Arbeitgeber grundsätzlich nicht für alkoholbedingten Unfall eines Mitarbeiters während Betriebsfeier verantwortlich
Gericht
OLG Frankfurt a.M.
Art der Entscheidung
Berufungsbeschluss
Datum
05. 09. 2007
Aktenzeichen
17 U 11/07
Keine Verantwortung des Arbeitgebers für den unfallbedingten Tod eines Mitarbeiters aufgrund eines Sturzes von einem Boot, das zur Durchführung eines Betriebsfestes angemietet worden war.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 12.12.2006 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.Die Kosten der Berufungsinstanz hat die Klägerin zu tragen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 149.400,-- € festgesetzt. Davon entfallen 10.000,-- € auf den Schmerzensgeldantrag.
Gründe:
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf den Beschluss des Senats vom 20.06.2007 Bezug genommen, durch den die Klägerin mit ausführlicher Begründung im Einzelnen darauf hingewiesen wurde, aus welchen Gründen der Senat der Berufung der Klägerin einstimmig keine Aussicht auf Erfolg beimisst.
Die in der Stellungnahme vom 06. August 2007 gegen diesen Hinweisbeschluss vorgebrachten Einwendungen vermögen eine abweichende Beurteilung nicht zu begründen.
Die behaupteten Verstöße des Landgerichts gegen Hinweispflichten können in zweiter Instanz nur insoweit die Berufung begründen, als entgegen § 531 Abs. 2 ZPO dann neue Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel zuzulassen sind, soweit diese nur unterblieben sind, weil die erste Instanz Hinweispflichten verletzte. Gerade das macht die Klägerin aber nicht geltend, sondern rügt den vom Landgericht zugrunde gelegten Tatbestand als fehlerhaft und meint ferner, die Zeugenaussagen des Polizeiberichts seien fehlerhaft ausgewertet worden.
Soweit der Senat im Hinweisbeschluss festgehalten hat, der bisherige Vortrag der Klägerin reiche nicht aus, um die Passivlegitimation der Beklagten zu begründen, hat der Senat gerade mit der Begründung, das Landgericht habe auf Bedenken hinsichtlich der Passivlegitimation der Beklagten nicht hingewiesen – mit der Folge, dass neuer Vortrag der Klägerin zu diesem Punkt in der Berufungsinstanz zuzulassen wäre – die Entscheidung nicht auf die fehlende Passivlegitimation der Beklagten gestützt. Der nunmehr erfolgte weitere Vortrag der Klägerin zur Passivlegitimation der Beklagten ist zwar geeignet, die Passivlegitimation der Beklagten zu begründen und wäre wegen Verletzung entsprechender Hinweispflichten in erster Instanz auch gemäß § 531 Abs. 2 Nr.1 ZPO zuzulassen.
Es bleibt aber bei der Beurteilung des Hinweisbeschlusses, dass die Klage bereits aus anderen Gründen unbegründet ist und deshalb dem streitigen Gesichtspunkt der Passivlegitimation der Beklagten für die Entscheidung keine Bedeutung zukommt.
Auch die erstmals mit der Stellungnahme vom 06. August 2007 vorgebrachte Rüge eines „befangenheitsähnlichen Zustandes“ der erkennenden Richterin kommt für die Entscheidung keine Bedeutung zu. Die Klägerin hat die erkennende Richterin nicht als befangen abgelehnt. Es kann deshalb offen bleiben, ob die behauptete Äußerung der Richterin eine Befangenheit überhaupt begründen könnte.
Unverständlich ist dem Senat, dass die Klägerin an ihrer Behauptung festhält, das Landgericht habe die Zeugenaussagen im Polizeibericht fehlerhaft ausgewertet und die Aussagen der Zeugin Z2 verwechselt.
