Kein schwerwiegender Eingriff in Persönlichkeitsrecht bei Vierjährigem durch Bildpublikation

Gericht

LG Koblenz


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

14. 11. 2007


Aktenzeichen

13 O 6/07


Tenor

Der Antragstellerin zu 1) wird Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt, soweit sie beabsichtigt, von der Antragsgegnerin eine Geldentschädigung bis zu einem Betrag von 2.500,00 € zu verlangen.

Ihr wird Rechtsanwältin ... zur Vertretung im Verfahren beigeordnet.

Im Übrigen wird der Antrag beider Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Die Antragstellerin zu 1) und ihr heute vier Jahre alter Sohn, der Antragsteller zu 2), begehren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs auf Geldentschädigung gegen die Antragsgegnerin in Höhe von mindestens 20.000,00 € (Antragstellerin zu 1) und von mindestens 2.500,00 € (Antragsteller zu 2). Die Antragsgegnerin ist Verlegerin der Zeitschrift ... . In der Ausgabe 21, Erscheinungsdatum 19.05.2007, veröffentlichte die Antragsgegnerin einen zweispaltigen Textbeitrag mit drei Lichtbildern (GA 29), auf denen unter anderem die Antragsteller "ungeschützt", d.h. ohne eine Verfremdung der Lichtbilder zu Anonymisierungszwecken, abgebildet sind. Die Antragsteller sehen hierdurch und durch den Inhalt des Textbeitrages ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Wegen der Begründung des Antrags im Einzelnen wird auf die Antragsschrift und ihre nachfolgenden Schriftsätze einschließlich des Schriftsatzes vom 09.11.2007 Bezug genommen. Die Antragsgegnerin ist dem Prozesskostenhilfeantrag in der Sache entgegen getreten.


II.

Der Antrag der Antragstellerin zu 1) hat nur teilweise Erfolg; der Antrag des Antragstellers zu 2) ist in vollem Umfang abzulehnen.

Gemäß § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung besteht lediglich hinsichtlich der Antragstellerin zu 1) bis zu einem Betrag von 2.500,00 €.

Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen Anspruch auf eine Geldentschädigung (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Artt. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG), wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann; das hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. BGHZ 160, 298, 306).

Soweit die Antragstellerin zu 1) den Inhalt der Textveröffentlichung beanstandet, kommt die Zubilligung einer Geldentschädigung - auch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs mit den beanstandeten Lichtbildern - nicht in Betracht, weil die Antragstellerin insoweit die Möglichkeit hätte, im Wege der Ansprüche auf Abdruck einer Gegendarstellung, Unterlassung, Widerruf beziehungsweise Richtigstellung gegen den Inhalt der von ihr als unwahr dargestellten Tatsachenbehauptungen vorzugehen und somit Genugtuung für die behauptete Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts zu erlangen.

Anders liegt es dagegen bei den beanstandeten Bildveröffentlichungen, weil dem Verletzten gegen eine solche Rechtsverletzung im Regelfall keine anderen Abwehrmöglichkeiten als ein Anspruch auf eine Geldentschädigung zur Verfügung stehen (vgl. BGH a.a.O.).
So liegt es auch hier. Die Antragstellerin zu 1) beanstandet mit Recht, dass der Abdruck des "ungeschützten" Lichtbildes ihrer Person dem Leser der Zeitschrift eine personelle Zuordnung zu dem Geschehen ermöglicht, das Gegenstand des Textbeitrages ist. Die Veröffentlichung verletzt die Antragstellerin in ihrem Recht am eigenen Bild nach § 22 KunstUrhG. Eine Einwilligung zur Veröffentlichung ihres Fotos hat die Antragsgegnerin unstreitig nicht erteilt; dass die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestandes nach § 23 KunstUrhG vorliegen, ist von der Antragsgegnerin weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich. Die Verletzung des Rechts am eigenen Bild ist im Hinblick auf den Gegenstand des Berichts auch nicht als unerheblich anzusehen. Der Bericht befasst sich mit einem Strafverfahren vor dem Landgericht Koblenz gegen den Ehemann der Antragstellerin zu 1) vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin zu 1) mit einem Gynäkologen ein außereheliches Verhältnis hatte, aus dem zwei Kinder, unter anderem der Antragsteller zu 2), hervorgegangen sind. Der Textbeitrag lässt zwar für sich genommen aufgrund einer Änderung der Namen der Beteiligten eine Identifizierung für den mit dem Geschehen nicht vertrauten Leser nicht zu; diese Anonymisierung wird jedoch zumindest insoweit durch die Tatsache entwertet, als die veröffentlichten Lichtbilder den Lesern, die die Beteiligten auf den Lichtbildern wiedererkennen, eine Zuordnung zu dem berichteten Geschehen ermöglichen. Diese Umstände rechtfertigen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dem Grunde nach.

