Fehlende Unterscheidungskraft einer dreidimensionalen Form (hier: Bonbon)
Gericht
EuGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
22. 06. 2006
Aktenzeichen
C‑24/05 P
1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die August Storck KG die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Vierte Kammer) vom 10. November 2004 in der Rechtssache T‑396/02 (Storck/HABM [Form eines Bonbons], Slg. 2004, II‑0000, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 14. Oktober 2002 (Sache R 187/2001‑4) (im Folgenden: streitige Entscheidung) über die Zurückweisung einer angemeldeten dreidimensionalen Marke in der Form eines hellbraunen Bonbons abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
2 Die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) bestimmt in Artikel 7 („Absolute Eintragungshindernisse“):
„(1) Von der Eintragung ausgeschlossen sind
…
b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,
…
(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 Buchstaben b), c) und d) finden keine Anwendung, wenn die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.“
3 Artikel 73 („Begründung der Entscheidungen“) der Verordnung Nr. 40/94 lautet:
„Die Entscheidungen des Amtes sind mit Gründen zu versehen. Sie dürfen nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.“
4 Artikel 74 („Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen“) der Verordnung bestimmt in Absatz 1:
„In dem Verfahren vor dem Amt ermittelt das Amt den Sachverhalt von Amts wegen. Soweit es sich jedoch um Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse handelt, ist das Amt bei dieser Ermittlung auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt.“
Vorgeschichte des Rechtsstreits
5 Die Rechtsmittelführerin meldete am 30. März 1998 beim HABM eine Gemeinschaftsmarke nach der Verordnung Nr. 40/94 an. Bei der angemeldeten dreidimensionalen Marke handelt es sich um folgende Form eines hellbraunen Bonbons:
6 Die Marke wurde für „Zuckerwaren“ in Klasse 30 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.
7 Mit Entscheidung vom 25. Januar 2001 wies der Prüfer die Anmeldung mit der Begründung zurück, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 habe und auch nicht Unterscheidungskraft durch Benutzung im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 erworben habe.
8 Mit der streitigen Entscheidung bestätigte die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Entscheidung des Prüfers. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kombination der Form und der Farbe der Anmeldemarke nicht von Haus aus geeignet sei, als Hinweis auf die Herkunft der fraglichen Waren, also Zuckerwaren, zu dienen. Die Nachweise, die die Rechtsmittelführerin eingereicht habe, belegten auch nicht, dass die Anmeldemarke durch Benutzung Unterscheidungskraft insbesondere für Karamellbonbons erlangt habe.
Das Verfahren vor dem Gericht und das angefochtene Urteil
9 Die Rechtsmittelführerin hat beim Gericht eine auf zwei Klagegründe gestützte Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung eingereicht.
10 Zum ersten Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 hat das Gericht in den Randnummern 39 bis 45 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Beschwerdekammer eine Unterscheidungskraft der Anmeldemarke im Sinne dieser Bestimmung zu Recht verneint habe. Das Gericht hat dies wie folgt begründet:
„39 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt, dass der Verbraucher, da es sich um weit verbreitete Konsumartikel handelt, ‚der Form und Farbe von Süßwaren keine hohe Aufmerksamkeit schenkt‘ und es deshalb ‚unwahrscheinlich [ist], dass die Wahl des Durchschnittsverbrauchers von der Bonbonform diktiert wird‘ (Randnr. 12 der [streitigen] Entscheidung).
40 Überdies hat die Beschwerdekammer rechtlich hinreichend dargelegt, dass keines der Formmerkmale der Marke einzeln oder in ihrer Verbindung miteinander Unterscheidungskraft besitzt. So hat die Beschwerdekammer zunächst darauf verwiesen, dass ‚[d]ie fast runde Form … an einen Kreis [erinnert], eine der geometrischen Grundformen‘, und dass ‚[d]er Durchschnittsverbraucher … an den Anblick von Süßwaren, einschließlich Bonbons, in runder Form (ob kreisförmig, oval, elliptisch oder zylindrisch) gewöhnt‘ ist. Zu den gewölbten oberen Rändern des Bonbons hat die Beschwerdekammer bemerkt, dass aus funktionellen Gründen ‚[g]ewölbte Ränder … bei Bonbons unabhängig von ihrer Form häufig vor[kommen]‘. Zu der runden Mulde in der Mitte des Bonbons und seiner flachen Unterseite hat die Kammer festgestellt, dass diese Merkmale ‚nicht wesentlich den Gesamteindruck der Form [ändern]‘ und dass es ‚unwahrscheinlich [ist], dass der Verbraucher seine Aufmerksamkeit auf diese beiden Merkmale als Hinweis auf einen bestimmten Hersteller richtet‘ (Randnr. 13 der [streitigen] Entscheidung).
41 Auch zur Farbe des fraglichen Produktes, also Hellbraun oder verschiedene Brauntöne, hat die Beschwerdekammer darauf verwiesen, dass es sich um ‚eine übliche Bonbonfarbe‘ handelt (Randnr. 13 der [streitigen] Entscheidung). Tatsächlich ist das maßgebliche Publikum bei Zuckerwaren an die Präsenz dieser Farbe gewöhnt.
42 Bei der angemeldeten dreidimensionalen Form handelt es sich somit um eine geometrische Grundform, die zu den Formen gehört, an die der Verbraucher bei Artikeln des ständigen Verbrauchs wie Bonbons in selbstverständlicher Weise denkt.
43 Das Vorbringen der Klägerin, wonach zwischen der Form und Farbe der Anmeldemarke und der Form und Farbe von anderen Zuckerwaren erhebliche Unterschiede bestünden, ist daher zurückzuweisen.
44 Demnach ist festzustellen, dass die angemeldete dreidimensionale Marke aus einer Kombination von Gestaltungselementen besteht, die nahe liegend und für die betreffenden Waren typisch sind. Tatsächlich unterscheidet sich die fragliche Form nicht wesentlich von anderen handelsüblichen Grundformen der betreffenden Produkte, sondern wirkt wie eine ihrer Varianten. Da die behaupteten Unterschiede nicht leicht wahrnehmbar sind, unterscheidet sich die fragliche Form nicht hinreichend von anderen üblichen Bonbonformen und ermöglicht es den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht, die Bonbons der Klägerin auf Anhieb und mit Gewissheit von Bonbons anderer betrieblicher Herkunft zu unterscheiden.
45 Daher ist die Anmeldemarke aus der Sicht eines normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers nicht geeignet, die betreffenden Waren zu individualisieren und von Waren anderer betrieblicher Herkunft zu unterscheiden. Sie hat daher für diese Waren keine Unterscheidungskraft.“
11 Zum zweiten Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 hat das Gericht in den Randnummern 61 bis 67 des angefochtenen Urteils festgestellt, die Beschwerdekammer sei rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Rechtsmittelführerin eine durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke nicht nachgewiesen habe. Dazu hat das Gericht ausgeführt:
„61 [Es] ist erstens festzustellen, dass die Argumente der Klägerin, die sie aus den hohen Verkaufszahlen und Werbeausgaben für den Karamellbonbon ‚Werther’s Original‘ (‚Werther’s Echte‘) herleitet, nicht geeignet sind, eine durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft der Anmeldemarke darzutun.
62 Insoweit hat die Beschwerdekammer zwar anerkannt, dass die Umsatzzahlen und Werbeausgaben für die in Frage stehende Bonbonsorte deren weite Verbreitung auf dem Markt belegen, aber auch darauf verwiesen, dass diese Angaben nicht den – jedoch essenziellen – Nachweis dafür darstellen, dass das angemeldete Zeichen als dreidimensionale Marke zur Kennzeichnung der Bonbons der Klägerin verwendet wurde (Randnr. 16 der [streitigen] Entscheidung).
63 In den Randnummern 17 bis 21 der angefochtenen Entscheidung begründete die Beschwerdekammer diese Beurteilung wie folgt:
‚17. Die Beschwerdeführerin hat Muster der Kunststofftüten vorgelegt, in der die Bonbons verpackt sind, und argumentiert, dass die dort abgebildete Form als´zentrales Hinweismittel und Orientierungspunkt´für den Verbraucher eingesetzt wird. Sie führt dies als Beweis dafür an, dass die Form als Produktmarke beworben und vom Verbraucher als solche verstanden wird. Die Kammer stimmt dem nicht zu, da diese Aussagen der Art und Weise widersprechen, in der die Bonbons im Wesentlichen auf der Verpackung gezeigt werden.
18. Es ist richtig, dass die Bonbons mit der braunen Form, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, auf der Verpackung abgebildet sind. Man muss jedoch prüfen, welchen Zweck diese Bonbons auf der Verpackung eigentlich erfüllen. Diese Prüfung darf nicht abstrakt durchgeführt werden, sondern im Hinblick auf die wahrscheinliche Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf die konkrete Darstellung der Bonbons.
19. Wenn ein solcher Verbraucher eine Bonbontüte der Beschwerdeführerin betrachtet, sieht er zunächst den Namen´Werther’s Original´, der in großen Buchstaben fast die Hälfte der Verpackung einnimmt, umgeben von ergänzenden Elementen wie einem kleinen ovalen Zeichen mit dem Namen´Storck´und einer stilisierten Zeichnung eines kleinen Dorfes mit der Unterschrift´Traditional Werther’s Quality´. Auf der unteren Hälfte der Verpackung sieht er ein Farbfoto von ca. fünfzehn zufällig angeordneten Bonbons mit der Legende´The classic candy made with real butter and fresh cream´.
