Internationale Zuständigkeit für Schadensersatzprozesse aufgrund von Verkehrsunfällen

Gericht

EuGH


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

13. 12. 2007


Aktenzeichen

C‑463/06


Entscheidungsgründe

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und 11 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Jack Odenbreit, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat und in den Niederlanden einen Verkehrsunfall erlitten hat, und der Versicherungsgesellschaft der für diesen Unfall verantwortlichen Person, der Gesellschaft mit beschränkter Haftung FBTO Schadeverzekeringen NV (im Folgenden: FBTO), die ihren Sitz in den Niederlanden hat.


Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 44/2001

Der 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet: „Bei Versicherungs‑, Verbraucher‑ und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.“

Die Zuständigkeitsregeln für Versicherungssachen sind in Abschnitt 3 des Kapitels II der Verordnung Nr. 44/2001 festgelegt; dieser Abschnitt umfasst die Art. 8 bis 14 der Verordnung.

Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b dieser Verordnung sieht vor:

„(1) Ein Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann verklagt werden:

a) vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat,

b) in einem anderen Mitgliedstaat bei Klagen des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat …“

Art. 11 der Verordnung bestimmt:

„(1) Bei der Haftpflichtversicherung kann der Versicherer auch vor das Gericht, bei dem die Klage des Geschädigten gegen den Versicherten anhängig ist, geladen werden, sofern dies nach dem Recht des angerufenen Gerichts zulässig ist.

(2) Auf eine Klage, die der Geschädigte unmittelbar gegen den Versicherer erhebt, sind die Artikel 8, 9 und 10 anzuwenden, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist.

(3) Sieht das für die unmittelbare Klage maßgebliche Recht die Streitverkündung gegen den Versicherungsnehmer oder den Versicherten vor, so ist dasselbe Gericht auch für diese Personen zuständig.“

Richtlinie 2000/26/CE

Die Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG des Rates (ABl. L 181, S. 65) in der durch die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 (ABl. L 149, S. 14) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2000/26) sieht in Art. 3 mit dem Titel „Direktanspruch“ vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Artikel 1 genannten Geschädigten, deren Sach- oder Personenschaden bei einem Unfall im Sinne des genannten Artikels entstanden ist, einen Direktanspruch gegen das Versicherungsunternehmen haben, das die Haftpflicht des Unfallverursachers deckt.“

Außerdem heißt es in Erwägungsgrund 16a:

„Nach Artikel 11 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung … Nr. 44/2001 … kann der Geschädigte den Haftpflichtversicherer in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, verklagen.“


Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsfrage

Am 28. Dezember 2003 wurde Herr Odenbreit in den Niederlanden in einen Straßenverkehrsunfall mit einem Versicherten der FBTO verwickelt. In seiner Eigenschaft als Geschädigter erhob er, gestützt auf die Art. 11 Abs. 2 und 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001, eine unmittelbare Klage gegen den Versicherer beim Amtsgericht Aachen, dem Gericht an seinem Wohnsitz.

Mit Urteil vom 27. April 2005 wies dieses Gericht diese Klage wegen Unzuständigkeit der deutschen Gerichte für die Entscheidung darüber zurück. Herr Odenbreit legte gegen dieses Urteil Berufung beim Oberlandesgericht Köln ein. Mit Zwischenurteil vom 12. September 2005 erkannte das Berufungsgericht die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Entscheidung über die Haftungsklage an, wobei es sich auf dieselben Vorschriften der Verordnung Nr. 44/2001 stützte.

Die FBTO legte gegen dieses Zwischenurteil Revision beim Bundesgerichtshof ein.

Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, ist die Auslegung der Art. 11 Abs. 2 und 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit für vom Geschädigten gegen den Versicherer erhobene unmittelbare Klagen in der deutschen Lehre umstritten.

So gehören nach herrschender Meinung derartige Direktklagen nicht zu den Versicherungssachen im Sinne der Art. 8 ff. der Verordnung Nr. 44/2001, denn der Direktanspruch des Geschädigten werde im deutschen internationalen Privatrecht als ein Anspruch verstanden, der unter das Deliktrecht falle und nicht unter den Versicherungsvertrag. Nach dieser Auslegung umfasst Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung nur Versicherungssachen im engeren Sinne, und der Begriff „Begünstigter“ in dieser Vorschrift schließt den Geschädigten nicht ein. Dieser könne durch Art. 11 Abs. 2 der Verordnung nicht zu einem Hauptverfahrensbeteiligten werden. Gegenüber dieser Lehrmeinung wird die Auffassung vertreten, dass ein Gerichtsstand am Wohnort des Geschädigten für unmittelbare Klagen des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer aufgrund der Verweisung auf Art. 9 der Verordnung Nr. 44/2001 in Art. 11 Abs. 2 dieser Verordnung gegeben sei.

Der Bundesgerichtshof teilt die letztgenannte Auslegung. Seiner Ansicht nach sprechen die überwiegenden Gründe für die Annahme, dass der Geschädigte seinen Direktanspruch gegen den Versicherer vor dem Gericht an seinem Wohnsitz geltend machen könne.

In Anbetracht der Meinungsverschiedenheiten in der Lehre in Bezug auf die Auslegung dieser Vorschriften der Verordnung Nr. 44/2001 hat der Bundesgerichtshof jedoch beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die Verweisung in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung dahin zu verstehen, dass der Geschädigte vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedstaat, an dem er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat?


Zur Vorabentscheidungsfrage

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

Der Revisionsbeklagte des Ausgangsverfahrens, alle Mitgliedstaaten, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sind der Auffassung, dass die Verweisung in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung dahin auszulegen sei, dass der Geschädigte bei dem Gericht des Ortes, an dem er seinen Wohnsitz habe, eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben könne, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig sei und der Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sei.

Auf der Grundlage einer Wortlautauslegung dieser Vorschriften der Verordnung Nr. 44/2001 machen die deutsche Regierung und die Kommission geltend, da die Verweisung in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 die gesamte Regelung des Art. 9 der Verordnung auf Klagen des Geschädigten anwendbar mache, müsse dieser in der Vorschrift, auf die verwiesen werde, nicht ausdrücklich erwähnt werden, denn andernfalls wäre die Verweisung in Art. 11 Abs. 2 überflüssig. Auf der Grundlage derselben Auslegung vertritt die polnische Regierung dagegen die Auffassung, dass der Geschädigte als „Begünstigter“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung qualifiziert werden müsse. Bei Abschluss des Versicherungsvertrags sei nämlich der potenzielle Geschädigte nicht bekannt, dem die Entschädigung bei Eintritt des Ereignisses, im Hinblick auf welches dieser Vertrag geschlossen worden sei, gezahlt werde. Er könne daher in diesem nicht als Begünstigter bestimmt werden.

Der Revisionsbeklagte des Ausgangsverfahrens, alle Mitgliedstaaten, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, und die Kommission vertreten die Auffassung, dass den Vorschriften der Verordnung Nr. 44/2001 über die Zuständigkeit für Versicherungssachen das Erfordernis des Schutzes der wirtschaftlich schwächeren Partei zugrunde liege, ein Auslegungsgrundsatz, der im 13. Erwägungsgrund dieser Verordnung zum Ausdruck gebracht werde und durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt worden sei (vgl. Urteile vom 14. Juli 1983, Gerling Konzern Speziale Kreditversicherung u. a., C‑201/82, Slg. 1983, 2503, vom 13. Juli 2000, Group Josi, C‑412/98, Slg. 2000, I‑5925, Randnr. 64, und vom 12. Mai 2005, Société financière et industrielle du Peloux, C‑112/03, Slg. 2005, I‑3707, Randnr. 30). Die Zielsetzung des Art. 11 Abs. 2 dieser Verordnung bestehe also gerade darin, die zugunsten des Klägers in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung vorgesehene Regelung auf den Geschädigten zu erstrecken.

