Verspätung des Zubringer-Fluges für eine Kreuzfahrt
Gericht
LG Frankfurt a.M.
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
02. 11. 2006
Aktenzeichen
2/19 O 201/05
Das Versäumnisurteil vom 21.04.2006 wird aufrechterhalten.
Die Kläger haben die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kläger begehren von der Beklagten Schadensersatz in Form von Rückzahlung des Reisepreises sowie Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe eines Betrages von insgesamt 8.789,68 €.
Die Kläger buchten über das Reisebüro ... in ... bei der Beklagten eine Karibik-Kreuzfahrt inklusive Flüge für die Zeit vom 20.02.2005 bis zum 07.03.2005 zu einem Gesamtreisepreis von 4.980,- €. Ausweislich der Reisebestätigung sollte der Abflug in ... am 20.02.2005, einem Sonntag, um 6.20 Uhr erfolgen, wobei der Flug zunächst nach ... ging. Vorgesehene Ankunftszeit war um 10.30 Uhr. Der Anschlussflug sollte in ... um 12.05 Uhr starten und nach ... gehen, wo dann die Einschiffung erfolgen sollte.
Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Buchungsbestätigung der Beklagten vom 07.01.2005 (Bl. 4 d. A.) Bezug genommen.
Der Abflug in ... verspätete sich um ca. 2 Stunden, so dass die Kläger, als sie in ... ankamen, die Anschlussmaschine nach ... nicht mehr erreichten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bestätigung der I1. vom 20.02.2005 (Bl. 5 d. A.) Bezug genommen.
Die Kläger konnten vor Ort in ... eine Vertretung der Beklagten nicht erreichen. Auch das Reisebüro ... in ... war nicht besetzt, da der 20.02.2005 ein Sonntag war. Der nächste Flug von ... nach ... hätte am 21.02.2005 erfolgen können. Die Kläger hätten bei Ankunft dieses Fluges das Kreuzfahrtschiff nicht mehr erreichen können, da dieses aufgrund der Routen- und Hafenzeiten gezwungen war, den Starthafen im Zeitplan zu verlassen.
Die Kläger hatten von der Beklagten mit ihren Reiseunterlagen ein Informationsheft erhalten, welches aus ca. 172 Seiten besteht und auf Seite 7 unter der Rubrik „Flüge“ und der Überschrift „Am Flughafen“ u. a. den Hinweis enthält:
„Für eventuelle Notfälle können Sie unsere Assistenten am Abreisetag unter folgenden Rufnummern erreichen: ...“.
Wegen des weiteren Inhaltes der zuvor erwähnten Seite 7 des Informationsheftes und der Gestaltung derselben wird auf Bl. 21 d. A. Bezug genommen.
Die Kläger flogen am 20.02.2005 nach ... zurück, erschienen am 21.02.2005 im Reisebüro ... und meldeten den Vorgang der Beklagten, wobei die Einzelheiten streitig sind.
Mit Schreiben vom 21.02.2005 an die Beklagte, wegen dessen Inhaltes auf Bl. 84 d. A. verwiesen wird, baten die Kläger um Annullierung der Reise und um einen Entschädigungsvorschlag.
Am 21.04.2005 erfolgte über das Reisebüro ... eine Rückzahlung in Höhe eines Betrages von 1.170,32 €.
Die Kläger sind der Ansicht, ihnen stehe voller Schadensersatz in Höhe des gesamten Reisepreises zu.
Sie sind zunächst der Ansicht, es sei für sie unzumutbar gewesen, die schwer auffindbaren Notfallrufnummern in den umfangreichen Reiseunterlagen zu suchen und bei der Beklagten anzurufen, schon gar nicht unter den gegebenen, stressigen Umständen.
Sie behaupten in diesem Zusammenhang ferner, es sei für sie auch nicht möglich gewesen, die Nummern schon aus ... anzurufen, da sie kein Handy dabei gehabt hätten und im Flugzeug auf dem Rollfeld auf den Abflug gewartet hätten.
Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte habe dafür Sorge zu tragen gehabt, dass für eventuell vorkommende Komplikationen eine Kontaktperson der Beklagten in ... vor Ort zu sein habe, da die Beklagte den Erfolg der gesamten Reise geschuldet habe. Diese fehlende Organisation begründe das Verschulden der Beklagten.
Die Kläger behaupten weiter, sie hätten am 21.02.2005 das zuständige Reisebüro ... aufgesucht und um eine Möglichkeit gebeten, später auf das Schiff transferiert zu werden - etwa mit einem Flug am 21.02.2005 zum nächsten Zielhafen des Schiffes. Sie behaupten weiterhin, die Beklagte habe - nach Anfrage des Mitarbeiters des Reisebüros - diesen Vorschlag als nicht möglich abgetan. Sie, die Kläger, hätten vielmehr - laut Aussage eines Mitarbeiters der Beklagten - ihre Reise annullieren sollen, um überhaupt noch Geld von der Beklagten erhalten zu können.
Die Kläger sind der Ansicht, dass sie die Reise nicht gekündigt hätten.
