Urteil zu Dienstleistungen in der Markt- und Sozialforschung

Gericht

AG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

18. 04. 2008


Aktenzeichen

36D C 23/08


Tenor

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.487,50 (i. W. Euro eintausendvierhundertsiebenundachtzig 50/100) nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten p. a. über dem Basiszinssatz seit dem 29. August 2007 zu zahlen.

  2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 97,46 nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten p. a. über dem Basiszinssatz seit dem 11. Dezember 2007 freizustellen.

  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.


und beschließt:

Der Streitwert wird auf € 1.584,00 festgesetzt.


Dr. Herchen

Tatbestand


Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung eines von der Beklagten aufgrund von ihr geltend gemachter Mängel einbehaltenen Restbetrags auf eine Vergütung für von der Klägerin organisierte Durchführung von Gruppendiskussionen. Die Klägerin ist ein Marktforschungsinstitut, welches vorwiegend Einzelinterviews, Einzelexplorationen (Tiefeninterviews) in eigenen Studios in Hannover und in ihrer Niederlassung in München anbietet. Die Beklagte ist ein Marktforschungsdienstleister mit Sitzen u.a. in Berlin und Hamburg.

Mit Angebot vom 16. März 2007 (Anlage K 1, Blatt 12 Gerichtsakte) bot die Klägerin der Beklagten auf deren telefonische Anfrage hin folgende Leistungen zur Durchführung von Tiefeninterviews mit Internetnutzern, die regelmäßig online einkaufen, an:

  • "Rekrutierung und Incentivierung der Teilnehmer


  • Bereitstellung der Räumlichkeiten (Gruppen- und Beobachtungsraum mit Einwegspiegel)

  • Audio- und DVD-Aufnahme

  • Betreuung und Bewirtung der Teilnehmer und bis zu vier Kunden"

Weiter heißt es in dem Angebot unter "Bemerkung": "Die Bild-in-Bild Technik wird von ... zur Verfügung gestellt und installiert."

Mit einem schriftlichen Auftrag unter der Nummer 1677B vom 24. Mai 2007 (Anlage K 2, Blatt 13 f. Gerichtsakte) erteilte die Klägerin der Beklagten unter Bezugnahme auf das Angebot vom 16. März 2007 in der Zeit von Montag, den 18. Juni 2007 bis Mittwoch, den 20. Juni 2007, bestimmte Interviews durchzuführen. Hierbei sollte das erste Interview am Montag um 15.00 Uhr und das letzte Interview am Mittwoch um 17.00 Uhr beginnen. Als Ort der Durchführung ist die ... in München angegeben. Unter anderem heißt es in dem Auftrag:

  • "DVD-Aufnahme aller Interviews in Deutsch und Englisch


  • die Bild-in-Bild Technik wird von unserem Kollegen ... mitgebracht und aufgebaut

  • bitte organisieren Sie einen Dolmetscher für alle Interviews (vor der Buchung bitte Kosten an mich)"

In der Zeit vom 18. bis 20. Juni 2007 wurde die Gruppendiskussion in München durchgeführt. Die Klägerin stellte am 25. Juni 2007 eine Rechnung über insgesamt € 7.688,59 (Anlage K 4, Blatt 17 Gerichtsakte).

In der Folgezeit berief sich die Beklagte mit Schreiben vom 27. Juni 2007 (Anlage K 5, Blatt 18 f. Gerichtsakte) auf eine Vielzahl von Mängeln in der Durchführung der Gruppendiskussion. Am 13. August 2007 zahlte die Beklagte einen Betrag von € 6.201,09. Den Restbetrag von € 1.487,50 zahlte sie nicht. Nach mehrfacher Mahnung durch die Klägerin, zuletzt mit Schreiben vom 15. August 2007 (Anlage K 7, Blatt 24 Gerichtsakte), ließ die K1ägerin mit Anwaltsschreiben vom 20. September 2007 (Anlage K 8, Blatt 25 f. Gerichtsakte) unter Setzung einer Zahlungsfrist auf den 1. Oktober 2007 zur Zahlung auffordern.

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an die K1ägerin € 1.487,50 nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. August 2007 zu zahlen sowie

  2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 97,46 nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagerhebung freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf eine Vielzahl von Mängeln bei der Durchführung der Gruppendiskussionen. Aufgrund dieser sei eine entsprechende Minderung des mit der Rechnung geforderten Betrags gerechtfertigt. Die Klägerin hat die Klage zunächst beim Amtsgericht Mitte in Berlin anhängig gemacht. Dieses hat die Klage am 10. Dezember 2007 zugestellt und sodann gemäß § 281 Abs. 1 ZPO am 28. Dezember 2007 an das Amtsgericht Hamburg verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2008, auf deren Protokoll wegen des Ergebnisses dieser Verhandlung verwiesen wird, hatten sich die Parteien zunächst - allerdings unter dem Vorbehalt des Rücktritts - verglichen. Die Klägerin ist mit am 12. März 2008 eingegangenen Anwaltsschriftsatz zurückgetreten. Die im Vergleich vorbehaltene Rücktrittsfrist war der 14. März 2008.

Des Weiteren wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.


1.

Aufgrund der gemäß § 281 Abs. 1 ZPO erfolgten und bindenden Verweisung ist das Amtsgericht Hamburg örtlich zuständig, obwohl einiges dafür spricht, dass in Berlin ein Gerichtsstand der Niederlassung begründet gewesen sein dürfte.


2.

Die Klage ist begründet. Der K1ägerin steht ein Zahlungsanspruch in begehrter Höhe zu. Dieser ergibt sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag. Die Zahlungspflicht ist lediglich in Höhe der bereits geleisteten € 6.20 1,09 erfüllt. Eine Restforderung in Höhe von € 1.487,50 ist nicht erfüllt. Diese bezieht sich anteilig auf die Kosten für die Diskussionsdurchführung und den Dolmetscher. Mangels Tilgungsbestimmung bei Zahlung sowie Tilgungsvereinbarung zwischen den Parteien ist § 367 BGB anzuwenden. Die Teilzahlung dürfte daher zunächst die Nebenforderungen, d. h. Kosten für Kopien, Telefon, Technikabbau und Kurierleistungen, zum Erlöschen gebracht haben.

Gegen die Kostentragungspflicht dringt die Beklagte mit ihrem Minderungseinwand nicht durch.

Zu den behaupteten Mängeln im Einzelnen:

a) Die Einwendung, Frau ..., die Geschäftsführerin der Klägerin sei am 18. Juni mit mindestens einer Stunde Verspätung in der ... Straße eingetroffen, obwohl 10.30 Uhr vereinbart gewesen sei, greift nicht durch. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch dem Vertrag zu entnehmen, dass die Gruppendiskussionen beziehungsweise Vorbereitungsarbeiten dazu bereits um 10.30 Uhr beginnen sollten. Ausweislich des Angebots und des sich darauf beziehenden Auftrags war ein Beginn des Erstinterviews um 15.00 Uhr vereinbart. Dass dieser Termin nicht eingehalten worden sei, ist nicht vorgetragen. Zudem geht aus dem Vertrag nicht hervor, dass die Anwesenheit einer bestimmten Person oder zumindest eines (beliebigen) Mitarbeiters der Klägerin vor Ort geschuldet war.

b) Ebenso ohne Erfolg ist die Einwendung der Beklagten, Frau ... sei während der 3 Projekttage so gut wie nie erreichbar gewesen. Diese Einwendung ist nicht substantiiert vorgetragen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Vertrag keine Pflicht der Klägerin, für eine permanente Ansprechperson vor Ort zu sorgen.

c) Ebenso wenig ist von Relevanz, dass den Endkunden der Beklagten im Beobachtungsraum keine Internetzugänge zur Verfügung gestellt wurden bzw. bei der Zurverfügungstellung Verzögerungen eingetreten sind. Die Zurverfügungstellung von Internetzugängen gehörte nach dem Inhalt des geschlossenen Vertrages nicht zu den Pflichten der Klägerin. Die behaupteten Verzögerungen sind darüber hinaus lediglich unsubstantiiert behauptet.

d) Keine Minderung begründet die Behauptung, es seien in der Nähe der Beobachtungssessel im Beobachtungsraum zu wenige Steckdosen beziehungsweise keine Steckdosen vorhanden gewesen. Das Vorhandensein einer bestimmten Anzahl von Steckdosen an einem bestimmten Ort im Beobachtungsraum war nicht Gegenstand des Vertrags. Die von der Beklagten schriftlich geltend gemachte Peinlichkeit der Situation, sich mit - was unstreitig gelang - Verlängerungskabeln zu behelfen, stellt keinen eine Minderung begründenden Mangel dar.

e) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass das zur Verfügung gestellte Fernsehgerät alt gewesen sei und eine schlechte Auflösung gehabt habe. Zum einen mangelt es dem Vortrag, der Fernseher sei alt gewesen und habe eine schlechte Auflösung gehabt, bereits an hinreichender Substantiiertheit. Darüber hinaus war nach dem Inhalt des Vertrags die Zurverfügungstellung eines Fernsehgeräts überhaupt nicht vereinbart. Der Vereinbarung, dass die Gruppendiskussionen aufgezeichnet werden, ist nicht notwendigerweise zu entnehmen, dass im Beobachtungsraum ein Fernsehgerät erforderlich ist, um die Aufzeichnung noch vor Ort abspielen zu können, zum al der Beobachtungsraum mit einer nur einseitig durchsichtigen Scheibe ausgestattet war, um die Diskussion beobachten zu können.

f) Die Einwendung, die von der Klägerin zur Verfügung gestellten Boxen zur Übertragung der Diskussion aus dem Diskussionsraum in den Beobachtungsraum, seien von schlechter Qualität gewesen und die Übertragung habe nur mit Rauschen erfolgen können, hat ebenfalls keinen Erfolg. Der diesbezügliche Vortrag ist - darauf hat das Gericht bereits in der mündlichen Verhandlung hingewiesen - bereits nicht hinreichend substantiiert. Des Weiteren bestand nach der vertraglichen Ausgangslage keine Pflicht der Klägerin, Boxen zur Verfügung zu stellen, da die Beklagte die Technik zur Lautstärkeübertragung vom Diskussionsraum in den Beobachtungsraum selber mitbringen wollte. Zur Übertragungstechnik gehören nicht lediglich die Kabel, sondern auch Geräte zur Aufnahme und Wiedergabe des Tons, mithin Mikrofone und Lautsprecher.

g) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klimaanlage im Beobachtungsraum am ersten Tag, dem 18. Juni, nicht zufriedenstellend funktioniert habe beziehungsweise funktionsunfähig gewesen sei. Die Pflicht, klimatisierte Räume zur Verfügung zu stellen, ergibt sich nicht aus der vertraglichen Vereinbarung. Hätte die Beklagte, die im Münchner Sommer eine entsprechende Veranstaltung abhält, dies sichergestellt haben wollen, so wäre es erforderlich gewesen, eine entsprechende Verpflichtung der Klägerin im Vertrag zu regeln. Im Übrigen ist auch dieser Vortrag seitens der Beklagten unsubstantiiert. Daran ändern auch nichts die Ausführungen im Schriftsatz vom 27. März 2008. Der Beklagten war insoweit nur eine Erwiderung auf den Schriftsatz der Klägerin vom 24. Januar 2008 nachgelassen, nicht aber ergänzender Sachvortrag. Der im Schriftsatz vom 27. März 2008 enthaltene Sachvortrag substantiiert im Übrigen nicht die Behauptung unzumutbarer Temperaturen im Raum weiter, da lediglich Außentemperaturen für den Stadtbereich von München in der Zeit vom 18. bis 20. Juni 2007 vorgetragen werden.


3.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.


Dr. Herchen

Rechtsgebiete

Markt- und Sozialforschung