Antragsteller muss Kosten wegen fehlender Abmahnung selbst tragen
Gericht
LG Berlin
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
22. 01. 2008
Aktenzeichen
27 O 992/07
Die einstweilige Verfügung wird im Kostenpunkt aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Kostenbetrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10% leistet.
Tatbestand
Die Antragsgegnerin ist Verlegerin der Illustrierten ..., in deren Ausgabe Nr. 42 vom 13. Oktober 2007 ... ein Artikel erschien, ... .
Die Antragstellerin, ihr Vater und ... äußerten sich zu keinem Zeitpunkt öffentlich zu den geschilderten Vorgängen. Am 8. Oktober 2007 hatte der Vater der Antragstellerin eine Presseerklärung veröffentlicht, in der er daraufhin hinwies, dass die ursprüngliche Berichterstattung in der Illustrierten ... vom 6. Oktober 2007 unwahr sei und das Landgericht Berlin bereits im Jahr 2003 inhaltsgleiche Veröffentlichungen verboten habe.
Die Antragstellerin hat daraufhin, ohne die Antragsgegnerin zuvor abzumahnen, die einstweilige Verfügung vom 25. Oktober 2007 erwirkt, durch die der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt wurde,
Bildnisse der Antragstellerin im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über ihren Vater und dessen Verhältnis zu seiner ältesten Tochter zu veröffentlichen.
Der Antragsgegnerin wurden außerdem die Verfahrenskosten auferlegt.
Gegen die Kostenentscheidung der ihr zwecks Vollziehung zugestellten einstweiligen Verfügung richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.
Sie beruft sich auf § 93 ZPO. Die Verfahrenskosten habe die Antragstellerin zu tragen, weil diese sie, die Antragsgegnerin, vor Beantragung der einstweiligen Verfügung nicht abgemahnt habe, und sie, die Antragsgegnerin, deshalb keinen Anlass im Sinne des § 93 ZPO für die Durchführung eines Gerichtsverfahrens gegeben und den Unterlassungsanspruch im Rahmen des Kostenwiderspruchs sofort anerkannt habe.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung in Ziffer 2) aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt zu bestätigen.
Sie behauptet, der Antragsgegnerin sei die Presseerklärung vom 8. Oktober 2007 zugegangen. Sie habe daher wider besseres Wissen die beanstandete Berichterstattung veröffentlicht. Sie meint, die Antragsgegnerin habe aber jedenfalls in grober Weise gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen, denn sie habe wissen müssen, dass eine Bildnisveröffentlichung ohne jeglichen Berichterstattungsanlass unzulässig gewesen sei. Deshalb sei sie nicht gehalten gewesen, vor der Einleitung gerichtlicher Schritte abzumahnen. Sie beruft sich insoweit auf die Entscheidung des OLG München vom 2. Mai 2002 (Az. 21 W 988/00). Zudem habe die besondere Dringlichkeit der Erlangung effektiven Rechtsschutzes die sofortige gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs gerechtfertigt. Es sei mit Blick auf die Berichterstattung in ... auch nicht damit zu rechnen gewesen, dass sich die Antragsgegnerin zeitnah unterwerfen werde.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung ist im Kostenpunkt aufzuheben, weil sie insoweit zu Unrecht ergangen ist (§§ 925, 936 ZPO). Denn die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens gemäß § 93 ZPO zu tragen, weil die Antragsgegnerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch durch Beschränkung ihres Widerspruchs auf die Kosten sofort im Sinne von § 93 ZPO anerkannt und keine Veranlassung zur Antragstellung gegeben hat.
Veranlassung zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens wird durch ein Verhalten gegeben, das vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens rechtfertigt. Das ist im Bereich der Äußerungsdelikte auch im einstweiligen Verfügungsverfahren in der Regel nur der Fall, wenn der in Anspruch Genommene einer vorherigen vorgerichtlichen Abmahnung nicht nachgekommen ist, es sei denn, dass eine vorherige Abmahnung aus Zeitgründen nicht mehr möglich erscheint oder der Verletzte aufgrund des bisherigen Verhaltens des Schädigers oder sonstiger Umstände davon ausgehen durfte, er werde ohne Inanspruchnahme des Gerichts ohnehin nicht zu seinem Recht kommen (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 11. Juni 1999, 9 W 2247/99 m. w. Nachw.). Keiner dieser eine Abmahnung entbehrlich machenden Ausnahmefälle ist vorliegend gegeben:
Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin einer Abmahnung nicht Folge leisten würde, sind weder dargetan noch ersichtlich. Weshalb die Antragsgegnerin wegen des zuvor in ... veröffentlichten Berichts nicht eine Unterlassungserklärung hätte abgeben sollen, ist nicht erkennbar.
Dass die Presseerklärung vom 8. Oktober 2007 der Antragsgegnerin bekannt gewesen wäre, hat die Antragstellerin zwar behauptet, aber auf das Bestreiten der Antragsgegnerin nicht weiter belegt, obwohl, wenn die Erklärung, wie behauptet, an alle großen Verlage versandt wurde, beispielsweise ein Faxprotokoll ohne weiteres vorlegbar sein müsste.
Fur eine Abmahnung war auch noch ausreichend Zeit. Die Antragstellerin stützt hier ihr Begehren auf eine bereits geschehene Verletzung ihrer Rechte. Dass eine Wiederholung, also eine erneute Verletzung ihrer Rechte durch die Antragsgegnerin unmittelbar noch am selben Tag drohte bzw. bei vorheriger Abmahnung ein gerichtliches Unterlassungsgebot zu spät gekommen wäre, hat die Antragstellerin nicht nachvollziehbar dargelegt. Im Zeitalter elektronischer Nachrichtenübermittlung darf die Möglichkeit einer vorherigen Abmahnung unter Setzung einer kurzen, ggf. nach Stunden bemessenen Frist nicht außer Acht gelassen werden (vgl. KG a.a.O.). Hiervon hätte ohne weiteres vor der antragstellerseits beabsichtigten Presseerklärung Gebrauch gemacht werden können.
Es ist vorliegend auch kein Fall vorsätzlichen oder grob rechtswidrigen Verhaltens ersichtlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des OLG München vom 2. Mai 2002 (Az. 21 W 988/00). Dort ging es nämlich um eine Veröffentlichung, bei der der Verletzer in offensichtlich vorsätzlicher Weise die Persönlichkeitsrechte des dort Betroffenen verletzte, weil ein erfundenes Interview veröffentlicht wurde. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, der eine Bildnisveröffentlichung zum Gegenstand hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
Mauck
von Bresinsky
Stöß
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