Keine Wiederlegung der Dringlichkeitsvermutung

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

13. 08. 2007


Aktenzeichen

29 W 2073/07


Entscheidungsgründe


Aus den Gründen:

2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht auch ein Verfügungsgrund.

§ 12 11 UWG begründet eine Vermutung der Dringlichkeit, die durch ein Verhalten des Antragstellers widerlegt werden kann, dem zu entnehmen ist, dass er die Angelegenheit selbst nicht als dringend ansieht (BGH GRUR 2000, 151 [152J - Späte Urteilsbegründung; Köhler, a. a. 0., § 12 UWG, Rdnr. 3.15; Retzer in: Harte/Henning, UWG, § 12 UWG, Rdnr. 305, jew. m. w. N.). Ein derartiges Verhalten kann jedoch im Streitfall nicht festgestellt werden.

a) Das Landgericht hat die ständige Rechtsprechung der für Wettbewerbsstreitigkeiten zuständigen Senate des Oberlandesgerichts München zu Grunde gelegt, nach der die Dringlichkeitsvermutung als widerlegt anzusehen ist, wenn ein Antragsteller länger als einen Monat ab Erlangung der Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß und vom Verletzer zuwartet, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt (vgl. die Nachweise bei Retzer, a. a. 0., § 12 UWG, Rdnr. 957).

Diese Voraussetzungen liegen jedoch entgegen der Auffassung des Landgerichts im Streitfall nicht vor. Für den Beginn der Monatsfrist kommt es nicht nur darauf an, wann der Antragsteller vom Wettbewerbsverstoß als solchem Kenntnis erlangt, sondern auch, wann er Kenntnis von der Person des Verletzers in einem Maße erlangt, das es ihm erlaubt, gegen diesen gerichtlich vorzugehen. Im Streitfall erführ der Antragsteller die dazu erforderliche Anschrift der Antragsgegnerin erst mit dem Eingang des Auskunftsschreibens der Deutschen Telekom AG am 18.06.2007. Damit war die Monatsfrist bei Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am 11.07.2007 noch nicht abgelaufen.

b) Ein Antragsteller kann jedoch die Dringlichkeitsvermutung auch dadurch widerlegen, dass er es in grob fahrlässiger Weise unterlässt, sich hinreichende Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß oder von der Person des Verletzers zu verschaffen; denn auch durch die darin liegende Vernachlässigung seiner eigenen Interessen zeigt er, dass er der Angelegenheit keine den Erlass einer einstweiligen Verfügung erfordernde Bedeutung beimisst. Hat er konkrete Kenntnis von einem Wettbewerbsverstoß erlangt und ist es ihm ohne erheblichen Aufwand möglich, noch vorhandene Unsicherheiten hinsichtlich der Person des Verletzers zu beseitigen, so muss von ihm erwartet werden, dass er sich zur Unterbindung der Verletzungshandlung die erforderliche Kenntnis verschafft (Senat GRUR-RR 2002, 357 [358J - MARKE Ulmer Münster; Köhler, a. a. 0., § 12 UWG, Rdnr. 3.15; Retzer, a. a. 0., § 12 UWG, Rdnr. 316).

Auch unter diesem Gesichtspunkt kann im Streitfall nicht von einer Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung ausgegangen werden. Es war keinesfalls grob fahrlässig, dass der Antragsteller nach der umgehenden Anforderung der notwendigen Auskunft von der Deutschen Telekom AG nicht innerhalb weniger Tage auf eine beschleunigte Bearbeitung drängte. Es ist schon nicht ersichtlich, dass entsprechende Maßnahmen des Antragstellers erfolgversprechend gewesen wären. Die Bearbeitung des Auskunftsersuchens des Antragstellers binnen etwas mehr als drei Wochen (einschließlich Postlaufzeiten) entspricht noch einem geordneten Geschäftsablauf in einem Großunternehmen, in dem eine Vielzahl gleichartiger Anfragen zu bearbeiten sind, zumal die Pfingstfeiertage in diesen Zeitraum fielen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Auskunftsanspruch gegen Kommunikationsdienstleister gem. § 13 I Nr. 1 UKlaG der Durchsetzung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen dient, die zumindest häufig, wenn nicht regelmäßig, im Wege der einstweiligen Verfügung erfolgt. Wollte man den Auskunftsberechtigten eine Obliegenheit zum Drängen auf vorrangige Bearbeitung jeweils ihres Ersuchens auferlegen, so hätte das allenfalls zur Folge, dass die auskunftsverpflichteten Kommunikationsdienstleister eine Vielzahl von als dringlich bezeichneten Auskunftsersuchen zu bearbeiten hätten, was den Erfolg der entsprechenden Einstufung eines Ersuchens wieder in Frage stellen würde. c) Insgesamt kann dem Verhalten des Antragstellers im Streitfall nicht entnommen werden, dass er die Angelegenheit selbst als nicht dringlich angesehen hätte.

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht