Unter Klaustrophobie leidender Pauschalreisender ohne Schadensersatzanspruch bei Einsatz eines anderen Flugzeugtyps
Gericht
AG Bad Homburg v. d. H.
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
11. 07. 2006
Aktenzeichen
2 C 1264/06 (19)
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kläger macht Ansprüche aus einem Reisevertrag wegen mangelhafter Reiseleistungen geltend.
Er buchte bei der Beklagten gemäß Reisebestätigung vom 9.1.2006 ... für sich und seine Ehefrau eine Flugpauschalreise nach Kenia für die Zeit vom 12.1.2006 bis zum 3.2.2006 zu einem Endpreis von 2.330,- EUR (Halbpension). In dem für die Buchung des Klägers maßgeblichen Reisekatalog der Beklagten befindet sich auf Seite 90 ein Hinweis, dass es sich bei den Flügen von Mombasa nach Frankfurt a. M. während der streitgegenständlichen Reisezeit um "Non-Stop"-Flüge handeln würde. Dem Kläger wurde in dem die Buchung vermittelnden Reisebüro außerdem mitgeteilt, dass der Flugtransport auf dem Hin- und Rückflug mit einer Boeing 767 erfolgen würde.
Der für den 3.2.2006 vereinbarte Rückflug des Klägers fand nicht statt, da die von der beauftragten Fluggesellschaft hierfür vorgesehene Boeing 767 zum fraglichen Zeitpunkt nicht einsatzbereit war. Den Reisenden wurde mitgeteilt, dass der vereinbarte Rückflug stattdessen am 4.2.2006 stattfinden würde.
Nachdem der Kläger und seine Ehefrau am 4.2.2006 auf dem Flughafen in Mombasa erschienen waren, erhielten sie beim Einchecken die Nachricht, dass der Rückflug mit einem Flugzeug des Typs Boeing 757 stattfinden würde und dass der Flug durch einen Zwischenstopp in Kairo zum Auftanken unterbrochen werden würde. Der Kläger lehnte eine Teilnahme an dem Flug unter diesen Bedingungen ab, woraufhin lediglich seine Ehefrau den Flug in Anspruch nahm. Der Kläger verblieb auf eigene Kosten während der nächsten Tage in dem ursprünglich gebuchten Hotel Eden Rock, bis er von der Beklagten am 5.2.2006 durch einen Non-Stop-Flug mit einer Boeing 767 nach Frankfurt a. M. zurückbefördert wurde. Durch den weiteren Aufenthalt im Hotel Eden Rock vom 4.2.2006 bis zum 5.2.2006 entstanden dem Kläger zusätzliche Hotelkosten in Höhe von 275,- EUR.
Der Kläger behauptet, er habe eine Teilnahme an dem Rückflug vom 4.2.2006 deshalb abgelehnt, weil er unter Platzangst leide und ihm ein Flugtransport mit einer Boeing 757, die im Gegensatz zu einer Boeing 767 über einen kleineren Innenraum mit lediglich einem Mittelgang verfügte, aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar gewesen sei.
Auszüge aus den Gründen:
Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der von ihm aufgewendeten Hotelkosten in Höhe von 275,- EUR aus § 651f Abs. 1 BGB. Diese Kosten stellen keinen erstattungsfähigen Schaden des Klägers dar, da sie nicht auf einen Reisemangel im Sinne von § 651c Abs. 1 BGB zurückzuführen sind. Wie sich aus den §§ 651d Abs. 1, 651e Abs. 1 BGB ergibt, ist eine Reise dann mangelhaft, wenn ihr entweder eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder sie mit einem Fehler behaftet ist, der den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufhebt oder mindert.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte keine Zusicherung des Inhalts abgegeben, dass der Flugtransport des Klägers von Mombasa nach Frankfurt a. M. mit einem Flugzeug des Typs Boeing 767 stattfinden würde. Soweit seitens des die Buchung vermittelnden Reisebüros der Einsatz einer Boeing 767 mitgeteilt wurde, kann hierin keine Eigenschaftszusicherung, sondern allenfalls eine bloße Leistungsbeschreibung erblickt werden, deren Fehlen höchstens einen gewöhnlichen "Fehler" der Reise im Sinne von § 651c BGB zweite Alternative begründen könnte. Ob sich die Beklagte die Erklärung des Reisebüros mit der Folge zurechnen lassen muss, dass sie für die sich dann ergebende Abweichung von Soll- und Istbeschaffenheit der Reise grundsätzlich einzustehen hätte, kann indessen offen bleiben. Denn nicht jeder Fehler einer Reise führt zu einer Gewährleistungspflicht oder Haftung des Reiseveranstalters; nach dem Wortlaut von § 651c Abs. 1 BGB muss vielmehr hinzutreten, dass durch den besagten Fehler der Wert oder die Gebrauchstauglichkeit der Reise aufgehoben oder herabgesetzt wird.