Hinsichtlich der Höhe des von der Antragstellerin zu 1) erstrebten Betrages kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe über einen Betrag von 2.500,00 € hinaus nicht in Betracht. Insoweit ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung und -abwägung der Umstände auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes insbesondere zu berücksichtigen, dass eine unmittelbare Zuordnung zu dem berichteten Geschehen nur dem - zahlenmäßig überschaubaren - Leserkreis möglich ist, dem die abgebildete Antragstellerin zu 1), der Antragsteller zu 2), der Ehemann oder der Gynäkologe persönlich bekannt sind. Die Antragstellerin zu 1) hat nicht näher dargelegt, dass die Zeitschrift ... in ihrem Bekanntenkreis Verbreitung hat und es (erst) aufgrund dieser Veröffentlichung zu einer Identifizierung der Antragstellerin gekommen ist. Es handelt sich im Übrigen lediglich um einen kleineren, zweispaltigen Artikel im Innenteil des Heftes und nicht um eine Aufmachung etwa auf der Titelseite der Zeitschrift, die als Blickfang für eine größere Leserschaft dienen könnte. Zudem werden die wesentlichen in dem Textbeitrag berichteten Tatsachen - außereheliche Beziehung, aus der zwei Kinder hervorgegangen sind, nachfolgendes Strafverfahren gegen den Ehemann einschließlich der Wiedergabe des Tatvorwurfs -, von der Antragstellerin zu 1) nicht als unwahr beanstandet. Die dort berichteten Tatsachen sind auch nicht geeignet, die Antragstellerin in der öffentlichen Wahrnehmung in einer Weise herabzusetzen, dass die Zubilligung einer höheren Geldentschädigung in Betracht käme.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers zu 2) hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es kann offen bleiben, ob der Antragsteller zu 2) (allein) durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin ordnungsgemäß vertreten ist und es daher gegebenenfalls an einer ordnungsgemäßen Antragstellung fehlt.

Der Antrag ist jedenfalls unbegründet. Ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers zu 2), der die Zubilligung einer Geldentschädigung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller ist heute vier Jahre alt. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass er von den Auswirkungen der Veröffentlichung in der Zeitschrift ... in nicht unerheblicher Weise persönlich betroffen wäre. Soweit in der Antragsschrift vorgetragen wird, aufgrund des jungen Lebensalters des Kindes würden ihm die Auswirkungen zwar nicht unmittelbar deutlich, er reagiere aber "dennoch auffällig", ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller zu 2) gerade an den Folgen der beanstandeten Berichterstattung - und nicht lediglich an den Folgen des zugrunde liegenden tatsächlichen Geschehens, das der Antragsgegnerin nicht zuzurechnen ist - zu leiden hat. Der Antragsteller hat nicht dargetan, inwiefern er durch die Veröffentlichung des Lichtbildes, das ihn mit seinem leiblichen Vater zeigt, persönlich herabgesetzt wird; dies ist auch im Übrigen nicht ersichtlich. Vorgänge, die der durchschnittliche Leser dem Antragsteller zu 2) als in irgendeiner Weise ehrenrührig oder nachteilig zur Last legen könnte, sind nicht Gegenstand des bebilderten Textbeitrags.
Es ist auch nicht erkennbar, dass dem Antragsteller zu 2) durch die beanstandete Veröffentlichung in irgendeiner anderen Weise Nachteile entstehen könnten. Insbesondere ist nicht zu befürchten, dass die "ungeschützte" Veröffentlichung seines Lichtbildes weitere Nachstellungen und Verfolgungen durch die Medien zur Folgen haben könnte (vgl. hierzu BGH, a.a.O.).

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).


Graefen
Steinhausen
Dr. von Gumpert

Rechtsgebiete

Presserecht