Beschaffungspflicht des Kunden von Einreisedokumenten

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

22. 05. 2007


Aktenzeichen

309 S 285/06


Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 2.11.2006 (Aktenzeichen 314 b C 238/06) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.742,89 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.5.2006 zu zahlen.

  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe


Gründe:


I.

Hinsichtlich des Sachverhaltes wird vollen Umfanges auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren auf Zahlung von Schadensersatz aus einem Reisevertrag gegenüber der Beklagten weiter.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 2.11.2006 mit dem Aktenzeichen 315 b C 238/06 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere € 1.828,59 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.5.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Beklagte,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Anschlussberufung ist hingegen unbegründet.

Das angefochtene Urteil des Amtsgerichtes ist abzuändern, soweit es die Klage abgewiesen hat. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von insgesamt € 2.742,89 aus den vertraglichen Vereinbarungen der Beklagten mit der Reiseveranstalterin, deren Ansprüche an die Klägerin abgetreten wurden.

Ziffer 11 Abs. 1 und 4 der Reisebedingungen der Reiseveranstalterin sehen folgende Regelung vor:

„Der Kunde ist für die Beschaffung gültiger Dokumente selbst verantwortlich (wie z. B. Pässe, Visa, Zoll, Devisen, Impfpass), die nach den Einreisebestimmungen aller möglicher auf der Route angelaufener Häfen verlangt werden. Der Beförderer ist vor Einschiffung des Kunden zur Prüfung der erforderlichen Dokumente berechtigt, aber nicht verpflichtet. Sich aus unvorschriftsmäßigen (und unvollständigen) Dokumenten ergebende finanzielle oder anderweitige Folgen gehen zulasten und auf Kosten des Kunden.

Der Kunde haftet ... für alle Folgen und Schäden, insbesondere Strafen, Bußen und Auslagen, die sie zahlen oder hinterlegen muss, weil der Kunde die die bezüglich der Ein-, Aus- oder Durchreise geltenden Vorschriften des betreffenden Landes nicht befolgt oder die erforderlichen Urkunden nicht vorgewiesen hat.“

Gegen diese vertragliche Vereinbarung hat die Beklagte unstreitig verstoßen, weil sie keinen maschinenlesbaren Pass bzw. kein Visum für die USA mit sich führte. Weiterhin unstreitig ist die Klägerin als Eigentümerin des Schiffes bei der Einreise in den Hafen von Puerto Rico mit einem Bußgeld in Höhe von € 2.742,89 belegt worden. Diesen der Klägerin konkret entstandenen Schaden hat die Beklagte gemäß Ziffer 11 der allgemeinen Reisebedingungen der Reiseveranstalterin zu ersetzen.

Die Regelung in Ziffer 11 der Reisebedingungen verstößt nicht gegen § 309 Nr. 5 BGB. Vorliegend handelt es sich nicht um die Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen. Vielmehr macht die Klägerin den ihr konkret durch Zahlung des Bußgeldes in Puerto Rico eingetretenen Schaden geltend.

Die Regelung ist auch nicht gemäß § 305 c BGB unwirksam, da es sich nicht um eine überraschende Klausel handelt. Voraussetzung dafür ist, dass es sich zum einen um eine objektiv ungewöhnliche Klausel handelt und dass der Vertragspartner mit so einer Klausel nicht zu rechnen brauchte. Beides kann vorliegend nicht festgestellt werden. Die Vereinbarung, dass die Beklagte als Reisende für die Beschaffung gültiger Dokumente selbst verantwortlich ist, entspricht zum einen allgemeiner Anschauung. Zum anderen handelt es sich hierbei um Unterlagen, die nur von der Beklagten beschafft werden können, sodass ihre diesbezügliche Verpflichtung mit den tatsächlichen Gegebenheiten korrespondiert. Da die Beklagte für ihre eigenen Papiere verantwortlich ist, ist es auch nicht ungewöhnlich, dass sie für sämtliche Folgen, die sich aus der Nichtbefolgung dieser Vorschrift ergeben, haftet. Dies entspricht allgemeinen Schadensersatzregelungen: Sofern jemand die ihm aus einem Vertrag obliegenden Verpflichtungen verletzt, ist er zum Ersatz des sich daraus dem anderen Vertragsteil entstehenden Schadens verpflichtet. Aus diesem Grunde ist die Klausel nicht überraschend, da sie nur allgemein gültige Regelungen wiederholt.

Die Klausel ist nicht gemäß § 307 BGB unwirksam, weil sie eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten zufolge hat. Eine unangemessene Benachteiligung ist gemäß § 307 Abs. 2 Ziffer 1 BGB anzunehmen, wenn die Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Auch dies kann vorliegend nicht festgestellt werden. Denn die Regelung stellt nur eine konkrete Ausgestaltung der §§ 280 ff. BGB dar. Gemäß § 280 BGB ist der Schuldner zum Schadensersatz verpflichtet, soweit er eine aus dem Schuldverhältnis sich ergebende Pflicht verletzt. Vorliegend ist die Beklagte aufgrund der vertraglichen Vereinbarung verpflichtet, sämtliche für die Reise erforderlichen gültigen Dokumente zu beschaffen und mitzuführen. Diese Verpflichtung der Beklagten bestünde – wie ausgeführt – auch bei einer fehlenden diesbezüglichen vertraglichen Vereinbarung. Diese Pflicht aus dem Vertrag hat die Beklagte unstreitig verletzt. Hieraus ist der Klägerin ein Schaden entstanden, da sie eine entsprechende Strafe in Puerto Rico zu bezahlen hatte.

Unerheblich für den vorliegenden Fall ist, dass es sich bei dem Bußgeld um eine Strafe gegen die Klägerin als Eigentümerin des Schiffes handelt, weil sie ihre eigene Verpflichtung verletzt hat, nur solche Passagiere zu befördern, die über die erforderlichen Papiere verfügen. Denn insoweit handelt es sich um eine Verpflichtung aus dem Rechtsverhältnis der Klägerin zu den USA. Dies ändert jedoch nichts daran, dass im Innenverhältnis zwischen der Beklagten und der Reiseveranstalterin allein die Beklagte dafür verantwortlich war, dass sie über die notwendigen Dokumente zur Einreise in das Zielland verfügte.

Eine Unwirksamkeit der Regelung folgt nicht daraus, dass ihr nicht zu entnehmen ist, wie hoch im Einzelfall gegebenenfalls der vom Passagier zu erstattende Betrag ist. Dies würde zu einer Überspannung der Anforderungen an die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Reiseveranstalterin führen. In diesem Fall hätte sie nämlich für jeden möglichen Fall, d. h. für jedes von ihr angesteuerte Ziel und für jedes Herkunftsland eines Passagiers die gegebenenfalls zu erstattenden Aufwendungen anzugeben. Dies würde die Übersichtlichkeit der allgemeinen Beförderungsbedingungen erheblich beeinträchtigen. Es ist auch nicht erforderlich, den gegebenenfalls vom Passagier zu zahlenden Höchstbetrag in die allgemeinen Beförderungsbedingungen aufzunehmen, da dies für die Reiseveranstalterin angesichts der Vielzahl der jeweiligen Landesregelungen nicht zumutbar ist.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin ein Mitverschulden an der Schadensentstehung trifft. Zwar ist die Reiseveranstalterin gemäß Ziffer 11 der allgemeinen Reisebedingungen berechtigt, eine Kontrolle der Reisedokumente vor Abreise durchzuführen. Eine Verpflichtung der Klägerin/Reiseveranstalterin zu solchem Verhalten ergibt sich aus dieser Regelung jedoch nicht. Die Klägerin/Reiseveranstalterin hat auch keine Nebenpflicht aus dem Beförderungsvertrag verletzt, als sie die Dokumente der Beklagten nicht bei Reisebeginn geprüft hat. Denn – wie ausgeführt – ist allein die Beklagte für die Beschaffung und Mitnahme gültiger Dokumente verantwortlich, während die Klägerin den Transport und die Unterbringung der Beklagten schuldet. Eine Verpflichtung des Reiseveranstalters bei den Passagieren die Einhaltung der ihnen obliegenden Verpflichtungen zu überprüfen, besteht jedoch nicht.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Reiseveranstalterin Pflichten aus der BGB-Infoverordnung verletzt hat. Sollte eine solche Pflichtverletzung vorliegen, ist sie nicht kausal für den eingetretenen Schaden geworden. Denn die Beklagte war im Besitz eines gültigen, maschinenlesbaren Reisepasses. Sie hatte nur vergessen, ihn mitzunehmen.

Die Zinsforderung rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Gerichtsentscheidungen, die von der hier vertretenen Auffassung abweichen, sind nicht ersichtlich. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert.

Rechtsgebiete

Reiserecht