Verkehrssicherungspflicht für Grenzbaum

Gericht

BGH


Datum

02. 07. 2004


Aktenzeichen

V ZR 33/04


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein Baum ist ein Grenzbaum im Sinne von § 923 BGB, wenn sein Stamm dort, wo er aus dem Boden heraustritt, von der Grundstücksgrenze durchschnitten wird.
  2. Jedem Grundstückseigentümer gehört der Teil des Grenzbaumes, der sich auf seinem Grundstück befindet (vertikal geteiltes Eigentum).
  3. Jeder Grundstückseigentümer ist für den ihm gehörenden Teil eines Grenzbaumes in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie für einen vollständig auf seinem Grundstück stehenden Baum.
  4. Verletzt jeder Eigentümer die ihm hinsichtlich des ihm gehörenden Teils eines Grenzbaumes obliegende Verkehrssicherungspflicht, ist für den ihnen daraus entstandenen Schaden eine Haftungsverteilung nach § 254 BGB vorzunehmen.

Tenor

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin Dr. Stresemann für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Januar 2004 aufgehoben und das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 3. Juni 2003 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.639,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 26. April 2002 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Parteien sind (Mit-) Eigentümer benachbarter Grundstücke. Zumindest teilweise auf der Grundstücksgrenze stand eine alte Steineiche, die seit mehreren Jahren eine verringerte Belaubung sowie totes Holz in der Krone zeigte; außerdem hatte sich rings um den Stamm der Fruchtkörper eines Pilzes (Riesenporling) gebildet. Im Jahr 1996 ließ der (inzwischen verstorbene) Ehemann der Beklagten in dem Teil der Baumkrone, der sich über ihrem Grundstück befand, das tote Holz durch ein Fachunternehmen (Streithelferin der Beklagten) entfernen. Weitere Baumpflegemaßnahmen erfolgten weder auf der Grundstücksseite der Klägerin noch auf der der Bekl agten. Im Dezember 2001 stürzte die Eiche ohne Sturmeinwirkung um und beschädigte das Wohnhaus der Klägerin erheblich. Diese verlangt aus eigenem und von ihrem Ehemann abgetretenem Recht von der Beklagten Schadensersatz, weil sie meint, die Beklagte sei zumindest anteilig für den Baum verkehrssicherungspflichtig gewesen. Das Landgericht hat die auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 97.278,08 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung, mit der die Klägerin nur noch die Hälfte der Klageforderung geltend gemacht hat, ist zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die in dem Berufungsurteil zugelassene Revision der Klägerin. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Klägerin habe keinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch. Die umgestürzte Eiche sei ein Grenzbaum gewesen. Die Klägerin habe von der Beklagten jederzeit seine Beseitigung verlangen können und sei deshalb keinem Duldungszwang ausgesetzt gewesen. Auch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bestehe nicht. Die Beklagte sei zwar aufgrund ihres Miteigentums an der Eiche verpflichtet gewesen, den Baum auf Krankheitsbefall und Gefahr durch Windbruch und –wurf zu überwachen sowie bei Anzeichen für eine Erkrankung dessen Standfestigkeit untersuchen zu lassen. Diese Pflicht bestünde auch zugunsten der Eigentümer von Anliegergrundstücken. Obwohl die Beklagte dieser Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei, scheide ihre Haftung aus, weil die Klägerin und ihr Ehemann in gleichem Maße verkehrssicherungspflichtig gewesen und dieser Pflicht ebenfalls nicht nachgekommen seien. Denn die Verkehrssicherungspflicht bestehe nur gegenüber Dritten, zu denen der Verpflichtete selbst nicht gehöre, und nicht zwischen gleichrangig Verkehrssicherungspflichtigen. Daß die Beklagte bzw. ihr Ehemann durch die 1996 vorgenommene Auslichtung der Baumkrone eine Seitenlastigkeit herbeigeführt und damit die Fallrichtung des Baumes auf das Grundstück der Klägerin vorgegeben haben, wirke sich nicht zugunsten der Klägerin aus. Die Maßnahme sei zwar ursächlich für den Schaden geworden, der aber weder voraussehbar noch vermeidbar gewesen sei; vielmehr habe es sich um eine gewöhnliche Baumpflegemaßnahme gehandelt. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Streithelferin sei der Baum zudem fachgerecht beschnitten worden; er habe damals keinerlei äußerlich erkennbare Anzeichen für einen Pilzbefall aufgewiesen. Demgegenüber sei nicht hinreichend ersichtlich oder dargelegt, daß die einseitige Beschneidung des Baumes das Haus der Klägerin gefährdet habe. Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II. 1. Ob das Berufungsgericht zu Recht einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog verneint hat, kann dahingestellt bleiben; denn der Klägerin steht gegen die Beklagte ein dem vorgehender (Senat, BGHZ 120, 239, 249) deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zu. 2. Die Beklagte und ihr Ehemann haben die ihnen hinsichtlich des umgestürzten Baumes obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt; die Beklagte ist deshalb nach § 823 Abs. 1 BGB dem Grunde nach zum Ersatz des der Klägerin dadurch entstandenen Schadens verpflichtet. Daß auch die Klägerin und ihr Ehemann hinsichtlich des Baumes verkehrssicherungspflichtig waren, läßt - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - die Haftung der Beklagten nicht entfallen.