In der Berufungsbegründung hatte die Klägerin festgehalten, dass es die Zeugin Z4 gewesen ist, die den Ehemann der Klägerin 20 Meter entfernt im Wasser gesehen habe. Mit der Berufungsbegründung ist weiter geltend gemacht worden, die Zeugin Z2 habe den Ehemann der Klägerin nicht mehr gesehen. Der Senat hat im Einzelnen aufgezeigt, dass zwar nach der Übersetzung des Polizeiberichtes Zweifel obwalten können, ob die Zeugin Z2 den Ehemann der Klägerin im Wasser wahrnahm oder diese Aussage der Zeugin Z3 zuzuschreiben ist (S. 2 zweiter Absatz des Hinweisbeschlusses = Bl. 178 d.A.). Der Senat hat aber ausdrücklich festgehalten, dass sich aus der Originalfassung der Aussage in englischer Sprache ergibt, dass die Zeugin Z2 den Ehemann der Klägerin im Wasser sah, sich abwandte, um Hilfe zu erlangen und ihn sodann nicht mehr sah, als sie sich zurückwendete. Der Senat bleibt bei der Feststellung, dass das Landgericht die Zeugenaussage völlig zutreffend ausgewertet hat. In der Stellungnahme vom 06. August 2007 gibt nunmehr die Klägerin die Aussage der Zeugin Z2 zutreffend wieder und bestreitet nicht mehr, dass die Zeugin Z2 den Ehemann der Klägerin im Wasser sah. Es erschließt sich nicht, inwiefern hier doch noch eine Verwechslung der Zeugenaussage gegeben sein soll. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nicht auch noch zusätzlich die Aussage der Zeugin Z4 auswertete, die den gleichen Sachverhalt schilderte.
Soweit die fehlerhafte Darstellung des Rettungsversuchs im Tatbestand des angefochtenen Urteils gerügt wird, kommt es nicht streitentscheidend darauf an, ob der vom OLG aufgezeigte Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 20. November 2006 auf Seite 11 Mitte (Bl. 284 d.A.) durch die Verwendung des Wortes „soll“ lediglich als hypothetische Annahme der Klägerin zu bewerten ist oder als Tatsachendarstellung.
Das Landgericht ist jedenfalls durch die Darstellung im unstreitigen Teil des Tatbestands davon ausgegangen, dass sich die Klägerin die Zeugenaussagen zu eigen gemacht hat. Für die Beurteilung kann es nicht darauf ankommen, ob diese Beurteilung des Landgerichts richtig oder unrichtig ist, denn der Tatbestand des Urteils bietet Beweis für das mündliche Parteivorbringen, der nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden kann (§ 314 ZPO).
Für eine Berichtigung nach § 319 ZPO ist keinerlei Handhabe gegeben, da dann eine Abweichung des vom Gericht Gewollten im Hinblick auf das tatsächliche Verlautbarte vorliegen müsste.
Das ist nicht der Fall, denn das Landgericht hat im Tatbestand den entsprechenden Vortrag der Klägerin, den diese als hypothetische Annahme gewertet haben will, als unstreitigen Tatsachenvortrag dargestellt.
Dagegen hätte die Klägerin mit dem Tatbestandsberichtigungsantrag gemäß § 320 ZPO vorgehen müssen. Da es hieran fehlt, ist der Senat an die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils zum Ablauf des Rettungsversuchs gebunden und hat diesen der Beurteilung zugrunde zulegen. Der von der Klägerin mit der Berufungsbegründung und der Stellungnahme vom 06. August 2007 abweichend dargelegte Verlauf des Rettungsversuchs kann deshalb nicht Anknüpfungspunkt für die gewünschte rechtliche Beurteilung sein.
Dementsprechend können der Beklagten ihr zu zu rechnende Fehler beim Rettungsversuch nicht mit Erfolg vorgeworfen werden.
Auch hinsichtlich der Frage der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch Abgabe kostenloser alkoholischer Getränke in unbegrenzter Menge bleibt der Senat bei seiner bisherigen Beurteilung.
Soweit die Klägerin rügt, aus dem beruflichen Werdegang von Teilnehmern der Abendveranstaltung ließen sich keine Rückschlüsse auf den Alkoholkonsum einer Person ziehen, wird diese Wertung des Senats aus dem Zusammenhang gerissen.
Der Senat hat vielmehr festgehalten, dass der Veranstalter der Bootsfahrt, die neben einem Abendbuffet auch Tanz und die Ausgabe alkoholischer Getränke bot, im Hinblick auf den Teilnehmerkreis dieser Pflichtkonferenz nicht in Rechnung stellen musste, dass sich jemand durch übermäßigen Alkoholkonsum im Kollegenkreis blamieren würde und deshalb Kontrollmaßnahmen im Hinblick auf eine Verhinderung übermäßigen Alkoholkonsums notwendig wären.
Die Ausführungen des Senats, dass der später verunglückte Ehemann der Klägerin nach den Zeugenaussagen Ausfallerscheinungen nicht aufwies, sind nicht angegriffen worden. Es kann deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Hinweisbeschluss vom 20. Juni 2007 Bezug genommen werden.
Nicht mehr berücksichtigt werden kann der Vortrag der Klägerin, die Rettungsringe seien zu hoch angebracht und die Teilnehmer der Abendveranstaltung auf die Lage der Rettungsringe nicht hingewiesen worden. Bislang hat die Klägerin nämlich bestritten, dass überhaupt Rettungsringe vorhanden waren. Diesem neuen Vortrag kann nicht nachgegangen werden, zumal nachprüfbarerer Vortrag, wie hoch denn die Rettungsringe angebracht waren, nunmehr fehlen. Zudem waren die Rettungsringe, wie aus den Fotos ersichtlich, nicht etwa verdeckt angebracht, sondern deutlich sichtbar. Das gilt auch, wenn man berücksichtigt, dass kein Tageslicht mehr herrschte, denn auf den von der Klägerin vorgelegten Fotos der Abendveranstaltung sind die Rettungsringe deutlich sichtbar.
Nicht nachvollziehbar ist die Auffassung der Klägerin, der Senat vertrete die Auffassung, das Rettungsboot sei nicht dazu da, über Bord gegangene Passagiere des Schiffes vor dem Ertrinken zu retten. Der Senat hat lediglich festgehalten, dass es auf eine schnelle Zugänglichkeit des Rettungsbootes für die Teilnehmer der Abendveranstaltung nicht ankommt – Versuche dieser Teilnehmer an das Boot zu gelangen, um den Ehemann der Klägerin zu retten sind im übrigen auch gar nicht dargetan, sondern allein darauf, ob die Schiffsbesatzung das Rettungsboot gegebenenfalls schnell in Betrieb nehmen konnte. Selbstverständlich ist ein Rettungsboot dazu da und einzusetzen, um einen über Bord gegangenen Passagier zu retten, doch ist dieser Rettungsversuch von der Schiffsbesatzung vorzunehmen und nicht von den Passagieren, so dass es für die Entscheidung nicht darauf ankommt, ob an diesem Abend das Oberdeck für die Passagiere zugänglich gewesen ist oder nicht.
Dass das Rettungsboot nicht eingesetzt wurde, kann nicht mit Erfolg beanstandet werden.
Nach dem vom Oberlandesgericht zugrunde zulegenden Sachverhalt stoppte nämlich das Boot und kehrte binnen 2 – 5 Minuten an den mittels GPS ermittelten Ort des Unglücks zurück, wobei die Wasseroberfläche mit Suchscheinwerfern abgesucht und der Ehemann der Klägerin nicht mehr gefunden werden konnte. Das Landgericht hat zutreffend festgehalten, dass unter diesen Umständen auch der Einsatz des Beibootes zu keiner Rettung hätte führen können.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung ist es weder geboten, den Außenbereich der Tanzfläche durch eine hohe Umzäunung vom übrigen Bereich abzutrennen noch die Teilnehmer davor zu bewahren, von den anderen im Übermut ins Wasser geschupst zu werden. Es war auch nicht erforderlich, sie vor versehentlichem Schupsen durch die anderen an Deck befindlichen Teilnehmer zu schützen.
Auch hier ist wieder darauf abzustellen, dass die Teilnehmer der Abendveranstaltung nicht nur sämtlich erwachsen gewesen sind, sondern es auch nach ihrem beruflichen Werdegang, dem Zusammentreffen im Kollegenkreis im Rahmen einer gesellschaftlichen Pflichtveranstaltung nach einer Pflichtkonferenz nicht zu erwarten war, dass diese sich enthemmt und rücksichtslos verhalten. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch nicht zu beanstanden, dass die Crew aus sechs Besatzungsmitgliedern bestand. Fortlaufende Überwachung der Teilnehmer der Abendveranstaltung und eine etwa damit verbundene Gängelung dieser Teilnehmer war angesichts des Personenkreises, der an dieser Abendveranstaltung teilnahm, gerade nicht geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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