Streit um angebliche Übernahme geistiger Leistungen bei der Entwicklung eines eigenen Regelwerks mit wissenschaftlichem Allgemeingut

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

21. 12. 2007


Aktenzeichen

308 O 780/04


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Tatbestand

Die Klägerin ist Diplom-Mathematikerin und auf dem Gebiet ... tätig.

Die Klägerin macht geltend, die Instrumente zur heute gültigen "Währung" der ... entwickelt zu haben, bestehend aus den Befragungsunterlagen ... sowie den Formeln und dazugehörigen Anweisungen für die zur Auswertung der aufgrund der Befragungsunterlagen erlangten Erhebungsergebnisse erforderlichen Software.

Die Klägerin arbeitete in der Zeit von 1991 bis 2003 mit dem ... zusammen. Die Klägerin brachte dabei die vorerwähnten Befragungsunterlagen in die Zusammenarbeit ein und entwickelte im Auftrage ... in den Jahren 1994 bis 2000 sukzessiv das Formelwerk zur Auswertung, welches unter ihrer Anleitung und Aufsicht im Hause der ... in ein Softwareprogramm umgesetzt wurde.

Auf der Grundlage der Entwicklungen der Klägerin wurden die ... ausgewertet und veröffentlicht. Ein Datenträger mit der ... liegt als Anlage K 36 vor.

Am 28.02.2003 schlossen die Klägerin als Lizenzgeberin und die ..., als Lizenznehmerin eine (als Anlage K 1 vorliegende) Lizenzvereinbarung. Nach deren Ziffer 1.1 stehen der Klägerin "die Urheber- sowie alle sonst denkbaren Rechte" unter anderem an den näher bezeichneten Befragungsunterlagen "..." und dem "Formelwerk ..." der gewonnenen Daten zu. Weiter heißt es hinter Ziffer 1.1.3: "Die Benutzung des Formelapparats wird der Lizenznehmerin von der Lizenzgeberin nur in Form der fertigen Software gestattet. Der Lizenznehmerin ist es untersagt, sich den Formelapparat in einer anderen Form zu beschaffen oder zu nutzen," Unter Ziffer 2.1 überträgt die Klägerin der Lizenznehmerin das einfache Nutzungsrecht an den Befragungsunterlagen und dem Formelwerk (nach Ziffer 1.1.4 nicht an der Software selbst) für die im Auftrag des ... durchzuführenden Medienanalysen 2004, 2005, 2005 Plakat. Der Lizenznehmerin war nach Ziffer 2.2 gestattet, die Befragungsunterlagen zu ändern. Mit "Änderungen am Formelwerk ist die Lizenzgeberin zu beauftragen". Nach Ziffer 2.3 ist bei Veröffentlichungen in näher bezeichneter Weise auf die Urheberschaft der Klägerin hinzuweisen. Nach Ziffer 5.1 sind die Lizenznehmerin und der ... berechtigt, "die Rechte aus dem vorliegenden Vertrag im Rahmen einer Vertragsübernahme auf die Beklagte zu übertragen".

Mit Vereinbarung vom 30.05.2003 (im Anlagenkonvolut K 2) übertrug die ... GmbH die Rechte aus der Lizenzvereinbarung mit der Klägerin auf die Beklagte. Mit Schreiben der Beklagten vom 16.12.2003 (im Anlagenkonvolut K 2) übernahm die Beklagte auch die Pflichten aus der Lizenzvereinbarung mit der Klägerin unter der Bedingung, dass die ... GmbH die Beklagte von allen Ansprüchen freistellt, die sich aus der Pflichtenübernahme ergeben. Unter dem 02.01.2004 gab die die ... GmbH die gewünschte Freistellungserklärung ab (im Anlagenkonvolut K .2).

Im Oktober 2004 veröffentlichte die Beklagte die ... (Datenträger Anlage K 37). In Bezug auf das Formelwerk befinden sich darin keine Hinweise mehr auf die Klägerin. Die Beklagte macht geltend, unter Leitung des (inzwischen verstorbenen) Mitglieds ihrer technischen Kommission Dr. ... sei ein eigenes neues Formelwerk erarbeitet worden. Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, es werde lediglich eine unfreie Bearbeitung ihres Formelwerks verwendet.

Die Klägerin trägt vor,

ihr Formelwerk, welches in die bei ... in Software umgesetzt worden sei, finde sich in mehreren Entwicklungsschritten, den Bausteinen 0 bis VII, wieder, wobei die Bausteine aufeinander aufbauten und jeder Baustein sich auf vorher eingeführte "Variablen" und Formeln beziehe.

