über den Ausgang eines Zivilprozesses im Allgemeinen bzw. speziell einer presserechtlichen Auseinandersetzung berichtet werden darf, in der der Kl. - wie hier die Antragstellerin - eine bestimmte ihn betreffende Berichterstattung unterbunden wissen wollte, musste die Antragstellerin die Namensnennung auf der Homepage der Anwaltskanzlei des Antragsgegner nicht dulden, weil der Beitrag auch Werbezwecken dient.
1. a) Zwar spielen sich Gerichtsverhandlungen in der Sozialsphäre ab. Der Prozess betraf jedoch eine Auseinandersetzung aus dem Bereich der Privatsphäre. Derjenige, der Partei eines Zivilprozesses ist, muss die identifizierende Berichterstattung nicht deshalb hinnehmen, weil die Verhandlung öffentlich ist. Die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung wie auch der Urteilsverkündung (§§ 169, 173 GVG; ) dient dem Ausschluss von Geheimverfahren und der Kontrolle der Richter und des justizförmigen Verfahrens durch das Volk (vgl. Kissel, GVG, 4. Aufl., § 169 Rn. 1 und 3), nicht dagegen der generellen Rechtfertigung der namentlichen Berichterstattung. Ob die Berichterstattung unter Namensnennung zulässig ist, bleibt in jedem Einzelfall einer Abwägung der betroffenen Rechtsgüter vorbehalten.
Vorliegend ist die Berichterstattung zwar weder unwahr noch für sich genommen ehrenrührig. Anders als in dem vom Senat entschiedenen Fall der Werbung einer eine Vielzahl von Kapitalanlegern vertretenden Kanzlei (Entscheidung vom 30. 9. 2005 – 9 U 21/04 -, NJW – RR 2005, 1709) ist die Schilderung des Falles der Antragstellerin unter deren namentlicher Nennung auch nicht negativ besetzt.
Dennoch kann sich der Antragsgegner nicht auf die Äußerungsfreiheit berufen. Das Informationsinteresse von Fachkreisen, auf welches er sich beruft, rechtfertigt nicht, die breite Öffentlichkeit unter Namensnennung über den Ausgang des Rechtsstreit der Antragstellerin gegen einen Mandanten der Kanzlei des Antragsgegner zu informieren. Die Antragstellerin steht nicht im Licht der Öffentlichkeit. Sie ist einer breiteren Öffentlichkeit allenfalls deshalb bekannt geworden, weil über sie als Ehefrau des bekannten Schauspielers und Moderators K. S. im Zusammenhang mit einem Strafverfahren berichtet wurde, welches sie und ihren Ehemann als Mitangeklagte (eines Betrugsvorwurfes) betraf.
b) Zwar mag ein Informationsinteresse von Journalisten, Verlegern und deren Beratern an in der homepage des Antragsgegner beschriebenen presserechtlichen Fällen bestehen. Ob dieses Interesse es - wie der Antragsgegner meint - erforderlich macht, dass den genannten Personenkreisen unter Namensnennung bekannt gemacht wird, welche Person Gegenstand der das Gerichtsverfahren auslösenden Berichterstattung war, überzeugt bereits deshalb nicht, weil der Antragsgegner mit Anlage AG 1 selbst eingeräumt hat, auch ohne Namensnennung über einen „berühmten Entertainer“ berichtet zu haben. Hiervon abgesehen, hat das Interesse an namentlicher Berichterstattung hinter dem Interesse der Antragstellerin an Anonymität zurückzustehen.
c) Zu berücksichtigen war vorliegend, dass es sich bei der Homepage des Antragsgegner – wie vom LG zutreffend gesehen – auch um Werbung handelt (vgl. BGH NJW 2003, 662 bei II. 2)). Dabei kommt es weder darauf an, dass Werbung als solche kenntlich gemacht ist noch darauf, ob es sich um plakative Werbung i.S. einer Anpreisung oder Bedarfsweckung handelt. Als Werbung wird auch die sogenannte Imagewerbung angesehen, die – ohne die Ware bzw. Dienstleistung als solche anzupreisen – der Erzeugung positiver Aufmerksamkeit dient (vgl. BVerfG NJW 2000, 3195; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 6 Rn. 30; Römermann in Hartung, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Aufl., § 6 BerufsO Rn. 37). Vorliegend dient die Bereithaltung einer Entscheidungssammlung jedenfalls auch der positiven Darstellung der Kanzlei des Antragsgegner. Indem – unbestritten – ausschließlich solche Fälle aufgeführt werden, in denen die Kanzlei für ihre Mandanten obsiegt hat, ist die beanstandete Veröffentlichung Teil der werbenden Selbstdarstellung.
Zwar kann auch die – in den Grenzen des § 43b BRAO/§ 6 ff BORA berufsrechtlich zulässige – Werbung des Rechtsanwaltes ein Informationsinteresse befriedigen (vgl. BVerfG NJW 2000, 3195; Römermann a.a.O. Rn. 39f.), hier nämlich das von potentiellen Mandanten. Dies ist vorliegend auch anzunehmen, weil die Kanzlei des Antragsgegner den Besucher der Homepage darüber informiert, welche Mandate er in der Vergangenheit betreut hat. Der Interessent kann sich so ein Bild über den Tätigkeitsschwerpunkt und Erfahrungsumfang der Kanzlei machen. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 30. 9. 2005 (9 U 21/04) ausgeführt hat, ist ein werbliches Informationsinteresse potentieller Mandanten des Rechtsanwaltes anzuerkennen. Zu berücksichtigen ist aber, dass sich der Antragsgegner dabei nicht die Namen eigener Mandanten – soweit er eine Einwilligung hat, § 6 II Satz 2 BORA - zunutze macht, sondern - so bei der Antragstellerin - die der Prozessgegner der eigenen Mandanten. Auf diese Weise macht sich vorliegend der Antragsgegner den Namen der Antragstellerin für seine wirtschaftlichen Interessen zu nutze (vgl. Senat vom 30. 9. 2005 – 9 U 21/04 -).
