Verletzung durch kleinste scharfe Gegenstände im Sandstrand
Gericht
AG Karlsruhe
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
19. 04. 2007
Aktenzeichen
7 C 64/07
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin beansprucht vom Beklagten Schmerzensgeld.
Die damals 13-jährige Klägerin verbrachte mit ihren Eltern und ihrem Bruder im August 2006 einen Urlaub im Hotel ..., der bei der Beklagten gebucht worden war. Im Katalog war das Hotel mit hoteleigenem Strand beschrieben worden. Dieser Strand, der von der Land- und Meeresseite für jedermann öffentlich zugänglich ist, wird täglich von sogenannten „Beach Boys“, die allerdings von der Familie der Klägerin nicht gesehen wurden, täglich gereinigt, die mehrmals täglich am Strand erscheinen.
Die Klägerin behauptet,
sie sei am 8. 8. 2006 mit dem rechten Fuß im Bereich der Liegen in eine am Hotelstrand liegende Spritze, eine Nadel mit einem kleinen Plastikaufsatz, getreten. Auch von anderen Gästen sei in derselben Zeit am Hotelstrand eine Spritze gefunden worden und es sei in Erfahrung gebracht worden, dass offenbar Rauschgiftdealer am Hotelpool gewesen seien und Hotelgäste angesprochen hätten mit „Do you like Koks?“. Dies habe dem Hotel auch nicht verborgen geblieben sein können. Im Hinblick auf die Ansteckungsgefahr (Aids) sei sie, die Klägerin und ihre Familie in größter Sorge gewesen; der Urlaubseffekt sei gleich Null gewesen. Sofort nach Rückkehr aus dem Urlaub habe sie sich der ärztlichen Behandlung unterzogen und habe mehrfach untersucht werden müssen. Erst im Oktober habe man dann endlich „aufatmen“ können, da der Bluttest negativ war. Bis dahin habe größte Sorge wegen Ansteckung mit Aids oder sonstiger Krankheiten bestanden. Sofort nach der eingetretenen Verletzung sei der Vorfall an der Rezeption gemeldet worden. Im Übrigen habe sie zwischenzeitlich auch eine schlechte Organisation des Hotels und Mängel in Bezug auf die dort herrschende Hygiene in Erfahrung bringen können.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe in gröblicher Weise ihre Verkehrssicherungspflicht vernachlässigt.
Im Hinblick auf den fehlgeschlagenen Urlaub und die über längere Zeit über der Familie und insbesondere über der Klägerin schwebende Sorge wegen einer Ansteckung hält sie ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens EUR 1000,00 für angemessen.
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch EUR 1000,00, für die am 8. 8. 2006 am Hotelstrand des Hotels erlittenen Verletzungen nebst 5% Zinsen über Basiszins seit 7. 9. 2006 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche RA-Kosten in Höhe von EUR 76,91 nebst 5% Zinsen über dem Basiszins seit 7. 9. 2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schmerzensgeldanspruch gem. §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB nicht zu.
Da eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist, oblag es der Beklagten als Reiseveranstalterin nur, solche Maßnahmen zu treffen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch zur Gefahrenabwehr für notwendig und ausreichend halten darf (vgl. Palandt/Sprau, 66. Auflage, § 823 RdNr. 51). Sie hatte daher im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht Gefahren auszuräumen, die dem hinreichend sorgfältig Reisenden nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einrichten kann (vgl. Palandt a. a. O., RdNr. 209). Für den so definierten Reisenden ist die Gefahr, am Strand in kleine, schwer erkennbare Gegenstände zu treten, erkennbar und durch entsprechend umsichtiges Verhalten beherrschbar. Für die Beklagte bestand daher eine Verkehrssicherungspflicht dahingehend, dass im Rahmen einer täglichen Reinigung dafür Sorge getragen wird, dass sichtbarer, beweglicher Müll beseitigt wird. Eine Verpflichtung zur Beseitigung von kleinsten, gegebenenfalls unter der Sandoberfläche liegender Gegenstände – wie die von der Klägerin beschriebene Spritze –, die nur mittels Harkens, Umgrabens oder Durchsieben des Sandes auffindbar sind, bestand für die Klägerin auch bei einem hoteleigenen Strand nicht, zumal dieser unstreitig für jedermann öffentlich zugänglich war. Unerheblich ist, in welchem Umfang von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde. Eine tägliche Reinigung des Strandes wird von der Klägerin nicht substantiiert bestritten. Aus dem Umstand, dass sie keinen „Beach Boy“ gesehen hat, ergibt sich eine fehlende Reinigung nicht, zumal solche Reinigungsmaßnahmen üblicherweise vor Beginn des eigentlichen Strandbetriebes durchgeführt werden. Tatsachen, die einen Zustand des Strandes beschreiben, der auf eine fehlende Reinigung hindeutet, sind nicht vorgetragen. Das Vorhandensein eines derart kleinen Gegenstandes wie die von der Klägerin beschriebene Spritze bietet keinen Anhaltspunkt für eine fehlende Reinigung. Sonstige Tatsachen, die auf einen verschmutzten Zustand des Strandes schließen lassen, sind nicht dargelegt. Nachträglich in Erfahrung gebrachte Umstände, wie die behauptete mangelhafte Organisation des Hotels sowie die Defizite in der Hygiene außerhalb des Strandbereiches besagen in Bezug auf die Strandreinigung während des Urlaubsaufenthalts der Klägerin nichts. Auch bei einem hoteleigenen Strand kann der Hotelgast nicht darauf vertrauen, dass sich im Sand keine verborgenen und nur äußerst schwer erkennbaren Gegenstände, die Verletzungen verursachen können, befinden. Selbst wenn der Beklagten bekannt gewesen wäre, dass am Strand auch Drogendealer auftauchen, war sie im Rahmen des ihr möglichen und zumutbaren allenfalls veranlasst gewesen, einen solchen Aufenthalt unmöglich zu machen bzw. zumindest zu erschweren. Eine Veranlassung, den Strand regelmäßig dahingehend zu überprüfen, ob für den Drogenkonsum verwendete Utensilien zurückgelassen wurden, hätte selbst dann nicht bestanden. Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn die Beklagte Kenntnis gehabt hätte, dass sich am Strand Drogenkonsumenten aufhalten, kann dahinstehen. Dies wird von der Klägerin nicht behauptet. Im Übrigen wird von der Klägerin selbst zum Aufenthalt von Drogendealern nicht substantiiert vorgetragen. Es wird lediglich behauptet, man habe in Erfahrung gebracht, dass offenbar Rauschgiftdealer am Hotelpool waren und Hotelgäste mit „Do you like koks?“ angesprochen hätten und daraus gefolgert, dass dies dem Hotel nicht habe verborgen bleiben können. Konkrete Fakten, wie die Häufigkeit und die Tageszeit eines solchen Ansprechens, die räumliche Nähe zu Hotelpersonal oder eine Meldung dieser Fälle bei den verantwortlichen Personen des Hotels, die die Folgerung der Klägerin begründen könnten, fehlen. Außerdem würde nur der Konsum und nicht der Versuch, Drogen zu veräußern, die Befürchtung auf zurückgelassene Drogenutensilien rechtfertigen. Unabhängig davon legt der Konsum von Kokain nicht den Konsum anderer Drogen und damit nicht den Gebrauch von Spritzen nahe.
Schließlich hätte eine Verkehrssicherungspflicht der Klägerin nur im Rahmen des ihr und den Hotelgästen zumutbaren bestanden. Die von der Klägerin für erforderlich angesehene mehrfache Untersuchung des Strandes im Bereich der Liegen nach kleinsten Gegenständen, hätte Maßnahmen erfordert, die weder der Beklagten noch den Hotelgästen zumutbar sind, da sie insbesondere im Bereich der Liegen einen erholsamen, ungestörten Aufenthalt unmöglich gemacht hätten.
Hinzu kommt, dass es selbst bei einer mehrfachen Kontrolle des belebten Strandbereichs aufgrund der für Sand typischen Oberflächenbewegung dem Zufall überlassen bliebe, ob ein derart kleiner und feiner Gegenstand wie die von der Klägerin beschriebene Spritze, gerade noch oder wieder erkennbar ist.
Für die Klägerin hat sich in sicherlich bedauernswerter Weise ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, für das sie ebenso wenig, als wenn sie in einen kleinen Glassplitter oder auf einen spitzen Stein getreten wäre, die Beklagte verantwortlich machen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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