20. Nach Aussage der Beschwerdeführerin entspricht diese Darstellung der angemeldeten dreidimensionalen Marke. Nach Auffassung der Kammer ist diese Position nicht begründet. Die Art, in der die Bonbons dargestellt sind, entspricht nicht der herkömmlichen Art einer Markendarstellung auf einem Produkt und dürfte viel mehr dem (anderen) Zweck dienen, den Inhalt der Tüte zu veranschaulichen. Auf der Verpackung wird nicht, wie die Beschwerdeführerin argumentiert, eine Form dargestellt, sondern eine realistische Abbildung durch Anhäufung unverpackter Bonbons. Es ist erwähnenswert, dass in der Darstellung nicht versucht wird, die Merkmale hervorzuheben, die der Marke der Beschwerdeführerin ihrer Ansicht nach Unterscheidungskraft verleihen (die Mulde in der Mitte, die flache Unterseite und die gewölbten Ränder). Aus diesem Grund stellt die Kammer fest, dass die Art der Darstellung der Bonbons auf der Verpackung dem Argument widerspricht, dass diese Darstellung eine dreidimensionale Marke ist – und vom Durchschnittsverbraucher als solche wahrgenommen wird. Nach Bewertung der Kammer ist es wahrscheinlicher, dass der Verbraucher die abgebildeten Bonbons lediglich als Veranschaulichung des Packungsinhalts sieht. Die Illustration von Verpackungen in einer ansprechenden Form, die zeigt, wie das Erzeugnis aussieht oder serviert werden kann, ist in der Nahrungsmittelindustrie, und auch in der Süßwarenindustrie, weit verbreitet und hat eher etwas mit Produktmarketing als mit Produkt-Markenkennzeichnung zu tun. Nach Auffassung der Kammer erfüllt die Abbildung daher keine Markenfunktion, sondern dient lediglich zur Veranschaulichung des Produkts. Dass dies die wahrscheinliche Wahrnehmung eines durchschnittlich aufmerksamen Bonbonkäufers ist, wird durch den Begleitsatz zum Bild´The classic candy made with real butter and fresh cream´bestätigt. Satz und Bild ergänzen sich: der Satz beschreibt die Bonbonsorte und das Bild zeigt sie. Die Kammer stimmt überein, dass ein Produkt mehrere Marken gleichzeitig haben kann. Nach ihrer Auffassung, die sie mit dem Erscheinungsbild der Verpackungstüten der Beschwerdeführerin begründet, entspricht die Darstellung der Bonbons jedoch nicht der einer Markendarstellung.
21. Aus den obigen Ausführungen folgt, dass die als Beweismittel vorgelegten Umsatz- und Werbezahlen zwar belegen, dass Werther’s Bonbons auf dem Markt angeboten werden, jedoch nicht, dass die Bonbonform als Marke benutzt worden ist …‘
64 Diese Ausführungen [der Beschwerdekammer] sind nicht zu beanstanden. Das von der Klägerin vorgelegte Werbematerial enthält keinen Nachweis für die Benutzung der Marke in der angemeldeten Form. Denn auf allen vorgelegten Bildern wird die Wiedergabe der beanspruchten Form und Farbe von Wortmarken und Bildmarken begleitet. Daher kann dieses Material keinen Beweis dafür bilden, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Marke als solche und unabhängig von den Wort‑ und Bildmarken, die sie in der Werbung und beim Verkauf der Waren begleiten, als Angabe der betrieblichen Herkunft der betreffenden Waren und Dienstleistungen ansehen ...
65 Im Übrigen hat die Klägerin in ihrer Klageschrift selbst erwähnt, dass der fragliche Bonbon nicht als lose Ware, sondern abgepackt in Tüten verkauft wird, in denen überdies jeder Bonbon einzeln verpackt ist. Folglich ist der Durchschnittsverbraucher bei seiner Kaufentscheidung mit der fraglichen Bonbonform nicht unmittelbar konfrontiert, wodurch er aber nur in die Lage versetzt würde, ihr die Funktion eines Herkunftshinweises beizumessen.
66 Zweitens ist festzustellen, dass das Gleiche für die Umfrageergebnisse gilt, die die Klägerin der Beschwerdekammer als Nachweis für die Verkehrsdurchsetzung der Anmeldemarke vorlegte. Denn Randnummer 21 (a. E.) der [streitigen] Entscheidung ist klar zu entnehmen, dass die Markenbekanntheit des von der Klägerin vermarkteten Bonbons nicht auf der Grundlage der fraglichen Form nachgewiesen wurde, sondern auf der Grundlage seiner Bezeichnung als ‚Werther’s‘.“
12 Daher hat das Gericht die Klage abgewiesen und der Rechtsmittelführerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Das Rechtsmittel
13 Mit ihrem Rechtsmittel, das sie auf vier Gründe stützt, beantragt die Rechtsmittelführerin,
– das angefochtene Urteil aufzuheben;
– den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen stattzugeben und über den Rechtsstreit endgültig zu entscheiden;
– hilfsweise, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen;
– dem HABM die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
14 Das HABM beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.
Zum ersten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
15 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund, der aus zwei Teilen besteht, rügt die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen habe.
16 Erstens habe das Gericht in Randnummer 44 des angefochtenen Urteils die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke zu Unrecht davon abhängig gemacht, dass sich die Gestaltung der angemeldeten Marke wesentlich von den im Verkehr üblichen Gestaltungen für Bonbons unterscheide, und damit strengere Anforderungen an die Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken gestellt als bei Wort‑ oder Bildmarken.
17 Desgleichen habe das Gericht rechtsirrig verlangt, dass sich die angemeldete Marke von anderen vergleichbaren Marken im Süßwarensektor wesentlich unterscheide.
18 Die Frage, ob Verwechslungen mit Produkten anderer Herkunft entstehen könnten, sei aber nur im Rahmen eines Widerspruchs relevant, mit dem die Gefahr von Verwechslungen der angemeldeten Marke mit einer älteren Marke geltend gemacht werde.
