Keine Störerhaftung eines Verlags, der eine Domain einem Internetbetreiber überlässt

Gericht

OLG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

05. 08. 2008


Aktenzeichen

7 U 29/08


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Geschäftsnummer 324 O 862/07, vom 8.2.2008 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Be¬klagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

1. Der Kläger macht mit seiner Klage einen Anspruch auf Unterlassung bestimmter ihn in seinem Per¬sönlichkeitsrecht verletzender Äußerungen geltend, die ab 12.6.2007 auf der unter www......... abrufbaren Internetseite erschienen sind. Die Beklagte ist Inhaberin der Domain www.......... .

Im Impressum der bezeichneten Internetseite heißt es ………… ist ein Angebot der ………… , Geschäftsbereich Portal.

………………

2. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung der verletzenden Äußerungen, da die Beklagte weder als Täterin noch als Störerin für den Inhalt der Äußerungen haftet.

……………

c) Schließlich besteht auch kein Unterlassungsanspruch der Beklagten als Folge des Umstandes, dass sie Inhaberin der Domain …….. ist, unter der der Artikel erschienen ist.

Allerdings kommt die Beklagte als Störerin wegen ihres Beitrages zur Verbreitung der Seite in Betracht.

Die Beklagte ist zwar nicht technische Verbreiterin der Seite, mit der Überlassung der für sie eingetragenen Domain erbringt sie jedoch einen wesentlichen Beitrag zur Nutzung der Internetseite. Allerdings könnte eine Internetseite auch ohne Domain betrieben werden, ihre Nutzung wäre indessen praktisch unmöglich, wenn sie nur über eine vielstellige IP-Adresse aufgerufen werden könnte. Die Zuordnung der Seite zu der Domain ……… trägt somit wesentlich zur Aufrufbarkeit und damit zur Nutzung der Seite bei. Dabei stellt die Existenz der Beklagten eine Voraussetzung der Eintragung der Domain dar. Ausschließlich sie wird bei der Registrierungsstelle DENIC als für die Domain zuständige Person benannt, so dass der Nutzer nur über sie den tatsächlichen Betreiber der Seite als Diensteanbieter erreichen kann, sofern den nach § 5 TMG vorgeschriebenen Informationspflichten nicht genügt worden ist. Diese besondere Bedeutung des Domaininhabers könnte es rechtfertigen, ihm - vergleichbar mit einem technischen Verbreiter - die Eigenschaft eines Störers in bezug auf Rechtsverletzungen zuzusprechen, die sich bei Nutzung der Domain auf der unter der überlassenen URL aufrufbaren Internetseite ereignen. Der Domaininhaber ist mit dem Betreiber der mit der Domain verknüpften Seite vertraglich verbunden und hat damit die Möglichkeit, sich durch entsprechende Vertragsgestaltung den Einfluss auf den Inhalt der Internetseite vorzubehalten und diesen Einfluss im Falle der Verletzung der Rechte Dritter durchzusetzen. Im äußersten Falle wäre er in der Lage, die Domain aufzugeben oder durch Dekonnektierung des Access-Providers den gesamten Internetauftritt von seiner Domain zu trennen.

Aus der potentiellen Störereigenschaft allein folgt indessen nicht, dass dann in jedem Fall der Rechtsverletzung ein in die Zukunft wirkender Unterlassungsanspruch begründet wäre. Wie der Bundesgerichtshof insbesondere im Zusammenhang mit technischen Verbreitern etwa im Falle einer Internetversteigerung (Urteil vom 11.3.2004, NJW 2004,3102) oder eines Meinungsforums (Urteil vom 27.3.2007, AfP 2007, 350) entschieden hat, darf die Störerhaftung Dritter, die nicht selbst die fragliche rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, nicht über Gebühr erweitert werden, so dass ihre Haftung die zusätzliche Verletzung von Pflichten voraussetzt.

Zwar ist der Verbreiter fremder Inhalte verpflichtet, dann, wenn er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wurde, unverzüglich die sofortige Unterbindung zu veranlassen. Er muss ferner Vorsorge treffen, dass keine weitere Verletzung eintritt. Verweigert er die Sperrung oder trifft er keine solchen Vorkehrungen, liegen die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs vor, sofern es im Anschluss daran zu erneuten Verletzungen kommt. Eine weiter gehende Prüfungs- und Überwachungspflicht kann ferner auch ohne vorausgegangene Verletzungshandlung dann bestehen, wenn der Verantwortliche aus anderen Gründen konkret mit der Vornahme von Verletzungen rechnen muss (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 22.8.2006, AfP 2006, 656).

Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte vor der Veröffentlichung damit rechnen musste, dass ehrverletzende Inhalte über den Kläger unter der von ihr vermittelten URL abrufbar werden würden. Es ist insbesondere nicht vorgetragen, dass dies bereits zuvor geschehen wäre. Die generell bestehende Gefahr von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch ein Massenmedium führte für sich nicht bereits zu einer Überwachungspflicht der Beklagten. Eine solche erweiterte Prüfungspflicht würde nämlich faktisch zu einer Haftung des Domaininhabers führen, die derjenigen eines Verlegers gleich käme, was der Senat - insofern abweichend von der vom Kläger als Anlage K 17 eingereichten Entscheidung in anderer Sache - jedenfalls dann für nicht angemessen hält, wenn der Diensteanbieter selbst seiner nach § 5 TMG bestehenden Informationspflicht nachgekommen ist und deshalb in Anspruch genommen werden kann.

Wie sich aus dem unbestrittenen Vortrag ergibt, hat die Beklagte die Abmahnung unverzüglich an die zuständige ………… weitergeleitet und darauf hingewirkt, dass der Beitrag gelöscht wurde. Damit hat sie sogleich nach Kenntnis die Störung beseitigt (§§ 823, 1004 Abs.1 S.1 BGB analog).

Hat sie aber keine Überwachungs- und Prüfungspflichten verletzt und ist sie ihrer Störungsbeseitigungspflicht nach Kenntnis unverzüglich nachgekommen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, so dass die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs gemäß §§ 823, § 1004 Abs.1 S.2 analog BGB nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11 ZPO analog.

Die Revision wurde zugelassen, weil die Haftung eines Domaininhabers für den Inhalt der unter dieser Domain abrufbaren Seite grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts bezüglich dieser Frage eine höchstrichterliche Entscheidung erfordert (§ 543 Abs.2 ZPO).

Raben
Lemcke
Meyer

Rechtsgebiete

Informations- und Telekommunikationsrecht