Informationspflichten des Reiseveranstalters zum Ramadan
Gericht
LG Dortmund
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
24. 08. 2007
Aktenzeichen
17 S 45/07
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 21.02.2007 (427 C 1645/06) unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 318,--€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 26.11.2005 zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 45,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.02.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 90 % und der Beklagten zu 10% auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten wegen behaupteter Reisemängel die Zahlung von insgesamt 3.186,--€ (2.385,-€ im Wege der Minderung des Reisepreises und 801,-€ für Kosten des vorzeitigen Rückfluges) sowie außergerichtliche Rechtsanwaltkosten nach dem Gegenstandswert der Klageforderung in Höhe von 175,23 €.
Der Kläger buchte am 17.09.2005 über ein Reisebüro am Frankfurter Flughafen bei der Beklagten als Veranstalterin für sich und seine Lebensgefährtin, die Zeugin I, eine Pauschalurlaubsreise in den Oman zu einem Gesamtpreis von 3.180,-- €. Gegenstand der Reise, die vom 05.10.2005 bis zum 18.10.2005 stattfinden sollte, waren Hin- und Rückflug sowie zunächst eine knapp einwöchige Rundreise durch den Oman mit sich anschließendem Hotelaufenthalt im R Hotel in Muscat, das in der Landeskategorie eine Bewertung von 3 Sternen aufweist.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Leistung wird auf die Reiseanmeldung Bezug genommen (Bl. 12 f. d.A.).
Bei der Buchung der Reise erklärte eine Mitarbeiterin des Reisebüros dem Kläger, dass er während des Fastenmonats Ramadan an das Urlaubsziel fahre. Der Kläger erklärte daraufhin, dass er dies wisse. Eine weitere Erläuterung nahm die Mitarbeiterin des Reisebüros nicht vor.
Bei der Ankunft am Urlaubsort wurde dem Kläger und seiner Lebensgefährtin durch die örtliche Reiseleitung ebenfalls mitgeteilt, dass sie sich während des Fastenmonats Ramadan im Oman aufhielten. Zugleich wurden sie auf die damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens hingewiesen.
Zwischen den Parteien ist inzwischen unstreitig, dass während des Ramadan Essen,Trinken und Rauchen in der Öffentlichkeit auch Nichtmuslimen zwischen Sonnenauf- und -Untergang untersagt ist.
Unmittelbar nach Beendigung der Rundreise brachen der Kläger und seine Lebensgefährtin am 12.10.2005 den Urlaub ab und flogen auf eigene Kosten in Höhe von 801,- € nach Deutschland zurück. Zuvor nahm der Kläger noch telefonisch Kontakt mit der Beklagten auf. In diesem Telefonat wurde dem Kläger ein Ersatzhotel angeboten, dessen Inanspruchnahme er aber ablehnte, da dies - so das Kläger bei seiner persönlichen Anhörung in erster Instanz - "auch nichts gebracht hätte". Bei dem angebotenen Ersatzhotel handelt es sich - wie in der Berufungsinstanz unstreitig geworden ist – um das ebenfalls in Muscat befindliche T & T, das nach der von der Beklagten im Termin überreichten Katalogbeschreibung, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, nach der Landeskategorie 5 Sterne aufweist.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19.10.2005 und vom 14.11.2005 machte der Kläger gegenüber der Beklagten wegen der von ihm behaupteten Einschränkungen während des Fastenmonats Ramadan Zahlungsansprüche in Höhe der Klageforderung unter Fristsetzung bis zum 25.11.2005 geltend.
Der Kläger hat behauptet, dass es während der Durchführung der Rundreise und des gesamten Urlaubs zu erheblichen Einschränkungen wegen des Fastenmonats Ramadan gekommen sei. Mit Ausnahme von Tankstellen seien sämtliche Läden geschlossen gewesen. Es sei dann allerdings verboten gewesen, die erworbenen Getränke in der Öffentlichkeit zu konsumieren. In sämtlichen Hotels, in denen sie sich aufgehalten hätten, seien die Hotelbars geschlossen gewesen. Getränke seien nur im Speisesaal und im Zimmer ausgeschenkt worden. Der Kläger hat behauptet, über diese Einschränkungen nicht hinreichend aufgeklärt worden zu sein. Es sei lediglich erklärt worden, dass man während des Fastenmonats Ramadan zum Urlaubsziel fahre. Seine Lebensgefährtin und er hätten zwar gewusst, dass "man" während des Ramadan nicht essen und trinken dürfe, sie seien aber davon ausgegangen, dass dies nur für Muslime gelte. Dass der Ramadan auch von Touristen und Nichtmuslimen zu beachten sei, sei ihm nicht bekannt gewesen. Darüber hinaus hat er behauptet, dass während des gesamten Urlaubs das Baden im Meer verboten gewesen sei. Aufpasser am Strand hätten dafür gesorgt, dass niemand im Meer baden gegangen sei: allenfalls habe nur mit kurzer Hose und T-Shirt gebadet werden dürfen. Er hat die Ansicht vertreten, dass aufgrund dieser Einschränkungen durch den Fastenmonat Ramadan der Sinn und Zweck des Badeurlaubs insoweit nicht mehr gegeben gewesen sei. Denn die letzten fünf Tage hätten sie nur auf dem Hotelzimmer verbringen können. Daher sei er am 12.10.2005 von der Reise zurückgetreten und nach Deutschland zurückgeflogen.
Schließlich sei es den Frauen verboten gewesen, in Sommerbekleidung vor die Tür zu gehen; Arme und Beine hätten bedeckt sein müssen; Shorts und Tops seien verboten gewesen.
Der Kläger hat mit der am 17.02.2006 zugestellten Klage beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.186,--€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2005 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 175,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, dass dem Kläger die Bedeutung des Fastenmonats Ramadan genau erläutert worden sei. Es sei darauf hingewiesen worden, dass "einige Abweichungen" sein könnten. In diesem Zusammenhang sei auch erklärt worden, dass am Tage einige Beeinträchtigungen vorhanden seien, diese allerdings nicht die Hotels beträfen. Betrieb und Service in den Hotels seien während des gesamten Aufenthaltes gewährleistet gewesen. In dem Hotel würden alle Restaurants normal arbeiten. Auch die Serviceleistungen des Hotels seien durch den Fastenmonat nicht beeinträchtigt. Darüber hinaus habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt den Wunsch geäußert, den Vertrag zu kündigen. Eine Kündigung sei zu keinem Zeitpunkt erklärt worden.
Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin I. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2007 Bezug genommen (Bl. 84 ff. d.A.).
Das Amtsgericht hat die Klage mit am 24.02.2007 verkündeten Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass angesichts der Erklärung des Klägers, er wisse, dass zu der beabsichtigten Reisezeit im Oman der Fastenmonat Ramadan sei, eine weitere Aufklärung seitens der Mitarbeiter des Reisebüros nicht erforderlich gewesen sei. Der Vertragspartner könne auch nicht wissen, dass er bei seinem Wissen über den Ramadan möglicherweise einer Fehlvorstellung - Geltung der Einschränkungen nicht für Touristen - erlegen sei. Hinzu komme, dass der Kläger durch die Reiseleitung vor Ort bei seiner Ankunft auf die Einschränkungen hingewiesen worden sei, und er die (Rund-)Reise gleichwohl angetreten und nicht etwa im Hinblick auf den Badeurlaub sofort gekündigt habe. Wer nämlich trotz der Mängel - Kenntnis von Einschränkungen infolge Ramadan - am Urlaubsort verbleibe und die gegebene Situation längere Zeit hinnehme, setze sich mit einer späteren Kündigung in Widerspruch zu seinem eigenen vorherigen Verhalten. Es sei nicht ersichtlich, dass die Einschränkungen bei der Rundreise andere gewesen seien, als bei dem sich anschließenden Badeaufenthalt. Auch könne von einem Strand- oder Badeverbot nicht die Rede sein. Der Kläger habe selbst bekundet, es nie versucht zu haben, dort zu baden. Im Übrigen habe der Kläger, soweit er sich über Einschränkungen im Hotel beklagt habe, nicht einmal den Versuch unternommen, eine Abhilfe der Einschränkungen durch einen Hotelwechsel anzunehmen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er rügt, dass das Amtsgericht zu Unrecht zu dem Schluss gekommen sei, dass ihm keine Ansprüche zuständen. Soweit ihm bereits bei Buchung der Reise mitgeteilt worden sei, dass während der Reisezeit in den Oman der Ramadan abgehalten worden sei und er die Kenntnis hierüber bejaht habe, entbinde dies die Beklagte nicht von der Pflicht weitergehende Aufklärung zu leisten und Informationen an ihn weiterzugeben. Das Amtsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass er alle Umstände des Ramadan am Zielort gekannt habe. Vielmehr müsse der Reiseveranstalter davon ausgehen, dass er - wie jeder verständige Mitteleuropäer und Nichtmuslime - lediglich allgemeine und oberflächliche Kenntnisse bezüglich des Ramadan habe. Die Beklagte habe lediglich davon ausgehen können, dass er gewusst habe, dass Muslime während dieser Zeit fasten. Tiefere Kenntnisse hätten jedoch nicht erwartet werden dürfen. Insbesondere sei nicht davon auszugehen, dass er wissen musste, dass die Regeln des Ramadan auch für Nichtmuslime am Zielort Geltung beanspruchten. Die Mitarbeiter des Reisebüros hätten daher nochmals fragen müssen, ob er auch alle Regeln vor Ort kenne. Erst wenn er diese Frage bejaht hätte, wäre eine weitere Aufklärungspflicht entbehrlich gewesen. Für die Rundreise sei eine Mängelrüge entbehrlich gewesen, da sich auch durch eine Rüge an den Umständen nichts geändert hätte. Ihm könne auch nicht entgegengehalten werden, dass er die Rundreise zunächst wie geplant durchgeführt habe. Denn jedenfalls der erste Teil des Urlaubs sei nicht derart mangelbehaftet gewesen, dass hierfür Kündigungsgründe vorgelegen hätten.
Er beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen,
an den Kläger 3.186,- € nebst Zinsen 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2005 zu zahlen und die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Kosten in Höhe von 175,22 € nebst Zinsen 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Mitarbeiterin im Reisebüro habe aufgrund des Verhaltens des Beklagten ohne Weiteres davon ausgehen dürfen, dass die Reisenden zumindest über die allgemein zugänglichen Informationen hinsichtlich des Ramadanfestes verfügten. Der Kläger habe auch nicht nach Einschränkungen gefragt, sondern schlicht und deutlich die Kenntnis des Umstandes geäußert, dass am Zielort Ramadan sei. Wenn der Kläger aber vorgebe, Kenntnis vom Ramadan am Zielort zu haben, könne die Mitarbeiterin des Reisebüros davon ausgehen, dass er jedenfalls Kenntnis von den - wie z.B. im Internet - allgemein zugänglichen Informationen habe.
Daher sei nicht ersichtlich, warum er sich nun, nachdem er zunächst Kenntnis vom Ramadan am Zielort geäußert habe, auf die Einschränkungen vor Ort berufen können solle. Im Übrigen werde den Einschränkungen zwischen Sonnenauf- und - Untergang durch verlängerte Ladenöffnungszeiten nach Sonnenuntergang Rechnung getragen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer klargestellt, dass der Kläger während der Rundreise lediglich insoweit beeinträchtigt gewesen sei, als es ihm und seiner Lebensgefährtin tagsüber – zwischen Sonnenauf- und -Untergang - nicht erlaubt gewesen sei, in der Öffentlichkeit zu essen, zu trinken und zu rauchen. Einschränkungen in den während der Rundreise gebuchten Hotels habe es nicht gegeben, da diese jeweils erst wieder nach Sonnenuntergang aufgesucht worden seien.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache lediglich teilweise in dem im Tenor genannten Umfang Erfolg.