19 Zweitens hätten weder die Beschwerdekammer noch das Gericht geprüft, ob der angemeldeten Marke als solcher und unabhängig von ähnlichen Bonbongestaltungen auf dem Markt ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft zukomme. Hätte das Gericht dies geprüft, wäre es zu dem Ergebnis gelangt, dass es der genannten Marke nicht an Unterscheidungskraft fehle.
20 Ebenso sei die Behauptung des Gerichts in Randnummer 39 des angefochtenen Urteils unzutreffend, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Wahl des Durchschnittsverbrauchers von der Bonbonform diktiert werde. Ebenso habe das Gericht in Randnummer 42 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt, dass die als Marke angemeldete Form eine geometrische Grundform sei.
21 Das HABM hält dem erstens entgegen, dass das Gericht die angemeldete Marke keineswegs strengeren Kriterien als Wort- und Bildmarken unterworfen habe. Es habe sich vielmehr an die ständige Rechtsprechung gehalten, wonach sich eine als Marke angemeldete Produktform erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit unterscheiden müsse.
22 Zweitens werde mit der Rüge, dass das Gericht der Anmeldemarke Unterscheidungskraft hätte zusprechen müssen, in Wirklichkeit seine Würdigung der Tatsachen angegriffen, was die Rüge im Rahmen eines Rechtsmittels unzulässig mache.
Würdigung durch den Gerichtshof
23 Was den ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes angeht, so ist nach ständiger Rechtsprechung die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. u. a. Urteile vom 29. April 2004 in den Rechtssachen C‑456/01 P und C‑457/01 P, Henkel/HABM, Slg. 2004, I‑5089, Randnr. 35, und vom 12. Januar 2006 in der Rechtssache C‑173/04 P, Deutsche SiSi-Werke/HABM, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 25).
24 Dabei sind nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus der Form der Ware selbst bestehen, keine anderen als für die übrigen Markenkategorien (Urteile Henkel/HABM, Randnr. 38, vom 7. Oktober 2004 in der Rechtssache C‑136/02 P, Mag Instrument/HABM, Slg. 2004, I‑9165, Randnr. 30, und Deutsche SiSi-Werke/HABM, Randnr. 27).
25 Jedoch wird im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie eine Wort‑ oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, so schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren; daher kann es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort‑ oder Bildmarke (vgl. u. a. Urteile Henkel/HABM, Randnr. 38, Mag Instrument/HABM, Randnr. 30, und Deutsche SiSi-Werke/HABM, Randnr. 28).
26 Daher besitzt nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllt, auch Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 (vgl. u. a. Urteile Henkel/HABM, Randnr. 39, Mag Instrument/HABM, Randnr. 31, und Deutsche SiSi-Werke/HABM, Randnr. 31).
27 Das Gericht hat daher für die Beurteilung der Frage, ob die Anmeldemarke Unterscheidungskraft besitzt, zu Recht die handelsüblichen Formen und Farben von Bonbons berücksichtigt.
28 In Randnummer 44 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass sich die fragliche Bonbonform „nicht wesentlich von anderen handelsüblichen Grundformen der betreffenden Produkte“ unterscheidet. Da die Anforderung eines wesentlichen Unterschieds über die einer erheblichen Abweichung, wie sie die oben in Randnummer 26 zitierte Rechtsprechung aufgestellt hat, hinausgeht, hätte das Gericht einen Rechtsfehler begangen, wenn es die Bejahung der Unterscheidungskraft der Anmeldemarke von der Erfüllung einer solchen Anforderung abhängig gemacht hätte.
29 Das ist jedoch nicht der Fall. Wie sich nämlich derselben Randnummer des angefochtenen Urteils entnehmen lässt, stützte sich das Gericht auf die Feststellungen, dass die Anmeldemarke aus einer Kombination von Gestaltungselementen besteht, die naheliegend und für die betreffenden Waren typisch sind, dass sie wie eine Variante bestimmter handelsüblicher Grundformen des Süßwarensektors wirkt, dass sie sich, da die behaupteten Unterschiede nicht leicht wahrnehmbar sind, nicht hinreichend von anderen üblichen Bonbonformen unterscheidet und dass sie es den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht ermöglicht, die Bonbons der Rechtsmittelführerin auf Anhieb und mit Gewissheit von Bonbons anderer betrieblicher Herkunft zu unterscheiden.
30 Mit diesen Feststellungen hat das Gericht rechtlich hinreichend dargetan, dass die Anmeldemarke nicht erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit im Süßwarensektor abweicht. Es ist daher ohne Rechtsfehler zu dem Schluss gelangt, dass die Marke keine Unterscheidungskraft besitzt.
31 Was die Rüge der Rechtsmittelführerin angeht, das Gericht habe verlangt, dass sich die angemeldete Marke von anderen vergleichbaren Marken im Süßwarensektor wesentlich unterscheide, so beruht sie auf einem fehlerhaften Verständnis des angefochtenen Urteils, da das Gericht keineswegs die Frage geprüft hat, ob andere Marken, die für derartige Waren benutzt werden, mit der Anmeldemarke identisch oder ihr ähnlich sind.
32 Der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes greift daher nicht durch.
33 Was den zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes anbelangt, so hat das Gericht zum einen, wie oben in Randnummer 27 festgestellt, mit seiner Einbeziehung der handelsüblichen Bonbonformen in die Beurteilung der Unterscheidungskraft der Anmeldemarke keinen Rechtsfehler begangen.
34 Zum anderen zielt dieser Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, soweit die Rechtsmittelführerin rügt, das Gericht habe die Anmeldemarke als nicht unterscheidungskräftig bewertet, in Wirklichkeit darauf ab, dass der Gerichtshof die vom Gericht vorgenommene Beurteilung des Sachverhalts durch seine eigene ersetzt.
35 Denn die vom Gericht in den Randnummern 39 bis 42 des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellungen, dass die Durchschnittsverbraucher der Form und der Farbe von Süßwaren keine hohe Aufmerksamkeit entgegenbringen und dass es sich bei der angemeldeten dreidimensionalen Form um eine geometrische Grundform handelt, gehören zur Würdigung der Tatsachen (vgl. in diesem Sinne Urteile Henkel/HABM, Randnr. 56, und Deutsche SiSi-Werke/HABM, Randnr. 47).
36 Wie sich aus den Artikeln 225 Absatz 1 EG und 58 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes ergibt, ist das Rechtsmittel jedoch auf Rechtsfragen beschränkt. Für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung ist daher allein das Gericht zuständig. Die Würdigung der Tatsachen und der Beweismittel ist somit, außer im Fall ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (vgl. u. a. Urteile vom 19. September 2002 in der Rechtssache C‑104/00 P, DKV/HABM, Slg. 2002, I‑7561, Randnr. 22, und Deutsche SiSi-Werke/HABM, Randnr. 35).
37 Da im vorliegenden Fall keine Verfälschung der dem Gericht unterbreiteten Tatsachen oder Beweismittel geltend gemacht wird, ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als teils unbegründet, teils unzulässig zurückzuweisen. Damit ist der erste Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.
Zum zweiten und zum dritten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
38 Mit dem zweiten und dem dritten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht gegen Artikel 74 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94, wonach das HABM den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt, und gegen Artikel 73 der Verordnung verstoßen habe, wonach die Entscheidungen des HABM nur auf Gründe gestützt werden dürfen, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
39 Artikel 74 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 verpflichte das HABM dazu, selbst die Tatsachen zu ermitteln, auf die es seine Entscheidung stütze. Da die Beschwerdekammer nicht, wie sie dies hätte tun müssen, konkrete, angeblich genauso wie die Anmeldemarke aussehende Bonbons angeführt habe, von denen sie aber behaupte, dass es sie gebe, um daraus dann auf die „Gebräuchlichkeit“ der Anmeldemarke zu schließen, habe sie der Rechtsmittelführerin von vornherein die Möglichkeit abgeschnitten, die Relevanz dieser Beispiele in Frage zu stellen.
40 Das Gericht habe im vorliegenden Fall dadurch, dass es diese unsubstanziierten Behauptungen der Beschwerdekammer in Randnummer 40 des angefochtenen Urteils gebilligt und seinerseits in den Randnummern 41 und 42 des angefochtenen Urteils ohne jeden überprüfbaren Tatsachenhintergrund ähnliche Behauptungen aufgestellt habe, gegen Artikel 74 Absatz 1 der Verordnung verstoßen.
41 Da die Beschwerdekammer keine Bonbons angeführt habe, die ihrer Ansicht nach denen der angemeldeten Marke entsprächen, habe sich die Rechtsmittelführerin dazu auch zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens äußern und insbesondere nicht nachweisen können, dass diese Bonbons gegenüber der angemeldeten Marke in Wirklichkeit entscheidende Unterschiede aufwiesen. Dies sei ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs.
42 Das Gericht habe somit dadurch gegen Artikel 73 der Verordnung verstoßen, dass es die Annahmen der Beschwerdekammer, zu denen die Rechtsmittelführerin sich nicht habe äußern können, gebilligt und seine eigene Entscheidung auf diese Annahmen gestützt habe.
43 Das HABM meint, der zweite und dritte Rechtsmittelgrund seien für unzulässig zu erklären, weil die Rechtsmittelführerin eine Verletzung der Artikel 73 und 74 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 erstmals vor dem Gerichtshof gerügt habe.
44 Die von der Rechtsmittelführerin mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund erhobene Rüge, das Gericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, sei im Übrigen deshalb unbegründet, weil die von ihr bestrittenen Feststellungen der Beschwerdekammer im Zentrum des Beschwerdeverfahrens gestanden hätten und die Rechtsmittelführerin sie vor dem Gericht erneut angegriffen habe.
Würdigung durch den Gerichtshof
45 Wie in ständiger Rechtsprechung entschieden worden ist, könnte eine Partei, wenn sie vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorbringen könnte, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, letztlich mit einem weiter reichenden Rechtsstreit befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rahmen eines Rechtsmittels sind die Befugnisse des Gerichtshofes daher auf die Beurteilung der rechtlichen Entscheidung über das im ersten Rechtszug erörterte Vorbringen beschränkt (vgl. u. a. Urteil vom 11. November 2004 in den Rechtssachen C‑186/02 P und C‑188/02 P, Ramondín u. a./Kommission, Slg. 2004, I‑10653, Randnr. 60).
46 Im vorliegenden Fall ist das Vorbringen, wonach die Beschwerdekammer dadurch gegen die Artikel 73 und 74 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen habe, dass sie keine Beispiele für Bonbons angeführt habe, die mit den Bonbons der Rechtsmittelführerin identisch oder ihnen ähnlich seien, von der Beschwerdeführerin nicht vor dem Gericht geltend gemacht worden.
47 Soweit mit dem zweiten und dem dritten Rechtsmittelgrund gerügt wird, dass das Gericht die streitige Entscheidung nicht aus diesen Gründen aufgehoben habe, handelt es sich bei ihnen daher um Rügen, die erstmals im Rahmen des Rechtsmittels geltend gemacht worden sind und somit für unzulässig zu erklären sind.
48 Soweit mit diesen Rechtsmittelgründen gerügt wird, das Gericht habe durch eigene unsubstanziierte Behauptungen gegen die Artikel 73 und 74 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen, greifen sie in der Sache nicht durch. Diese Bestimmungen sind nämlich bei der Prüfung von Anmeldungen durch die Stellen des HABM einzuhalten, nicht aber im Verfahren vor dem Gericht, für das die Satzung des Gerichtshofes und die Verfahrensordnung des Gerichts gelten.
49 Im Übrigen hatte die Rechtsmittelführerin Gelegenheit, der von der Beschwerdekammer getroffenen Feststellung, dass sich die in Frage stehende Bonbonform nicht erheblich von zahlreichen anderen auf dem Süßwarenmarkt üblichen Formen unterscheide, vor dem Gericht entgegenzutreten, so dass ihre Verteidigungsrechte der Verteidigung, insbesondere ihr Anspruch auf rechtliches Gehör, vor dem Gericht nicht verletzt worden sind.
50 Der zweite und der dritte Rechtsmittelgrund sind daher als teils unzulässig, teils unbegründet zurückzuweisen.
Zum vierten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
51 Mit ihrem vierten, aus drei Teilen bestehenden Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht gegen Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung verstoßen habe, indem es an die Nachweise dafür, dass die Anmeldemarke Unterscheidungskraft durch Benutzung erworben habe, falsche Anforderungen gestellt habe.
52 Erstens habe das Gericht in Randnummer 64 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass der Nachweis der Benutzung einer dreidimensionalen Marke durch Unterlagen wie die Verpackungen der in der Anmeldung beanspruchten Waren oder Werbematerial nicht erbracht werden könne, wenn darauf neben der angemeldeten Formmarke auch noch Wort‑ und Bildmarken zu sehen seien. Das Gericht sei offenbar der Meinung, dass eine Marke, die aus der dreidimensionalen Form des fraglichen Produktes bestehe, keine Unterscheidungskraft erlangen könne, soweit sie zusammen mit einer Wort‑ oder Bildmarke zu sehen sei.
53 Diese Auffassung sei mit der Art und Weise, wie ein Durchschnittsverbraucher Marken wahrnehme, nicht vereinbar. Wenn ein Produkt gleichzeitig mehrere Marken trage, schließe das nicht aus, dass der Durchschnittsverbraucher jede für sich als Herkunftshinweis verstehe. Dabei könnten sich diese verschiedenen Marken sogar gegenseitig in der Weise stärken, dass die Bekanntheit der einen Marke die der anderen fördere. Da es in der Natur einer dreidimensionalen Marke liege, dass sie zusammen mit anderen Wort‑ und Bildmarken präsentiert werde, liefe die Auffassung des Gerichts darauf hinaus, dass die Benutzung einer dreidimensionalen Marke niemals nachgewiesen werden könnte, was den Zielen des Gemeinschaftsgesetzgebers zuwiderliefe.
54 Zweitens habe das Gericht in Randnummer 64 des angefochtenen Urteils zu Unrecht die Ansicht der Beschwerdekammer bestätigt, dass die Abbildung der Marke auf den Verpackungen nur bezwecke, den Inhalt der Tüte zu veranschaulichen. Ebenso habe es in Randnummer 65 des angefochtenen Urteils zu Unrecht entschieden, dass der Verbraucher bei seiner Kaufentscheidung mit der fraglichen Bonbonform nicht unmittelbar konfrontiert werde, da die fraglichen Bonbons in einer Tüte verkauft würden. Tatsache sei, dass die genannte Marke auf den Bonbontüten wiedergegeben sei und, da die angemeldete Marke gleichzeitig das Produkt selbst sei, ihre Abbildung auf der Tüte nicht nur eine Information über den Inhalt der Tüte, sondern auch ein Hinweis auf die Herkunft des Produktes sei.