In diesem Zusammenhang tragen die deutsche Regierung und die Kommission vor, dass die Einfügung dieses Art. 11 Abs. 2 in die Verordnung Nr. 44/2001 die Absicht des Gemeinschaftsgesetzgebers zum Ausdruck bringe, gemäß dem Vorschlag der Kommission für diese Verordnung Personen, die sich in Versicherungsrechtsstreitigkeiten in einer schwächeren Stellung befänden, einen weitergehenden Schutz zuzuerkennen, als er im Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32; im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) vorgesehen sei.

Schließlich tragen der Revisionsbeklagte des Ausgangsverfahrens, alle Mitgliedstaaten, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, und die Kommission vor, dass eine solche Auslegung durch die Richtlinie 2000/26 und insbesondere durch den Erwägungsgrund 16a dieser Richtlinie bestätigt werde. Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe dadurch, dass er diesen Erwägungsgrund nach dem Erlass der Verordnung Nr. 44/2001 eingefügt habe, keine verbindliche Interpretationsvorgabe für die Vorschriften dieser Verordnung, aber ein Argument von erheblichem Gewicht für die Anerkennung der Zuständigkeit des Gerichts des Ortes geschaffen, an dem der Geschädigte seinen Wohnsitz habe.

Antwort des Gerichtshofs

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Abschnitt 3 des Kapitels II der Verordnung Nr. 44/2001, der die Art. 8 bis 14 enthält, Zuständigkeitsregeln für Versicherungssachen vorsieht, die zu den Regeln hinzukommen, die durch die allgemeinen Vorschriften in Abschnitt 1 desselben Kapitels der Verordnung aufgestellt werden.

In diesem Abschnitt 3 werden mehrere Zuständigkeitsregeln für Klagen gegen den Versicherer aufgestellt. Er sieht insbesondere vor, dass ein Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a), vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat, wenn die Klage von dem Versicherungsnehmer, dem Versicherten oder dem Begünstigten erhoben wird (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b), und schließlich bei der Haftpflichtversicherung oder bei der Versicherung von unbeweglichen Sachen vor dem Gericht des Ortes verklagt werden kann, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (Art. 10).

In Bezug auf die Haftpflichtversicherung verweist Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 auf diese Zuständigkeitsregeln für Klagen, die der Geschädigte unmittelbar gegen den Versicherer erhebt.

Zur Beantwortung der Frage des vorlegenden Gerichts ist daher die Tragweite der Verweisung in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung zu bestimmen. Insbesondere ist festzustellen, ob diese Verweisung dahin auszulegen ist, dass durch sie nur den durch die letztgenannte Bestimmung bezeichneten Gerichten, d. h. den Gerichten des Wohnsitzes des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten, die Zuständigkeit für die Entscheidung über die unmittelbare Klage des Geschädigten gegen den Versicherer zuerkannt wird oder ob aufgrund dieser Verweisung auf diese unmittelbare Klage die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellte Zuständigkeitsregel des Wohnsitzes des Klägers angewendet werden kann.

Hierzu ist festzustellen, dass diese Vorschrift sich nicht darauf beschränkt, die Zuständigkeit den Gerichten des Wohnsitzes der darin aufgezählten Personen zuzuweisen, sondern dass sie vielmehr die Regel der Zuständigkeit des Wohnsitzes des Klägers aufstellt und damit diesen Personen die Befugnis zuerkennt, den Versicherer vor dem Gericht des Ortes ihres eigenen Wohnsitzes zu verklagen.

Eine Auslegung der Verweisung in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung dahin gehend, dass diese dem Geschädigten nur erlaubt, vor den aufgrund der letztgenannten Vorschrift zuständigen Gerichten zu klagen, d. h. den Gerichten des Wohnsitzes des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten, würde daher dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 2 unmittelbar zuwiderlaufen. Mit dieser Verweisung wird der Anwendungsbereich dieser Regel auf andere Kategorien von Klägern gegen den Versicherer als den Versicherungsnehmer, den Versicherten oder den Begünstigten aus dem Versicherungsvertrag erstreckt. Die Funktion dieser Verweisung besteht somit darin, der in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b enthaltenen Liste von Klägern die Personen hinzuzufügen, die einen Schaden erlitten haben.