2. Die Abwägung der gegenseitigen Interessen der Parteien muss zugunsten der Antragstellerin ausfallen. Gegenüber dem Informationsinteresse der journalistischen Öffentlichkeit und dem Recht des Antragsgegner auf Freiheit der Berufsausübung überwiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin.
Das anerkennenswerte Informationsinteresse der Öffentlichkeit beschränkt sich – wie ausgeführt – allenfalls auf einzelne Kreise der Öffentlichkeit, namentlich Pressemitarbeiter und deren Berater bzw. potentielle Mandanten. Dem steht gegenüber, dass die Antragstellerin durch Namensnennung ins Licht der allgemeinen Öffentlichkeit gerückt wird, da die Homepage allgemein zugänglich ist und sich an die unbegrenzte Öffentlichkeit richtet. Bei den auf der Homepage veröffentlichten Informationen steht das wirtschaftliche Interesse des Antragsgegner an der Gewinnung von Mandanten im Vordergrund. Auch soweit die Beiträge sich – nach Behauptung des Antragsgegner – lediglich informatorisch an Pressekreise richten sollen, wohnt ihnen doch auch ein wirtschaftliches Interesse des Antragsgegner inne. Die Antragstellerin muss es nicht hinnehmen, dass ihr Name auf der anwaltlichen Homepage des Antragsgegner für die Verfolgung der wirtschaftlichen Interessen des Antragsgegner verwendet wird (vgl. Senat vom 30. 9. 2005 – 9 U 21/04 -; BGH NJW 1981, 2402; vgl. auch BGH NJW 1997, 1152 zu §§ 22, 23 KUG).
Eine zu weitgehende Einschränkung seines Rechts auf Freiheit der Berufsausübung ist für den Antragsgegner mit der Unterbindung der Namensnennung der Antragstellerin nicht verbunden, denn der Antragsgegner kann über seine Erfahrungen in Pressesachen weiterhin auf seiner Homepage berichten und auch ohne namentliche Erwähnung der Antragstellerin auf seine Kompetenz aufmerksam machen.
Auch soweit der Antragsgegner einwendet, das Informationsinteresse von Redakteuren etc. könne gerade in Bezug auf die Antragstellerin nur befriedigt werden, wenn über den Presserechtsstreit unter Namensnennung berichtet werde, weil andernfalls die Presse nicht wisse, über welche konkrete Person sie in Zukunft berichten oder nicht berichten dürfe, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Dem Antragsgegner ist unbenommen, die konkrete Fallgestaltung auf seiner Homepage darzustellen. Den Informationsinteressen der Redakteure etc. ist dabei hinreichend Rechnung getragen, wenn sie - wie es ansonsten weitgehend der Rechtsprechungsdarstellung auf der Homepage des Antragsgegner entspricht - in anonymisierter Form über die Klage und die Rechtsmeinung des entscheidenden Gerichts informiert werden. Demgegenüber muss das - vom Antragsgegner behauptete - Interesse von Pressemitarbeitern, bei einer gezielten Internetrecherche nach Veröffentlichungen zu der Antragstellerin über von ihr geführte presserechtliche Auseinandersetzungen, leicht fündig zu werden, hinter dem Privatsphärenschutz der Antragstellerin zurücktreten, nicht auf der der werblichen Selbstdarstellung einer Anwaltskanzlei dienenden und dem ungehinderten Zugriff der Allgemeinheit offenstehenden Homepage namentlich erwähnt zu werden. Will der Redakteur, Verlag oder Berater die Fallschilderung zum Anlass nehmen, sich für einen geplanten Beitrag von der rechtlichen Zulässigkeit zu überzeugen, kann er die Rechtsberatung des Antragsgegner in Anspruch nehmen.
Dass auch ohne Namensnennung der Antragstellerin im Internetauftritt des Antragsgegner ihre Identifizierung – jedenfalls für Eingeweihte – möglich ist, stellt keine Widersprüchlichkeit der landgerichtlichen Entscheidungsgründe dar. Die vom LG vorgenommene Abstufung – in Namensnennung als stärkste Form der Identifizierung einerseits und Identifizierbarkeit anhand von anderen Merkmalen für bereits eingeweihte Personen andererseits – ist nicht zu beanstanden. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass dem Antragsgegner die Darstellung seiner spezialisierten Kompetenz in presserechtlichen Fällen offenstehen muss und ihm nicht untersagt werden kann, diese Kompetenz anhand von konkreten - von der Kanzlei betreuten - Fällen darzustellen. Das LG hat sich zu Recht auf den Standpunkt gestellt, dass ein Rückschluss auf die Person der Antragstellerin - bei Verzicht auf die Namensnennung - derjenigen Öffentlichkeit zwar möglich ist, die mit dem Sachverhalt ohnehin hinreichend vertraut sind, eine solche Berichterstattung aber nicht mehr in erheblicher Weise in das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin eingreift.
Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des BerGer. ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 522 II Ziffer 2 und 3 ZPO.
Nippe
Damaske
Dr. Zilm
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