55 Drittens habe das Gericht in Randnummer 65 des angefochtenen Urteils fehlerhaft ausschließlich auf die Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers zu dem Zeitpunkt abgestellt, zu dem er seine Kaufentscheidung treffe. Für die Wiedererkennung der Marke durch den Verbraucher sei jedoch auch zu berücksichtigen, wie die Marke ihm nicht nur im Moment der Kaufentscheidung begegne, sondern auch in der Zeit davor, beispielsweise in der Werbung, oder danach beim Verzehr des Produktes.
56 Nach Auffassung des HABM haben die Beschwerdekammer und das Gericht keineswegs verlangt, dass sich die Benutzungsnachweise für eine dreidimensionale Marke auf diese allein beziehen müssten, sondern zutreffend nur darauf verwiesen, dass das vorgelegte Werbematerial keinen Nachweis für die Benutzung der Marke in der angemeldeten Form enthalte. Die Beschwerdekammer habe insbesondere, wie in Randnummer 63 des angefochtenen Urteils wiedergegeben sei, darauf hingewiesen, dass spezifische Merkmale der Bonbonform nicht zu erkennen seien und dass die Darstellung der Bonbons auf der als Nachweis eingereichten Verpackungstüte einer Markendarstellung nicht entspreche. Ebenso habe das Gericht in Randnummer 64 des Urteils darauf hingewiesen, dass die Art der Darstellung der Bonbonform auf der Verpackung so undeutlich sei und von verschiedenen anderen Marken überlagert werde, dass der Verbraucher sie nicht als Markendarstellung wahrnehmen könne.
Würdigung durch den Gerichtshof
57 Was den ersten und dem zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes angeht, so hat der Gerichtshof im Urteil vom 7. Juli 2005 in der Rechtssache C‑353/03 (Nestlé, Slg. 2005, I‑6135) festgestellt, dass eine Marke Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) auch dadurch erwerben kann, dass sie in Verbindung mit einer eingetragenen Marke benutzt wird.
58 Gleiches gilt für den Erwerb von Unterscheidungskraft durch Benutzung im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94, der mit Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 89/104 im Wesentlichen deckungsgleich ist.
59 Folglich kann eine dreidimensionale Marke gegebenenfalls Unterscheidungskraft durch Benutzung auch dann erwerben, wenn sie in Verbindung mit einer Wortmarke oder einer Bildmarke benutzt wird. Das ist der Fall, wenn die Marke aus der Form der Ware oder ihrer Verpackung besteht und diese systematisch mit einer Wortmarke versehen werden, unter der sie vertrieben werden.
60 Es ist jedoch hervorzuheben, dass eine dreidimensionale Marke ihrem Wesen nach nicht mit ihrer zweidimensionalen grafischen Darstellung zusammenfällt. Ist daher, wie im vorliegenden Fall, die Verpackung mit einer Abbildung der Ware versehen, so sind die Verbraucher nicht mit der Marke selbst als einer Marke konfrontiert, die aus der dreidimensionalen Form der Ware besteht. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die zweidimensionale Darstellung einer solchen Marke gegebenenfalls deren Bekanntheit bei den maßgeblichen Verkehrskreisen begünstigt, sofern aus ihr die wesentlichen Elemente der dreidimensionalen Produktform erkennbar sind.
61 Für den Erwerb von Unterscheidungskraft durch Benutzung muss im Übrigen die Tatsache, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen, auf der Benutzung der Marke als Marke beruhen (Urteile vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C‑299/99, Philips, Slg. 2002, I‑5475, Randnr. 64, und Nestlé, Randnr. 26). Der Ausdruck „Benutzung der Marke als Marke“ ist dabei so zu verstehen, dass er sich nur auf eine Benutzung der Marke bezieht, die der Identifizierung der Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend durch die angesprochenen Verkehrskreise dient (Urteil Nestlé, Randnr. 29).
62 Nicht jede Benutzung der Marke, und erst recht nicht jede Benutzung einer zweidimensionalen Darstellung einer dreidimensionalen Marke, bildet damit notwendig eine Benutzung als Marke.
63 Im vorliegenden Fall ist dem Gericht kein Rechtsfehler unterlaufen.
64 So hat das Gericht in den Randnummern 63 und 64 des angefochtenen Urteils damit, dass es sich die Beurteilung der Beschwerdekammer zu Eigen machte, die Feststellung getroffen, dass die Art der Abbildung der Bonbons – als eine Anhäufung von etwa 15 Bonbons – auf den Tüten, in denen die Rechtsmittelführerin sie vertreibt, nicht einer Markendarstellung entspricht, weil die Abbildung nicht die angemeldete Bonbonform als Marke zeigt, sondern die wirklichkeitsgetreue Abbildung einer Anhäufung von Bonbons, und nicht die Merkmale hervorhebt, die der Marke nach Auffassung der Rechtsmittelführerin Unterscheidungskraft verleihen (die Mulde in der Mitte, die flache Unterseite und die gewölbten Ränder), so dass zwischen der Wiedergabe der Bonbons auf den Tüten und der angemeldeten dreidimensionalen Marke eine Abweichung besteht.
65 Dabei handelt es sich um eine Würdigung von Tatsachen, die, außer bei deren – im vorliegenden Fall nicht gerügten – Verfälschung, nicht der Kontrolle im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt.
