Kein nachbarrechtlicher Anspruch auf Wiederbegründung einer durch Enteignung erloschenen Dienstbarkeit
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
24. 02. 2006
Aktenzeichen
V ZR 255/04
Ein nachbarrechtlicher Anspruch auf Wiederbegründung einer Dienstbarkeit, die durch die Überführung des dienenden Grundstücks in Volkseigentum erloschen ist, besteht nicht. Die früher bestehende Dienstbarkeit ist für einen Anspruch auf Neubegründung einer Dienstbarkeit aus § 116 Abs. 1 SachenRBerG ohne Bedeutung. § 8 SachenRBerG schränkt die Ansprüche aus § 116 Abs. 1 SachenRBerG nicht ein.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 18. November 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
L. G. war Eigentümer des im Grundbuch von W. Blatt 522 eingetragenen, mit einem Wochenendhaus bebauten Grundstücks (herrschendes Grundstück). Der Zugang erfolgte über einen Weg auf dem in demselben Grundbuch Blatt 167 gebuchten Nachbargrundstück (dienendes Grundstück). Der Zugang war durch eine 1938 eingetragene Grunddienstbarkeit an diesem gesichert.
Beide Grundstücke wurden von den Behörden der DDR enteignet und als volkseigen gebucht. Die Dienstbarkeit wurde gelöscht. 1975 wurde den Eltern der Beklagten ein Nutzungsrecht an dem dienenden Grundstück verliehen. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde es der Stadt Dresden zugeordnet, die es an die Beklagten veräußerte. Das herrschende Grundstück wurde auf die Klägerin zurückübertragen. Eine Wiederbegründung der Dienstbarkeit unterblieb.
Die Klägerin beabsichtigt, das herrschende Grundstück zu bebauen. Sie hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, der Berichtigung des Grundbuchs des dienenden Grundstücks dahin zuzustimmen, dass das Grundstück mit einer Dienstbarkeit belastet sei, die die jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks berechtige, den Weg auf dem dienenden Grundstück als Zugang und Zufahrt zu dem herrschenden Grundstück mit Fahrzeugen aller Art zu nutzen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, der Eintragung einer entsprechenden Dienstbarkeit zuzustimmen und diese zu bewilligen. Diesem Antrag hat das Oberlandesgericht stattgegeben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, die Klägerin könne von den Beklagten die Wiederbegründung des gelöschten Wegerechts verlangen. Mit der Überführung des dienenden Grundstücks in Volkseigentum sei die Dienstbarkeit nach dem Grundsatz der Unbelastbarkeit des Volkseigentums erloschen. Das Erlöschen der Dienstbarkeit habe als mittelbare Folge der gegen einen Dritten gerichteten Enteignungsmaßnahme nicht zu einem Restitutionsanspruch der Klägerin nach dem Vermögensgesetz geführt. Weil auch § 116 Abs. 1 SachenRBerG keine Anwendung finde, soweit ein fremdes Grundstück schon vor dem 8. Mai 1945 genutzt worden sei, verbleibe in der gesetzlichen Regelung eine Lücke. Diese sei durch einen nachbarrechtlichen Anspruch auf Wiederbegründung der erloschenen Grunddienstbarkeit zu schließen. Der Anspruch bilde das Grundprinzip des § 116 Abs. 1 SachenRBerG fort. Er diene dem Ausgleich DDR-typischer Enteignungsfolgen und sei unverzichtbar, um zufällige Vorteile für ein ehemals dienendes Grundstück auszugleichen. Die Klägerin sei zur baulichen Nutzung ihres Grundstücks auf eine dinglich gesicherte Zuwegung angewiesen; erhebliche Belange der Beklagten stünden der verlangten Belastung ihres Grundstücks nicht entgegen.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
Die Bezeichnung der Gesellschafter der Klägerin als Kläger in dem Berufungsurteil gibt Anlass zu klarstellender Berichtigung. Die Klägerin ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Die Bezeichnung ihrer Gesellschafter als Kläger ist auch mit dem gewählten Zusatz "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts" geeignet, den unzutreffenden Eindruck einer subjektiven Klagehäufung und damit Zweifel an der Identität der Klägerin zu begründen, und durch die Bezeichnung der Klägerin im Rubrum des Urteils zu ersetzen (vgl. BGH, Urt. v. 15. Januar 2003, XII ZR 300/99, NJW 2003, 1043; v. 23. Oktober 2003, IX ZR 324/01, NJW-RR 2004, 275, 276).
III.
Die Klägerin hat keinen nachbarrechtlichen Anspruch auf Wiederbegründung des gelöschten Wegerechts. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann ein solcher Anspruch nicht im Wege der Rechtsfortbildung begründet werden. Nach dem Vorbringen der Parteien ist offen, ob die Voraussetzungen der von dem Berufungsgericht angenommenen Regelungslücke gegeben sind. Vor allem aber kann die Lücke nicht durch Fortbildung des Zivilrechts geschlossen werden.
1. Wurde das herrschende Grundstück zeitlich nach dem dienenden Grundstück enteignet, ist die Dienstbarkeit dadurch erloschen, dass mit der Überführung des dienenden Grundstücks in Volkseigentum die an dem dienenden Grundstück bestehenden Rechte untergegangen sind, vgl. § 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2 ZGB. Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks wurde mittelbar geschädigt. Für einen solchen Fall sieht das Vermögensgesetz nach herrschender Meinung keinen Anspruch der geschädigten Rechtsinhaber vor (BVerwGE 119, 158, 162; VG Dresden (Leitsatz) mit Anm. Kuhlmey, OV spezial 2000, 297; Neuhaus in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Loseblattkommentar, Stand Juli 2004, § 1 Rdn. 34, Kleene-Debrink, ebenda, § 18 Rdn. 19; a.M. Wasmuth in RVI, Loseblattkommentar, Stand Juli 2004, § 1 VermG Rdn. 22). Insoweit rügt die Revision zu Recht, dass das Berufungsgericht von diesem Sachverhalt ausgeht, obwohl Vortrag der Parteien zum Zeitpunkt der Enteignung des herrschenden Grundstücks fehlt und daher nicht ausgeschlossen werden kann, dass das herrschende Grundstück schon enteignet war, als das dienende Grundstück in Volkseigentum überführt wurde. Verhält es sich so, ist mit dem herrschenden Grundstück dem damaligen Eigentümer auch die Dienstbarkeit durch die Enteignung entzogen worden. Über ihre Wiederbegründung wäre im Restitutionsverfahren zu entscheiden gewesen. Eine Regelungslücke bestünde nicht.
2. Auch wenn das herrschende Grundstück erst zeitlich nach dem dienenden Grundstück enteignet worden ist, scheidet eine nachbarrechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Wiederbestellung der Dienstbarkeit aus.
Insoweit kann dahin gestellt bleiben, ob das Vermögensgesetz einen Anspruch auf Wiederbegründung der Dienstbarkeit gewährt. Auch wenn eine Wiederbegründung von Rechten an einem enteigneten Grundstück nach dem Vermögensgesetz in einem solchen Fall am Fehlen einer unmittelbaren Schädigung im Sinne von § 1 Abs. 1 VermG scheitert, findet dies seinen Grund allein in den öffentlich-rechtlichen Regelungen der Restitution durch das Vermögensgesetz und kann deshalb auch nur nach den Grundsätzen dieses Gesetzes und in dem dort vorgesehenen Verfahren geschlossen werden.
Die materiellen und verfahrensrechtlichen Beschränkungen, denen die Rückübertragung von Vermögenswerten nach den §§ 3, 6 VermG unterliegt, müssen zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch auf solche Rechtsverluste Anwendung finden, die infolge einer Regelungslücke nicht von den in dem Vermögensgesetz geregelten Tatbeständen erfasst sind. Dies gilt insbesondere für den der Herstellung eines sozialverträglichen Ausgleichs dienenden Schutz redlicher Erwerber durch § 4 Abs. 2 und 3 VermG. Der insoweit notwendige Schutz begründet nach ständiger Rechtsprechung des Senats den Vorrang des Vermögensgesetzes und schließt die Geltendmachung konkurrierender zivilrechtlicher Ansprüche im ordentlichen Rechtsweg aus (Senat, BGHZ 118, 34, 36; 122, 204, 207; 130, 231, 234; Urt. v. 25. Juli 2003, V ZR 362/02, VIZ 2003, 581, 582; Beschl. v. 20. Januar 2005, V ZB 35/04, ZOV 2005, 85). Dasselbe gilt für die in § 30a VermG bestimmten Ausschlussfristen. Die Fristen wurden durch Art. 1 Nr. 26 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes eingeführt, um die Abwicklung von Restitutionsansprüchen im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit so bald wie möglich abzuschließen (BVerfG VIZ 1999, 146, 147; NJW 2000, 1480, 1481; BVerwGE 101, 39, 42 f; Wasmuth, aaO, § 30a VermG Rdn. 8; Redeker/Hirtschulz in Fieberg/Reichenbach/ Messerschmidt/Neuhaus, aaO, § 30a VermG Rdn. 3). Die von dem Berufungsgericht vorgenommene zivilrechtliche Ergänzung des Vermögensgesetzes lässt die Restitutionsbeschränkungen und deren Grundgedanken unberücksichtigt. Sie hätte zur Folge, dass die Wiederbegründung der gelöschten Grunddienstbarkeit unabhängig von der Befristung durch § 30a VermG erreicht werden könnte und die Frage des Schutzes eines redlichen Erwerbs der Prüfung entzogen wäre. Sie scheidet daher aus.
3. Eine privatrechtliche Ergänzung der öffentlich-rechtlichen Regelungen zum Ausgleich staatlichen Unrechts nach dem Vermögensgesetz durch einen nachbarrechtlichen Anspruch auf Wiederbegründung erloschener Rechte lässt sich auch nicht aus dem Ziel von § 116 SachenRBerG herleiten, sondern ist mit diesem unvereinbar.
a) Eine entsprechende Anwendung oder eine Fortbildung des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes kommt nur in Betracht, wenn dessen zivilrechtliche Regelungen eine planwidrige Lücke aufweisen (vgl. zu einem solchen Fall Senat, Urt. v. 19. März 2004, V ZR 214/03, VIZ 2004, 374, 375 f.). So liegt es hier nicht. Das Erlöschen einer Zugangsdienstbarkeit durch die Enteignung des dienenden Grundstücks führt nicht ohne weiteres zu einer rechtlich nicht abgesicherten Mitbenutzung eines fremden Grundstücks, die in Fortbildung von § 116 Abs. 1 SachenRBerG durch einen Anspruch auf Wiederbegründung des erloschenen Rechts zu bereinigen wäre (OLG Dresden VIZ 2000, 428, 430). § 116 Abs. 1 SachenRBerG dient der Sicherung bestehender, nicht aber die Wiederherstellung erloschener Rechtspositionen. Das Sachenrechtsbereinigungsgesetz regelt gerade nicht den Ausgleich in der Vergangenheit erlittenen Unrechts (Begründung des Regierungsentwurfs des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, BT-Drucks. 12/5992, S. 64), sondern hat zum Ziel, einen Interessenausgleich für die Zukunft herbeizuführen (Czub in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, Loseblattkommentar, Stand Oktober 2003, § 116 Rdn. 24). Soweit die Klägerin aus dem Erlöschen der Dienstbarkeit herleitet, die Beklagten seien zu deren neuerlichen Begründung verpflichtet, fände der geltend gemachte Anspruch seinen Grund nicht darin, dass die rechtliche Sicherung der Benutzung des Grundstücks der Beklagten unterblieben ist, sondern darin, dass dieses Recht aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme der Behörden der DDR untergegangen ist. Das hat mit dem Ziel des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes nichts zu tun.
b) Die Bereinigung der rechtlich nicht abgesicherten Mitbenutzung fremder Grundstücke ist auch nicht deshalb lückenhaft geregelt, weil § 116 SachenRBerG keinen Anspruch auf Wiederbegründung erloschener Dienstbarkeiten vorsieht. Die Bereinigung nach dieser Vorschrift soll einerseits dem Wegfall des gesetzlichen Bodennutzungsrechts der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und andererseits dem Umstand Rechnung tragen, dass die Inanspruchnahme fremder Grundstücke zu Erschließungszwecken in der DDR vielfach als rechtmäßig angesehen wurde, obwohl sie nicht durch Mitbenutzungsrechte nach §§ 321, 322 ZGB gesichert war (BVerfG VIZ 1999, 333; NJ 2003, 533; Eickmann, Sachenrechtsbereinigung, Loseblattkommentar, Stand August 2005, § 116 Rdn. 1; Vossius, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, 2. Aufl., § 116 Rdn. 1 ff; Heller in Prütting/Zimmermann/Heller, Grundstücksrecht Ost, § 116 SachenRBerG Rdn. 1; MünchKomm-BGB/Smid, 4. Aufl., § 116 SachenRBerG Rdn. 1; Begründung des Regierungsentwurfs zum Sachenrechtsbereinigungsgesetz, aaO, S. 61, 65, 179). Der Bereinigungsanspruch aus § 116 Abs. 1 SachenRBerG tritt an die Stelle einer Mitbenutzung, die von der Rechtspraxis der DDR respektiert wurde, obwohl ihr keine rechtliche Vereinbarung zugrunde lag, und verleiht der über das Notwegrecht von § 917 BGB hinausgehenden Stellung des Mitbenutzers über den 2. Oktober 1990 hinaus Bestand (Senat, BGHZ 144, 25, 27 f., Urt. v. 9. Mai 2003, V ZR 388/02, VIZ 2003, 385). Dass eine Absicherung früher einmal bestanden hat und vor dem 3. Oktober 1990 weggefallen ist, ist insoweit ohne Bedeutung.
IV.
Das Berufungsurteil stellt sich auch weder aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO), noch ist die Sache im Sinne einer Klageabweisung zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Es kann nämlich nicht abschließend beurteilt werden, ob sich der geltend gemachte Anspruch nicht unmittelbar aus § 116 Abs. 1 SachenRBerG ergibt. So verhält es sich, wenn die Grunddienstbarkeit, deren Bestellung die Klägerin verlangt, zur Erschließung des herrschenden Grundstücks erforderlich ist und der am 2. Oktober 1990 ausgeübten Nutzung entspricht.
1. Dass die Klägerin das herrschende Grundstück nach dem 2. Oktober 1990 im Wege der Restitution erworben hat, steht der Anwendung von § 116 Abs. 1 SachenRBerG nicht entgegen.
Der Begriff der Nutzung, die gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG vor dem Ablauf des 2. Oktober 1990 begründet worden sein muss, ist nicht personenbezogen, sondern grundstücksbezogen in dem Sinne zu verstehen, dass das zu belastende Grundstück am 2. Oktober 1990 in dem bei Geltendmachung des Anspruchs abzusichernden Umfang dem herrschenden Grundstück gedient haben muss (Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 72/03, VIZ 2004, 193, 194). Der Bereinigungsanspruch gem. § 116 Abs. 1 SachenRBerG steht deshalb auch demjenigen zu, der ein Grundstück nach dem 2. Oktober 1990 von dem seinerzeitigen Nutzer erworben hat. Für den Grundstückserwerb im Wege der vermögensrechtlichen Restitution gilt nichts anderes, zumal § 16 Abs. 2 S. 1 VermG ausdrücklich anordnet, dass der Restitutionsberechtigte mit der Rückübertragung in alle in Bezug auf den jeweiligen Vermögenswert bestehenden Rechtsverhältnisse eintritt (KG KGR 2004, 429, 432; ferner BVerwG VIZ 2000, 667, 668).
2. Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass das herrschende Grundstück vor dem 8. Mai 1945 erschlossen worden ist und seine Erschließung durch eine Grunddienstbarkeit gesichert war.
Der zeitliche Anwendungsbereich von § 116 SachenRBerG ist nur dahingehend begrenzt, dass die Nutzung, die eine Bereinigung erforderlich macht, am 2. Oktober 1990 bestanden haben muss. Ein Anfangszeitpunkt, vor dem die Nutzung nicht begonnen haben darf, ist in § 116 SachenRBerG weder vorausgesetzt noch bestimmt. Der Verweis auf §§ 321, 322 ZGB schließt Nutzungen nicht aus, die unter der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs begründet wurden. In diesen Fällen ist der Nutzer vielmehr mit Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches der DDR am 1. Januar 1976 (§ 1 EGZGB) in die Rechtsstellung des § 116 Abs. 1 SachenRBerG hineingewachsen (Senat, BGHZ 144, 25, 28). § 8 SachenRBerG gilt schon nach seiner systematischen Stellung nur für die im zweiten Kapitel des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes geregelten Fälle baulicher Nutzung. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf die Bereinigungstatbestände des fünften Kapitels kommt nach der Entstehungsgeschichte des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes und wegen der grundsätzlichen Verschiedenheit der Regelungsgegenstände nicht in Betracht.
Der Regierungsentwurf zum Sachenrechtsbereinigungsgesetz verwies in § 116 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG auf die in § 8 SachenRBerG genannten Zeitpunkte (BT-Drucks. 12/5992, S. 45). Die Verweisung wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses durch eine eigenständige Regelung des zeitlichen Anwendungsbereichs in § 116 SachenRBerG ersetzt (BT-Drucks. 12/7425, S. 43). Das steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer weiteren Änderung des Gesetzes gegenüber dem Regierungsentwurf: Auch die Aufnahme der zeitlichen Begrenzung 8. Mai 1945 in den Tatbestand von § 8 SachenRBerG geht auf die Empfehlung des Rechtsausschusses zurück (BT-Drucks. 12/7425, S. 13, 64). Die der Empfehlung entsprechende Änderung von § 116 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG gegenüber dem Regierungsentwurf ist mithin dahin zu verstehen, dass die zeitliche Grenze des 8. Mai 1945 gerade nicht kraft Verweisung für die Bereinigungstatbestände des fünften Kapitels gilt.
Das Fehlen eines Anfangszeitpunkts in § 116 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG beruht daher nicht auf einem gesetzgeberischen Versehen (a.M. Egerland, NotBZ 2003, 332, 340), sondern trägt dem Umstand Rechnung, dass § 8 SachenRBerG auf den Regelungsgegenstand des zweiten Kapitels zugeschnitten ist. Die Bestimmung soll den Schutz baulicher Investitionen begrenzen, aber nicht die Bereinigung solcher Rechtspositionen verhindern, deren Anerkennung nach der Rechtspraxis der DDR vom Zeitpunkt einer baulichen Maßnahme unabhängig war und deren Ausgestaltung infolge eines DDR-typischen Vollzugsdefizits unterblieben ist. Aus diesem Grund hat der Senat die Vorschrift des § 112 Abs. 3 SachenRBerG - trotz ihres missverständlichen Wortlauts und der Verweisung auf die Bestimmungen des zweiten Kapitels - dahin ausgelegt, dass auch ein vor dem 8. Mai 1945 entstandenes Erbbaurecht an einem später in Volkseigentum überführten Grundstück die Gewährung eines Ankaufsrechts nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 61 Abs. 1 SachenRBerG rechtfertigt, sofern im Zeitpunkt des Beitritts die Voraussetzungen für die Umwandlung in ein dingliches Nutzungsrecht gegeben waren (Senat, BGHZ 138, 112, 114 ff).
Für den Bereinigungsanspruch des § 116 Abs. 1 SachenRBerG gilt nichts anderes. Der Anspruch knüpft nicht an eine bauliche Investition des Nutzers an (Senat, BGHZ 144, 25, 27 f.) und setzt noch nicht einmal die Unterhaltung einer baulichen Anlage im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 SachenRBerG voraus (Senat, Urt. v. 9. Mai 2003, V ZR 388/02, VIZ 2003, 385). Ein DDRtypisches Vollzugsdefizit scheidet entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bei einer vor dem 8. Mai 1945 begründeten Mitbenutzung auch nicht von vornherein aus. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann ein solches Defizit vielmehr auch dadurch entstanden sein, dass eine ursprünglich vorhandene Absicherung nach 1945 aus DDR-typischen Gründen weggefallen und nicht ersetzt worden ist (vgl. Senat, Urt. v. 16. Dezember 2005, V ZR 273/04, Umdruck S. 5, bisher nicht veröffentlicht).
3. Ohne Bedeutung ist insoweit auch, ob der Klägerin ein vermögensrechtlicher Anspruch auf Wiederbegründung der Dienstbarkeit zugestanden hat. Der zivilrechtliche Anspruch aus § 116 Abs. 1 SachenRBerG wird von den Vorschriften des Vermögensgesetzes nicht verdrängt, weil er in keinerlei Zusammenhang mit dem von § 1 VermG erfassten staatlichen Unrecht steht (vgl. Senat, BGHZ 120, 204, 209; 130, 231, 234; Beschl. v. 20. Januar 2005, V ZB 35/04, ZOV 2005, 85). Der Anspruch auf Sachenrechtsbereinigung knüpft nicht an den Entzug des gelöschten Wegerechts an und richtet sich auch nicht auf dessen Wiederherstellung, sondern auf die Absicherung einer zu DDRZeiten ausgeübten Nutzung durch die Bestellung einer neuen Grunddienstbarkeit, die vorliegend nur aufgrund der zufälligen Fallgestaltung einen ähnlichen oder sogar den gleichen Inhalt wie das erloschene Recht haben kann.
4. Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass das dienende Grundstück bis zur Wiedervereinigung Deutschlands volkseigen war. Der Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit aus § 116 Abs. 1 SachenRBerG ist nicht davon abhängig, dass eine Absicherung der ausgeübten Mitbenutzung im Recht der DDR vorgesehen war. Sind die Vorausstetzungen von § 116 Abs. 1 SachenRBerG gegeben, kann die Bestellung einer Dienstbarkeit auch an einem Grundstück verlangt werden, das nicht mit einem Wege- oder Überfahrtsrecht gem. § 322 ZGB belastet werden konnte, weil es volkseigen war (Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 72/03, VIZ 2004, 193, 194), sofern die Mitbenutzung nach der Verwaltungspraxis der DDR oder nach den DDR-typischen Gegebenheiten als rechtmäßig angesehen wurde (Senat, Urt. v. 9. Mai 2003, V ZR 388/02, VIZ 2003, 385; vgl. auch Erman/Küchenhoff, BGB, 10. Aufl., § 116 SachenRBerG Rdn. 3; MünchKomm-BGB/Smid, aaO, § 116 SachenRBerG Rdn. 5; Eickmann, SachenRBerG, aaO, § 116 Rdn. 3). 5. Maßgebend für den Inhalt der zu bestellenden Grunddienstbarkeit ist die am 2. Oktober 1990 praktizierte und geduldete Nutzung (Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 72/03, VIZ 2004, 193, 194; Vossius, aaO, § 116 Rdn. 19). Insoweit kommt es darauf an, ob der auf dem Grundstück der Beklagten verlaufende Weg am 2. Oktober 1990 in dem geltend gemachten Umfang als Zugang und als Zufahrt für das klägerische Grundstück genutzt wurde.
Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Ergänzender Sachvortrag und Beweisantritt der Klägerin sind gem. § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil auch das Landgericht diesen Gesichtspunkt rechtsfehlerhaft für unerheblich gehalten hat.
Krüger Klein Schmidt-Räntsch
Stresemann Roth
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