Parabolantenne im Mietshaus
Gericht
Kammergericht Berlin
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
Invalid date
Aktenzeichen
8 U 210/06
Entscheidungsgründe:
1.
Die Beklagten, die kurdischer Abstammung sind und die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben, sind seit Februar 1995 Mieter einer im dritten Obergeschoss gelegenen Wohnung auf dem Grundstück ■■■■■■■■■■■■■■■ . Die Klägerin ist seit dem 18. Mai 2005 Eigentümerin des Grundstücks und verlangt von den Beklagten die Entfernung einer von diesen an dem Geländer des zur Wohnung gehörenden Balkons angebrachten, deutlich sichtbaren Parabolantenne. Mit dieser Parabolantenne ist es den Beklagten möglich, die über einen Satelliten ausgestrahlten kurdischen Fernsehsender ROJTV, Kurdistan TV und KURD Sat zu empfangen. Nummer 3 der besonderen Vertragsbedingungen zum Mietvertrag enthält u.a. folgende Regelungen:
„Gemeinschaftsantenne; Breitbandkabelnetz (sofern vorhanden)
Ist die Wohnung an eine Gemeinschaftsantenne oder an eine mit einem Breitband-
kabelnetz verbundene Verteilanlage angeschlossen, darf der Mieter außerhalb seiner Wohnung keine eigene Antenne für Hörfunk oder Fernsehen anbringen.“
Nummer 7 der zum Mietvertrag gehörenden Allgemeinen Vertragsbestimmungen enthält unter der Überschrift: „Zustimmungsbedürftige Handlungen des Mieters:“ in Absatz 1 e) folgende Regelung:
„Mit Rücksicht auf die Gesamtheit der Mieter und im Interesse einer ordnungsgemäßen
Bewirtschaftung des Hauses und der Wohnung bedarf der Mieter der vorherigen
schriftlichen Zustimmung des Wohnungsunternehmens, wenn er Antennen an-
bringt oder verändert.“
Abs. 2 der Regelung lautet:
„Das Wohnungsunternehmen wird eine Zustimmung nicht verweigern, wenn Belästigungen anderer Hausbewohner und Nachbarn sowie Beeinträchtigungen der Mietsache und des Grundstücks nicht zu erwarten sind.“
Auf dem Balkon im zweiten Obergeschoss unter der Wohnung der Beklagten befindet sich ebenfalls eine deutlich sichtbare Parabolantenne. Mieter dieser Wohnung ist ein vietnamesischer Staatsangehöriger, dem die Klägerin die Aufstellung der Parabolantenne gestattet hat.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Entfernung der Parabolantenne im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Beklagten als deutsche Staatsangehörige kein Informationsbedürfnis hinsichtlich kurdischer, nur über eine Parabolantenne zu empfangender Fernsehsender geltend machen könnten.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass den Beklagten wegen ihrer kurdischen Abstammung ein Informationsbedürfnis hinsichtlich des Geschehens in ihrer ehemaligen Heimat zustünde und dieses Interesse dem Interesse der Klägerin an der Gestaltung der Hausfassade vorginge.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie hält das Urteil nicht für zutreffend. Da die Beklagten - wohl schon bei Abschluss des Mietvertrages - deutsche Staatsbürger gewesen seien, bestünde auch kein Wille zur Rückkehr in ihr Heimatland, so dass für den Empfang kurdischer Fernsehprogramme kein Interesse der Beklagten bestünde, das ihr eigenes Interesse an einer einheitlichen Gestaltung der Außenfassade des Hauses überwiege. Soweit es den Mieter unterhalb der Wohnung der Beklagten angehe, habe sie die Anbringung der Parabolantenne gestattet, weil dessen Bedürfnis am Empfang vietnamesischer Fernsehsender vorrangig zu berücksichtigen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 16. November 2006 und die weiteren Schriftsätze der Klägerin vom 20. Februar, 24. April und 5. September 2007 verwiesen.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 11. Oktober 2006 verkündeten Urteils des
Amtsgerichts Neukölln
1. die Beklagten zu verurteilen, die an der Balkonbrüstung der von ihnen
im Hause der Klägerin, ■■■■■■■■■■■■■■ , im 2. Obergeschoss
innegehaltenen Wohnung, bestehend aus 3 Zimmern, Diele/Flur, Küche,
Toilette mit Bad, angebrachte Parabolantenne zu entfernen;
2. die Beklagten - unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe
von EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, für jeden Fall der
Zuwiderhandlung - zu verurteilen, die Aufstellung oder Installation
einer Parabolantenne auf dem Balkon der von ihnen im Hause der
Klägerin, ■■■■■■■■■■■■■ , im 2. Obergeschoss innegehal-
tenen Wohnung, bestehend aus 3 Zimmern, Diele/Flur, Küche, Toilette
mit Bad, oder an der Hauswand des Gebäudes zu unterlassen, sofern
hierzu nicht eine vorherige schriftliche Zustimmung der Klägerin vorliegt.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend und weisen darauf hin, dass sie trotz der Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft nach wie vor Bindungen an ihr Heimatland und zur kurdischen Volksgruppe hätten.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf ihre Schriftsätze vom 18. Januar, 16. Mai und 24. September 2007 verwiesen.
2.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die Klage zurecht abgewiesen, weil der Klägerin kein Entfernungs- bzw. Unterlassungsanspruch nach § 541 BGB zusteht.
a)
Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch zunächst nicht auf Nr. 3 der Besonderen Vertragsbedingungen stützen. Der Bundesgerichtshof hat diese Regelung in seinem Urteil vom 16. Mai 2007 - VIII ZR 207/04 -, GE 2007, 982 = NZM 2007, 597, dem dieselben Mietvertragsregelungen zugrunde lagen, wegen ihres unabdingbaren und keine Ausnahme zulassenden Inhalts als unwirksam (§ 307 BGB) angesehen.
b)
Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf Nr. 7 Abs. 1 e, Absatz 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen stützt, liegen in tatsächlicher Hinsicht deren Voraussetzungen zwar vor: Die Beklagten haben die Parabolantenne am Geländer des Balkons angebracht und zwar derart, dass diese ohne weiteres sichtbar ist und den Gesamteindruck der Außenfront des Hauses, deren Balkone ganz überwiegend nicht mit Parabolantennen versehen sind, optisch beeinträchtigt. Dem Anspruch der Klägerin steht jedoch ein Anspruch der Beklagten auf Duldung dieser Parabolantenne entgegen. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin dem unter den Beklagten wohnenden Mieter mit vietnamesischer Staatsbürgerschaft die Anbringung einer gleichen Antenne auf gleiche Art und Weise auf dessen Balkon gestattet hat, ist sie hierzu auch gegenüber den Beklagten verpflichtet, wenn die Interessenlage der beiden Mieter gleich liegt (vgl. BVerfG, Beschl. vom 27.10.2006 - 1 BvR 1320/04, GE 2007, 902 = NZM 2007, 125). Hiervon ist entgegen der Auffassung der Klägerin auszugehen. Ebenso, wie dem vietnamesischen Mieter in der darunter liegenden Wohnung, steht den Beklagten das Grundrecht der Informationsfreiheit nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu; dieses begründet ein besonderes Informationsinteresse, nämlich das Interesse am Empfang nur über Satelliten verfügbarer kurdischer Fernsehsender ihres Heimatlandes und bestimmt hinsichtlich der Ausstattung der Wohnung mit Empfangsgeräten den Umfang des vertragsgemäßen Verbrauchs. Ein Informationsinteresse wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (z. B. Beschl. vom 09.02.1994 - 1 BvR 1687/92, NJW 1994, 1147, 1148; Beschl. vom 24.01.2005 - 1 BvR 1953/00, GE 2005, 235) den in Deutschland lebenden Ausländern gewährt, damit sie sich über das Geschehen in ihrem Heimatland unterrichten und die kulturelle und sprachliche Verbindung hierzu aufrecht erhalten können. Ein gleiches Recht können aber auch Mieter wie die Beklagten in Anspruch nehmen, die als Ausländer nach Deutschland gekommen sind, aber zwischenzeitlich die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben (vgl. hierzu VerfGH Berlin, Beschl. vom 02.07.2007 - VerfGH 136/02, GE 2007, 1178). Der Senat vermag schon nicht zu erkennen, welchen sachlich gerechtfertigten Grund es dafür geben sollte, ein die Anbringung einer Parabolantenne rechtfertigendes Informationsinteresse bis etwa einen Tag vor der Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft anzunehmen, dieses aber am darauffolgenden Tag unter Hinweis auf den nunmehrigen Status des Mieters als „Deutscher“ zu verneinen. Unerheblich ist auch, ob mit der Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft etwa zugleich die Aufgabe des „Rückkehrwillens“ dokumentiert wird (vgl. LG Berlin, Beschl. vom 17.11.2003 - 67 S 230/03, GE 2004, 181). Einem in seiner Heimat etwa aus politischen oder rassischen Gründen verfolgten Ausländer wird die Rückkehr überhaupt nicht möglich sein, einem in seiner Heimat wirtschaftliche Not leidenden Ausländer wird die Rückkehr aus humanitären Gründen nicht zugemutet werden können. Mit der Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft entfällt die (Ver-) Bindung des eingebürgerten Ausländers zu seinem Heimatland nicht automatisch (vgl. zur Problematik insgesamt auch Lammel, Juris PR-MietR 4/2006 Anm.1). Der Senat hält eine Differenzierung lediglich danach, ob der Mieter deutscher Staatsangehöriger ist oder nicht (so z. B. AG Wedding, Urt. vom 11.08.2005 - 9 C 187/05, GE 2005, 1495; AG Frankfurt, Urt. vom 09.02.2004 - 33 C 4463/03, GE 2004, 1594), in den Fällen des nachträglichen Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit für ungeeignet. Solange keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass in Fällen dieser Art ein Informationsbedürfnis lediglich vorgeschoben ist, um die Erlaubnis zur Installation einer Parabolantenne zu erhalten, kann der Mieter vom Vermieter die Duldung verlangen, wenn auf andere Art und Weise seinem Informationsbedürfnis nicht Rechnung getragen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung war die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO zuzulassen.
Spiegel Dr. Henkel Bieber
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