Baustein 0:

Der Baustein 0 sei ein Vorprogramm zur Berechnung von belegungs- und ortsabhängigen Teilungsfaktoren. Die Anweisungen seien in die anderen Bausteine integriert.

Baustein I: Der Baustein I sei das Kernteil des Formelwerks mit

  • den Definitionen und Berechnungsvorschriften zu den Variablen und mit Anweisungen für die Basis-Auswertungen,

  • der Berechnung des "personen-individuellen Misch-Teilungsbelegungsfaktors"

  • den Anweisungen zum Einsatz der Binominalverteilung.

Baustein II:

Der Baustein II beinhalte die Vorgehensweise zur Erweiterung der so genannten CLP-Grundgesamtheit II.

Baustein III:

Der Baustein III beinhalte die so genannte N-Dekaden-Verkettung mit ,variablem Anteil zu wechselnder Flächen und Anweisungen für das Zählprogramm von ... .

Baustein IV:

Der Baustein IV beinhalte Anweisungen und Formeln für das ...-Programm zur Kalibrierung.

Baustein V:

Der Baustein V beinhalte Anweisungen und Formeln für das ...-Programm für Zweier- und Dreierkombinationen.

Baustein VI:

Der Baustein IV beinhalte Anweisungen und Formeln für das Zählprogramm von ... bei unterschiedlichen Frequenzen für die Werbeträger.

Baustein VII:

Der Baustein VII beinhalte das so genannte GemeindeKennZiffer - GKZ - Simulationsmodell.

Eine nähere Darlegung zu allen Bausteinen findet sich geordnet im Anlagenkonvolut K 42, auf dessen Inhalt verwiesen wird.

Die Klägerin behauptet, das den einzelnen Bausteinen zugrunde liegende Formelwerk unterscheide sich grundsätzlich von vorbekannten mathematischen Standards. Es basiere zwar auf der vorbekannten Binominalverteilung. Die standardmäßige der für Printmedien benutzten Methoden erschöpfe sich aber in der Definition von Nutzungswahrscheinlichkeiten pro Person und Ort als Anzahl der laut Interview wahrgenommenen bzw. der im Ort vorgefundenen Anschlagstellen. So sei die ...-Plakat früher von einem festen Wert pro Person als ersten Parameter ausgegangen und der zweite Parameter sei ausschließlich von den Vorgaben der Programmnutzer abhängig gewesen. Sie - die Klägerin - habe dann den ersten Parameter abhängig von der Person und den Nutzervorgaben berechnet. Bei der N-Dekadenverkettung - Baustein III - sei es um den Auswertewunsch der Nutzer gegangen, die Plakatbelegung über mehrere Planungsperioden (Dekaden) auszudehnen und dabei jeweils den Anteil der zuerst belegten Flächen auszutauschen. Blieben nämlich in der Folgeperiode die Plakate an den belegten Stellen hängen, so finde rechnerisch zwar ein Kontaktwachstum, aber kein Reichweitenwachstum statt, weil der Erhebungszeitraum nur eine Woche betrage und somit keine neuen Anschlagstellen bei dem Befragten hinzukomme. Sie habe das Problem durch den "Kunstgriff' gelöst, dass der Erstbelegung für jede Folgebelegung die Zahl der neu hinzugekommenen Flächen zuaddiert werde. Ihr Formelwerk sei deshalb urheberrechtlich geschützt, zudem sei der Beklagten eine Nutzung außerhalb der nach ihren Vorgaben geschriebenen Software und eine Veränderung des Formelwerks vertraglich untersagt.

Gleichwohl habe die Beklagte ihr Formelwerk seit der ... übernommen. Das folge aus den von ihr gefertigten Gegenüberstellungen (Anlagen K 16, K 18 und K 23) sowie den dazugehörigen von ihr in Auftrag gegebenen gutachterlichen Ausführungen des Prof. Dr. ... (Anlagen K 17, K 19 und K 24). Der Baustein VII sei zwar ausdrücklich nicht mehr als Möglichkeit im Verletzungsmuster genannt; ihr der Klägerin - sei jedoch bekannt, dass es nur der Umlegung eines "Hebels" bedürfe, um die damit verbundene Auswertebesonderheit wieder einzuschalten. Da nicht gesagt wird, dass der Baustein VI nicht mehr als Möglichkeit gegeben ist, könne kein Zweifel bestehen, dass auch dieser Baustein unverändert übernommen worden sei.

Die Klägerin schätzt den Schaden in Form des entgangenen Gewinns, der ihr dadurch entstanden ist, dass sie nicht mit der Veränderung des Formelwerk beauftragt worden ist, auf € 2.000,00. Den Nutzungswert für ihr Formelwerk in ... schätzt sie sie auf € 20.000,00; davon macht sie einen Teilbetrag von € 8.000,00 geltend. Insgesamt leitet aus dem von ihr vorgetragenen Sachverhalt die mit den folgenden Anträgen geltend gemachten Ansprüche her.

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die Software zur ... weiter zu verbreiten,

  2. der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu 1. ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,- oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern, festgesetzt wird,

  3. die Beklagte zu verurteilen, die Empfänger der Dokumentation zur ... sowie die Empfänger der unter Punkt 1. benannten Software schriftlich davon in Kenntnis zu setzen, dass das der Software zugrunde liegende Formelwerk von der Klägerin entwickelt wurde und die Rechte daran bei ihr liegen,

  4. der Beklagten für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung unter 3. ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu EUR 50.000,-, ersatzweise Zwangshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, anzudrohen,

  5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 10.000,00 zu zahlen,

  6. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, weiter wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen, sie habe mit dem Formelwerk zur Software der ... eine Neuentwicklung vorgenommen,

  7. Der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung unter 6. ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00 oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern, festgesetzt wird,

  8. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die zwischen den Parteien gültigen Lizenzvertrag vom 15.02.2003 unter 2.3 vereinbarte Urheberrechtsbezeichnung auch bei jedem zukünftigen Update der Software vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte stellt eine Vertragsverletzung und eine Urheberrechtsverletzung in Abrede. Urheberrechtliche Ansprüche scheitern nach ihrer Auffassung bereits an der fehlenden urheberrechtliche Schutzfähigkeit des Formelwerks und beide Ansprüche daran, dass in ihrem Auftrag ein neues Formelwerk entwickelt worden sei.

Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 04.12.2006 Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, die Software zur ... beinhalte die Software für die Vorgängerstudien ... 2000 bis 2003, durch Vernehmung des Zeugen ... aus dem Hause ... . Wegen des Beweisergebnisses wird auf den Inhalt des Protokolls vom 15.02.2007 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 26.10.2005 sowie vom 15.02.2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche weder aus Vertrag zu noch aus Delikt wegen einer Urheberrechtsverletzung .

I. Der Klägerin stehen keine Ansprüche aus einer Vertragsverletzung zu. Ausgehend davon, dass der Klägerin vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte zustehen, weil diese in die Rechte und Pflichten des am 28.02.2003 geschlossenen Vertrages zwischen der Klägerin und der ... GmbH anstelle letzterer eingetreten ist, könnten sich Ansprüche aus Ziffer 1.1.3 und 2.2 des Vertrages ergeben, wenn die Beklagte sich das "Formelwerk zur Bereinigung und Auswertung" der gewonnenen Daten außerhalb der vertraglichen Gestattung, also nicht nur in Form der fertigen Software, beschafft und selbst bearbeitet und bei der ... genutzt hat, und aus Ziffer 2.3 wegen unterbliebener Urhebernennung der Klägerin. Von einer solchen vertragswidrigen Beschaffung, Bearbeitung und Nutzung des Formelwerks vermag das Gericht aber nicht auszugehen.

1. Wegen der Bausteine VI und VII kann eine Nutzung durch die Beklagte schon nicht aus dem eigenen Vortrag der Klägerin hergeleitet werden. Die Nutzungsmöglichkeiten des Bausteines VII werden ausdrücklich nicht mehr angeboten. Die Behauptung der Klägerin, ihr sei bekannt, dass es nur der Umlegung eines "Hebels" bedürfe, um die damit verbundene Auswertebesonderheit wieder einzuschalten, ist für eine Darlegung einer gleichwohl erfolgten Nutzung nicht geeignet. Daraus ist nicht erkennbar, was von dem dem Baustein VII zugrunde liegenden Formelwerk in welcher Weise genutzt wird. Dem diesbezüglichen Beweisantritt der Klägerin - Vernehmung der Klägerin als Partei und Sachverständigengutachten - ist nicht nachzugehen, weil das eine unzulässige Ausforschung hinaus liefe.

Gleiches gilt im Ergebnis für den Baustein VI. Keinesfalls ist es zwingend, aus dem Umstand, dass die sich aus diesem Baustein ergebenden Möglichkeiten nicht ausdrücklich ausgenommen worden sind, darauf zu schließen, dass auch dieser Baustein unverändert übernommen worden sei. Auch hier hätte es einer konkreten Darlegung dessen bedurft, inwieweit der ... das Formelwerk der Klägerin zu diesem Baustein zugrunde liegt. Daran fehlt es.

2. Aber auch wegen des den anderen Bausteinen zugrunde liegenden Formelwerks ist keine vertragswidrige Übernahme festgestellt worden.

Der von der Klägerin benannte Zeuge ... von der ..., der seit 1994 auch bereits mit der Klägerin bei der Umsetzung von deren Formelwerk zusammen arbeitete, hat dazu ausgesagt, dass im Sommer 2002 die Mitteilung gekommen sei, dass das Formelwerk der Klägerin nicht weiter genutzt werden dürfe und unter Verschluss gehalten werden müsse. Das sei dann auch geschehen. Es sei eine völlige Neuprogrammierung erfolgt nach den Vorgaben des Dr. ... von der Beklagten. Er könne zwar nicht sagen, ob und inwieweit das von Dr. ... gelieferte Formelwerk sich konkret mathematisch von dem der Klägerin unterscheide. Jedenfalls sei es anders gewesen, insgesamt einfacher. Auch habe die Umsetzung der schriftlichen Vorgaben des Dr. ... häufig Schwierigkeiten bereitet und es hätten vielfach ergänzende mündliche Korrekturanweisungen erfolgen müssen. Die Ergebnisse der Anwendung des neuen Programms hätten oft nachteilig von denen abgewichen, wie sie zuvor mit dem auf dem Formelwerk der Klägerin basieren Programm erzielt worden seien. Er habe den Eindruck gehabt, je komplexer die Anforderungen bei den einzelnen Bereichen gewesen seien, desto größer seien die Abweichungen gewesen. Die Formeln und Anweisungen in der "Dokumentation ... " (Anlage K 15) seien teilweise unrichtig wiedergegeben und erst später korrigiert worden. Teilweise gäbe es überhaupt nur eine unzureichende Dokumentation mit handschriftlichen Aufzeichnungen, was von ... mehrfach beanstandet worden sei.

Mit der Aussage dieses Zeugen hat die Klägerin die behaupteten Verletzungshandlungen nicht bewiesen. Unter Zugrundelegung des Inhalts dieser Aussage ist das Formelwerk der Klägerin weder beschafft noch übernommen worden. Zwar vermochte der Zeuge nichts zu einem mathematischen Abgleich des Formelwerks der Klägerin und der Vorgaben des Zeugen Dr. ... sagen. Seinen weiteren Ausführungen zufolge spricht jedoch mehr gegen eine Leistungsübernahme als dafür. Nach seiner Darstellung ist die Software mit einem Zeitaufwand von 15-20 Manntagen völlig neu programmiert worden. Bei einer Übernahme des Formelwerks der Klägerin wäre das nicht nötig gewesen und auch bei einer bearbeiteten Fassung des Formelwerks der Klägerin hätten Anpassungen der Software ausgereicht. Weiter sprechen die Unterschiede der Berechnungsergebnisse der alten und neuen Software und die, wie aus der Aussage des Zeugen deutlich wurde, schlechteren Ergebnisse der neuen Software, gegen eine Verwendung des Formelwerks der Klägerin. Vorhandene Unterschiede nennt die Klägerin selbst. So soll ihr Mischteilbelegungsfaktor bei der Binominalverteilung zwar übernommen, aber dessen Berechnung und Bedeutung nicht verstanden worden sein (Anlage K 16 am Ende). Auf weitere Unterschiede in Form von Mängeln stellt die Klägerin in einem Schreiben vom 12.07.2004 ab (Anlage K 51). Solche Mängel und Unterschiede sind bei einer Leistungsübernahme nur schwer erklärbar. Im Übrigen soll das Formelwerk der Klägerin nach Aussage des Zeugen unter Verschluss geblieben und nicht verwendet worden sein. Dafür, dass Dr. ... selbständig ein Formelwerk entwickelt hat, spricht auch die nach eigener Darstellung der Klägerin unvollkommene Dokumentation und die vom Zeugen beschriebene Notwendigkeit mehrfacher Korrekturen mit lediglich handschriftlichen Formeln und Anweisungen.

Die übrigen Darlegungen der Klägerin sind vor dem Hintergrund der Aussage des Zeugen ... nicht geeignet, gleichwohl auf eine vertragwidrige Leistungsübernahme zu schließen. Denn auch danach ist es möglich, dass Dr. ... tatsächlich ein Formelwerk ohne Vorlage der Formeln der Klägerin und ohne Verletzung des Vertrages entwickelt hat. Die Regelungen unter Ziffer 1.1.3 des Vertrages verbieten der Beklagten nicht, zur Erarbeitung der Berechnungsergebnisse, wie sie mit dem Formelwerk der Klägerin erreicht wurden, ein eigenes Formelwerk zu entwickeln. Dabei durfte die Beklagte sich auch aller ihr allgemein zugänglichen mathematischen Erkenntnisse bedienen. Untersagt war ihr im Verhältnis zur Klägerin nur die Nutzung von Formeln mit individuellen Lösungen der Klägerin, die kein wissenschaftliches Allgemeingut und nicht veröffentlicht sind und welche die Klägerin der Beklagten nur aufgrund vertraglicher Beziehungen zur Verfügung gestellt und anvertraut hat. Dass aber die Beklagte das Formelwerk der Klägerin insoweit übernommen hat, ist nicht hinreichend sicher festzustellen. Da die Zielvorgaben für die Anwendungen identisch waren, ist die Möglichkeit groß, dass der mathematische Lösungsweg jedenfalls ähnlich ist, zumal der Weg über die Binominalverteilung vorgegeben war. Eine unerlaubte Übernahme des Formelwerks der Klägerin folgt aus der Ähnlichkeit nicht. Individuelle Lösungen beschreibt die Klägerin konkret nur bei der Änderung der Berechnung des ersten Parameters bei der Binominalverteilung und bei ihrem "Kunstgriff" mit der Erhöhung des Teilbelegungsfaktors für die Folgedekaden bei der N-Dekadenverkettung. Der Umstand, dass sich beides, nach eigener Darstellung der Klägerin teilweise unvollständig, weil nicht verstanden, in der ... wieder findet, bedingt aber auch insoweit nicht die Annahme einer unerlaubten Beschaffung und Leistungsübernahme ihres Formelwerks, sondern kann auch das Ergebnis einer eigenen Formelentwicklung durch Dr. ... sein. Soweit dieser dabei möglicherweise ihm bekannte Ideen der Klägerin in ein Formelwerk umgesetzt hat, ist das nicht zu beanstanden.

Soweit die Klägerin darauf abstellt, die dargelegte Identität einer Vielzahl von Dateien der Software zur ... und ... (Anlagenkonvolut K 45) belege eine Leistungsübernahme, hat der Zeuge ... ausgesagt, dass es sich sämtlich um Dateien aus der Entwicklungsumgebung und zusätzliche Dateien handele und nicht um Dateien der umgesetzten Formeln.

Insgesamt ist die Klägerin daher für eine Vertragsverletzung beweisfällig geblieben. Soweit bei dem Zeugen ... zu berücksichtigen ist, dass er möglicherweise dem Lager der Beklagten als der Vertragspartnerin seiner Arbeitgeberin näher steht als der Klägerin, führt das zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen sollte der Zeuge Behauptungen der Klägerin beweisen und nicht solche der Beklagten. Zum anderen hat das Gericht keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge die Unwahrheit gesagt hat. Zur Einholung eines Sachverständigengutachtens sieht sich das Gericht nicht veranlasst, da ein solches auf eine Ausforschung hinaus liefe.

II. Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche aus einer Urheberrechtsverletzung zu. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zur Vertragsverletzung verwiesen, aufgrund derer keine auch für eine Urheberrechtsverletzung erforderliche unerlaubte Leistungsübernahme bewiesen ist. Im Hinblick darauf bedarf es keiner vertiefenden Erörterung der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des Formelwerks, die nach Auffassung des Gerichts für die mathematischen Formeln gleichfalls nicht gegeben ist. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Formel in eine Software umgesetzt worden sind. Denn daraus folgt nicht, dass sie bereits Entwurfsmaterial oder Ausdrucksform eines Computerprogramms im Sinne des § 69a UrhG gewesen sind. Auf einen ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz wird die Klage nicht gestützt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.


Rachow


Beschluss

Der Streitwert wird auf € 50.000,00 festgesetzt.


Rachow

Rechtsgebiete

Urheberrecht