Unter Berücksichtigung eines Reisepreises in Höhe von 4.980,- € machen die Kläger den zuvor genannten Betrag sowohl als Schadensersatz als auch weitere 4.980,- € als Schadensersatz wegen entgangener Urlaubszeit geltend, wobei sie den seitens der Beklagten außergerichtlich gezahlten Betrag in Höhe von 1.170,32 € in Abzug bringen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.04.2006 hat die Beklagte gegen die Kläger ein - klageabweisendes - Versäumnisurteil erwirkt, das diesen laut Empfangsbekenntnis ihres Prozessbevollmächtigten am 08.05.2006 zugestellt worden ist. Dagegen haben die Kläger am 22.05.2006 Einspruch eingelegt.
Die Kläger beantragen,
das Versäumnisurteil vom 21.04.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 9.960,- € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 4.980,- € seit dem 07.04.2005 zu zahlen, abzüglich am 21.04.2005 gezahlter 1.170,32 €, sowie Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.980,- € ab Klagezustellung (05.09.2005).
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 21.04.2006 aufrechtzuerhalten und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Kläger hätten spätestens nach der Ankunft auf dem Flughafen in ... die in dem Informationsheft enthaltenen Notfallrufnummern anrufen müssen. Sie behauptet in diesem Zusammenhang, sie hätte in diesem Fall den Klägern einen anderen Flug und Transfer zum Schiff organisieren könne; dies wäre am nächsten bzw. spätestens jedoch am übernächsten Tag möglich gewesen.
Darüber hinaus ist die Beklagte der Ansicht, die Kläger hätten den Reisevertrag gekündigt.
Im Übrigen ist sie der Ansicht, nachdem die Kläger die Reise in ... abgebrochen und der Beklagten keine Möglichkeit gegeben haben, die Weiterbeförderung von Spanien aus zu organisieren, hätten die Kläger keinen Anspruch darauf gehabt, die Reise mit einem zweiten Anlauf erneut in ... zu starten.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst den beigefügten Anlagen Bezug genommen.
Auszüge aus den Gründen:
... Den Klägern stehen gegenüber der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachten Schadensersatzansprüche in Form von Rückzahlung des Reisepreises sowie Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude zu.
Ein Anspruch der Kläger auf Rückzahlung des Reisepreises gemäß §§ 812, 651 e Abs. 3 Satz 1 BGB ist nicht gegeben.
Entgegen der Ansicht der Kläger ist jedoch zunächst davon auszugehen, dass die Kläger eine Kündigung des Reisevertrages ausgeübt haben, da sie in ... die Reise abgebrochen haben und nach ... zurückgeflogen sind.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Kündigungserklärung grundsätzlich formfrei ist und von einer Kündigungserklärung dann auszugehen ist, wenn der Reisende deutlich macht, aufgrund erheblicher Mängel die Reise vorzeitig abzubrechen (Seyderhelm, Reiserecht, § 651 e Rdn. 36; Führich, Reiserecht, 5. Aufl., Rdn. 372 m. w. N.). Insbesondere kann eine Kündigung in einem schlüssigen Verhalten, wie z.B. einer Rückreise am Ankunftstag, gesehen werden (Führich, a. a. O.).
Die Kläger können sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, sie hätten den Reisevertrag nicht gekündigt, da nicht ersichtlich ist, wie ihre Rückreise von ... nach ... ansonsten rechtlich beurteilt werden soll. Eine „Reiseunterbrechung“ kennt das Reiserecht in diesem Zusammenhang nicht.
Es kann daher dahinstehen, ob, wie von den Klägern behauptet, eine Kündigung am 21.02.2005 im Reisebüro ... auf Veranlassung der Beklagten erfolgt ist oder nicht. Dagegen spricht allerdings das Schreiben der Kläger vom 21.02.2005, in welchem die Rede davon ist, die Beklagte möge die Reise annullieren und sich kulant verhalten.
Ein Kündigungsgrund im Sinne der Vorschrift des § 651 e BGB ist nicht gegeben.
Das Kündigungsrecht nach § 651 e Abs. 1 BGB setzt einen erheblichen Reisemangel voraus. Ein solcher lag indes nicht vor. Allein der Umstand, dass die Kläger erst am nächsten Tag von ... nach ... hätten weiterreisen können und das Kreuzfahrtschiff einen Tag später erreicht hätten, stellt keine erhebliche Beeinträchtigung der gesamten Reise dar, da die Kläger lediglich einen Tag der 14-tägigen Reise versäumt hätten. Auch die Argumentation der Kläger, ihnen sei nicht zuzumuten, dem Kreuzfahrtschiff „hinterher zu hecheln“, der Wert einer Kreuzfahrt sei verloren, da sich zu diesem Zeitpunkt an Bord bereits Gruppen gebildet hätten und die Kläger Außenseiter gewesen wären, kann nicht gefolgt werden.
Zum einen hätten die Kläger lediglich einen Tag der Reise „versäumt“, so dass von einem „Hinterherfahren“ des Kreuzfahrtschiffes nicht ausgegangen werden kann. Die Kläger wären lediglich einen Tag später in einem anderen Hafen zugestiegen. Zum anderen haben die Kläger selbst vorgetragen, sie seien am 21.02.2005 in ihrem Reisebüro in ... erschienen und hätten darum gebeten, an diesem Tag die Reise erneut beginnen zu können und auf das Kreuzfahrtschiff transferiert zu werden. Dies widerspricht gerade der zuvor getätigten Argumentation der Kläger, es sei ihnen nicht zuzumuten, einen Tag später auf dem Kreuzfahrtschiff anzukommen, da dann der Wert einer Kreuzfahrt verloren sei.
Darüber hinaus ist eine eintägige Verspätung bei einer 14-tägigen Urlaubsreise - wenn überhaupt - als geringfügiger Mangel anzusehen, der eine Minderung von allenfalls 7% rechtfertigen würde. Da die Rechtsprechung eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise als Voraussetzung eines Kündigungsrechts verlangt, mithin eine Minderung von mindestens 20% vorliegen muss, ist auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes ein Kündigungsrecht der Kläger nicht gegeben.
Ergänzend ist in diesem Zusammenhang auszuführen, dass ein Anspruch aus § 651 e BGB auch deshalb nicht gegeben ist, weil die Kläger der Beklagten keine Möglichkeit zur Abhilfe eingeräumt haben, § 651 e Abs. 2 BGB. Nach Ansicht des Gerichts war es den Klägern - schon in ..., als sich die Verspätung abzeichnete, bzw. spätestens nach der Ankunft in ... - durchaus möglich und zuzumuten, in dem Informationsheft der Beklagten die auf Seite 7 enthaltenen Notfallrufnummern aufzufinden und sich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen.
Aufgrund der äußeren Gestaltung des sogenannten Informationsheftes war es den Klägern möglich, die Rufnummern aufzufinden. Die Notfallrufnummern befinden sich bereits auf Seite 7 des vorgenannten Informationsheftes und sind unter der Überschrift „Flüge“ bzw. „Am Flughafen“ enthalten. Da es sich vorliegend um ein (Verspätungs-)Problem im Rahmen des Fluges von ... nach ... bzw. ... nach ... handelte, war es für die Kläger durchaus möglich, in dem vorgenannten Informationsheft die Seite 7 zu finden und die dort enthaltenen Notfallrufnummern anzuwählen. Dass und warum die Kläger dies nicht getan haben, ist nicht ersichtlich. Die Begründung, die Kläger seien ohne Handy gereist, überzeugt nicht. Spätestens auf dem Flughafen in ... hätten die Kläger ein Telefon benutzen können.
Es ist auch nicht ersichtlich und dargetan, dass die sofortige Kündigung durch ein besonderes Interesse des Reisenden gerechtfertigt ist, § 651 e Abs. 2 S. 2 BGB.
Den Klägern war es nach Ansicht des Gerichts durchaus zuzumuten, die Weiterreise am 21.02.2005 nach ... fortzusetzen und an diesem Tag, einem Montag, den Transfer zu dem Kreuzfahrtschiff vornehmen zu lassen bzw. bei etwaigen im Rahmen des Transfers auftretender Probleme die ebenfalls in dem Informationsheft für die Transfers enthaltenen Nummern anzuwählen bzw. sich bei der Beklagten bzw. ihrem Reisebüro in ... zu informieren, falls der Transfer auf das Kreuzfahrtschiff nicht gelingen sollte. Sollte zu diesem Zeitpunkt eine Einschiffung bzw. ein Transfer nicht erfolgen können, hätten die Kläger zu diesem Zeitpunkt die Reise kündigen und nach Deutschland zurückfliegen können.
Da die vorgenannten Voraussetzungen eines Kündigungsrechtes gemäß § 651 e Abs. 3 BGB nicht gegeben sind, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob es der Beklagten möglich gewesen wäre, eine Umorganisation der Anreise nach ... vorzunehmen.
Ein Schadensersatzanspruch der Kläger gemäß § 651 f Abs. 1 BGB ist, soweit er von der Rechtsfolge überhaupt in Betracht kommen könnte, aufgrund der zuvor dargestellten Erwägungen ebenfalls nicht gegeben.
Zum einen ist ein erheblicher Reisemangel, wie bereits zuvor ausgeführt, nicht gegeben, da bei dem Ausfall eines Reisetages keine erhebliche Beeinträchtigung der gesamten Reise bejaht werden kann (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 51).
Darüber hinaus ist auch ein ordnungsgemäßes Abhilfeverlangen weder dargetan noch ersichtlich.
Unter Berücksichtigung der zuvor genannten Erwägungen kommt auch ein Schadensersatzanspruch der Kläger gemäß § 651 f Abs. 2 BGB wegen entgangener Urlaubszeit nicht in Betracht.
Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gemäß § 651 f Abs. 2 BGB - Mängel, die eine Minderung von mindestens 50% rechtfertigen - sind nach dem vorher Gesagten ebenfalls nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen