Schadensersatz für Mieter-Mobbing

Gericht

OLG Köln


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

06. 02. 2006


Aktenzeichen

16 Wx 197/05


Leitsatz des Gerichts

Dem Wohnungseigentümer, dessen Mieter von einem anderen Wohnungseigentümer aus dem Wohnhaus gemobbt wurden, stehen grundsätzlich Schadensersatzansrüche wegen entgangener Miete zu.

Tenor


Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Ag. gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des LG Köln vom 12.09.2005 - 29 T 180/04 - wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde sowie die außergerichtlichen Kosten der Ast. tragen die Ag..

Entscheidungsgründe


Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung in vollem Umfang stand. Den Antragstellern steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegenüber den Antragsgegnern in der vom LG zuerkannten Höhe wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Gemeinschaftsverhältnis zu. Der Ag. zu 1) haftet den Antragstellern darüber hinaus auch aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung (§ 823 II BGB i.V. mit §§ 1004 BGB, 14 Nr. 1 WEG).

Aus dem Gemeinschaftsverhältnis treffen jeden Wohnungseigentümer über § 14 Nr. 1 WEG Schutz- und Treuepflichten hinsichtlich des Umgangs mit dem Gemeinschaftseigentum. Nach der genanten Vorschrift hat jeder Wohnungseigentümer sein Sondereigentum und das Gemeinschaftseigentum so zu benutzen, dass den übrigen Wohnungseigentümern daraus keine vermeidbaren Nachteile entstehen. Diese Pflichten haben die Ag. verletzt, weil die Mieter der Ast. durch das von den Vorinstanzen festgestellte Verhalten des Ag. zu 1. in ihrem Besitzrecht derart beeinträchtigt worden sind, dass sie berechtigt waren, das Mietverhältnis zu beenden bzw. die Miete gem. § 537 BGB a.F. zu mindern. Den hierdurch entstandenen Schaden haben die Ag. den Antragstellern, die durch das Verhalten des Ag. zu 1) auch in ihrem Eigentumsrecht verletzt worden sind, zu erstatten.

Das LG hat ausreichende Feststellungen getroffen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Mieter O und C sowie der Mieter I und seine Lebensgefährtin durch beleidigendes, bedrohendes und aggressives Verhalten des Ag. zu 1) in der vertragsgemäßen Nutzung der von den Antragstellern gemieteten Wohnung erheblich beeinträchtigt waren. Dabei ist der Senat mit den Vorinstanzen der Auffassung, dass die Ag. zu 2) sich die Pflichtverletzungen des Ag. zu 1) zurechnen lassen muss. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Gründe in den Entscheidungen der Vorinstanzen verwiesen.

Die Mieter O und C waren auf Grund der von ihnen geschilderten Belästigungen, Beleidigungen und Beschimpfungen durch den Ag. zu 1) berechtigt, das Mietverhältnis im Oktober 1998 ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu beenden. Die Beweiswürdigung der Tatrichter, die den Bekundungen der Zeugen Glauben geschenkt haben, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Für die Mieter O und C war die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar, nachdem es den Antragstellern nicht gelungen war, auf die Rüge der Mieter hin auf eine positive Änderung des Verhaltens des Ag. zu 1) hinzuwirken. Die fortwährenden Belästigungen des Ag. zu 1) - insbesondere gegenüber der Zeugin O - waren mit den Grundregeln eines gedeihlichen und geordneten Zusammenlebens nicht zu vereinbaren und von den Mietern nicht weiter zu dulden. Da das Mietverhältnis erst im Oktober 1998 zum Ende des Monats beendet worden ist, entspricht es der Lebenserfahrung, dass eine Weitervermietung der Wohnung noch vor dem 01.11.1998 nicht möglich war. Den Mietausfall für diesen Monat haben die Ag. den Antragstellern deshalb als Schaden zu erstatten, wobei die Höhe der vom AG auf 1.000,00 DM geschätzten Miete unbestritten ist.

Nach den weiteren Feststellungen des LG waren auch die Mieter I und seine Lebensgefährtin, die die Wohnung ab 01.12.1998 bezogen hatten, verbalen und darüber hinaus auch tätlichen Angriffen des Ag. zu 1) ausgesetzt. Sie waren hierdurch in der Ausübung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietwohnung in nicht unerheblichem Maße gehindert und deshalb berechtigt, die Miete zu mindern.

Auch diese Feststellungen des LG sind verfahrensfehlerfrei getroffen und nicht zu beanstanden. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit darf der Richter sich nach pflichtgemäßem Ermessen auf eine formlose Beweisaufnahme beschränken, wenn die Wahrheitsfindung dadurch nicht erschwert wird. Zeugenaussagen dürfen auch ohne eigene Vernehmung durch das Gericht verwertet werden, wenn sie protokolliert sind. Das LG hat in zulässiger Weise auf die Beweisaufnahme in dem Wohnungseigentumsentziehungsverfahren 22 C 270/99 AG Kerpen; 29 S 90/00 LG Köln sowie auf den Akteninhalt der in diesem Verfahren beigezogenen Akten verwiesen und diese Beweismittel verwertet.

Das von dem LG im Urteil vom 10.05.2001 - 29 S 90/00 - im Einzelnen festgestellte beleidigende, aggressive und tätliche Verhalten des Ag. zu 1) gegenüber dem Mieter der Ast. I und dessen Lebensgefährtin Dr. J, das zur Entziehung des Wohnungseigentums der Ag. geführt und das das LG auch im vorliegenden Verfahren rechtsfehlerfrei als bewiesen angesehen hat, hatte eine Minderung der Miete ab Februar 1999 zur Folge und verursachte dadurch einen Mietausfallschaden der Ast., ohne dass diesen eine Verletzung der Schadensminderungspflicht (§ 254 II BGB) zur Last gelegt werden kann.

Die vom LG festgestellten Verhaltensweisen des Ag. zu 1) haben den Mieter I und seine Lebensgefährtin nicht nur in ihrem körperlichen Wohlbefinden beeinträchtigt, sondern sie auch im vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache in erheblichem Umfang gehindert, da ein unbeschwerter Zugang zum Mietobjekt und ein Verlassen der Wohnung sowie ein Aufenthalt im Garten ohne die Gefahr eines belästigenden Verhaltens seitens des Ag. zu 1) nicht mehr gewährleistet war.

Ob die Mietminderung in voller Höhe des vom LG zuerkannten Mietausfallschadens nach § 537 BGB a.F. gerechtfertigt war, kann dahinstehen. Denn die Ast. waren wegen einer etwaigen überhöhten Minderung nicht gehalten, gegen ihre Mieter gerichtlich vorzugehen und damit Gefahr zu laufen, dass auch dieses Mietverhältnis - wie auch schon das vorherige - wegen des extrem belästigenden Verhaltens des Ag. zu 1) ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet würde. Denn im Hinblick auf die bisherigen erfolglos gegenüber den Antragsgegnern ausgesprochenen Abmahnungen bestand keine berechtigte Hoffnung für die Ast., dass die Ag. mit einem neuen Mieter in Zukunft in Frieden zusammenleben würden. Im Übrigen haben die Ast. - worauf bereits das LG zutreffend hingewiesen hat - ihrer Schadensminderungspflicht dadurch Genüge getan, dass sie das Verfahren auf Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 WEG eingeleitet haben.

Die sofortige weitere Beschwerde der Ag. war deshalb zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen i.S. dieser Vorschrift, den auch in dritter Instanz unterlegenen Antragsgegnern die Gerichtskosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde aufzuerlegen. Des weiteren haben die Ag. den Antragstellern auch deren außergerichtliche Kosten zu erstatten. Der Senat ist mit den Vorinstanzen der Auffassung, dass hier ausnahmsweise eine Kostenerstattung wegen der erheblichen Pflichtverletzungen auf Seiten der Ag. gerechtfertigt ist. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird gem. § 48 III WEG auf 8.913,45 EUR festgesetzt.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht; Garten- und Nachbarrecht

Normen

BGB § 1004, § 823 II