Bundesnachrichtendienst: Das Recht der Journalisten auf Auskunft erstreckt sich auch auf Akten-Daten
Gericht
BVerwG
Art der Entscheidung
Pressemitteilung
Datum
28. 11. 2007
Aktenzeichen
6 A 2.07
Bundesnachrichtendienst zur Auskunft an Journalisten verpflichtet
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der Bundesnachrichtendienst verpflichtet ist, einem Journalisten Auskunft über ihn betreffende personenbezogene Daten zu erteilen, auch soweit diese in Akten enthalten sind.
Der Kläger ist als Journalist bei der Berliner Zeitung tätig. Darin wurde Anfang November 2005 ein Artikel veröffentlicht, in dem über die Observation eines Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst berichtet wurde. Das Thema wurde in den folgenden Wochen von anderen Medien aufgegriffen. Im November 2005 beauftragte das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof a.D. Dr. Schäfer als Sachverständigen, den in der Presse erhobenen Vorwürfen nachzugehen, der Bundesnachrichtendienst habe über längere Zeiträume hinweg Journalisten überwacht, um so deren Informanten aus dem Bundesnachrichtendienst zu enttarnen. Im Mai 2006 wurde das in der Öffentlichkeit als "Schäfer-Bericht" bezeichnete Gutachten des Sachverständigen in einer teilweise anonymisierten Fassung veröffentlicht. In den Monaten Mai und Juni 2006 wurde in der Presse mehrfach darüber berichtet, dass ein namentlich bezeichneter Leipziger Journalist Informationen über den Kläger gegen Entgelt an den Bundesnachrichtendienst weitergegeben habe.
Der Kläger begehrte daraufhin vom Bundesnachrichtendienst Auskunft darüber, "welche Informationen und Daten Sie über mich gespeichert haben". Der Bundesnachrichtendienst entsprach dem Auskunftsbegehren des Klägers nur hinsichtlich elektronisch gespeicherter Daten. Dagegen lehnte er Auskünfte über den Inhalt seiner Akten ab.
Die daraufhin erhobene Klage, für die das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zuständig war, hatte Erfolg. Nach § 7 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BNDG) erteilt der Bundesnachrichtendienst dem Betroffenen auf Antrag Auskunft über zu seiner Person nach § 4 BNDG gespeicherte Daten. Obwohl in § 4 Abs.1 BNDG nur von der Speicherung von Informationen in Dateien die Rede ist, muss § 7 BNDG in Anbetracht des Grundrechts des Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass zu "gespeicherten Daten" auch solche zählen, die in Akten enthalten sind, ohne elektronisch gespeichert zu sein. Der Ausgleich zwischen dem individualrechtlichen Auskunftsanspruch und dem nachrichtendienstlichen Geheimhaltungsinteresse wird dadurch gewährleistet, dass § 7 BNDG für die Auskunftsgewährung auf § 15 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) verweist. Danach unterbleibt eine Auskunftserteilung u.a. dann, wenn eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist. Auf gerichtliche Nachfrage hin hat der Bundesnachrichtendienst ausdrücklich erklärt, dass die in § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BVerfSchG genannten Geheimhaltungsgründe einer Auskunftserteilung an den Kläger nicht im Wege stehen. Er hat sich lediglich "grundsätzlich aus Rechtsgründen daran gehindert" gesehen, dem Auskunftsbegehren zu entsprechen. Deshalb war der Klage stattzugeben.
BVerwG 6 A 2.07 – Urteil vom 28. November 2007
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