1. Dem Kläger steht zunächst kein zur Rückabwicklung des Reisevertrages führendes Kündungsrecht gem. § 651 e Abs. 1 BGB zu. Danach kann der Reisende den Reisevertrag kündigen, wenn die Reise infolge eines Mangels der in § 651 c BGB bezeichneten Art erheblich beeinträchtigt ist oder wenn dem Reisenden die Reise infolge eines solchen Mangels aus wichtigem, dem Reiseveranstalter erkennbaren Grund nicht zuzumuten ist.
a) Die Beurteilung der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise i.S.d. § 651 e Abs. 1 S. 1 BGB vorliegt, ist von den Bedingungen des Einzelfalls abhängig und setzt eine am Reisezweck und am Reisecharakter orientierte Gesamtwürdigung aller Umstände voraus (Staudinger/Eckert, BGB (2003), § 651 e Rdn. 14).
aa) Die vom Kläger gebuchte Reise weist nach Ansicht der Kammer insoweit einen Mangel i.S.d. § 651 c BGB auf, als es dem Kläger und seiner Lebensgefährtin auch als Nichtmuslimen während des Fastenmonats Ramadan untersagt war, in der Zeit zwischen Sonnenauf- und -Untergang in der Öffentlichkeit zu essen, zu trinken und zu rauchen.
Ein Reisemangel i.S.d. § 651 c Abs. 1 BGB liegt vor, wenn die wirkliche Beschaffenheit der Reise von dem abweicht, was die Parteien vereinbart haben. Dabei wird der Inhalt des Reisevertrages in erster Linie von der im Reisekatalog enthaltenen Leistungsbeschreibung bestimmt, der der Reisende Informationen über die jeweilige Reise zu entnehmen pflegt. Eine solche aus einem Reisekatalog stammende Reisebeschreibung liegt hier jedoch nicht vor.
Die vertraglich vereinbarte Sollbeschaffenheit der Reise bestimmt sich weiterhin nach der Art und dem Zweck der Reise sowie dem sich daraus ergebenden Gesamtcharakter (LG Heidelberg NJW 1984, 133). Der Reiseveranstalter ist dabei verpflichtet, den Reisenden über alle wesentlichen Umstände zu informieren, die für den Abschluss des Reisevertrages und seiner Abwicklung von Bedeutung sind.
Auch wenn sich diese Pflichten vorrangig aus den §§ 4-6 BGB InfoV ergeben, ist das Reisebüro, dessen Verhalten sich der Reiseveranstalter zurechnen lassen muss, aber nach § 242 BGB unter Umständen, zu einer weitergehenden Information verpflichtet (Tempel, Materielles Recht im Zivilprozess, 4. Auflage, S. 472).
So muss der Reiseveranstalter bei Auslandsreisen den Reisenden auf Abweichungen der landesüblichen Maßstäbe vom deutschen Standard hinweisen (Staudinger/Eckert, BGB (2003), § 651 a Rdn. 119). Grundsätzlich hat der Reisende aus dem Vertrag einen Anspruch darauf zu erfahren, mit welchen erheblichen, vom inländischen Standard abweichenden Besonderheiten und Gefahren er am Urlaubsort rechnen muss; das gilt bereits vor der Buchung (Staudinger/Eckert, BGB (2003), § 651 c Rdn. 62). Unter welchen Voraussetzungen und hinsichtlich welcher Umstände eine Informations- und Aufklärungspflicht besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden. So besteht eine auf der besonderen Sachkunde des Reiseveranstalters beruhende Informations- und Aufklärungspflicht dann nicht, wenn der Reisende von den maßgeblichen Umständen objektiv Kenntnis hat oder haben kann - sei es, weil diese Allgemeingut sind oder sei es infolge subjektiver Spezialkenntnisse (LG Heidelberg, NJW 1984, 133 (134)). In diesem Falle bedarf der Reisende keines Schutzes durch den in anderen Fällen etwa allein sachkundigen Veranstalter (LG Heidelberg, aaO.). Eine Belehrung kann lediglich dann unterbleiben, wenn der Reisende über die aufzuklärenden Umstände bereits informiert ist: hiervon muss sich der Veranstalter allerdings in eindeutigerweise überzeugen (Tempel, NJW 1996, 1625 (1630)).
(1) Nach Ansicht der Kammer ist die Beklagte vorliegend ihrer Informations- und Hinweispflicht hinsichtlich der Auswirkungen des Fastenmonats Ramadan auf das öffentliche Leben nicht hinreichend nachgekommen. Der Kläger hat zwar auf den unstreitig erteilten Hinweis der Mitarbeiterin des Reisebüros, dass am Zielort Ramadan sei, ausdrücklich erklärt, dass er das wisse, jedoch hätte sich die Mitarbeiterin hiermit nicht begnügen dürfen, wenn sie sichergehen will, dass der Kläger über die aufzuklärenden Umstände des Ramadan tatsächlich zutreffend informiert ist. Sie hätte Anlass zur weiteren Nachfrage gehabt. Mag die Vorstellung eines durchschnittlichen Mitteleuropäers von der Bedeutung -des Fastenmonats Ramadan auch dahin gehen, dass zwischen Sonnenauf- und -Untergang in der Öffentlichkeit nicht gegessen, getrunken und geraucht werden darf - Entsprechendes hat sich der Kläger ebenfalls vorgestellt - so ist es indes nicht als Allgemeingut anzusehen, dass auch Nichtmuslime und Touristen diesen Restriktionen tagsüber unterworfen sind. Hierüber hätte die Mitarbeiterin des Reisebüros den Kläger näher aufklären müssen. Nach Ansicht der Kammer oblag es demgegenüber in dieser Situation nicht dem Kläger seinerseits nachzufragen, warum er ausdrücklich auf den Fastenmonat Ramadan hingewiesen wurde, obwohl er davon ausging, dass die Restriktionen für ihn als Touristen nicht gelten.
(2) Ob die dargestellten Beschränkungen des Ramadan auch in den vom Kläger tatsächlich in Anspruch genommenen Hotels während der Rundreise galten, und auch insoweit eine Verletzung der Hinweispflicht anzunehmen wäre, kann offen bleiben. Denn dem Kläger und seiner Lebensgefährtin war jedenfalls die Einnahme der Mahlzeiten in der von ihm gebuchten Verpflegungsart (Halbpension) möglich. Soweit die Sonne zur Frühstückszeit schon aufgegangen war, war die Einnahme des Frühstücks nach dem eigenen Vortrag des Klägers jedenfalls auf dem Zimmer möglich. Demgegenüber war die Einnahme des Abendessens in den Hotels während der Rundreise auch in den Restaurants möglich, da der Kläger diese Hotels nach der Klarstellung seines Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung ohnehin erst nach Sonnenuntergang aufgesucht hat, so dass die Beschränkungen nicht mehr galten.
(3) Ebenfalls offen bleiben kann, ob - insbesondere für Frauen - das Baden an dem Strand in der Nähe des zu diesem Zweck für den zweiten Teil der Reise gebuchten Hotels nur in den Körper insgesamt bedeckender Bekleidung oder auch in Bikini bzw. Badeanzug möglich war und auch diesbezüglich ein Reisemangel und eine Verletzung der Hinweispflicht anzunehmen wären. Denn insoweit hat der Kläger das ihm unstreitig für den Badeaufenthalt angebotene Ersatzhotel nicht angenommen, an dessen mehrere hundert Meter langem Privatstrand - wie der Bevollmächtigte der Beklagten im Termin vor der Kammer unwidersprochen vorgetragen hat - das Baden in Badebekleidung möglich war, wie sie nach europäischem Verständnis als üblich angesehen wird.
Aufgrund der erheblich höheren Kategorie des ebenfalls in Muscat gelegenen Ersatzhotels war dem Kläger nach Ansicht der Kammer auch ein Wechsel in das angebotene Ersatzhotel zuzumuten, auch wenn dieses mit insgesamt 680 Zimmern erheblich größer als das gebuchte Hotel mit insgesamt 92 Zimmern ist, so dass ein etwaiger Reisemangel behoben worden wäre.
(4) Keine Verletzung der Aufklärungspflicht durch die Beklagte nimmt die Kammer demgegenüber insoweit an, als sie den Kläger durch die Mitarbeiterin des Reisebüros nicht auf die - im Übrigen vom Ramadan unabhängigen - Bekleidungsvorschriften im Oman hingewiesen hat. Wer in ein muslimisches Land reist - und dies ist Allgemeingut - weiß oder muss wissen, dass er mit einem durchaus normalem westeuropäischen Kleidungsstil bereits die religiösen Gefühle der Einheimischen verletzen kann. Wenn ein deutscher Tourist aus einer deutschen Großstadt in ein islamisch geprägtes Gebiet fliegt, kann er nicht davon ausgehen, dass er die Bekleidungsvorstellungen seines Umfeldes gleichsam mitnehmen und am Urlaubsort erwarten kann, dass er auf gleiche Vorstellungen hinsichtlich eines "sittsamen" und zu tolerierenden Kleidungsstils treffen müsste, wie an seinem Heimatort.
bb) Allein die sich während der Rundreise tagsüber in der Öffentlichkeit ergebenden Einschränkungen durch den Ramadan sieht die Kammer aber nicht als derart erheblich an, dass sie eine Kündigung der Reise rechtfertigen würden. Dass während der Rundreise aufgrund der Einschränkungen insbesondere hinsichtlich der Aufnahme von Flüssigkeit gesundheitliche Probleme beim Kläger oder seiner Lebensgefährtin aufgetreten wären, wird vom Kläger nicht geltend gemacht. Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme waren - selbst nach dem Vortrag des Klägers - auch tagsüber zumindest in unbeobachteten Momenten durchaus möglich. Im Übrigen muss sich der Kläger auch an seinem eigenen Vortrag festhalten lassen, wenn er mit der Berufungsbegründung ausführt, dass allein die Einschränkungen während der Rundreise eine Kündigung nicht rechtfertigen würden.
b) Dem Kläger ist die Fortsetzung der Reise auch nicht unzumutbar i.S.d. § 651 e Abs. 1 S. 2 BGB. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger oder seine Lebensgefährtin die Beklagte bei Buchung der Reise auf subjektive Gründe hingewiesen hätte, die aufgrund der Beschränkungen eine Unzumutbarkeit auslösen würden, sind nicht ersichtlich.
2. Aufgrund des unterlassenen Hinweises der Beklagten auf die beschriebenen Einschränkungen durch den Ramadan in der Öffentlichkeit auch für Nichtmuslime mindert sich jedoch kraft Gesetzes der Reisepreis gem. § 651 d Abs. 1 BGB. Auch wenn unstreitig die nach § 651 d Abs. 2 BGB grundsätzlich erforderliche Mängelanzeige durch den Kläger gegenüber der angegebenen Stelle oder dem örtlichen Reiseleiter nicht erfolgt ist, war eine solche hier entbehrlich, da der Beklagten als Reiseveranstalterin insoweit eine Abhilfe überhaupt nicht möglich war. Die Minderung der Reise schätzt die Kammer gem. § 651 d Abs 1 S 1 BGB i.V.m. § 638 Abs 3 S. 2 BGB für die gesamte gebuchte Dauer der Reise wegen der Einschränkungen und der möglicherweise bestehenden Angst vor Repressalien bei Nichtbeachtung der Verbote auf 10%. Dem steht nach Ansicht der Kammer nicht entgegen, dass der Kläger vorzeitig abgereist ist.
Hätte er nämlich das ihm angebotene Ersatzhotel angenommen, wäre er weiterhin den mit dem Ramadan einhergehenden Einschränkungen ausgesetzt gewesen. So hat der Bevollmächtigte der Beklagten im Termin vor der Kammer ausdrücklich eingeräumt, dass auch in dem angebotenen Ersatzhotel in den Außenbereichen während der Sonnenstunden mit Rücksicht auf die religiösen Gefühle der fastenden Muslime auch für die Touristen Essen, Trinken und Rauchen nicht möglich gewesen wäre, wohl aber im Hotel selbst.
Die Minderung macht hier einen Betrag in Höhe von 318,--€ aus. Bei der Berechnung der Minderung ist vom Gesamtpreis - dies gilt auch bei zusammengesetzten Reisen (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1992, 115) - auszugehen, da auch Mängel der Gesamtleistung vorliegen müssen (BGH NJW 2000, 1188, 1191: Staudinger/Eckert, BGB (2003), § 651 d Rdn. 37). Soweit die Auffassung vertreten wird, dass grundsätzlich der Preis der jeweiligen mangelhaften Teilleistung als Bezugsgröße der Berechnung zugrunde zu legen sei (LG Hannover NJW 1984, 2417, 2418 f), vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Denn ein solches Verständnis widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des § 651 d Abs 1 BGB, der auf den "Reisepreis" und nicht auf den "anteiligen Reisepreis" abstellt. Mit diesem Wortlaut ist es unvereinbar, der Minderung lediglich den Preis einzelner Reiseteile zugrunde zu legen. Hinzu kommt, dass es kaum möglich sein dürfte, den Pauschalpreis in Einzelpreise für die jeweiligen Teilleistungen aufzugliedern, ohne Einblick in die betriebswirtschaftliche Kalkulation des Reiseveranstalters zu haben (Staudinger/Eckert, aaO., Rdn. 37).
4. Dem Kläger steht auch gem. § 651 c Abs. 3 BGB kein Anspruch auf Ersatz der Kosten für den vorzeitigen Rückflug in Höhe von insgesamt 801,- ~ zu. Die Maßnahme des Klägers stellt sich als Selbstabhilfe nach § 651 c Abs. 3 BGB dar. Die Rückflugkosten sind wie die Kosten bei einer sogenannten erweiterten Selbstabhilfe nur dann ersatzfähig, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung i.S. des § 651 e Abs. 1 BGB vorliegt (LG Frankfurt a.M., NJW-RR 1992, 310; Tempel, Materielles Recht im Zivilprozess, 4. Auflage, S 495). Ließe man bereits bei jedem geringfügigen Mangel den vorzeitigen Rückflug als berechtigt zu, entstünden dadurch Wertungswidersprüche zu § 651 e Abs. 1 BGB, der bei einer Kündigung des Reisevertrags stets eine erhebliche Beeinträchtigung voraussetzt, die hier nicht vorliegt. Die vom Kläger gewählte Form der Abhilfe stellt aber in der Sache nichts anderes als eine Kündigung des Reisevertrages dar.
5. Im Wege des Schadensersatzes gem. § 651 f Abs. 1 BGB, der neben den Minderungsanspruch des §651d BGB tritt (MünchKomm/Tonner, BGB, 4. Auflage 2005, § 651f Rdn. 24), kann der Kläger aber nach einem Gegenstandswert von 318,-€ die von ihm lediglich in hälftiger Höhe begehrten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend machen. Zu den Schäden im Sinne dieser Vorschrift gehören alle Mangelfolge- und Begleitschäden, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Reisemangel stehen - insbesondere nutzlose Aufwendungen und Mehrkosten (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 53). Die hälftigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten belaufen sich gem. §§ 2, 13 RVGi.V.m. W 2300, W 7002, W 7008 hier auf insgesamt 45,53 € (1,3 x 45,- € + 20,- €+16 % MwSt = 91,06 €).
6. Der Zinsanspruch bezüglich der Hauptforderung ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB, der bezüglich der Nebenforderung aus § 291 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §708 Nr. 10 ZPO n.F.i.V.m. §§711,713 ZPO.
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