Dabei kann die Anwendung dieser Zuständigkeitsregel auf die unmittelbare Klage des Geschädigten nicht von dessen Qualifizierung als „Begünstigter“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 abhängen, denn die Verweisung auf diese Vorschrift durch Art. 11 Abs. 2 dieser Verordnung ermöglicht die Erstreckung der Zuständigkeitsregel auf diese Rechtsstreitigkeiten über die Zuordnung des Klägers zu einer der in dieser Vorschrift aufgeführten Kategorien hinaus.

Diese Erwägungen werden auch durch die teleologische Auslegung der im Ausgangsverfahren betroffenen Vorschriften gestützt. Nach dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 soll diese einen günstigeren Schutz der schwächeren Parteien gewährleisten, als ihn die allgemeinen Zuständigkeitsregeln vorsehen (vgl. in diesem Sinne Urteile Group Josi, Randnr. 64, und Société financière et industrielle du Peloux, Randnr. 40, sowie Urteil vom 26. Mai 2005, GIE Réunion européenne u. a., C‑77/04, Slg. 2005, I‑4509, Randnr. 17). Dem Geschädigten das Recht zu verweigern, vor dem Gericht des Ortes seines eigenen Wohnsitzes zu klagen, würde ihm nämlich einen Schutz vorenthalten, der demjenigen entspricht, der anderen ebenfalls als schwächer angesehenen Parteien in Versicherungsrechtsstreitigkeiten durch diese Verordnung eingeräumt wird, und stünde daher im Widerspruch zum Geist dieser Verordnung. Außerdem hat die Verordnung Nr. 44/2001, wie die Kommission zu Recht feststellt, diesen Schutz im Verhältnis zu dem Schutz, der sich aus der Anwendung des Brüsseler Übereinkommens ergab, verstärkt.

Diese Auslegung wird durch den Wortlaut der Richtlinie 2000/26 über die Kraftfahrzeug‑Haftpflichtversicherung in der nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 44/2001 durch die Richtlinie 2005/14 geänderten Fassung bestätigt. In dieser Richtlinie hat der Gemeinschaftsgesetzgeber nämlich nicht nur in Art. 3 die Zuerkennung eines Direktanspruchs des Geschädigten gegen das Versicherungsunternehmen in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten vorgesehen, sondern er hat auch ausdrücklich im Erwägungsgrund 16a auf die Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 Bezug genommen, um auf das Recht des Geschädigten hinzuweisen, eine Klage gegen den Versicherer vor dem Gericht des Ortes zu erheben, an dem der Geschädigte seinen Wohnsitz hat.

Schließlich ist zu den Folgen der Qualifizierung der unmittelbaren Klage des Geschädigten gegenüber dem Versicherer, die, wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, im deutschen Recht Gegenstand eines Meinungsstreits sind, festzustellen, dass die Anwendung der durch Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellten Zuständigkeitsregel auf eine solche Klage nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass diese im nationalen Recht als Delikthaftungsklage, die sich auf ein außerhalb der vertraglichen Rechtsbeziehungen liegendes Recht bezieht, qualifiziert wird. Die Natur dieser Klage im nationalen Recht ist nämlich für die Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung unerheblich, da diese Zuständigkeitsregeln in einem Abschnitt, nämlich Abschnitt 3 des Kapitels II dieser Verordnung, enthalten sind, der Versicherungssachen im Allgemeinen betrifft und der sich von dem Abschnitt über besondere Zuständigkeiten für Verträge oder unerlaubte Handlungen betreffende Sachen, nämlich Abschnitt 2 des Kapitels II, unterscheidet. Die einzige Bedingung, von der Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 die Anwendung dieser Zuständigkeitsregel abhängig macht, besteht darin, dass die unmittelbare Klage im nationalen Recht vorgesehen sein muss.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Verweisung in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass der Geschädigte vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedstaat, an dem er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig ist.


Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Die Verweisung in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung ist dahin auszulegen, dass der Geschädigte vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedstaat, an dem er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer erheben kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig ist.


* Verfahrenssprache: Deutsch.

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht