„Geschlagen und misshandelt”: kein berechtigtes Berichterstattungsinteresse

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

31. 01. 2008


Aktenzeichen

27 O 1129/07


Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung vom 29. November 2007 wird bestätigt.

  2. Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand


Tatbestand

Der Antragsteller macht einen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch im einstweiligen Rechtsschutz geltend.

Die Antragsgegnerin verlegt die Zeitschrift ..., in deren Ausgabe Nr. 48 vom 21. November 2007 sie den im Folgenden in schwarz-weiss-Kopie wiedergegebenen Beitrag über den Antragsteller veröffentlichte:

Der Antragsteller ist seit 2005 einer der Hauptdarsteller ... .

Der Antragsteller hält die Berichterstattung für persönlichkeitsrechtsverletzend und hat am 29. November 2007 eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden ist, in Bezug auf den Antragsteller zu veröffentlichen und / oder zu verbreiten und / oder veröffentlichen und / oder verbreiten zu lassen:

"Dunkle Schatten über ihrer Liebe (...) Liv B. (30), ... Ex-Freundin und Managerin, behauptet, er habe sie geschlagen, misshandelt. Sie erwirkte eine Verfügung, die ihm untersagt, ihr näher als 50 Meter zu kommen, sie zu beleidigen oder gesundheitlich zu gefährden."

Gegen diese der Antragsgegnerin zwecks Vollziehung zugestellte einstweilige Verfügung richtet sich ihr Widerspruch.

Sie macht geltend:

Der Antragsteller sei eine Person der Zeitgeschichte, über die auch ohne Anlass berichtet werden dürfe. Er und seine neue Partnerin ... präsentierten ihre Beziehung offensiv in der Öffentlichkeit, so z. B. in dem der Zeitschrift ... gewährten Interview, auf das hinsichtlich seines Inhalts verwiesen wird (Anlage VB 5, 6) oder dem Interview des Antragstellers im ... (Anlage VB 4). Wer sich zu privaten Aspekten seines Lebens in der Öffentlichkeit auslasse, müsse hinnehmen, dass nicht nur über lichtvolle Momente berichtet werde.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Er verteidigt den geltend gemachten Unterlassungsanspruch und vertieft sein bisheriges Vorbringen.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, weil sie zu Recht ergangen ist (§§ 935, 936 ZPO).

Der Antragsteller hat einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der angegriffenen Berichterstattung in der Zeitschrift ... gegen die Antragsgegnerin als Verlegerin aus §§ 823 Abs. 1 und 2 i. V. m. 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.

Die Veröffentlichung stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers dar. Das Interesse des Antragstellers, dass über früheren Verfehlungen nicht berichtet wird, überwiegt das öffentliche Informationsinteresse an dem im Bericht geschilderten Verhalten und der gegen den Antragsteller erwirkten gerichtlichen Verfügung.

Ist jemand strafrechtlich verurteilt, hat er seine namentliche Erwähnung in weitergehendem Maße hinzunehmen denn als bloßer Angeklagter. Wer den Rechtsfrieden bricht, durch seine Tat Mitmenschen oder Rechtsgüter anderer oder der Gemeinschaft angreift oder verletzt, muss es neben den strafrechtlichen Sanktionen grundsätzlich ebenso dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden Gemeinschaft auf dem dafür üblichen Weg befriedigt wird. Das ist um so mehr der Fall, je mehr die Straftat sich durch die Besonderheit des Angriffsobjekts, die Art der Begehung oder die Schwere der Folgen aus der üblichen Kriminalität heraushebt. Gleichwohl sind Ausnahmen zu beachten, und zwar insbesondere mit Rücksicht auf das Resozialisierungserfordernis. Bei Straftätern, denen Bewährung eingeräumt ist, sollte auf eine Namensnennung in der Regel verzichtet werden (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 10 Rdz. 198 m. w. Nachw.; vgl. auch Prinz/Peters, Medienrecht, Rdz. 107, 853 m. w. Nachw.).

Vorliegend handelt es sich bei den der einstweiligen Verfügung zugrundeliegenden Verhaltensweisen zwar nicht um Bagatellen, aber um ein in Deutschland wohl hunderttausendfach auftretendes Phänomen. Von schwerwiegenden Folgen der Verfehlungen des Antragstellers ist nichts bekannt. Der Umstand, dass der Antragsteller ... mitspielt, führt nicht zu einem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit, über sein Fehlverhalten gegenüber einer früheren Freundin unterrichtet zu werden. Das Gleiche gilt in Bezug auf die Art und Weise, wie der Antragsteller seine Beziehung zu ... in der Öffentlichkeit präsentiert. Auch dies steht nicht in einem inneren Bezug zu der Berichterstattung der Antragsgegnerin. Besondere Details haben ... und der Antragsteller der Öffentlichkeit nicht verraten. Der Antragsteller hat sich auch nicht etwa dergestalt präsentiert, dass er ein vorbildlicher Freund oder Partner wäre.

Gegen ein berechtigtes Berichterstattungsinteresse spricht zudem der Umstand, dass zum Berichtszeitpunkt das gerichtlich angeordnete Kontaktverbot mehr als ein Jahr zurücklag und daher auch kein Berichterstattungsanlass im Hinblick auf die Aktualität der Ereignisse bestanden haben kann.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15. November 2005 (NJW 2006, 599): Diese betraf einen mit dem vorliegenden nicht vergleichbaren Fall, in dem es um den Verkehrsverstoß eines sehr bekannten Mitglieds des deutschen Hochadels ging, der mit der Tochter des ehemaligen Fürsten von Monaco verheiratet ist und der wegen tatsächlichen oder vermeintlichen Fehlverhaltens in der Vergangenheit immer wieder in das Licht der Öffentlichkeit geriet. Dies ist vorliegend weder ersichtlich noch vorgetragen.

Die Wiederholungsgefahr ist aufgrund der bereits erfolgten Rechtsverletzung zu vermuten und hätte nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden können (BGH NJW 1994, 1281), an der es fehlt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.


Mauck
Stöß
von Bresinsky

Rechtsgebiete

Presserecht