Berichterstattungs-, aber kein Identifikationsinteresse

Gericht

LG Mannheim


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

06. 11. 2007


Aktenzeichen

2 O 180/07


Tenor

  1. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger gesamtschuldnerisch 2.000 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Juli 2007 zu zahlen.

  2. Die Beklagte Ziffer 1 wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 229,55 Euro zu zahlen.

  3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

  4. Die Kosten des Rechtstreits tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 1/3.

  5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger allerdings nur gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vorher jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Kläger begehrt Ersatz für materielle und immaterielle Schäden wegen Verletzung seines Rechts am eigenen Bild.

Die Beklagte Ziffer 1 ist Herausgeberin ... . Der Beklagte Ziffer 2 ist deren Chefredakteur. Am 19.03.2007 veranstaltete die Beklagte Ziffer 1 in Heidelberg ein von ihr so bezeichnetes "Bordsteinduell" zwischen dem Sänger Rea Garvey, welcher mit seiner Band Reamon international bekannt ist, und dem bisher einer breiteren Öffentlichkeit nicht bekannt gewordenen Sänger Paul Walsh. Im Rahmen dieses "Bordsteinduells" musizierte der Sänger Rea Garvey auch vor dem Restaurant, in welchem der Kläger arbeitet. Der Kläger schickte Rea Garvey, ohne ihn zu erkennen, weg, mit der Begründung, er dürfe vor dem Restaurant keine Musik machen, er, der Kläger, bekäme sonst Ärger mit seinem Chef. Ein Mitarbeiter der Beklagten Ziffer 1 fertigte dabei Lichtbilder vom Kläger an, welche zeigen, wie der Kläger vor dem Restaurant steht und Rea Garvey wegschickt. Nachdem Rea Garvey der Aufforderung des Klägers, sich zu entfernen, nachgekommen war, erschien ein Mitarbeiter der Beklagten Ziffer 1 bei dem Kläger im Restaurant und klärte diesen darüber auf, dass es sich bei dem Sänger um Rea Garvey gehandelt habe. Um seine Einwilligung zur Veröffentlichung der von ihm angefertigten Lichtbilder wurde der Kläger in diesem Gespräch nicht gefragt.

Die Beklagte Ziffer 1 berichtete in der Mai - Ausgabe der Zeitschrift ..., in einem auch so überschriebenen Artikel über das "Bordsteinduell". Die Berichterstattung beinhaltete u. a. eine Fotografie des Klägers, auf welcher zu sehen ist, wie er Rea Garvey wegschickt. Hinsichtlich des genauen Inhalts des Artikels nebst Fotografien wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Unmittelbar nach Erscheinen des Artikels wurde der Kläger von seinem Arbeitgeber, Kollegen aus Heidelberger Restaurantbetrieben sowie Hotelgästen auf das "Bordsteinduell" angesprochen. Über Wochen sah sich der Kläger der Bemerkung ausgesetzt, er sei derjenige, "bei dem der Spaß aufhöre". Er musste sich wiederholt die Frage gefallen lassen, wie man nur so idiotisch sein könne, Rea Garvey wegzuschicken.

Mit Anwaltsschreiben vom 18.04.2007 wurde die Beklagte Ziffer 1 u. a. aufgefordert, die streitgegenständliche Veröffentlichung des Bildes des Klägers zu unterlassen und eine Entschädigung zu zahlen.

Der Kläger behauptet, er sei durch den Artikel über das "Bordsteinduell" in seinem beruflichen Fortkommen in der Heidelberger Gastronomieszene gehindert. Neben der Beklagten Ziffer 1 hafte der Beklagte Ziffer 2 als Gesamtschuldner, denn er hätte nachfragen müssen, ob eine Einwilligung des Klägers für die Bildveröffentlichung vorlag.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 6.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, außergerichtliche Anwaltkosten in Höhe von 566,69 Euro und außergerichtliche Kosten in Höhe von 20 Euro zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, sie hätten mit der Berichterstattung über das "Bordsteinduell" einen sozialkritischen Feldversuch über den Umgang mit Straßenmusikern durchgeführt. Sie halten den Kläger in dem Zusammenhang für eine Person der Zeitgeschichte. Er sei bewusst an die Öffentlichkeit getreten, als er eine ihm nicht obliegende Aufgabe wahrgenommen habe. Selbst wenn dies nicht so sei, so hätte man die Einwilligung des Klägers vor der Anfertigung der Bildaufnahmen nicht einholen können. Nach der Anfertigung habe der Kläger gegenüber dem ihn ansprechenden Redakteur keinerlei Vorbehalte zur Verwertbarkeit des Bildmaterials geäußert. Darüber hinaus sei der Kläger nicht negativ, sondern als pflichtbewusste Person und "menschlich" dargestellt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch aus § 823 Absatz 1 BGB in Verbindung mit Art. 1, 2 GG wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dieser Anspruch umfasst sowohl den Ersatz materiellen als auch immateriellen Schadens.

1.) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht am eigenen Bild. Die Beklagten haben rechtswidrig in das Recht des Klägers am eigenen Bild eingegriffen.

a.) Gemäß § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse einer Person nur mit deren Einwilligung verbreitet werden. Eine solche hat der Kläger ausdrücklich nicht erteilt. Die Beklagten berufen sich zwar darauf, der Kläger habe gegenüber dem ihn nach dem "Bordsteinduell" ansprechenden Mitarbeiter der Beklagten Ziffer 1 keine Vorbehalte hinsichtlich der Verwendung der Fotografien geäußert. Darin kann aber schon deswegen keine konkludente Einwilligung gesehen werden, weil der Kläger von dem Mitarbeiter der Beklagten Ziffer 1 überhaupt nicht darüber informiert wurde, dass er fotografiert worden und eine Veröffentlichung dieser Fotos geplant sei.

b.) Der Kläger musste auch nicht nach § 23 Absatz 1 Nr. 1 KUG als Person des öffentlichen Lebens hinnehmen, dass Aufnahmen ohne seine Einwilligung verbreitet wurden. Die im Rahmen dieser Vorschrift vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten führt zu dem Ergebnis, dass es nicht zulässig war, im Zusammenhang mit dem "Bordsteinduell" in identifizierbarer Weise über den Kläger zu berichten.

Der in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG verwendete Begriff der Zeitgeschichte ist vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen und nicht auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung beschränkt (BVerfG NJW 2001, 1921 - Prinz Ernst August von Hannover). Vielmehr rechnen hierzu auch tagesaktuelle Ereignisse auf lokaler Ebene, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregen (Wandtke/Bullinger, UrhG, § 23 KUG, Rdn. 3 f m.w.N.), ebenso wie unterhaltende Beiträge zu Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse (BGH NJW 2007, 1977), wie auch das vorliegend zu beurteilende "Bordsteinduell". Dessen Durchführung mit begleitender Berichterstattung diente der Information einer breiteren Öffentlichkeit über den Alltag von Straßenmusikern und war insofern schon von sich aus auf eine gewisse Publikumswirksamkeit hin ausgelegt.

Mit der Einstufung des "Bordsteinduells" als tagesaktuelles Ereignis der Zeitgeschichte ist jedoch nur die Anerkennung eines prinzipiellen öffentlichen Informationsbedürfnisses verbunden, aber noch nichts über die Zulässigkeit der Bildberichterstattung über den Kläger ausgesagt. Hierüber entscheidet eine im vorliegenden Fall vorzunehmende Abwägung zwischen den Informationsinteressen der Allgemeinheit und der Achtung der Persönlichkeitsrechte des Klägers. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerade auch an einer weitgehenden Identifizierung des Betroffenen durch Veröffentlichung seines Bildnisses das Anonymitätsinteresse des Betroffenen überwiegen muss (OLG Celle, NJW-RR 2001, 335). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nach den hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ersichtlich nicht gegeben.

Eine Interessenabwägung zugunsten des Berichtsinteresses der Presse kommt bei relativen Personen der Zeitgeschichte in Betracht, also solchen Personen, die nur im Zusammenhang mit einem bestimmten Ereignis oder Vorgang Bedeutung erlangt haben und dadurch vorübergehend aus der Anonymität herausgetreten sind (Wandke/Bullinger, a.a.O., Rdn. 12). Dies wurde etwa angenommen für Straftäter, deren Tat aus dem Rahmen des Alltäglichen fällt und allgemeines Aufsehen erregt, wobei maßgebliche Bewertungsfaktoren die Schwere der Straftaten (etwa Kapitalverbrechen) und eine etwaige öffentliche Stellung des Betroffenen sind (OLG Celle, a.a.O.).

Mit solchen Konstellationen ist die des Klägers, der im Zusammenhang mit dem "Bordsteinduell" dadurch in Erscheinung getreten ist, dass er den Sänger Rea Garvey (unbekannterweise) darauf hinwies, dieser dürfe nicht vor dem Restaurant "zum Güldenen Schaf" musizieren, nicht im Ansatz vergleichbar. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es für die Berichterstattung gerade auf die Identifizierbarkeit des Klägers ankam. Für die Öffentlichkeit war es ausreichend zu erfahren, dass und mit welchem Ziel das "Bordsteinduell" durchgeführt wurde, insbesondere wie Passanten und/oder Gewerbetreibende den beiden Teilnehmern des "Bordsteinduells" begegnet sind. Diesem Informationsinteresse konnte durch eine anonymisierte Berichterstattung genüge getan werden, wie es hinsichtlich der Reaktion der Passanten auf die beiden Sänger auch überwiegend geschehen ist. Ein Interesse an der Preisgabe der Identität des Klägers durch die Veröffentlichung von dessen Bildnis bestand mithin nicht.

2.) Ein Geldentschädigungsanspruch besteht bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts allerdings nur dann, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann. Das hängt insbesondere ab von Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggründen sowie dem Verschuldensgrad des Handelnden und von dem geschützten Bereich, in welchen eingegriffen wurde (BVerfG NJW 2004, 2371; zuletzt BGH GRUR 2005, 179).

Eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung liegt vor. Der Kläger wurde zwar nur in seiner Sozialsphäre betroffen, denn nach seinem unbestrittenen Vortrag wurde er von seinem Arbeitgeber, Kollegen aus Heidelberger Restaurantbetrieben sowie Hotelgästen auf den "Bordsteinduell" - Artikel angesprochen. Der Kläger war aber über mehrere Wochen hinweg das große Gesprächsthema in der Heidelberger Gastronomieszene. Anders als im vom OLG Karlsruhe, GRUR 2006, 959 zu entscheidenden Fall hat der Kläger nicht lediglich vorgetragen, es sei zu im einzelnen nicht näher bestimmten Peinlichkeiten gekommen. Vielmehr hat er die ausschließlich negativen Reaktionen auf den Artikel über das "Bordsteinduell" detailliert geschildert. Er wurde als jemand angesehen, "bei dem der Spaß aufhöre", der mithin keinen Spaß versteht. Immer wieder wurde ihm überdies vorgehalten, er sei nicht in der Lage, eine prominente Person wie Rea Garvey zu erkennen, sei wohl zu idiotisch dafür. Demgegenüber steht als Anlass der Berichterstattung ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, welches wie bereits dargelegt auch ohne Veröffentlichung des Bildes des Klägers hätte befriedigt werden können. Besonders ins Gewicht fällt jedoch, dass der Kläger, nachdem ihn ein Redakteur der Beklagten über die Identität des Sängers Rea Garvey aufgeklärt hatte, weder über die geplante Veröffentlichung seines Bildes informiert noch nach seiner Erlaubnis gefragt wurde, obwohl sich dieses Gespräch hierzu geradezu angeboten hätte. Dieses Verhalten der Beklagten kommt einer bewussten Irreführung des Klägers nahe.

Zudem ist nicht erkennbar, inwieweit die vom Kläger erlittenen Beeinträchtigungen anderweitig ausgeglichen werden könnten. Widerruf bzw. Gegendarstellung sind im Falle der streitgegenständlichen Bildveröffentlichung nicht sinnvoll. Die Unterlassung der Veröffentlichung für die Zukunft vermag an den Beeinträchtigungen des Klägers nichts mehr zu ändern. Vor diesem Hintergrund ist eine Geldentschädigung in Höhe von 2.000 Euro erforderlich, aber auch ausreichend.

3.) Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind zwar ein ersatzfähiger materieller Schaden. Sie können aber zum einen nur von der Beklagten Ziffer 1 verlangt werden, weil nur ihr gegenüber vorprozessual der Geldentschädigungsanspruch geltend gemacht wurde. Zum anderen können sie lediglich aus der zuerkannten Summe von 2.000 Euro berechnet werden. Es können daher nur außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 193 Euro - nämlich eine 1.3-fache Geschäftsgebühr in Höhe von 173 EURO sowie die Auslagenpauschale in Höhe von 20 EURO - zuzüglich Mehrwertsteuer zugesprochen werden. Für die darüber hinaus mit der Klage geltend gemachten 20 € außergerichtliche Kosten fehlt es an entsprechendem Vortrag.

4.) Der Beklagte Ziffer 2 haftet für die Geldentschädigung neben der Beklagten Ziffer 1 gesamtschuldnerisch. Den Chefredakteur trifft nämlich eine Überprüfungspflicht hinsichtlich der inhaltlichen Darstellung von Artikeln, wenn ihm Zweifel an deren Richtigkeit kommen müssen (BGH NJW 68, 1419). Dies erstreckt sich erst recht auf eine Überprüfung von Bildmaterial dahingehend, ob die jeweils abgebildeten Personen ihre Einwilligungen zur Veröffentlichung erteilt haben. Diese Überprüfungspflicht hat der Beklagte Ziffer 2 verletzt. Er hätte sich erkundigen müssen, ob eine Einwilligung des Klägers hinsichtlich der Veröffentlichung des den Kläger zeigenden Lichtbildes vorlag. Schließlich ist der Artikel über das "Bordsteinduell" einer der großen Aufmacher in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift "Max". Zudem füllt das streitgegenständliche Lichtbild eine halbe Seite und zeigt den Kläger deutlich erkennbar in seiner vollen Körpergröße.

5.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 100, 92 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.


Dr. Kircher
Vors. Richter am Landgericht

Lembach
Richter am Landgericht

Rath
Richterin


Beschluss

Der Streitwert wird auf 6.000 Euro festgesetzt.


Dr. Kircher
Vors. Richter amLandgericht

Lembach
Richter am Landgericht

Rath
Richterin

Rechtsgebiete

Presserecht