Foto als Sachvortrag und Beweis
Gericht
LG Frankfurt a.M.
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
10. 05. 2007
Aktenzeichen
2-24 S 181/06
Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wird das am 29.06.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg v. d. H., Az.: 2 C 155/06 (10), wie folgt teilweise abgeändert:
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 642,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2006 zu zahlen.
Im Übrigen werden die Berufung und die Anschlussberufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits, sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz haben der Kläger zu 77% und die Beklagte zu 23% zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I S. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Anschlussberufung hat in der Sache in geringem Umfange Erfolg.
1.
Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen Reisemängeln gemäß §§ 651c I, 651d I, 638 III und IV BGB in Höhe von 360,00 Euro hat.
a.
Diesbezüglich hat das Amtsgericht hinsichtlich der Minderung folgende Reisemängel berücksichtigt:
Verschmutzungen und unzureichende hygienische Zustände im Zimmer des Klägers/Verschmutzungen im Speisesaal und an den Getränkeausgaben/Katzen/Verschmutzungen im Poolbereich, in den Toiletten und im Fitnessraum
Diese festgestellten Reisemängel hat das Amtsgericht im Einzelnen näher erläutert.
Die Anschlussberufung ist der Auffassung, dass das Amtsgericht diese Mängel mangels substanziierten Vortrags nicht hätte berücksichtigen dürfen.
Die diesbezügliche Rechtsanwendung des Amtsgerichts weist jedoch keine Rechtsfehler auf. Insbesondere begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Amtsgericht in seine Würdigung bzgl. des Klägervortrags die vom Kläger vorgelegten Fotos einbezogen hat.
Die Kammer ist und bleibt bei der Auffassung, dass vorgelegte Lichtbilder substanziierten Parteivortrag darstellen können. Unerheblich ist, ob die Lichtbilder dabei als „Beweismittel“ bezeichnet werden. Nicht alles was als Beweismittel bezeichnet wird, muss zwangsläufig einzig und allein im Rahmen einer Beweisaufnahme verwertet werden.
Der Beklagten ist jedoch zuzugeben, dass alleine die Vorlage von Lichtbildern kein substanziierter Parteivortrag ist. Anknüpfungspunkt ist insoweit immer der schriftsätzliche Vortrag zu den einzelnen Mängeln. Je nach Art des Mangels sind die Anforderungen an den entsprechenden schriftsätzlichen Vortrag höher oder niedriger. Soweit sich ein Mangel nach seiner Eigenart aus dem schriftsätzlichen Vortrag in Verbindung mit aussagekräftigen Lichtbildern objektiv nachvollziehen lässt, ist dies für einen schlüssigen und substanziierten Sachvortrag ausreichend.
Insoweit ist vorliegend nach diesen Maßstäben nicht davon auszugehen, dass die vorgelegten entsprechenden Lichtbildern in Bezug auf die hier vom Amtsgericht festgestellten Reisemängel den Sachvortrag vollständig ersetzt haben. Vielmehr haben die Lichtbilder den Vortrag, der im Schriftsatz des Klägers vom 19.05.2006 (Bl. 46a ff. d. A.) ebenfalls konkretisiert worden ist, weiter ergänzt und substanziiert. Im Schriftsatz vom 19.05.2006 wird nämlich schriftsätzlich unter Bezugnahme auf die nummerierten Bilder weiter vorgetragen. Soweit es die hier in Rede stehenden Mängel betrifft, ist es nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht diese nach einer Gesamtwürdigung als substanziiert dargetan ansieht.
Hinsichtlich der Lichtbilder hat die Beklagte erstinstanzlich zu keinem Zeitpunkt zu verstehen gegeben, dass die ihr vorliegenden Lichtbilder in der Qualität unzureichend seien bzw. sie den Schriftsatz des Klägers vom 19.05.2006 nicht nachvollziehen könne, da die ihr vorliegenden Lichtbilder nicht nummeriert seien.
Dies wurde nunmehr erstmals in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 10.05.2007 gerügt. Dass dies im jetzigen Berufungsverfahren offensichtlich verspätet ist, bedarf keiner näheren Begründung. Der nunmehrige Antrag des Beklagtenvertreters aus der mündlichen Berufungsverhandlung vom 10.05.2007, dem Kläger aufzugeben dem Schriftsatz vom 19.05.2006 entsprechend nummerierte Originallichtbilder vorzulegen; ist daher zurückzuweisen.
b.
Hinsichtlich der Reisemängel Verschmutzungen und unzureichende hygienische Zustände im Zimmer des Klägers/Verschmutzungen im Speisesaal und an den Getränkeausgaben/Katzen/Verschmutzungen im Poolbereich, in den Toiletten und im Fitnessraum hat das Amtsgericht eine Minderungsquote von insgesamt pauschal 20% in Bezug auf den Gesamtreisepreis von 1.800,- Euro angenommen.
Die Berufung ist der Auffassung, dass diese Mängel eine Minderungsquote von 50% rechtfertigen würde.
Die Anschlussberufung rügt, dass die „Katzen“ jedenfalls nicht bei allen Mahlzeiten gestört haben können und somit diesbezüglich die Minderung nicht hätte auf den Gesamtreisepreis bezogen werden dürfen.
Die Rügen von Berufung und Anschlussberufung greifen letztlich nicht durch.
Auch das Berufungsgericht hält vorliegend nach einer Gesamtwürdigung der Umstände unter Gewichtung der einzelnen vom Amtsgericht festgestellten Mängel eine Minderungsquote für diese Mängel von 20% für angemessen.
Diese Minderungsquote ist unter Berücksichtigung der Schwere der Mängel, wie sie insbesondere aus den Fotos erkennbar ist, weder unangemessen niedrig noch übersetzt. Dies gilt selbst dann, wenn die Katzen tatsächlich nicht jeden Tag vorhanden gewesen sind. Bei einer Gesamtbetrachtung der Mängel ist es jedenfalls nicht unvertretbar die Katzen auch bzgl. einer Minderung auf den Gesamtreisepreis zu berücksichtigen.
Bei einem Gesamtreispreis von 1.800,- Euro (ohne Versicherungsleistungen) ergibt sich bei einer 20%igen Minderungsquote ein Minderungsbetrag von 360,- Euro.
2.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger gegen die Beklagte einen weiteren Anspruch aufteilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen Reisemängeln gemäß §§ 651c I, 651d I, 638 III und IV BGB in Höhe von insgesamt 180,00 Euro.
a.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stellt der Zustand des Fitnessraums ebenfalls einen Reisemangel im Sinne von § 651c I BGB dar.
Abweichend vom Amtsgericht sieht das Berufungsgericht diesen Mangel aufgrund des schriftsätzlichen Vortrags in Verbindung mit den vorgelegten Lichtbildern als noch hinreichend substanziert an. Jedenfalls ist sogar schon auf den vorgelegten Schwarz-Weiß-Bildern erkennbar, dass die Multifunktionsmaschine (Proaction Fitness) (Bl. 19 Vorderseite oben d. A.) defekt ist. Bei einem der Heimtrainer ist der Sattel defekt (Bl. 19 Vorderseite unten d. A.). Auch der Crosstrainer (Bl. 19 Rückseite unten d. A.) genügt nicht den Anforderungen an eine einsatzbereite Fitnessmaschine. Diese Maschinen bergen jedenfalls eine erhöhte Verletzungsgefahr.
Mindestens drei defekte und damit gefährliche Geräte bei einem ausweislich der vorgelegten Bilder ohnehin spärlich bestückten Fitnessraum rechtfertigen eine Reisepreisminderung für den Fitnessraum.
Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das Berufungsgericht eine Minderung von 5% für angemessen und ausreichend.
Bei einem Gesamtreispreis von 1.800,- Euro ergibt sich bei einer 5%igen Minderungsquote ein Minderungsbetrag von 90,- Euro.
b.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stellt der teilweise vermüllte und unhygienische Zustand des Hotelgeländes ebenfalls einen Reisemangel im Sinne von § 651c I BGB dar.
Abweichend vom Amtsgericht sieht das Berufungsgericht diesen Mangel aufgrund des schriftsätzlichen Vortrags in Verbindung mit den vorgelegten Lichtbildern als noch hinreichend substanziert an. Auf den vorgelegten Bildern 6, 8, 10, 11, 27 und 28 ist dieser Zustand deutlich zu erkennen. Im klägerischen Schriftsatz vom 19.05.2006 werden diese Bilder auch in Bezug genommen. Insbesondere wird mehrfach darauf hingewiesen, dass es sich dabei um das Hotelgelände handelt. Dem ist die Beklagte nicht mehr substanziiert entgegengetreten. Dieser teilweise vermüllte und unhygienische Zustand des Hotelgeländes ist von einem Reisenden nicht mehr hinzunehmen und rechtfertigt eine Reisepreisminderung.
Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das Berufungsgericht eine Minderung von 5% für angemessen und ausreichend.
Bei einem Gesamtreispreis von 1.800,- Euro ergibt sich bei einer 5%igen Minderungsquote ein Minderungsbetrag von 90,- Euro.
3.
Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen des Reisemangels „Flugverspätung beim Hinflug“ gemäß §§ 651c I, 651d I, 638 III und IV BGB hat.
Der Hinflug nach Tunesien war überbucht, und der Kläger und seine Familie konnten erst 12 Stunden später als vorgesehen abfliegen. Dies stellt, wie das Amtsgericht zu Recht angenommen hat, einen Reisemangel dar.
Hinsichtlich der Berechnung der Minderung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung bei Charterflügen grundsätzlich mit einer gewissen Verspätung zu rechnen ist, wobei in Orientierung an der Verordnung (EG) Nummer 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 eine „Karenzzeit“ von drei Stunden anzunehmen sei. Für die darüber hinausgehende Verspätungszeit sei eine anteilige Reisepreisminderung von 5% des anteiligen Tagesreisepreises pro Stunde, im vorliegenden Fall also 5% × 9 = 115,71 Euro angemessen.
Die Anschlussberufung rügt diese Berechnungsweise. Nach Auffassung der Anschlussberufung könne für die Bemessung der „Karenzzeit“ nicht die Verordnung 261/2004 herangezogen werden. Vielmehr habe es bei der allgemeinen ständigen Rechtsprechung zu verbleiben, wonach die „Karenzzeit“ 4 Stunden betrage.
Auch nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer ist die „Karenzzeit“ mit 4 Stunden berechnet worden. Die Kammer beabsichtigt auch derzeit nicht, diese Rechtsprechung zu ändern. Auch unter Berücksichtigung der Verordnung 261/2004, die auf Luftfahrtunternehmen zugeschnitten ist, erscheint es nicht zwingend, diese als Maßstab zur Bemessung der „Karenzzeit“ im Pauschalreiserecht heranzuziehen, zumal in der Verordnung 261/2004 die „Karenzzeit“ nach der Entfernung zum Ziel bestimmt wird. Insoweit scheint es jedenfalls vertretbar im Pauschalreiserecht aus Gründen der Vereinfachung an der pauschalen „4-Stunden-Regelung“ festzuhalten.
Danach ergibt sich bei einer 7-tägigen Reise bei einem Gesamtreisepreis von 1.800,- Euro ein Tagesreisepreis von 257,14 Euro. Pro Stunde Flugverspätung ist eine anteilige Reisepreisminderung von 5% des anteiligen Tagesreisepreises anzusetzen. Vorliegend ergibt sich daraus eine 40%ige Minderung (5% × 8 Stunden), so dass sich bei einem Tagesreispreis von 257,14 Euro ein Minderungsbetrag von 102,86 Euro ergibt.
4.
Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass der Kläger gegen die Beklagte im Übrigen keinen weiteren Anspruch auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen Reismängeln gemäß §§ 651c I, 651d I, 638 III und IV BGB hat.
Weitere Reisemängel im Sinne von § 651c I BGB, die mit der Berufung noch verfolgt werden, hat der Kläger zum einen nicht hinreichend substanziiert dargetan und zum anderen ist eine Minderung mangels entsprechender Mängelrüge gem. § 651d II BGB bereits ausgeschlossen.
Das Amtsgericht hat bereits in der Ladungsverfügung zu Recht darauf hingewiesen, dass alle behaupteten Reisemängel nicht substanziiert dargetan worden seien.
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, hat der Kläger im Folgenden teilweise das Vorliegen von Reisemängeln ausreichend substanziiert.
Hinsichtlich des Mangels Stromverteilungskästen und Steckdosen war der Vortrag trotz der Lichtbilder nicht ausreichend, da die konkrete Lage nicht angegeben worden ist. Der nunmehrige diesbezügliche weitere Vortrag war nicht mehr gem. § 531 II 1 Nr. 3 ZPO zuzulassen.
Hinsichtlich der Mängel „Fliesenbelag im Poolbereich“, „Löcher im Poolüberlauf“, „defekte Zugangstreppe zum Pool“ und „fehlende Kinderanimation“ fehlt es an einer ausreichenden Mängelrüge gem. § 651d II BGB.
Auf die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen des Amtsgerichts wird Bezug genommen. Insbesondere war eine Mängelrüge auch nicht entbehrlich.
5.
Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz, Schmerzensgeld oder Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreuden wegen Darmerkrankungen gem. § 651f I BGB bzw. § 651f II BGB hat.
Der klägerische Vortrag zu den Darmerkrankungen erschöpft sich in folgendem erst- und zweitinstanzlichen Vortrag:
„Der Kläger, seine Ehefrau und die beiden Kinder zogen sich aufgrund dieser völlig unzumutbaren hygienischen Verhältnisse Darmerkrankungen zu.“
Nach dem Bestreiten der Beklagten bedarf es keiner weiteren großen Ausführungen, dass der genannte klägerische Vortrag zu den Darmerkrankungen offensichtlich nicht geeinigt ist, um Ersatzansprüche zu begründen. Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass seitens des Klägers keine konkreten Einzelheiten, insbesondere zu der behaupteten Kausalität zwischen Darmerkrankungen und unhygienischen Zuständen, vorgetragen worden sind.
6.
Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass der Kläger die geltend gemachten Anwaltskosten nicht verlangen kann.
Die Beklagte hat die Anwaltskosten bestritten. Der Kläger hat die Einforderbarkeit der Anwaltskosten im Sinne von § 10 I RVG erstinstanzlich nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere hat er keine vom Anwalt unterzeichnete und ihm mitgeteilte Berechnung ausreichend dargelegt.
Da es sich bei den eingeklagten Anwaltskosten um eine Nebenforderung handelt, bedarf es auch grds. keines weitergehenden Hinweises des Gerichts (vgl. § 139 II ZPO).
Bei dem nunmehrigen Vortrag handelt es sich um neuen Sachvortrag, der nicht gem. § 531 II 1 Nr. 3 ZPO zuzulassen war, zumal die Anwaltskosten auch vom Berufungsantrag nicht umfasst waren.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht.
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