a) Der Eigentümer eines Grundstücks hat im Rahmen des Möglichen dafür zu sorgen, daß von dort stehenden Bäumen keine Gefahr für andere ausgeht, der Baumbestand vielmehr so angelegt ist, daß er im Rahmen des nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Möglichen gegen Windbruch und Windwurf, insbesondere aber auch gegen Umstürzen aufgrund fehlender Standfestigkeit gesichert ist (Senat, Urt. v. 21. März 2003, V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733). Diese Verkehrssicherungspflicht haben die Beklagte und ihr Ehemann verletzt.

aa) Zweifelhaft ist bereits der Ansatz des Berufungsgerichts, daß bei bestehendem Miteigentum eine Haftung der Eigentümer untereinander für Schäden, die auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zurückzuführen sind, ausscheide. Das berücksichtigt nicht, daß sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis (§§ 741 ff. BGB) etwas anderes ergeben kann. Aber darauf kommt es hier nicht an, weil die Parteien nicht Miteigentümer, sondern Teileigentümer des später umgestürzten Baumes waren.

bb) Die Beklagte und ihr Ehemann waren Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Baum bis zum Umstürzen teilweise stand. Damit waren sie auch Eigentümer des auf ihrem Grundstück stehenden Teils des Baumes. v(1) Die umgestürzte Eiche war ein Grenzbaum im Sinne des § 923 BGB, weil sie mit ihrem Stamm auf der Grundstücksgrenze stand. Das gilt unabhängig davon, ob diese Situation bereits im Zeitpunkt des Anpflanzens oder natürlichen Aufwuchses vorhanden war; unerheblich ist auch, auf welchem der beiden Grundstücke sich das Wurzelwerk befand. Entscheidend ist allein, daß der Stamm des Baumes - und zwar dort, wo er aus dem Boden heraustrat - von der Grenze durchschnitten wurde (OLG München, NJW-RR 1992, 1369; Münch- Komm-BGB/Säcker, 4. Aufl., § 923 Rdn. 2; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 923 Rdn. 1; Staudinger/Roth, BGB [2002], § 923 Rdn. 2; ebenso für die einzelnen Pflanzen einer Hecke als Grenzeinrichtung: Senat, BGHZ 143, 1, 4).

(2) Die Eigentumsverhältnisse an einem Grenzbaum, der noch nicht gefällt ist, werden unterschiedlich beurteilt. Nach einer Auffassung - der das Berufungsgericht ohne weiteres folgt - steht der Baum im Miteigentum der beiden Grundstückseigentümer zu gleichen Teilen (LG München II, NJW 1976, 973; MünchKomm-BGB/Säcker, aaO, Rdn. 1; Meisner/Stern/Hodes, Nachbarrecht im Bundesgebiet [ohne Bayern], 5. Aufl., § 12; Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl., B § 2 II, § 12; Laibling, AgrarR 1994, 28). Nach anderer Auffassung besteht vertikal geteiltes Eigentum in dem Sinn, daß jedem Grundstückseigentümer der Teil des Baumes gehört, der sich auf seinem Grundstück befindet (OLG München, OLGR 1994, 197; BGB-RGRK/Augustin, 12. Aufl., § 923 Rdn. 3; Palandt/ Bassenge, aaO; Soergel/J. F. Baur, BGB, 13. Aufl., § 923 Rdn. 1; Staudinger/ Roth, aaO, Rdn. 4; für die einzelnen Pflanzen einer Hecke als Grenzeinrichtung: ebenso OLG Düsseldorf, OLGZ 1978, 190, 191; offen gelassen von Senat, BGHZ 143, 1, 8). Dem schließt sich der Senat an. Nach dem Wortlaut des Gesetzes gebührt erst der gefällte Baum den Nachbarn zu gleichen Teilen (§ 923 Abs. 1 BGB). Diese Regelung wäre überflüssig, wenn dieselbe Rechtslage bereits vorher bestünde. Das wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. Der Gesetzgeber ging davon aus, daß vor dem Fällen des Baumes kein Miteigentum besteht (Mot. III, 278), sondern der Grundsatz der vertikalen Eigentumsteilung gilt (Staudinger/Roth, aaO, § 923 Rdn. 1). Diese Sicht steht nicht im Wertungswiderspruch zu § 93 BGB (so aber MünchKomm- BGB/Säcker, aaO), sondern räumt dem § 94 Abs. 1 BGB insoweit Vorrang ein und dient damit der Herstellung klarer Rechtsverhältnisse (vgl. Senat, Urt. v. 27. September 1978, V ZR 36/77, NJW 1979, 712). Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß von dem gesamten Baum - z.B. infolge mangelnder Standfestigkeit - Gefährdungen ausgehen können, die einer der beiden Eigentümer allein nicht beseitigen kann. In diesem Fall hat jeder Eigentümer die Möglichkeit, von dem anderen das Fällen des Baumes zu verlangen (§ 923 Abs. 2 Satz 1 BGB).

cc) Als Eigentümer eines Teils des Grenzbaumes waren die Beklagte und ihr Ehemann für diesen Teil in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie für einen vollständig auf ihrem Grundstück stehenden Baum. Sie mußten deshalb die nach dem jeweiligen Stand der Erfahrungen und Technik als geeignet und genügend erscheinenden Sicherungen treffen, also den Gefahren vorbeugend Rechnung tragen, die nach der Einsicht eines besonnenen, verständigen und gewissenhaften Menschen erkennbar sind, und diejenigen Maßnahmen ergreifen, die zur Gefahrbeseitigung objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind (BGH, Urt. v. 21. Januar 1965, III ZR 217/63, NJW 1965, 815). Danach waren sie u.a. verpflichtet, den Grenzbaum in angemessenen Abständen auf Krankheitsbefall zu überwachen (BGH, Urt. v. 30. Oktober 1973, VI ZR 115/72, VersR 1974, 88, 89). Wie oft und in welcher Intensität solche Baumkontrollen durchzuführen sind, läßt sich nicht generell beantworten. Ihre Häufigkeit und ihr Umfang sind von dem Alter und Zustand des Baumes sowie seinem Standort abhängig (Breloer, Wertermittlungsforum 2004, 3, 8). Werden dabei Anzeichen erkannt, die nach der Erfahrung auf eine besondere Gefahr durch den Baum hinweisen, ist eine eingehende Untersuchung vorzunehmen; solche Anzeichen können trockenes Laub, dürre Äste oder verdorrte Teile, Pilzbefall, äußere Verletzungen oder Beschädigungen, hohes Alter des Baumes, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung und sein statischer Aufbau sein (BGH, Urt. v. 21. Januar 1965, aaO). Das haben die Beklagte und ihr Ehemann nicht beachtet, obwohl die Eiche nach den Feststellungen des Berufungsgerichts seit mehreren Jahren eine Fruchtkörperbildung des Riesenporlings rings um den Stamm, verringerte Belaubung sowie Totholz in der Krone zeigte. Damit war für die Beklagte und ihren Ehemann eine Erkrankung des Baumes erkennbar. Da die Krankheitszeichen auch an dem ihnen gehörenden Baumteil vorhanden waren, hätten sie eine fachmännische Untersuchung veranlassen müssen. Dabei wäre die mangelnde Standfestigkeit erkannt worden, so daß rechtzeitig geeignete Maßnahmen gegen ein plötzliches Umstürzen hätten ergriffen werden können. Davor haben die Beklagte und ihr Ehemann die Augen verschlossen, indem sie lediglich im Jahr 1996 Totholz aus der Baumkrone haben entfernen lassen, ohne später den Zustand des Baumes zu kontrollieren und untersuchen zu lassen. Damit haben sie die Beschädigung des Nachbargrundstücks in Kauf genommen. Das gilt auch für den Fall, daß der die Grundstücke der Parteien trennende Zaun den von der Beklagten behaupteten Verlauf gehabt hat, so daß der Baum nach dem äußeren Erscheinungsbild auf dem Grundstück der Klägerin stand. Denn die Beklagte hat sich lediglich darauf berufen, wegen des Zaunverlaufs habe sie nicht um den Baum herumgehen und sein Wurzelwerk untersuchen können; daß der Baum auf der Grundstücksgrenze stand, hat sie bereits in ihrer Klageerwiderung eingeräumt.

b) Somit ist die Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet. Sie muß allerdings nicht den gesamten Schaden ersetzen, sondern nur die Hälfte.

aa) Die Klägerin und ihr Ehemann waren zwar als Eigentümer des auf ihrem Grundstück befindlichen Teils des Baumes für diesen ebenfalls verkehrssicherungspflichtig. Darauf kommt es hier aber für die Haftungsverteilung nicht an, weil der umgestürzte Baum nicht im gemeinschaftlichen Eigentum der Grundstückseigentümer stand. Die von dem Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob sich derjenige, dem die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich einer Sache obliegt, auf die Verletzung der Sicherungspflicht durch den hinsichtlich derselben Sache (gleichrangig) Verkehrssicherungspflichtigen berufen kann (grundsätzlich verneinend OLG Hamm, VersR 2002, 1299), stellt sich deshalb nicht; denn wegen des Alleineigentums jedes Grundstückseigentümers an einem Teil des Baumes sind beide Eigentümer wie jeder Dritte in den Schutzbereich der Verkehrssicherungspflicht einbezogen, die dem jeweils anderen Eigentümer hinsichtlich des ihm gehörenden Teils des Baumes obliegt.

bb) Indem die Klägerin und ihr Ehemann den für sie ebenfalls erkennbaren Krankheitsanzeichen an dem ihnen gehörenden Baumteil keine Beachtung geschenkt und damit letztlich die Beschädigung ihres Hauses in Kauf genommen haben, trifft sie eine Mitverantwortung für den eingetretenen Schaden. In welchem Umfang sich das auf ihren Ersatzanspruch gegen die Beklagte auswirkt, ist nach § 254 BGB zu beurteilen. Da die Rechtsprechung eine Selbstgefährdung und Selbstbeschädigung nicht verbietet, geht es im Rahmen dieser Vorschrift nicht um eine rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem anderen oder gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht, sondern nur um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden "Obliegenheit"; sie beruht auf der Überlegung, daß jemand, der diejenige Sorgfalt außer acht läßt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muß, weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem unbillig erscheint, daß jemand für den von ihm erlittenen Schaden trotz eigener Mitverantwortung vollen Ersatz fordert (Senat, BGHZ 135, 235, 240 m.w.N.).

cc) Da hinsichtlich des Maßes der Verursachung, in welchem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben, und des beiderseitigen Verschuldens weitere Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind, kann der Senat die nach § 254 Abs. 1 BGB erforderliche Abwägung selbst vornehmen. Das führt zu einer Schadensteilung.

(1) Die Klägerin und ihr Ehemann haben das Umstürzen der Eiche durch die unterbliebenen Kontrollen und Untersuchungen in demselben Maß verursacht wie die Beklagte und ihr Ehemann. Das Auslichten der Baumkrone im Jahr 1996 wirkt sich - entgegen der Auffassung der Revision - nicht zu Lasten der Beklagten aus. Zwar war damit die spätere Fallrichtung des Baumes vorgegeben; aber das allein hat, worauf es für die Haftungsverteilung entscheidend ankommt, den Eintritt des Schadens nicht in wesentlich höherem Maß wahrscheinlich gemacht (vgl. BGH, Urt. v. 20. Januar 1998, VI ZR 59/97, NJW 1998, 1137, 1138). Denn dem steht zum einen gegenüber, daß die Klägerin und ihr Ehemann jegliche Baumpflegemaßnahmen wie das Auslichten der Krone auf ihrer Grundstücksseite unterlassen haben; erst dadurch ist es zu der einseitigen Lastigkeit des Baumes gekommen. Zum anderen hat das Auslichten unstreitig keinen Einfluß auf die fehlende Standfestigkeit und damit auf das Umstürzen des Baumes gehabt.

(2) Der Verschuldensanteil der Beteiligten ist ebenfalls gleich hoch zu bewerten. Beide Grundstückseigentümer konnten die jeweils auf der ihnen gehörenden Baumseite vorhandenen Krankheitszeichen erkennen; beide haben die deshalb notwendigen Überwachungs- und Untersuchungsmaßnahmen nicht durchgeführt. Ein Fällen des Baumes wurde nicht verlangt (§ 923 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das Auslichten der Baumkrone im Bereich des Grundstücks der Beklagten war nicht pflichtwidrig, sondern eine ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entsprechende Pflegemaßnahme. Die mangelnde Standfestigkeit des Baumes war für keinen der Eigentümer, sondern nur für einen Fachmann erkennbar.

Wenzel Tropf Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

Vorinstanzen

OLG Düsseldorf
LG Krefeld

Rechtsgebiete

Garten- und Nachbarrecht

Normen

BGB §§ 254, 823 Abs. 1, 923