Eine Herabsetzung des Wertes oder der Gebrauchstauglichkeit der Reise durch den Umstand, dass der für den Kläger vorgesehene Rückflug nicht mit einer Boeing 767, sondern stattdessen mit einer Boeing 757 durchgeführt wurde, kann indessen nicht festgestellt werden. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Flugzeugtypen liegt nach dem eigenen Vortrag des Klägers darin, dass der Innenraum bei einer Boeing 767 großzügiger ist und sie im Gegensatz zu einer Boeing 757 über zwei Mittelgänge verfügt. Dieser Unterschied mag zwar für einen Reisenden, der unter Platzangst leidet, von erheblicher Bedeutung sein. Bei der Beurteilung, ob sich ein Fehler auf den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit auswirkt und damit Gewährleistungsansprüche des Reisenden auslösen kann, ist indessen nicht auf die Person eines überempfindlichen Reisenden abzustellen; es ist vielmehr eine Wertung aus der Sicht eines normal empfindenden Durchschnittsreisenden zu treffen. Dies folgt schon daraus, dass es sich bei Pauschalreisen um ein Massengeschäft handelt und das Risiko des Reiseveranstalters kalkulierbar bleiben muss (vgl. hierzu Staudinger / Eckert, BGB, [2003], § 651c, Rn. 40). Aus der Sicht eines gewöhnlichen Reisenden macht es indessen keinen nennenswerten Unterschied, ob er in einem Flugzeug mit größerem Innenraum und zwei Mittelgängen oder in einem Flugzeug mit einem relativ kleineren Innenraum und einem Mittelgang befördert wird, da sich diese Merkmale auf die Qualität seines individuellen Sitzplatzes und den Komfort bei der Flugbeförderung nicht weiter auszuwirken pflegen.
Ein zur Gewährleistung führender Mangel der Reiseleistung im Sinne von § 651c Abs. 1 BGB aufgrund des abweichenden Flugzeugtyps kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die für den Rückflug vorgesehene Boeing 757 im Gegensatz zu einer Boeing 767 keine hinreichende Reichweite hatte, um ohne Zwischenlandung mit Tankstop den vereinbarten Zielflughafen zu erreichen. Das Fehlen der hinreichenden Reichweite führt nämlich wiederum zu einem separaten Reisemangel , der sich aus einer Abweichung von der Sollbeschaffenheit "Non-Stop-Flug" ergibt. Ein "Fehler" der Reise führt jedoch als solcher nicht deshalb zu einer Herabsetzung von deren Gebrauchstauglichkeit, weil er seinerseits eine notwendige Bedingung für einen weiteren Reisemangel darstellt.
Dieser in der Nichteinhaltung der gebuchten Beförderungsleistung "Non-Stop-Flug" liegende weitere Reisemangel ist indessen nicht ursächlich für die Entstehung der als Schaden geltend gemachten Hotelkosten, da der Kläger den für ihn vorgesehenen Rückflug vom 4.2.2006 nicht wegen der vorgesehenen Zwischenlandung in Kairo, sondern wegen des abweichenden Flugzeugtyps abgelehnt hat.
Der Kläger hat demgegenüber einen Anspruch auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 72,- EUR aus § 651f Abs. 2 BGB. Nach herrschender Rechtsprechung, der das erkennende Gericht folgt, ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne dieser Vorschrift dann gegeben, wenn Mängel mit einem Gesamtgewicht von mindestens 50% vorgelegen haben. Diese Voraussetzung trifft zumindest auf den letzten Tag der Reise, den 3.2.2006, zu. Da sich der an diesem Datum geplante Rückflug um einen vollen Tag verzögert hat und zudem entgegen den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien nicht als "Non-Stop-Flug", sondern mit einer Zwischenlandung in Kairo durchgeführt wurde, erscheint die Zuerkennung einer pauschalen Entschädigung für den letzten Tag der Reise von 72,- EUR als angemessen (vgl. LG Frankfurt a.M., RRa 2003, 25 = NJW-RR 2003, 640). ...
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