Verlegung auf einen anderen Flug

Gericht

AG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

28. 06. 2007


Aktenzeichen

29 C 370/07 - 46


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte – aus seitens des Herrn P. mit Erklärung vom 6.2.2007 an ihn abgetretenem (§ 398 BGB) Recht - auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von insgesamt 400,- EUR, aus Art. 4 Abs. 3, 7 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr.261/2004.

Unstreitig ist zwischen dem Kläger und Herrn P. einerseits sowie der Beklagten andererseits ein Luftbeförderungsvertrag über einen Flug München - Genf - Lissabon (LX 3681 und LX 4584) für den 1.11.2006 und Lissabon - Zürich - München (LX 4583 und LX 3624) für den 5.11.2006 zustande gekommen. Ebenfalls unstreitig ist, dass der Flug LX 4583 von Lissabon nach Zürich am 5.11. 2006 mit einer geplanten Abflugzeit von 15:00 Uhr erst gegen 16:45 Uhr in Richtung München abflog und der Kläger sowie Herr P. erst gegen 20:00 Uhr in München eintrafen. ...

Unstreitig ist auch, dass der Kläger sowie Herr P. den Flug LX 3624 von Zürich nach München am 5.11.2006 mit einer geplanten Abflugzeit von 19:40 Uhr verpassten, nachdem sie - statt wie geplant um 18:35 Uhr - erst gegen 20.00 Uhr in Zürich eintrafen. Ebenfalls unstreitig ist, dass es am 5.11.2006 ab 20:00 Uhr keinen Flug von Zürich nach München mehr gab. ...

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vorliegend anwendbar.

Nach Art. 3 Abs.1 lit. a VO gilt die Verordnung - unabhängig davon, dass die Beklagte ihren Sitz in einem Drittstaat hat - für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedsstaates, das den Bestimmungen des Vertrages unterliegt, einen Flug antreten. Dies ist hier der Fall. Der Kläger sowie Herr P haben ihren Flug in München angetreten. Es handelt sich insoweit um einen einheitlich gebuchten Flug von München über Zürich nach Lissabon und zurück. Dies ergibt sich insbesondere aus der vorgelegten Buchungsbestätigung vom 19.10.2006, nach der sowohl Hin- als auch Rückflug gemeinsam gebucht und mit einem einheitlichen Reisepreis berechnet wurde. Unter diesen Umständen ist von einem Rundflug mit einheitlichem Flugschein und München als Ausgangspunkt auszugehen, so dass der Anwendungsbereich der Verordnung auch dann eröffnet ist, wenn die Nichtbeförderung auf dem Rückflug am 5.11.2006 erst nach einem Zwischenaufenthalt auf einer Teilstrecke des Rundfluges - hier von Zürich nach München - erfolgt (vgl. AG Frankfurt a.M., NJW-RR 1996, 1335, 1336; Führich, Reiserecht [5. Aufl.], Rn.1012 m.w.N.).

Der Kläger und Herr P. wurden nicht - dies ist unstreitig - auf dem ursprünglich vorgesehenen Flug LX 3624 von Zürich nach München, für den sie bestätigte Tickets hatten, befördert. Die Verlegung des Klägers sowie des Herrn P. auf einen Flug von Zürich nach München am 6.11.2006 stellt sich als Nichtbeförderung im Sinne des Art. 2 lit. j VO dar. Eine Verlegung auf einen anderen Flug i.S.d. Art. 3 Abs. 2 lit. b VO erfüllt den Tatbestand der Nichtbeförderung (vgl. AG Düsseldorf, RRa 2007, 38; Führich, in: Sonderbeilage MDR 7/2007, S. 5). Der Kläger hat auch unbestritten vorgetragen, dass dies gegen seinen und den Willen des Herr P. geschah, sie also nicht ihr Einverständnis mit dem abweichenden Rückflug von Zürich nach München am 6.11.2006 erklärt hatten. Zudem ist der Luftbeförderungsvertrag ein relatives Fixgeschäft. Durch die Flugverlegung wird dem Fluggast die Beförderung auf dem gebuchten Flug verweigert, welcher durch eine konkrete Flugnummer und eine feste Abflugzeit bestimmt ist (vgl. Führich, a.a.O., S. 5).

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht vorliegend der Annahme eines Falles der Nichtbeförderung i. S. d. Art. 4 VO nicht entgegen, dass der Kläger sowie Herr P. den Flug LX 3624 aufgrund einer Verspätung des vorangegangenen Fluges LX 4583 wegen rein tatsächlicher Umstände nicht erreicht haben. Auf die Ursache der Verlegung des Fluggastes auf einen anderen Flug durch das Luftfahrtunternehmen kommt es nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 lit. b VO (a.E.) nicht an. Eine Einschränkung der Ausgleichsleistungen auf die Fälle der Nichtbeförderung wegen Überbuchung lässt sich weder dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 VO noch den Erwägungsgründen entnehmen. Art. 4 Abs. 3 VO findet daher auf jede "Nichtbeförderung" im Sinne von Art. 2 lit. j VO Anwendung (so auch AG Düsseldorf, a.a.O; Schmid, NJW 2006, 1841). Vor diesem Hintergrund bestand für das Gericht keine Veranlassung, Beweis durch einzuholende Auskunft des Verordnungsgebers, wie von Seite der Beklagten mit Schriftsatz vom 21.6.2007 beantragt, zu erheben.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch unbeachtlich, dass der Kläger sowie Herr P. nicht 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug von Flug LX 3624 in Zürich an Check-in-Schalter einfanden, sondern erst gegen 20:00 Uhr. Zum einen gilt Art. 3 Abs. 1 VO nach Art. 2 lit. b VO bereits dann ("oder"), wenn die Fluggäste von einen Luftfahrtunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderer Flug verlegt wurden, ungeachtet des Grundes hierfür. Dies ist – wie bereits ausgeführt - hier der Fall. Für den Fall der Verlegung auf einen anderen Flug macht Art. 3 Abs. 2 lit. b VO ausdrücklich eine Ausnahme und sieht vor, dass sich der Fluggast nicht am Flughafen zur Abfertigung einzufinden braucht. Unabhängig hiervon kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass der Kläger und Herr P. sich entgegen Art. 3 Abs. 2 lit. a VO nicht spätestens 45 Minuten vor der Abflugzeit um 19:40 Uhr zur Abfertigung am Check-in-Schalter eingefunden hatten. Nach Sinn und Zweck der Verordnung, die eine Verbesserung und Erweiterung des Schutzes der Fluggäste bezweckt (vgl. Führich, Reiserecht [5. Aufl.], Rn. 1011; Schmid, a. a. O., S. 1841) wird die Anwendbarkeit des Art. 3 Abs.1 VO jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn die Ursache für das verspätete Einfinden zur Abfertigung - wie hier - allein in der Sphäre des ausführenden Luftfahrtunternehmens liegt. Vorliegend lag der alleinige Grund dafür, dass der Kläger und Herr P. sich auf dem Rückflug in Zürich erst gegen 20:00 Uhr zum Einchecken am Schalter einfanden, darin, dass der Zubringerflug der Beklagten seinerseits eine entsprechend Verspätung von ca. 100 Minuten hatte. Eine Entlastung der Beklagten wegen angeblichen Nebels in Lissabon ist ausgeschlossen, so dass hierüber auch kein Beweis zu erheben war.

Art.5 Abs. 3 VO ist in seinem Anwendungsbereich beschränkt auf Fälle der Annullierung. Bei Ansprüchen wegen Nichtbeförderung kann sich das Luftfahrtunternehmen dagegen nicht entlasten und auf höhere Gewalt oder fehlendes Verschulden berufen (vgl. Führich, Sonderbeilage zu MDR 7/2007, S.5).

Hinsichtlich der Höhe sieht Art. 7 Abs. 1 lit. b VO über die hier streitgegenständliche Entfernung eine Ausgleichszahlung von 400,- EUR Herrn P. vor. Insoweit ist auf die Flugstrecke Lissabon - Zürich - München abzustellen, da es sich hierbei um einen einheitlichen Flug handelt, nachdem der Kläger - unstreitig - Hin- und Rückflug gleichzeitig gebucht hatte. Eine Kürzung nach Art. 7 Abs. 2 VO unterbleibt im Hinblick auf den unbestrittenen Umstand, dass die Beklagte dem Kläger sowie Herrn P. einen Alternativ-Flug von Zürich nach München erst für den folgenden Tag angeboten hat.

Einem Anspruch des Klägers aus abgetretenem Recht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b VO steht auch nicht Art. 12 Abs. 1 Satz 2 VO entgegen. Nach dieser Vorschrift, auf welche sich die Beklagte ausdrücklich beruft, kann die nach der Verordnung gewährte Ausgleichsleistung auf einen Schadensersatzanspruch angerechnet werden. Eine Anrechnung kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht, da die Beklagte an den Zedenten keinen Schadensersatz geleistet hat. Soweit die Beklagte außergerichtlich Zahlungen erbracht hat, wurden diese geleistet zur Tilgung eines etwaigen Schadens des Klägers. Diese Zahlungen muss sich jedoch der Fluggast P. nicht auf seinen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 lit. b VO anrechnen lassen.

Der Anspruch des Herrn P. ist durch Abtretungserklärung vom 6.2.2007, die dem Gericht im Original vorgelegt worden ist, auf den Kläger übergegangen.

Ein Anspruch des Klägers aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte auf Erteilung von Auskunft, welche Kosten sie sich aufgrund der Nichtbeförderung des Herrn P. dem Flug LX 624 von Zürich nach München erspart hat bzw. welche nicht angefallen sind, besteht demgegenüber nicht. Für einen derartigen Anspruch fehlt es bereits an einer Anspruchsgrundlage. Zwar bestehen nach Art. 8 Abs. 1 lit. a VO ein Anspruch des Fluggastes auf Erstattung der Flugscheinkosten für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte. Unstreitig hat die Beklagte hier auf jedoch außergerichtlich eine Zahlung von 23,51 EUR geleistet. Etwaige ersparte Kosten werde darüber hinaus von Art. 8 Abs. 1 lit. a VO nicht umfasst. Schließlich ist auf der Grundlage des klägerischen Sachvortrag nicht hinreichend erkennbar, inwieweit sich aus einer Nichtbeförderung des Herrn P. auf der Strecke Zürich - München für die Beklagte ersparte Kosten ergeben können. Der pauschale Verweis des Klägers mit Schriftsatz am 23.5.2007 auf eine zusammengefasste Gruppe aus "Tax / Fee / Charge" in Höhe von 98,52 EUR und "OC-SWISS Service fee" in Höhe von 10,- EUR als Teil des Ticketpreises ersetzt keinen substantiierten Sachvortrag im Hinblick auf eine behauptete Kostenersparnis. Auch im Rahmen eines Auskunftsanspruches hat jedoch zunächst der Kläger die Voraussetzungen, aus denen sich ein Anspruch auf Auskunft ergeben kann, hinreichend darzulegen. ...

Begründet ist der Feststellungsantrag des Klägers im Hinblick auf sein Auskunftsbegehren über die konkrete Zusammensetzung des Flugtickets für Herrn P. Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 23.5.2007 insoweit den Rechtsstreit für erledigt erklärt und die Beklagte auf Nachfrage des Gerichts im Verhandlungstermin vom 31.5.2007 der Erledigungserklärung nicht zugestimmt hat, war festzustellen, dass die Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung zum Zeitpunkt der erledigenden Ereignisses zulässig und begründet gewesen ist. Es ist bereits ausgeführt worden, dass dem Kläger aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten des Herrn P. für den Flug LX 3624 von Zürich nach München gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. a VO zustand. Um die auf diese Teilstrecke entfallenden Kosten konkret beziffern zu können, war der Kläger bzw. Herr P., dem lediglich der Gesamtpreis des E- Tickets in Höhe von 300,52 EUR bekannt war, auf eine entsprechend Auskunftserteilung durch die Beklagte angewiesen. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Auskunft auch nicht alleine auf den Flug LX 3624 zu erstrecken, da der Kläger keine Kenntnis davon haben kann, ob sich der Gesamtpreis für den gebuchten Rundflug überhaupt nach Teilstrecken kalkulieren lässt und in welcher Art und Weise etwaige im Preis enthaltene Steuern bzw. sonstige Gebühren auf einzelne Teilabschnitte aufschlüsselbar sind. Erst durch eine Auskunftserteilung über die Zusammensetzung des ihm bekannten Gesamtpreises des Tickets ist der Kläger in die Lage versetzt worden, den Anspruch nach Art. 8 Abs. 1 lit. a VO aus abgetretenem Recht konkret zu beziffern. Durch die Auskunftserteilung durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 3.4.2007 ist sodann nach Rechtshängigkeit Erledigung eingetreten. ...

Rechtsgebiete

Reiserecht