Bundesgerichtshof weist Klage im Fall Simonis vollständig ab

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

24. 06. 2008


Aktenzeichen

VI ZR 156/06


Leitsatz des Gerichts

  1. Im Zusammenhang mit der Presseberichterstattung über ein bedeutendes politisches Ereignis (hier: Abwahl einer Ministerpräsidentin) kann die ohne Einwilligung erfolgende Veröffentlichung von Fotos, die die betroffene Poli-tikerin bei nachfolgender privater Betätigung zeigen (hier: Einkäufe), durch das Informationsinteresse der Allgemeinheit gerechtfertigt sein.

  2. Die Tatsache, dass nach einem solchen Ereignis das Verhalten der Fotore-porter zu einer gewissen Belästigung der Politikerin geführt hat, rechtfertigt nicht ohne Weiteres Ansprüche auf Auskunft darüber, welche Fotos gefer-tigt und dem beklagten Presseorgan überlassen wurden, und auf Heraus-gabe oder Vernichtung der vorhandenen Fotos.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 13. Juni 2006 im Kostenpunkt und in-soweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Landge-richts Berlin vom 22. November 2005 abgeändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin schied am 27. April 2005 aus dem Amt der Ministerpräsi-dentin von Schleswig-Holstein aus. In der Folge wurden in der von der Beklag-ten herausgegebenen "Bild"-Zeitung drei Fotos veröffentlicht, mit denen der Artikel vom 28. April 2005 "Danach ging Heide erst mal shoppen" illustriert war. Die Fotos zeigen die Klägerin bei privaten Einkäufen im Anschluss an ihr Aus-scheiden aus dem Amt der Ministerpräsidentin. Der Artikel befindet sich unmit-telbar anschließend an die Berichterstattung über die politischen Ereignisse in Kiel am 27. April 2005.

Die Beklagte ließ auch am Folgetag Fotografen vor dem Haus der Kläge-rin warten und hinter ihr herfahren. Die Klägerin beanstandet die Veröffentli-chung der Fotos, ferner dass sie am 27. April 2005 und am Folgetag von Re-portern der Beklagten verfolgt und fotografiert worden sei. Sie hält die Fertigung der Fotos an beiden Tagen für rechtswidrig. Auf die Klage hat das Landgericht Berlin die Beklagte zur Unterlassung der Bildveröffentlichung verurteilt. Es hat sie ferner verurteilt, darüber Auskunft zu erteilen, welche Bildnisse der Klägerin sie in Besitz hat, die sie aufgrund der Beobachtung der Klägerin am 27. und 28. April 2005 von drei Fotografen erhal-ten und in Besitz hat.

Schließlich hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, die Klägerin von Anwaltskosten in Höhe von 2.219,90 € für die Rechtsverfolgung freizustellen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Unterlas-sungsklage abgewiesen. Der Auskunfts- und Zahlungsklage hat es nur teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, welche Bildnisse sie von der Klägerin in Besitz hat, die sie auf Grund der von der Beklagten erteilten Aufträge, die Klägerin zu beobachten und zu fotografie-ren, am 28. April 2005 durch drei namentlich genannte Fotografen erhalten hat, ferner dazu, die Klägerin von der Inanspruchnahme durch ihre Rechtsanwälte in Höhe von 800,79 € freizustellen. Die weiter gehende Klage hat es abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, welche beide Parteien einge-legt haben.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in AfP 2006, 369 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Fotos von den Einkäufen am 27. April 2005 nicht mehr verbreite. Die Fotos stellten Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dar. Die Klägerin sei seinerzeit als absolute Person der Zeitgeschichte anzusehen gewesen. Zum einen habe sie als langjährige Ministerpräsidentin eines Bundeslandes bis zu diesem Tage eine herausragende Stellung in der deutschen Politik eingenommen und damit auch eine Leitfigur dargestellt, zumal sie ein solches Amt als bislang einzige Frau in der Bundesrepublik Deutschland inne gehabt habe. Dieser Rang habe nicht etwa mit der Stunde des Amtsverlus-tes geendet. Zum anderen sei es von zeitgeschichtlicher Bedeutung, wie ein hochrangiger Politiker aus seinem Amt scheide.

Im Rahmen der gebotenen Abwägung gemäß § 23 Abs. 2 KUG sei zwar ein gewisses Anonymitätsinteresse der Klägerin zu berücksichtigen. Auch habe das Verhalten der Reporter für die Klägerin eine nicht unerhebliche Belästigung dargestellt. Gleichwohl müssten die Belange der Klägerin hier zurücktreten. Die streitgegenständlichen Fotos, welche die Klägerin vor einer Salat-Theke, in ei-nem Bekleidungsgeschäft neben Kleiderständern bzw. vor dem Schaufenster eines Schuhgeschäftes zeigten, seien unverfänglich und in einem frequentierten Einkaufszentrum aufgenommen. Ferner habe die Klägerin während ihrer Amtszeit einzelne Einblicke in ihr Privatleben gestattet und sich u.a. beim Ein-kaufen auf Flohmärkten - wenn auch nicht von Lebensmitteln oder Kleidung - fotografieren lassen. Vor allem müssten sich Inhaber eines öffentlichen Amtes auch nach den Maßstäben des EGMR eine Beobachtung im Alltagsleben eher gefallen lassen. Bei einer Person in führender politischer Position könne ein Bericht über das private Verhalten durchaus einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leisten. Die fraglichen Fotos seien an eben dem Tag gefertigt worden, als die Klägerin nach rund 12 Jahren im Amt der Ministerprä-sidentin abgelöst wurde, was nach der Landtagswahl vom 20. Februar 2005 und nach den für die Klägerin erfolglosen vier Wahlgängen in der Landtagssit-zung vom 17. März 2005 allgemein große Beachtung gefunden habe. Auch ha-be die Klägerin ihre Betroffenheit über die Vorgänge deutlich zum Ausdruck gebracht. Vor diesem Hintergrund sei ein erhebliches Interesse der Öffentlich-keit an dem Verhalten der Klägerin unmittelbar nach ihrem Amtsverlust anzuer-kennen und es habe Bezug zur politischen Debatte, wie sich die bisherige Re-gierungschefin in dieser Situation präsentiert habe.

Die Beklagte sei indes zu Recht zur Auskunft über ihren Besitz an Bild-nissen der Klägerin verurteilt worden, soweit es um Fotos vom 28. April 2005 gehe. Die Fortsetzung der Observation habe das allgemeine Persönlichkeits-recht der Klägerin verletzt, so dass die Aufnahmen von diesem Tage im Sinne von § 37 KUG widerrechtlich hergestellt worden seien. Zum einen könne die Beklagte kein vergleichbares Berichterstattungsinteresse an den privaten Aktivi-täten der Klägerin wie am Tage des Abschiedes aus dem Amt für sich reklamie-ren. Zum anderen habe sich die Beklagte über mittlerweile umfänglichen Pro-test der Klägerin hinweg gesetzt.

Der Auskunftsanspruch folge aus § 242 BGB, weil die Klägerin naturge-mäß in Unkenntnis über das Fotomaterial der Beklagten sei und gemäß § 37 Abs. 1 KUG Vernichtung der Aufnahmen verlangen könne bzw. - wie in ihrer Stufenklage geschehen - eine ersatzlose Herausgabe zur Wahl stellen dürfe.

Der Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten sei nur teilweise begründet, weil für das Abmahnschreiben vom 28. April 2005 und das Abschluss-schreiben vom 8. Juni 2005 nur eine einheitliche Geschäftsgebühr (VV Ziffer 2400 RVG) entstanden sei.

II.

Die dagegen gerichteten Revisionen bleiben weitgehend ohne Erfolg.

A. Revision der Klägerin zum Unterlassungsanspruch

Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass der Klägerin kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der am 27. April 2005 gefertigten Fotos zusteht.

1. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Zulässig-keit von Bildveröffentlichungen durch die Presse nach dem abgestuften Schutz-konzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84 ff.; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274 f.; vom 6. März 2007 - VI ZR 13/06 - VersR 2007, 697 ff.; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - VersR 2007, 957; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06 - VersR 2007, 1135 ff.; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - VersR 2007, 1283 ff.), das sowohl verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 101, 361 ff.; BVerfG, NJW 2001, 1921, 1923 ff.; 2006, 2835 f.; 2836 ff.; AfP 2008, 163 ff.) als auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR, NJW 2004, 2647 ff. - von Hannover gegen Deutschland und NJW 2006, 591 ff. - Karhuvaara und Iltalehti gegen Finnland) entspricht. Danach besteht eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Einwilli-gungserfordernis des § 22 KUG bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitge-schichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG), wobei die Verbreitung eines Bildnisses aller-dings unzulässig ist, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Das betrifft vor allem auch Bilder von Personen, deren Abbildung wegen ihres zeitgeschichtlichen Bezugs als bedeutsam anzusehen ist, so dass von daher ein durch ein echtes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse der Allgemeinheit an einer bild-lichen Darstellung zu bejahen ist. Zu diesem Personenkreis können insbeson-dere Monarchen, Staatsoberhäupter sowie herausragende Politiker gehören (Senatsurteile BGHZ 131, 332, 336; 158, 218, 220, m.w.N.). Allerdings verbietet sich eine schematische Einordnung; die Beurteilung der Frage, ob ein Bildnis einer Person unabhängig von einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis einwilligungsfrei veröffentlicht werden darf, erfordert vielmehr stets eine einzel-fallbezogene Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den berechtigten Interessen der abgebildeten Person (Senatsurteile BGHZ 158, 218, 220; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06 - aaO, S. 1136 f.; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - aaO, S. 1284; BVerfGE 101, 361, 392; BVerfG, NJW 2001, 1921, 1922, jeweils m.w.N).

Der Begriff des Zeitgeschehens darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vor-gänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der ge-setzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse be-ansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist, wobei unterhaltende Beiträge da-von nicht ausgenommen sind (vgl. BVerfGE 101, 361, 389 ff.; BVerfG, AfP 2008, 163 , 166 f. Nr. 61 ff.; Senatsurteile vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06 - aaO; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - aaO, jeweils m.w.N.). Allerdings ist nicht mit jedweder visuellen Darstellung aus dem Privat- und Alltagsleben prominen-ter Personen ein Beitrag zur Meinungsbildung verbunden, der es für sich allein rechtfertigt, die Belange des Persönlichkeitsschutzes zurückzustellen.

Die Presse darf deshalb keinen schrankenlosen Zugriff auf Bilder von Personen mit zeitgeschichtlicher Bedeutung nehmen, vielmehr sind Bildveröffentlichungen nur insoweit gerechtfertigt, als dem Publikum sonst Möglichkeiten der Mei-nungsbildung vorenthalten werden (vgl. BVerfGE 101, 361, 393; BVerfG, AfP 2008, 163, 168 Nr. 73).

Für Personen des politischen Lebens ist ein gesteigertes Informationsin-teresse des Publikums unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle stets als legitim anerkannt worden. Sie stehen in besonderem Maße für bestimmte Wertvorstellungen und Lebenshaltungen, bieten vielen Menschen Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen, werden zu Kristallisati-onspunkten für Zustimmung oder Ablehnung und erfüllen Leitbild- oder Kon-trastfunktionen. Der Kreis berechtigter Informationsinteressen der Öffentlichkeit ist gerade bei Politikern nicht auf skandalöse, sittlich oder rechtlich zu bean-standende Verhaltensweisen begrenzt, vielmehr dürfen auch die Normalität des Alltagslebens oder in keiner Weise anstößige Handlungsweisen der Öffentlichkeit vor Augen geführt werden, wenn dies der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann. Es würde die Pressefreiheit in einer mit Art. 5 Abs. 1 GG unvereinbaren Weise einengen, bliebe die Lebensführung die-ses Personenkreises einer Berichterstattung außerhalb der von ihnen ausgeüb-ten Funktionen grundsätzlich entzogen (vgl. BverfGE 101, 361, 390 f.; BVerfG, AfP 2008, 163, 166 f. Nr. 60, 64).

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt ein ge-steigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinsichtlich politischer Akteu-re an, wobei nicht nur die Amtsführung, sondern unter besonderen Umständen auch Aspekte des Privatlebens betroffen sein können (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Juni 2004, NJW 2004, 2647, 2650 Nr. 64). Er unterscheidet zwischen Politi-kern ("politicians/personnes politiques") und sonstigen im öffentlichen Leben oder im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Personen ("public figu-res/personnes publiques") sowie der gewöhnlichen Privatperson ("ordinary per-son/personne ordinaire"), wobei einer Berichterstattung über gewöhnliche Bür-ger engere Grenzen als in Bezug auf den Kreis sonstiger Personen des öffentli-chen Lebens gezogen seien und der Schutz der Politiker am schwächsten sei (vgl. EGMR, - 2. Sektion -, Urteil vom 17. Oktober 2006, Beschwerde-Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien, § 59). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht ohnehin nur wenig Spielraum, die Gewährleistung des Art. 10 Abs. 1 EMRK zurücktreten zu lassen, falls eine Medienberichterstattung einen Bezug zu einer Sachdebatte von allgemeinem Interesse aufweist (vgl. EGMR, - Große Kammer -, Urteil vom 22. Oktober 2007, Beschwerde-Nr. 21279/02 u.a., Lindon u.a. gegen Frankreich, § 45; EGMR, NJW 2006, 1645, 1647 Nr. 68 f. - Pedersen und Baadsgaard gegen Dänemark). Dabei ge-nügt es, wenn von der Berichterstattung politische oder sonst bedeutsame Fra-gen jedenfalls in gewissem Umfang behandelt werden (vgl. EGMR, NJW 2006, 591, 593 Nr. 45 - Karhuvaara und Iltalehti gegen Finnland).

2. Gemessen daran ist die Abwägung, die das Berufungsgericht hinsicht-lich der am 27. April 2005 gefertigten Fotos vorgenommen hat, nicht zu beanstanden.

a) Es stellt zutreffend darauf ab, dass die fraglichen Fotos, welche die Klägerin in einer unverfänglichen Situation in einem frequentierten Einkaufs-zentrum zeigen, an dem Tag gefertigt wurden, als die Klägerin nach rund zwölf-jähriger Amtszeit als Ministerpräsidentin abgelöst wurde und dass nach der Landtagswahl vom 20. Februar 2005 die Landtagssitzung vom 17. März 2005 mit den vier für die Klägerin erfolglosen Wahlgängen in der Öffentlichkeit große Beachtung gefunden habe, dass ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit an dem Verhalten der Klägerin unmittelbar nach ihrem Amtsverlust anzuerkennen sei und dass die Information darüber, wie sich die bisherige Regierungschefin in dieser Situation präsentierte, einen Bezug zur politischen Debatte gehabt habe.

Die Revision der Klägerin erkennt selbst zutreffend, dass ein Interesse der Öffentlichkeit daran bestand, darüber informiert zu werden, wie die Klä-gerin den Verlust ihrer Stellung als Ministerpräsidentin bewältigte und wie sie ihr Leben nach dem Abschied aus der Politik gestaltete. Von diesem Ausgangs-punkt her ist die Annahme verfehlt, die Klägerin habe von der Presse ab dem Zeit-punkt ihres Amtsverlusts wie jedwede Privatperson behandelt werden müssen. Sie blieb trotz des Amtsverlusts eine bedeutende Politikerin und das Verhalten solcher Personen muss auch nach einem Misserfolg wie etwa einem spektakulären Amts-verlust Gegenstand öffentlicher Diskussion sein können. Das Verhalten von Politi-kern in solchen Situationen, in denen sich Wut, Enttäuschung und Frustration ma-nifestieren können, kann wertvolle Anhaltspunkte nicht nur für die Einschätzung der jeweiligen Person im Verlauf ihrer weiteren politischen Laufbahn, sondern auch für die Beurteilung des politischen Geschehens im Allgemeinen geben.

b) Der Ansicht der Revision, zu der Diskussion über diese gesellschaftspolitisch bedeutsame Thematik hätten die am 27. April 2005 gefertigten Fotos nichts Wesentliches beitragen können, weil sie Momentaufnahmen darstellten, die lediglich die Neugier über das Privatleben der Klägerin und ihre Gefühlsver-arbeitung hätten befriedigen sollen, kann nicht gefolgt werden. Sicherlich zielen derartige Bildaufnahmen darauf ab, die mediale Darstellung auch in gewisser Weise unterhaltend zu gestalten, wie es insbesondere auch dem hier betroffe-nen Presseorgan entspricht. Indes kann auch der "bloßen Unterhaltung" ein Bezug zur Meinungsbildung nicht von vornherein abgesprochen werden. Unter-haltung ist ein wesentlicher Bestandteil der Medienbetätigung, der am Schutz der Pressefreiheit teilhat (vgl. BVerfGE 35, 202, 222; 101, 361, 390; BVerfG, AfP 2008, 163, 166 f. Nr. 61 ff.; Senatsurteil vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - aaO).

Die Unterhaltsamkeit des Inhalts einer Berichterstattung oder seiner Aufmachung ist eine häufig wichtige Bedingung zur Gewinnung öffentlicher Aufmerksamkeit und damit gegebenenfalls auch zur Einwirkung auf die öffentli-che Meinungsbildung. Dem würde eine Betrachtungsweise nicht gerecht, die das Interesse der Bürger an Unterhaltung stets nur als auf die Befriedigung von Wünschen nach Zerstreuung und Entspannung, nach Wirklichkeitsflucht und Ablenkung gerichtet ansieht. Vielmehr kann Unterhaltung auch Realitätsbilder vermitteln und Gesprächsgegenstände zur Verfügung stellen, an die sich Dis-kussionsprozesse anschließen können, die sich auf Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster beziehen, und damit wichtige gesell-schaftliche Funktionen erfüllen. Unterhaltung in der Presse ist aus diesem Grund gemessen an dem Schutzziel der Pressefreiheit nicht unbeachtlich oder gar wertlos (BVerfG, aaO; vgl. auch EGMR, - 4. Sektion -, Urteil vom 13. Dezember 2005, Beschwerde-Nr. 66298/01 u.a., Wirtschafts-Trend-Zeitschriften-Verlagsgesellschaft mbH gegen Österreich, § 49 f.).

Dabei muss auf der Ebene des Politikbetriebs beachtet werden, dass heutzutage die profes-sionalisierte Politikvermittlung auch seitens der politischen Akteure in großem Umfang durch unterhaltende Elemente geprägt ist.

Zwar bedarf es auch vor diesem Hintergrund gerade bei unterhaltenden Inhalten der abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (BVerfG, AfP 2008, 163, 167 Nr. 65; Senatsurteil vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - aaO), doch darf dies nicht zu einer zu weitgehenden Einschränkung der Presseberichterstattung führen. Die politischen Akteure müssen sich am Maßstab ihrer Sphäre messen lassen und können sich, soweit ein Informations-interesse der Öffentlichkeit besteht, der Berichterstattung der Presse nicht ohne Weiteres unter Berufung auf ihre Privatheit entziehen, wenn sie etwa auf Miss-erfolgserlebnisse in bestimmter Weise reagieren.

c) Dem wird die vom Berufungsgericht im Streitfall vorgenommene Ab-wägung gerecht. Dass die veröffentlichten Fotos im Kontext mit der - von der Klägerin nicht beanstandeten - Wortberichterstattung (vgl. dazu etwa Senatsur-teile BGHZ 158, 218, 223; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - aaO; Se-natsurteil vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - aaO; BVerfG, AfP 2008, 163, 167 Nr. 68) über die Abwahl der Klägerin und ihrem dem unmittelbar folgenden Ver-halten stehen, zieht auch die Revision der Klägerin nicht in Zweifel. Die Bilder zeigen die Klägerin zudem in einer unverfänglichen Situation beim Einkaufen und betreffen keinesfalls den Kernbereich ihrer Privatsphäre (vgl. dazu Senats-urteil BGHZ 131, 332, 338; BVerfG, AfP 2008, 163, 169 Nr. 87, jeweils m.w.N.).

Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil - was das Berufungsgericht nicht verkennt - das von der Klägerin behauptete Vorgehen der Bildreporter eine erhebliche Belästigung dargestellt hat. Zwar können für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes auch die Umstände der Gewinnung der Abbildung, etwa durch beharrliche Nachstellung, bedeutsam sein (vgl. BVerfG, AfP 2008, 163, 167 Nr. 69; EGMR, Urteil vom 24. Juni 2004, aaO, S. 2650, Nr. 59, 68), doch ist es nicht zu beanstanden, wenn das Beru-fungsgericht unter den besonderen Umständen des Streitfalls angesichts der turbulenten, ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit verursachenden Ereig-nisse dem Berichterstattungsinteresse Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz der Klägerin eingeräumt hat.

B. Revision der Beklagten

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Der Auffassung des Berufungs-gerichts, die Beklagte sei zu Recht zur Auskunft über ihren Besitz an Bildnissen der Klägerin verurteilt worden, soweit es um Fotos vom 28. April 2005 gehe, kann nicht gefolgt werden. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass unter besonderen Um-ständen ein Auskunftsanspruch gegeben sein kann, wenn eine Rechtsverlet-zung vorliegt, die Auskunft zur Rechtsverfolgung erforderlich ist und vom Ver-letzer unschwer erteilt werden kann (vgl. Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 15 Rn. 7 zur Auskunft über den Verbreitungsumfang, m.w.N.). Unter den Umständen des vorliegenden Falls wäre freilich die Auskunft zur Rechtsverfolgung nur erforderlich, wenn der Klä-gerin der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe bzw. Vernichtung der Bilder zustünde. Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Fall.

1. Die Voraussetzungen des vom Berufungsgericht zitierten § 37 Abs. 1 KUG liegen nicht vor. Die fraglichen Fotos sind nicht widerrechtlich verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt worden. Allerdings wird ein Beseitigungsan-spruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB bejaht, wenn bereits durch die Anfertigung von Fotos das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten ver-letzt wurde, der Besitz an den Fotos Folge dieses Eingriffstatbestandes ist und durch ihn der durch den Eingriff hervorgerufene Störungszustand aufrechterhal-ten wird (vgl. OLG München, NJW-RR 1996, 93, 95; OLG Stuttgart, NJW-RR 1987, 1434, 1435; Wenzel/von Strobl-Albeg, aaO, Kap. 9 Rn. 4 m.w.N.).

Dabei ist allerdings, soweit es, wie im vorliegenden Fall, um Pressefotos geht, in Betracht zu ziehen, dass im Interesse der Pressefreiheit, die nur bei möglichst umfassender Informationsbeschaffung gewährleistet ist, die Art und Weise der Beschaffung von Fotos nur ausnahmsweise als rechtswidrig ange-sehen werden kann (vgl. KG, AfP 2008, 199, 201 f. m.w.N.; Wenzel/von Strobl-Albeg, aaO, Kap. 7 Rn. 25). Ferner ist zu bedenken, dass ein Anspruch auf Vernichtung oder Herausgabe in das unter dem Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG stehende Recht der Presse auf Vorhaltung eines Pressearchivs eingreift und verfassungsrechtlich allenfalls dann unbedenklich sein kann, wenn die Verbreitung des Bildmaterials zeitlich unbegrenzt unzulässig ist (vgl. Wen-zel/von Strobl-Albeg, aaO, Kap. 9 Rn. 5).

2. Nach diesen Maßstäben besteht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nicht.

a) Die Anfertigung der Fotos am 28. April 2005 war nicht rechtswidrig. Die Revision der Beklagten weist zutreffend darauf hin, dass das Informationsinteresses der Öffentlichkeit daran, wie die Klägerin den Amtsverlust verarbeite-te, ebenso wie am Vortag bestand, so dass dem Persönlichkeitsschutz der Klä-gerin kein Vorrang vor dem Berichterstattungsinteresse der Beklagten zukam. Insoweit kann auf die Ausführungen oben zu A Bezug genommen werden. Das dort bejahte Informationsinteresse war nicht über Nacht abgeklungen, sondern bestand fort.

Auch für den 28. April 2005 geben die Umstände, unter denen die Fotos gefertigt wurden, keinen Anlass, dem Persönlichkeitsschutz Vorrang vor dem Berichterstattungsinteresse zu geben. Die Nachstellung durch die Reporter der Beklagten mag für die Klägerin in der gegebenen Situation besonders lästig gewesen sein, zumal sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Beklagte damit über mittlerweile umfänglichen Protest der Klägerin hinweg setz-te. All das rechtfertigt es indes nicht, bereits die Anfertigung der Fotos als rechtswidrig anzusehen.

Wie oben bereits ausgeführt, muss sich ein Politiker am Maßstab seiner Sphäre messen lassen und kann sich deshalb einer dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit Rechnung tragenden Berichterstattung und also auch der die-se vorbereitende (Foto-) Recherche nicht ohne Weiteres unter Berufung auf seine Privatsphäre entziehen. Zwar erfordert das Informationsinteresse nicht, dass sich ein Politiker, nachdem über die auslösenden Ereignisse bereits um-fangreich berichtet worden ist, gegen seinen erklärten Willen Dauerverfolgun-gen und Dauerbelästigungen durch Fotoreporter aussetzen lassen muss. Die Presseberichterstattung wird nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, wenn sie sich unter besonderen Umständen zeitweise auf eine Wortberichterstattung be-schränken muss. Jedoch ist hier die Grenze, jenseits der die Berichterstattung trotz des fortbestehenden Informationsinteresses eingeschränkt werden muss, durch das von der Klägerin vorgetragene gerade einmal zwei Tage andauernde Verhalten der Reporter der Beklagten nicht überschritten.

Das Berufungsgericht stellt insoweit lediglich fest, obwohl die Klägerin am frühen Abend des 27. April 2005 gemeinsam mit der stellvertretenden Re-gierungssprecherin von einem der Fotografen verlangt habe, ihr nicht mehr zu folgen, und die Regierungssprecherin diese Aufforderung am 28. April 2005 gegenüber einem Foto-Redakteur und telefonisch gegenüber einem Redakteur der Beklagten wiederholt habe, sei auch nach Darstellung der Beklagten von ihren Mitarbeitern kein Ende der Beschattungsaktion in Aussicht gestellt wor-den. Das reicht nicht aus, um die Fertigung der Fotos als rechtswidrig anzusehen.

b) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Veröffent-lichung der Bilder unter keinen Umständen zulässig wäre. Nach der Rechtspre-chung des erkennenden Senats kann die Veröffentlichung eines bestimmten Bildes nicht generell verboten werden; denn die Veröffentlichung könnte sich in einem bestimmten Kontext als zulässig erweisen (vgl. Senatsurteile BGHZ 158, 218, 225 und BGHZ 174, 262 ff. = VersR 2008, 552 f.). Für die Zulässigkeit ei-ner Bildveröffentlichung bedarf es in jedem Einzelfall einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebilde-ten an dem Schutz seiner Privatsphäre, wobei die begleitende Wortberichter-stattung eine wesentliche Rolle spielen kann. Eine solche Interessenabwägung kann jedoch nicht in Bezug auf Bilder vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen insbesondere offen bleibt, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 174, 262 ff. aaO).

Im vorliegenden Fall erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Fotos vom Tag nach der Abwahl der Klägerin - ungeachtet der für die Klägerin unangenehmen Art der Beschaffung - in einem geeigneten Kontext zulässigerweise veröffentlicht werden können. Die Klägerin macht selbst nicht geltend, dass es sich etwa um Fotos aus dem Bereich der Intimsphäre handele, deren rechtmäßige Veröffentlichung in jedem Fall ausgeschlossen ist.

3. Die Auskunftsklage muss deshalb abgewiesen werden. Der erkennen-de Senat hat darüber hinaus die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 2 (Stu-fenklage) insgesamt abgewiesen. Ein Anspruch auf Abgabe der Versicherung an Eides Statt (2. Stufe) scheidet mangels eines Auskunftsanspruchs aus. Ein Anspruch auf Herausgabe oder Vernichtung der Fotos (3. Stufe) besteht nach den vorstehenden Ausführungen nicht. Eine Rückgabe der Sache an das Land-gericht zur Entscheidung über die beiden unerledigten Stufen wäre deshalb ei-ne bloße Förmelei, so dass das Rechtsmittelgericht die Klage in vollem Umfang abweisen kann (vgl. BGHZ 94, 268, 275; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 254 Rn. 14).

C. Revisionen der Klägerin und der Beklagten zum Freistellungsanspruch

Da der Klägerin weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch die mit der Stufenklage geltend gemachten Ansprüche zustehen, besteht auch kein Anspruch auf Freistellung von den Anwaltskosten. Auch insoweit ist die Klage abzuweisen. Insoweit hat lediglich die Revision der Beklagten Erfolg.

Auf die Frage, ob das Berufungsgericht den Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten deswegen nur teilweise für begründet halten durfte, weil für das Abmahnschreiben vom 28. April 2005 und das Abschlussschreiben vom 8. Juni 2005 eine einheitliche Geschäftsgebühr (VV Ziffer 2400 RVG) entstanden sei, kommt es demnach nicht an. Insoweit sei zur Rechtslage deshalb lediglich auf das Senatsurteil vom 4. März 2008 (VI ZR 176/07 - AfP 2008, 192 f., m.w.N.) verwiesen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Müller
Wellner
Diederichsen
Stöhr
Zoll

Vorinstanzen

LG Berlin, Entscheidung vom 22.11.2005 - 27 O 787/05; KG Berlin, Entscheidung vom 13.06.2006 - 9 U 251/05

Rechtsgebiete

Presserecht

Normen

KunstUrhG § 22, § 23, § 37; BGB § 242 (A), § 823 Abs. 1 (Ah), § 1004 Abs. 1