Reiserücktritt wegen nicht den Wünschen der Reisenden entsprechenden Ersatz-Quartiers
Gericht
AG Bad Homburg v. d. H.
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
13. 02. 2007
Aktenzeichen
2 C 5253/06 (19)
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Reisevertrag wegen mangelhafter Reiseleistungen geltend.
Sie buchte bei der Beklagten gemäß Reisebestätigung vom 4.4.2006 ... für sich, ihren Ehemann und ihre beiden Töchter eine Pauschalreise nach A. für die Zeit vom 22.7.2006 bis zum 5.8.2006 zu einem Endpreis von 4.952,- EUR (Vollpension/ All Inklusive). Hinsichtlich der Beschreibung des gebuchten Hotels im Reisekatalog der Beklagten wird ... Bezug genommen.
Am 20.7.2006 ging bei der Klägerin ein Schreiben der Beklagten vom 19.7.2006 ... ein, in welchem die Beklagte mitteilte, dass sie der Klägerin eine Unterkunft in dem gebuchten Hotel während des vereinbarten Reisezeitraums nicht zur Verfügung stellen könne und dass sie für die Reisenden stattdessen Unterkünfte im Hotel A. reserviert habe. Die Klägerin und ihr Ehemann kamen dahin überein, dass das von der Beklagten in ihrem Schreiben angebotene Ersatz-Quartier nicht den Urlaubswünschen der Familie entsprach. Die Klägerin setzte sich daraufhin nach einer vorangegangenen Recherche hinsichtlich anderweitiger Unterbringungsmöglichkeiten im gebuchten Zielgebiet noch im Laufe des 20.7.2006 mit der Kundenbetreuung der Beklagten fernmündlich in Verbindung und erörterte mit der zuständigen Kundenbetreuerin die Möglichkeit einer Unterbringung in anderen Hotels als dem von der Beklagten vorgeschlagenen Ersatz-Quartier. Diese Verhandlungen führten zu keinem Ergebnis, da die Kundenbetreuerin eine Umbuchung in andere Objekte von der Zahlung eines Aufpreises abhängig machte, den die Klägerin nicht zu entrichten gewillt war. Die Kundenbetreuerin erklärte zum Abschluss des Telefonats, die Sache nochmals intern klären und sich am nächsten Tag telefonisch melden zu wollen.
Noch am Abend des 20.7.2006 entschied sich die Klägerin nach Rücksprache mit der gesamten Familie endgültig dafür, das angebotene Ersatz-Quartier nicht zu akzeptieren. Mit einem Faxschreiben ... teilte die Klägerin der Beklagten noch im Laufe desselben Abends ihren Rücktritt vom Reisevertrag mit. Am Mittag des 21.7.2006 erhielt die Klägerin sodann den angekündigten Rückruf der Kundenbetreuerin der Beklagten, in welchem diese mitteilte, dass jetzt doch wieder eine Unterbringung in dem gebuchten Hotel möglich sei. Die Klägerin erklärte hierauf, dass sie von dem bereits erklärten Rücktritt nicht wieder Abstand nehmen wolle.
Die Klägerin begehrt mit vorliegender Klage aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihrer Mitreisenden Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe des hälftigen Reisepreises. ...
Auszüge aus den Gründen:
Die Klage ist in der Hauptsache begründet.
Die Klägerin hat aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihrer Mitreisenden einen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 2.476,- EUR aus § 651f Abs. 2 BGB. Die Beklagte hat die Reise der Klägerin vereitelt. Zwar kann eine Vereitelung der Reise nicht darin erblickt werden, dass der Beklagten die Erbringung der vertraglich geschuldeten Reiseleistung unmöglich gewesen wäre oder sie diese verweigert hätte (vgl. BGH, RRa 2005, 57 = NJW 2005, 1047). Denn die Kundenbetreuerin der Beklagten hat der Klägerin noch vor Reisebeginn in einem Telefonat vom 21.7.2006 unstreitig mitgeteilt, dass eine Unterbringung der Reisenden in dem gebuchten Hotel möglich sei. Da nach dem beiderseitigen Parteivorbringen keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Mitteilung sachlich unrichtig war, wäre die Beklagte willens und in der Lage gewesen, der Klägerin die gebuchte Unterkunft zu verschaffen.
Eine Vereitelung der Reise ergibt sich jedoch daraus, dass sich die Beklagte zuvor bereits am 20.7.2006 der Klägerin gegenüber durch Schreiben vom 19.7.2006 vertragswidrig zur Erfüllung des Reisevertrages außerstande erklärt und die Klägerin dadurch veranlasst hat, durch den noch am selben Tag erklärten Rücktritt vom Reisevertrag von der Reise Abstand zu nehmen (vgl. LG Frankfurt a. M., NJW 1986, 1616). Die in dem Telefonat vom 21.7.2006 seitens der Beklagten erfolgte Rücknahme der zuvor angekündigten Leistungsverweigerung lässt den bereits eingetretenen Tatbestand der "Vereitelung" der Reise unberührt, da die Vereitelung der Reise bereits in dem Moment vollendet war, als die Klägerin den Rücktritt vom Reisevertrag erklärt hat und das Vertragsverhältnis der Parteien damit aufgelöst worden ist. Eine andere Betrachtungsweise ergäbe sich möglicherweise dann, wenn der Rücktritt der Klägerin unwirksam gewesen wäre, da in diesem Fall das Vertragsverhältnis der Parteien fortbestanden hätte und die Reise durch das erneute Angebot der Beklagten auf Erbringung der geschuldeten Leistung nicht mehr mit einem Mangel behaftet gewesen wäre. Hierauf braucht indessen nicht näher eingegangen zu werden, da der Rücktritt der Klägerin vom 20.7.2006 wirksam gewesen ist.
Bei der Beurteilung der Wirksamkeit des Rücktritts kann wiederum offen bleiben, welche Rechtsgrundlage hierfür maßgebend ist. Sowohl nach derjenigen Ansicht, die einen Rücktritt nach angekündigter Nichterfüllung des Reisevertrags durch den Reiseveranstalter auf eine analoge Anwendung von § 651a Abs. 5 Satz 2 BGB stützt (vgl. Führich, Reiserecht, [5. Aufl.], Rn. 177; Seyderhelm, Reiserecht, § 651a BGB, Rn. 122), als auch nach derjenigen Meinung, die hierfür § 651 i BGB für einschlägig erachtet (vgl. Tempel, Materielles Recht im Zivilprozess, [3. Aufl.], S. 562; LG Frankfurt a.M., a.a.O.) wäre die Klägerin ohne weiteres berechtigt gewesen, den Rücktritt vom Reisevertrag zu erklären. Nach der erstgenannten Auffassung ist ein Rücktritt im Falle einer Überbuchung der gebuchten Unterkunft bei gleichzeitigem Angebot von Ersatzobjekten jederzeit möglich, da hierin eine erhebliche Änderung einer wesentlichen Reiseleistung liegt. Nach der letztgenannten Auffassung kann das Rücktrittsrecht des Reisenden bei angekündigter Nichterfüllung durch das Angebot eines Ersatz-Hotels ebenfalls von vorneherein nicht abgewendet werden, da es der Interessenlage bei einem noch nicht in Vollzug gesetzten Reisevertrag entspricht, dem Reisenden ein Lösungsrecht vom Vertrag zu geben, ohne dass er die Geeignetheit von Ersatz-Objekten prüfen muss (vgl. LG Frankfurt a.M., a.a.O.).
Etwas anderes mag eventuell dann gelten, wenn die Ausübung des Rücktrittsrechts durch den Reisenden rechtsmissbräuchlich ist. Die Beklagte vermag der Klägerin eine Rechtsmissbräuchlichkeit des Rücktritts indessen nicht mit der Begründung entgegenzuhalten, die Klägerin habe ein gleichwertiges Ersatz-Angebot ausgeschlagen (vgl. BGH, a.a.O.). Es sind keine Gründe ersichtlich, die die Ablehnung einer Unterbringung in dem Hotel A. als treuwidrig erscheinen lassen. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass sie das Hotel X. als Urlaubsquartier ausgewählt habe, weil sie und ihre Familienangehörigen die im Reisekatalog der Beklagten zugesicherten vielfältigen Sportmöglichkeiten nutzen wollten. Das von der Beklagten in ihrer Prospektbeschreibung des gebuchten Hotels zugesicherte Aerobic, auf das die Klägerin Wert legte, wurde in dem Ersatz-Quartier indessen ebenso wenig angeboten wie die von den Töchtern gewünschte Tauchschule und der von dem Ehemann der Klägerin präferierte Tennisplatz, so dass die Ersatz-Anlage nach den Darlegungen der Klägerin für die Zwecke der Reisenden weniger geeignet war als das gebuchte Objekt. Diese Behauptungen hat die Beklagte nicht widerlegt. Da mithin von einem sachlichen Grund für die Ablehnung des Ersatz-Quartiers ausgegangen werden muss, geht der Einwand der Beklagten ins Leere.
Eine Unwirksamkeit des Rücktritts der Klägerin ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass er von ihr bereits zu einem Zeitpunkt ausgesprochen worden ist, als die Verhandlungen der Parteien über eine Durchführung der Reise zu möglicherweise anderen Bedingungen noch nicht abgeschlossen waren und der von der Kundenbetreuerin der Beklagten am 20.7.2006 angekündigte weitere Anruf noch nicht erfolgt war. Vor der Ausübung eines Rücktrittsrechts ist der Reisende nicht gehalten, dem Reiseveranstalter im Falle angekündigter Nichterfüllung des Reisevertrages eine Frist zu setzen und deren Ablauf abzuwarten. Ein solches formelles Erfordernis sieht das Reisevertragsrecht beim Rücktritt - anders als bei der Kündigung - nicht vor; nach § 651a Abs. 5 Satz 4 BGB ist der Reisende vielmehr gehalten, seinen Rücktritt "unverzüglich" nach der erklärten Leistungsänderung durch den Veranstalter zu erklären. Selbst wenn man jedoch das Erfordernis einer Fristsetzung vor Ausübung des Rücktrittsrechts grundsätzlich bejahen würde, wäre ein Abwarten der Klägerin mit der Ausübung ihres Rücktrittsrechts nach dem ergebnislosen Ablauf der Verhandlungen mit der Kundenbetreuerin am 20.7.2006 bis zum Rückruf der Kundenbetreuerin am nächsten Tag nicht zumutbar gewesen, da von ihr nicht erwartet werden konnte, mit der endgültigen Klärung der Frage, ob sie nun verreisen würde oder nicht, bis zum Mittag des letzten Tages vor dem vereinbarten Reisebeginn zu warten (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2002, 1711).
Die Klägerin war auch nicht nach Treu und Glauben gehalten, nach erklärtem Rücktritt auf die Mitteilung der Kundenbetreuerin der Beklagten, dass die Reisenden das gebuchte Hotel nun doch beziehen könnten, den aufgelösten Reisevertrag der Parteien erneut abzuschließen. Die allgemeine Nebenpflicht eines an einem vertraglichen Schuldverhältnis Beteiligten, auf die Vermögensinteressen seines Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, reicht nicht soweit, dass er gehalten ist, nachteilige wirtschaftliche
Folgen von dem Vertragspartner abzuwenden, den dieser durch eigene Vertragsuntreue selbst herbeigeführt hat. Im Übrigen kann es der Klägerin subjektiv nicht zum Vorwurf gereichen, wenn sie aufgrund der in kurzer Folge wechselnden widersprüchlichen Angaben der Beklagten zur Möglichkeit der Unterbringung in dem gebuchten Hotel ernsthafte Zweifel an deren Leistungsfähigkeit entwickelte und sie deshalb von einem Neuabschluss des Reisevertrages der Parteien abgesehen hat.
Die Höhe der von der Klägerin begehrten Entschädigung ist nach der zitierten Entscheidung des BGH nicht zu beanstanden, so dass der Klage in der Hauptsache stattzugeben war.
Der geltend gemachte Zinsanspruch ist aus §§ 286, 288 BGB begründet.
Die Klägerin hat demgegenüber keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten aus § 65lf Abs. 1 BGB. Denn sie hat nicht schlüssig dargelegt, dass sie ihrem Rechtsanwalt überhaupt eine auf die gerichtliche Verfahrensgebühr teilweise nicht anrechenbare Geschäftsgebühr nach Nummer 2300 VV zum RVG schuldet. Dies wäre allenfalls der Fall, wenn der Rechtsanwalt der Klägerin zunächst nur mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche beauftragt gewesen wäre und ihm noch kein unbedingter Klageauftrag erteilt worden ist (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2006, 242). Hierzu hat die Klägerin indessen nichts vorgetragen.
Der Antrag der Beklagten auf Gewährung eines Schriftsatznachlasses war zurückzuweisen, da der Schriftsatz der Klägerin vom 9.2.2007 kein neues Vorbringen enthält, das bei der Entscheidung des Gerichts zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen war. ...
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