Bildpublikationen von Charlene Wittstock
Gericht
LG Berlin
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
22. 07. 2008
Aktenzeichen
27 O 602/08
1. Die einstweilige Verfügung vom 5. Juni 2008 wird bestätigt.
2. Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Veröffentlichung ihrer Bildnisse. Sie ist die
Freundin des Staatsoberhauptes des Fürstentums Monaco Fürst Albert.
Die Antragsgegnerin verlegt die Zeitschrift …….. , in deren Ausgabe Nr. 22 vom 21. Mai 2008 auf Seite 8 ein Artikel mit der Überschrift "Wird sein Sohn Alexandre wenigstens Fußball-Fürst von Monaco?" erschien, der unter anderem mit einer Fotografie der Klägerin bebildert ist, mit der Bildnebenschrift "Die Monegassen warten auf die Verlobung ihres Fürsten mit Charlene Wittstock"; der Artikel ist nachfolgend in verkleinerter Kopie auszugsweise wiedergegeben: ……..
Die Antragsstellerin nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung in Anspruch. Sie sieht sich durch die Fotoveröffentlichung, für die es keinen zeitgeschichtlichen Anlass gebe, in ihrem Persönlichkeitsrecht bzw. ihrem Recht am eigenen Bild verletzt. Ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an ihren Fotos sei nicht erkennbar. Der bebilderte Beitrag habe keinerlei sachlichen Informationswert. Ein legitimes Informationsinteresse im Hinblick auf ihre Beziehung zum Fürsten Albert bestehe nicht, zumal der Fürst erst jüngst mitgeteilt habe, dass er keine Heiratspläne habe.
Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin die einstweilige Verfügung vom 5. Juni 2008 erwirkt, durch die der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden ist, das in ……. vom 21.05.2008 auf Seite … abgedruckte Foto mit der Bildaufschrift "Die Monegassen warten auf die Verlobung...", das Charlene Wittstock zeigt, erneut zu veröffentlichen.
Gegen die ihr zwecks Vollziehung zugestellte einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin. Sie meint, das Interesse an der Person der Antragstellerin habe sich verselbständigt, da sie die Lebensgefährtin des Fürsten von Monaco und aller Voraussicht nach die künftige Fürstin sei, sie sei als offizielle Begleiterin des Fürsten eingeführt, der Presse würden zur Dokumentation offizieller gemeinsamer Auftritte Fotografien des Paars zur Verfügung gestellt. Die gesamte westliche Welt frage sich, wann die Antragstellerin und der Fürst endlich heirateten, hierbei handele es sich um eine zeitgeschichtliche Frage. Die Fotografien seien zudem bei einem öffentlichen Auftritt entstanden, nämlich auf der "Panda-Ball-Gala".
Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag
zurückzuweisen.
Die Antragsstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Sie verteidigt den geltend gemachten Unterlassungsanspruch und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, weil sie zu Recht ergangen ist, §§ 936, 925 ZPO.
Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen der beanstandeten Bildberichterstattung in "Freizeit Spaß" vom 21. Mai 2008 gegen die Antragsgegnerin als deren Verlegerin aus §§ 823, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. §§ 22 f. KUG, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu, weil die Verbreitung der beanstandeten Bildnisses rechtswidrig war.
Bildnisse einer Person dürfen grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG), an der es vorliegend fehlt. Das Recht am eigenen Bild ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich allein dem Abgebildeten die Befugnis zusteht, darüber zu befinden, ob und in welcher Weise er der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird (BGH AfP 2007, 121, 122 m. w. Nachw.).
Von diesem Grundsatz nimmt § 23 Abs. 1 KUG unter anderem Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte aus (Nr. 1). Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Zum abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG bei der Bildveröffentlichungen von Prominenten hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 6. März 2007 (AfP 2007, 121) folgende Grundsätze aufgestellt:
Aus § 23 KUG hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes den abkürzenden Begriff der "Person der Zeitgeschichte" entwickelt. Als "relative" Person der Zeitgeschichte ist eine Person anzusehen, die durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis das Interesse auf sich gezogen hat. Deshalb darf sie ohne ihre Einwilligung nur im Zusammenhang mit diesem Ereignis abgebildet werden. Demgegenüber gilt als "absolute" Person der Zeitgeschichte eine Person, die aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemein öffentliche Aufmerksamkeit findet, so dass sie selbst Gegenstand der Zeitgeschichte ist und deshalb über sie berichtet werden darf.
Auch sie hat jedoch ein Recht auf Privatsphäre, das nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist. Vielmehr muss sie die Möglichkeit haben, sich an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten unbehelligt von Bildberichterstattung zu bewegen (BGH a. a. O. m. w. Nachw.).
Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG nimmt nach der Intention des Gesetzgebers und nach Sinn und Zweck der Regelung in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG Rücksicht auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit. Die Belange der Öffentlichkeit sind gerade bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "aus dem Bereich der Zeitgeschichte" zu beachten. Eine Abwägung der widerstreitenden Rechte und Grundrechte der abgebildeten Person aus Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sowie aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG einerseits und der Presse aus Art. 10 EMRK und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits ist schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erforderlich. Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher der Pressefreiheit und zugleich dem Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend Rechnung trägt. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Dabei ist der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zugunsten der Pressefreiheit zwar in einem weiten Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden.
Auch bei Personen, die unter dem Blickpunkt des zeitgeschichtlichen Ereignisses i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an sich ohne ihre Einwilligung die Verbreitung ihres Bildnisses dulden müssten, ist eine Verbreitung der Abbildung nicht zulässig, wenn hierdurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
Mithin kommt eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft. Dabei darf allerdings der Begriff der Zeitgeschichte nicht zu eng verstanden werden. Schon nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 09.01.1907 (KUG), vor allem aber im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, und wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Auch durch unterhaltende Beiträge kann nämlich Meinungsbildung stattfinden; solche Beiträge können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene Informationen.
Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, innerhalb dessen sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist. Deshalb muss die Presse zur Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden Aufgaben nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält. Auch wenn die Presse zur Wahrung der Pressefreiheit und zur Vermeidung einer vom Grundgesetz untersagten Zensur selbst nach publizistischen Kriterien entscheiden darf, worüber sie berichten will, kann sie sich damit nicht der Abwägung mit der geschützten Privatsphäre derjenigen entziehen, über die sie berichten Deshalb muss eine Interessenabwägung stattfinden, und zwar zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre andererseits. Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist. Das Interesse der Leser an bloßer Unterhaltung hat gegenüber dem Schutz der Privatsphäre regelmäßig ein geringeres Gewicht.
Diese Grundsätze gelten auch für Personen von hohem Bekanntheitsgrad. Deshalb kann auch bei den bisher so genannten Personen der Zeitgeschichte nicht außer Betracht bleiben, ob die Berichterstattung zu einer Debatte mit einem Sachgehalt beiträgt, der über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgeht. Das schließt es freilich nicht aus, dass je nach Lage des Falles für den Informationswert einer Berichterstattung auch der Bekanntheitsgrad des Betroffenen von Bedeutung sein kann. In jedem Fall ist bei der Beurteilung des Informationswerts bzw. der Frage, ob es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinn des allgemein interessierenden Zeitgeschehens handelt, ein weites Verständnis geboten, damit die Presse ihren meinungsbiIdenden Aufgaben gerecht werden kann, die nach wie vor von größter Bedeutung sind.
Kommt es mithin für diese Abwägung maßgeblich auf den Informationswert der Abbildung an, so kann, da im Streitfall die beanstandete Abbildung im Zusammenhang mit einer Wortberichterstattung verbreitet worden ist, bei der Beurteilung diese zugehörige Wortberichterstattung nicht unberücksichtigt bleiben BGH a. a. 0., S. 124).
Diese Grundsätze führen im Streitfall zu einer Abwägung, in deren Ergebnis die Interessen der Antragstellerin an ihrem eigenen Bild die Informationsinteressen der Öffentlichkeit und der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Bildberichterstattung überwiegen:
Die Berichterstattung insgesamt dreht sich vorliegend überhaupt nicht um eine bestimmte Veranstaltung, etwa die Panda-Ball-Gala, bei der die Fotografie entstanden ist, sondern sie bebildert erneute Spekulationen darüber, ob der Fürst Albert und die Antragstellerin heiraten werden. Deshalb ändert Ort und Zeitpunkt der Aufnahme der Bildnisse Oberhaupt nichts daran, dass sich die Antragstellerin jedenfalls nicht damit einverstanden erklärt hat, dass ihr Bildnis für jedweden Berichterstattungsanlass genutzt und veröffentlicht werden darf. Die Antragsgegnerin dringt auch nicht mit ihrer Argumentation durch, die Antragstellerin sei aus eigenem Entschluss in den Medien als Begleiterin des Fürsten präsent, denn es ist gerichtsbekannt, dass sich die Antragstellerin konsequent gegen Verletzungen ihres Persönlichkeitsrechts und ihres Rechts am eigenen Bild zur Wehr setzt, so dass auch eine Vielzahl anderer rechtswidriger Berichterstattungen die Antragsgegnerin nicht zu rechtfertigen vermögen.
Die Antragstellerin ist darüber hinaus nicht selbst eine Person der Zeitgeschichte in dem Sinne, dass sie aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemein öffentliche Aufmerksamkeit finden würde und sich das Interesse an ihrer Person verselbständigt hätte. Dies ergibt sich schon daraus, dass es offensichtlich überhaupt keinen Berichterstattungsanlass dafür gäbe, über Heiratspläne zu spekulieren, wenn sie nicht die Freundin des Fürsten Albert wäre. Das öffentliche Interesse an der Antragstellerin besteht insoweit ausschließlich in Bezug auf ihre Beziehung zum monegassischen Fürstenhaus und nicht um ihrer selbst willen.
Bei der gebotenen Abwägung zwischen den persönlichkeitsrechtlichen Belangen der Antragstellerin (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) und den durch die Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 GG geschützten Interessen der Antragsgegnerin spricht vor allem für die Belange der Antragstellerin, dass hier weder die beanstandete Abbildung selbst noch der begleitende Textbeitrag dazu dienen, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinsichtlich einer Debatte mit Sachgehalt zu befriedigen. Der Artikel erschöpft sich in Vermutungen über eine vermeintliche Sportlerkarriere des vierjährigen unehelichen Kindes des Fürsten Albert und die Mutmaßungen, die Monegassen warteten auf die Verlobung ihres Fürsten mit der Antragstellerin. Dass "die gesamte westliche Welt sich fragt, wann die Hochzeit nunmehr endlich stattfindet", wie die Antragsgegnerin meint, darf im Übrigen bezweifelt werden. Die Verwendung ihres Bildnisses zur Illustration eines solchen Artikels muss die Antragstellerin deshalb im Ergebnis nicht hinnehmen.
Die Wiederholungsgefahr ist aufgrund der bereits erfolgten Rechtsverletzung zu vermuten und hätte nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden können (BGH NJW 1994, 1281), an der es fehlt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Becker
von Bresinsky
Dr. Stöß
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