66 Ferner kann den Randnummern 63 und 64 des angefochtenen Urteils keineswegs entnommen werden, dass es das Gericht grundsätzlich ausgeschlossen hätte, dass eine dreidimensionale Marke, die aus der Form der in Frage stehenden Ware besteht, Unterscheidungskraft durch Benutzung erwerben kann, wenn sie in Verbindung mit einer Wortmarke oder einer Bildmarke benutzt wird.
67 Vielmehr hat sich das Gericht die Darlegungen der Beschwerdekammer in den Randnummern 17 bis 21 der streitigen Entscheidung ausdrücklich zu Eigen gemacht. In Randnummer 20 der Entscheidung hat die Beschwerdekammer jedoch anerkannt, dass ein Produkt mehrere Marken gleichzeitig haben kann.
68 In Randnummer 64 des angefochtenen Urteils hat das Gericht lediglich festgestellt, dass die von der Rechtsmittelführerin für den Vertrieb der Waren verwendeten Tüten angesichts ihrer Merkmale keinen Nachweis dafür bilden, dass die Anmeldemarke als Hinweis auf die Herkunft der Waren wahrgenommen wird. Dabei handelt es sich um eine Würdigung von Tatsachen, die, außer bei deren Verfälschung, nicht der Kontrolle im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt.
69 Der erste und der zweite Teil des vierten Rechtsmittelgrundes greifen daher nicht durch.
70 Hinsichtlich des dritten Teils des Rechtsmittelgrundes ist daran zu erinnern, dass eine Marke, selbst wenn sie keine originäre Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 besitzt, diese doch in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet wird, durch Benutzung nach Absatz 3 dieses Artikels erwerben kann. Eine solche Unterscheidungskraft kann insbesondere nach einem normalen Prozess der Gewöhnung der beteiligten Verkehrskreise eintreten (Urteile vom 6. Mai 2003 in der Rechtssache C‑104/01, Libertel, Slg. 2003, I‑3793, Randnr. 67, und Mag Instrument/HABM, Randnr. 47).
71 Folglich sind für die Beurteilung der Frage, ob eine Marke Unterscheidungskraft durch Benutzung erworben hat, alle Umstände zu berücksichtigen, unter denen die maßgeblichen Verkehrskreise mit der Marke konfrontiert werden. Sie werden aber mit der Marke nicht nur im Zeitpunkt ihrer Kaufentscheidung konfrontiert, sondern auch vorher, etwa in der Werbung, und zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Ware verbrauchen.
72 Dabei bringt der Durchschnittsverbraucher zu dem Zeitpunkt, zu dem er seine Wahl zwischen den verschiedenen Waren der in Frage stehenden Art vorbereitet und trifft, den höchsten Grad an Aufmerksamkeit auf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Januar 2006 in der Rechtssache C‑361/04 P, Ruiz-Picasso u. a./HABM, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 41), so dass die Frage, ob der Durchschnittsverbraucher im Zeitpunkt des Kaufes mit der Marke konfrontiert wird oder nicht, für die Feststellung, ob die Marke Unterscheidungskraft durch Benutzung erworben hat, besondere Bedeutung besitzt.
73 Im vorliegenden Fall geht aus Randnummer 65 des angefochtenen Urteils keineswegs hervor, dass das Gericht für seine Beurteilung, ob die Anmeldemarke Unterscheidungskraft durch Benutzung erworben hat, nur den Zeitpunkt der Kaufentscheidung berücksichtigt hätte.
74 Im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes im ersten Rechtszug hat die Rechtsmittelführerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Anmeldemarke auf allen Verpackungen ihrer Bonbons wiedergegeben sei, und die gegenteilige Ansicht der Beschwerdekammer beanstandet. In den Randnummern 63 bis 65 des angefochtenen Urteils hat das Gericht diese Argumentation mit der Erwägung zurückgewiesen, dass der Durchschnittsverbraucher, wenn er eine dieser Verpackungen sieht, nicht unmittelbar mit der als dreidimensionale Marke angemeldeten Bonbonform konfrontiert werde. Insoweit hat das Gericht logischerweise auf den Zeitpunkt des Kaufes selbst abgestellt.
75 Jedoch hat es in Randnummer 66 des angefochtenen Urteils auch die Umfragen analysiert, die die Rechtsmittelführerin zum Nachweis des Bekanntheitsgrades ihrer Marke vorgelegt hat. Derartige Umfragen unterscheiden aber nicht nach den Umständen, unter denen die Verbraucher mit der Marke konfrontiert werden. Insoweit hat das Gericht festgestellt, dass diese Umfragen nicht geeignet erscheinen, die Bekanntheit der Anmeldemarke zu beweisen.
76 Demnach erscheint auch der dritte Teil des vierten Rechtsmittelgrundes als unbegründet, so dass der Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen ist.
77 Da die Rechtsmittelführerin mit allen ihren Rechtsmittelgründen unterlegen ist, ist das Rechtsmittel selbst zurückzuweisen.
Kosten
78 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der nach Artikel 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM die Verurteilung der Rechtsmittelführerin zur Tragung der Kosten beantragt hat und diese mit ihren Rechtsmittelgründen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen. Die August Storck KG trägt die Kosten des Verfahrens.
Unterschriften.
* Verfahrenssprache: Deutsch.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen