"FOCUS" gewinnt gegen "focustree"

Gericht

Deutsches Patent- und Markenamt


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

07. 05. 2008


Aktenzeichen

304 60 733.9 / 41


Tenor

Auf Grund der Widersprüche aus der Gemeinschaftsmarke 453720 und der Marke 2057734 wird die angegriffene Marke gelöscht. Kosten werden nicht auferlegt.

Entscheidungsgründe


Gründe

1. Gegen die Eintragung der für die Dienstleistungen

"Aus-, Fort- und Weiterbildung, Organisation und Veranstaltung von Konferenzen, Kongressen und Kursen"

registrierten Wortmarke 304 60 733.9 / 41

focustree

ist aus der unter anderem für die Waren und Dienstleistungen

"Lehr- und Unterrichtsmittel auch in Form von Modellen und Anschauungstafeln, Herausgabe von Digital- und Analogaufzeichnungsträgern mit z.B. Kultur-, Wissenschafts-, Sport-, industriellen bzw. technischen Informationen; Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträger; Durchführung von Veranstaltungen"

prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke 453720

FOCUS

und aus der für die Waren und Dienstleistungen

"Druckereierzeugnisse und Verlagserzeugnisse, insbesondere Magazine; Zeitschriften, Zeitungen und Broschüren, Bücher; Lichtbilderzeugnisse, Fotografien (soweit in Klasse 16 enthalten); Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, insbesondere von Magazinen, Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren und Büchern, sowie von Lehr- und Informationsmaterial einschließlich gespeicherter Ton- und Bildinformation, Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträger"

registrierten prioritätsälteren Wortmarke 2 057 734

FOCUS

Widerspruch erhoben worden.

2. Die Widersprüche sind begründet. Zwischen den streitbefangenen Marken besteht eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, so dass die angegriffene Marke gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zu löschen ist.

3. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 2005, 1042 - THOMSON LlFE; GRUR 2006, 237 - PICASSO/PICAR; BGH, Beschl. v. 22.9.2005 - I ZB 40/03, GRUR 2006, 60 Tz. 12 = WRP 2006, 92 - coccodrillo; BGHZ 167, 322 Tz. 16 - Malteserkreuz, BGH, Beschl. v. 28.6.2007 - I ZR 132/04 - INTERCONNECT / T-lnterConnect). Bei Marken mit verminderter Kennzeichnungskraft ist der Schutzbereich entsprechend eingeschränkt und kann im Extremfall nur die Verteidigung gegenüber identischen und fast identischen Zeichen ermöglichen (BGH GRUR 2003, 963, 965 - AntiVir/Anti Virus; BPatG GRUR 2000, 433, 434 - Netto 62, GRUR 2002, 68, 69 - COMFORT HOTEL).

4. Die widersprechenden Wortzeichen "FOCUS" haben durch umfangreiche Benutzung als Kennzeichnung für Druckereierzeugnisse und die Herausgabe von Druckereierzeugnissen, auch in elektronischer Form sowie für die Fernsehsendung "FOCUS" ihre ursprünglich geringe Kennzeichnungskraft überwunden (BPatG, 28W(pat)160/02, 20.01.04 - MICROFOCUS / FOCUS; 25W(pat)056704, 17.10.06 - FOCUS MARKETING / FOCUS; HABM, R 288/04-1, 17.11.04 - LASER FOCUS / FOCUS). Die Widersprechende hat zur Glaubhaftmachung zudem auch Unterlagen eingereicht, die Verkehrsbekanntheit der widersprechenden Marken für die genannten Waren und Dienstleistungen belegen.

5. Benutzungsfragen sind nicht zu erörtern. Von der Registerlage der gegenseitigen Verzeichnisse muss bei der Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ausgegangen werden. Dabei sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren und Dienstleitungen kennzeichnen. Insbesondere gehören dazu die Art der Waren, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren und Dienstleistungen (BGH, GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN, GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd, GRUR 2006, 941- TOSCA BLU).

6. Hiervon ausgehend sind die angefochtenen Dienstleistungen "Aus-, Fort- und Weiterbildung, Organisation und Veranstaltung von Konferenzen, Kongressen und Kursen" mit den Dienstleistungen "Durchführung von Veranstaltungen" aufgrund begrifflicher Überschneidung identisch, da es sich bei "Konferenzen, Kongressen und Kursen" aber auch bei "Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen" um Veranstaltungen handelt. Darüber hinaus liegen die angefochtenen Dienstleistungen mit den weiteren Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse und Verlagserzeugnisse, insbesondere Magazine; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, insbesondere von Magazinen, Zeitungen, Zeitschriften, sowie von Lehr- und Informationsmaterial einschließlich gespeicherter Ton- und Bildinformation, Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträger" im Ähnlichkeitsverhältnis, wobei der Annäherungsgrad trotz im Einzelnen unterschiedlicher Beurteilung im engeren Bereich liegt. Diese Waren und Dienstleistungen der angefochten und der widersprechenden Marken gehören dicht nebeneinander liegenden Produktbereichen an. Nachrichtenmagazine in gedruckter und elektronischer sowie als in Fernsehsendung ausgestrahlter Form und tragen im weiteren Sinne zur Fort- und Weiterbildung bei. Die Dienstleistungen der angefochtenen Marke können sich zudem auch thematisch auf die gleichen Schwerpunkte wie die Waren und Dienstleistungen der widersprechenden Marken beziehen.

7. Dem angegriffenen Wortzeichen

focustree

stehen die rangälteren Wortmarken

FOCUS

gegenüber. Um zu beurteilen, wie weit die Ähnlichkeit zwischen den betreffenden Marken reicht, sind der Grad ihrer Ähnlichkeit im Bild, im Klang und in der Bedeutung zu bestimmen sowie gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen und der Bedingungen, unter denen sie vertrieben werden, zu bewerten, welche Bedeutung diesen einzelnen Elementen beizumessen ist. Für die Feststellung der Verwechslungsgefahr ist dabei nicht erforderlich, dass eine Ähnlichkeit unter allen drei Gesichtspunkten bestehen muss. Es kann vielmehr ausreichen, wenn bereits eine Ähnlichkeit auf Grund einer dieser Beurteilungskriterien vorliegt und diese zu einer relevanten Verwechslungsgefahr führen kann. Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen.

8. Der Widerspruch wird damit begründet, dass in der angefochtenen Marke die widersprechenden Marken als Bestandteil integriert wurden und deshalb in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht eine hochgradige Ähnlichkeit bestehen soll.

Aus der Sicht der Markenstelle ist eine unmittelbare Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken zu verneinen, da der Bestandteil "-tree" am Wortende der jüngeren Marke weder zu überhören noch zu übersehen ist und die Marke auch nicht durch den Bestandteil "Focus" geprägt wird. Zudem bildet "Focustree" einen Gesamtbegriff. Der Verkehr wird die Zusammenstellung als Einheit auffassen. Die Grundsätze für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr aufgrund des von einem Dritten in einem zusammengesetzten Zeichen neben einem anderen markenmäßig kennzeichnenden Bestandteil mit der rangälteren Marke identischen oder ähnlichen Bestandteils, dem zwar keine dominierende bzw. prägende Bedeutung zukommt, er in dem zusammengesetzten Zeichen jedoch eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (EuGH GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE, BGH, I ZB 028/04, 11.05.06 - Lazaruskreuz; BGH MarkenR 2008, 12 - INTERCONNECT / T-InterConnect), können wegen dem Einwortcharakter der angefochtenen Marke nicht zur Anwendung kommen.

9. Die sich gegenüber stehenden Zeichen sind jedoch in ihrer Gesamtheit verwechselbar, da sie ein Ähnlichkeitsverhältnis unter dem Gesichtspunkt des gedanklich miteinander in Verbindung Bringens aufweisen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz MarkenG). Diese Art der Verwechslungsgefahr ist nicht nur auf den Gesichtspunkt von Marken- bzw. Serienbestandteilen beschränkt, sondern umfasst auch solche Fälle, in denen die als unterschiedlich erkannten Marken wegen Übereinstimmungen in Teilbereichen oder aus anderen Gründen auf die gleiche betriebliche Herkunft der Waren bzw. Dienstleistungen oder auf sonstige Verbindungen der Hersteller oder Anbieter schließen lassen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922 - Canon). Hierbei können neben den übereinstimmenden auch die jeweils abweichenden Elemente von wesentlicher Bedeutung sein, indem sie z.B. wegen eigener Kennzeichnungsschwäche oder einer an Marken desselben Unternehmens erinnernden Wortbildung die Aufmerksamkeit des Verkehrs auf den gemeinsamen Markenteil lenken und diesen als das eigentliche Betriebskennzeichen erscheinen lassen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9, Rdnr. 332 ff. m.w.N; BPatG GRUR 2002, 438 - WISCHMAX / Max).

10. Aufgrund der Übernahme des bei den hier zu betrachtenden Waren und Dienstleistungen über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügenden Zeichenbegriffes "FOCUS" in die jüngere Marke sind die Vorrausetzung für die Annahme gegeben, dass die Marken gedanklich in Verbindung gebracht werden (vgl. BGH GRUR 2000, 608 - ARD1). Die Widerspruchsmarken sind als wesensgleicher Bestandteil in der jüngeren Marke enthalten. Bei dem nachgestellten Bestandteil "tree" (englisch: Baum) handelt es sich lediglich um eine Themenangabe, so dass für den Verkehr Anlass besteht, aufgrund der Bekanntheit des Begriffes "FOCUS" in den hier betroffenen und eng damit im Zusammenhang stehenden Produktbereichen auch bei der angefochtenen Marke als Kennzeichnung identischer und sehr ähnlicher Dienste auf das Bestehen wirtschaftliche Verbindungen oder Zusammenhänge zwischen den Unternehmen anzunehmen (vgl. z.B. EuG, T-22/04, 04.05.05 - Westlife / West; BPatG, 28W(pat)160/02, 28.01.04 - MICROFOCUS / FOCUS; 25W(pat)211/01, 26.04.04 - FOCUSVITAL / FOCUS; 25W(pat)008/04, 27.03.06 - metaspinner / SPINNER; 33W(pat)108/04, 24.05.05 - pro juris / juris; HABM R 728/05-4, 07.11.06 - PureMetro / METRO). R 401/04-1, 05.04.05 - IQMOBIL / MOBIL).

11. Unter Würdigung der Gesamtumstände wird das Bestehen einer Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen der angefochtenen Marke und den rangälteren Marken festgestellt und die angefochtenen Marke gem. § 43 Abs. 2 MarkenG gelöscht.

12. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit die Kosten des Verfahrens einem Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen (§ 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG).


Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Beschluss findet gemäß § 64 des Markengesetzes die Erinnerung statt. Die Erinnerung steht den am Verfahren vor dem Patent- und Markenamt Beteiligten zu. Sie hat aufschiebende Wirkung. Die Erinnerung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schriftlich beim Deutschen Patent- und Markenamt einzulegen. Die Anschriften lauten:

• Deutsches Patent- und Markenamt, 80297 München

• Deutsches Patent- und Markenamt, 81534 München

• Deutsches Patent- und Markenamt, Dienststelle Jena, 07738 Jena

• Deutsches Patent- und Markenamt, Technisches Informationszentrum Berlin, 10958 Berlin

Innerhalb der Erinnerungsfrist ist eine Gebühr für das Erinnerungsverfahren (Gebührennummer 333 000 PatKostG = 150,00 EUR) auf das Konto der Bundeskasse Weiden für das Deutsche Patent- und Markenamt zu entrichten. Wird sie nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt, so gilt die Erinnerung als nicht eingelegt.

Bei der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde ist der Tag der Zustellung auf der übergebenen Abschrift der Zustellungsurkunde oder auf der übergebenen Sendung vermerkt.

Bei der Zustellung durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe gilt dieses am 3. Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass das zuzustellende Dokument nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Bei der Zustellung mittels Einschreiben mit Rückschein gilt diese an dem Tag als bewirkt, den der Rückschein angibt.

Der Erinnerung und allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Auf die beigefügten Zahlungshinweise wird verwiesen.

Auf die beigefügten Zahlungshinweise wird verwiesen.


Markenstelle für Klasse 41

Hoffmann, Regierungsoberamtsrat

Rechtsgebiete

Markenrecht