Auftraggeber muss nicht bekannt gegeben werden

Gericht

LG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

12. 09. 2007


Aktenzeichen

2-15 S 59/07


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 9.3.2007, Az. 32 C 3456/06-18, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 1.500,- festgesetzt.

Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Der Kläger ist Rechtsanwalt, die Beklagte betreibt Marktforschung. Der Kläger nimmt die Beklagte in zweiter Instanz noch auf Erteilung von Auskunft über den Auftraggeber einer von der Beklagten durchgeführten Marktforschungsstudie in Anspruch.

Ein Mitarbeiter der Beklagten rief den Kläger am 3.9. und am 5.9.2006 an, um eine Umfrage zum Thema "..." durchzuführen. Die Telefonnummer des Klägers war generiert worden. Das Einverständnis des Klägers zur Durchführung dieser Telefonate lag nicht vor.

Mit Schreiben vom 5.9.2006 forderte der Kläger die Beklagte zur Unterlassung weiterer Telefonanrufe und Benennung ihres Auftraggebers auf. Die Beklagte gab daraufhin am 12.9.2006 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, ohne den Auftraggeber zu benennen.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die Beklagte müsse den Auftraggeber der Studie benennen, weil dieser eine Telefonbefragung in Auftrag gegeben habe, daher mittelbarer Störer und gleichfalls Unterlassungsschuldner sei.

Die Beklagte hat demgegenüber gemeint, allein die Eigenschaft als Auftraggeber mache den Auftraggeber nicht zum Störer. Nachdem die Beklagte die Unterlassungserklärung abgegeben habe, bestehe auch nicht mehr die Gefahr einer weiteren Inanspruchnahme.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger einen Anspruch gegen den Auftraggeber der Studie auf Unterlassung weiterer Telefonanrufe habe, denn es fehle hinsichtlich des Auftraggebers an einer kausal verursachten Verletzungshandlung. Selbst wenn man den Telefonanruf der Beklagten zu Marktforschungszwecken als rechtswidrig ansähe, so sei dieser Eingriff in geschützte Rechte durch die Beklagte und nicht deren Auftraggeber vorgenommen worden. Die Datenerhebungstechnik habe in eigener Verantwortung der Beklagten gelegen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte eine Unterlassungserklärung abgegeben habe, so dass eine weitere Störung des Klägers durch den Auftraggeber nicht mehr zu befürchten sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das amtsrichterliche Urteil Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren auf Auskunftserteilung weiter. Er beruft sich darauf, dass der Auftraggeber der Beklagten bei Auftragserteilung gewusst habe, dass die Studie im Wege der Telefonbefragung durchgeführt werde. Damit sei er als Störer zu betrachten.

Der Auftraggeber könne sich jederzeit anderer Marktforschungsunternehmen bedienen, die ihrerseits den Kläger anrufen. Der Auftraggeber hätte die Beklagte bei Auftragserteilung dahin verpflichten müssen, nur Anschlüsse anzuwählen, deren Inhaber mit einer Telefonbefragung einverstanden sind.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 9.3.2007, Az. 32 C 3456/06-18, abzuändern und die Beklagte dazu zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, wer Auftraggeber der Studie "Bekanntheit von Elektronikanbietern, speziell in Berlin" war, in deren Rahmen die Beklagten den Kläger am 3. September 2006 gegen 11.40 Uhr und am 5. September 2006 um 17.14 Uhr auf seinem Telefonanschluss anrief, um mit ihm eine telefonische Befragung durchzuführen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es gäbe keine allgemeine Verbotsnorm, die Anrufe zu Marktforschungszwecken untersage. Der Gesetzgeber habe bewusst nur Telefonanrufe zu Marketingzwecken verboten.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die tatrichterlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen (§ 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO).


II.

Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO). Sie ist nicht begründet.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Benennung des Auftraggebers der von der Beklagten durchgeführten Studie vor, weil der Auftraggeber der Beklagten nicht mittelbarer Störer ist. Nur dann, wenn der Kläger aber einen Anspruch gegen den Auftraggeber auf Unterlassung haben kann, hat er überhaupt ein schützenswertes Interesse an der Bekanntgabe des Auftraggebers.

Eine Inanspruchnahme des Auftraggebers der Beklagten ist zwar grundsätzlich denkbar, denn auch derjenige, der nicht unmittelbar eine rechtswidrige Handlung ausführt, kann als Störer in Betracht kommen, wenn er in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt (BGH GRUR 1997, 313).

Nach der Rechtsprechung des BGH darf mithilfe der Störerhaftung die einen Normadressaten treffende Pflicht indessen nicht über Gebühr auf unbeteiligte Dritte erstreckt werden. Der vom BGH entschiedene Fall unterscheidet sich zwar von dem hiesigen, dass es dort um einer Verletzung der HOAI ging, die sich ausschließlich an Architekten wendet; dies steht aber einer Übertragung der vom BGH entwickelten Grundsätze auf den hier streitigen Fall nicht entgegen (BGH GRUR 1997, 313), denn für die Inanspruchnahme eines Dritten als mittelbaren Störer kann es nicht darauf ankommen, ob die verletzte Norm (dort das Preisrecht der HOAI, hier § 823 BGB) nur einen bestimmten Personenkreis betrifft oder allgemeingültig ist. Relevant sind allein die Einwirkungs- und Prüf pflichten des Auftraggebers.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im hier streitigen Fall die Störerhaftung des Auftraggebers jedoch abzulehnen. Nach dem unstreitigen Inhalt des Auftrags, so wie ihn die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht geschildert hat, oblag ihr im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber die Entscheidung darüber, wie die Studie durchgeführt wird. Der Auftraggeber hatte zwar Kenntnis davon, dass Daten auf telefonischem Wege erhoben werden sollten. Dies ist aber nicht einer Auftragserteilung zu einer rechtswidrigen Handlung gleichzustellen. Denn der Auftraggeber durfte es der Beklagten überlassen, sicherzustellen, dass sie im Rahmen ihrer Studie keine rechtswidrigen Anrufe tätige.

Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der Auftraggeber Kenntnis hatte oder damit rechnen konnte, dass die Beklagte rechtswidrig vorgehen werde, denn die Einzelheiten ihrer Vorgehensweise standen im Ermessen der Beklagten. Die Kammer folgt insoweit nicht dem Landgericht Berlin (Urteil vom 12.6.2007, Az. 15 O 966/06), das eine Störerhaftung des Auftraggeber allein deswegen angenommen hat, weil es unterstellt hat, der dortige Auftraggeber habe gewusst, dass das Marktforschungsunternehmen rechtswidrige Anrufe tätigen würde.

Zwar hätte der Auftraggeber bei Vertragsschluss die Möglichkeit zur Einwirkung auf die Beklagte gehabt und sie darauf verpflichten können, keine Anrufe ohne Einwilligung des Anschlussinhabers vorzunehmen. Hierzu war er aber nicht gehalten. Vorrangig ist es Aufgabe der Beklagten, ihre Vorgehensweise zu bestimmen. Sie ist selbständig handelndes Unternehmen, das im Rahmen eines Auftrags einen bestimmten Erfolg zu erbringen hat. Wie die Beklagte diesen Erfolg bewirkt, ist für den Auftraggeber in der Regel nebensächlich. Ihm kommt es nur darauf an, dass eine Studie repräsentativ ist, nicht auf welche Weise die Daten gewonnen werden. Dass die Beklagte im Rahmen ihrer Auftragserfüllung die Rechtsordnung wahrt, darf der Auftraggeber erwarten, zumal die Beklagte über die für die Ausübung ihrer Tätigkeit geltenden rechtlichen Pflichten bessere Kenntnis haben dürfte als der jeweilige Auftraggeber.

Dem Auftraggeber war es auch weder zumutbar noch möglich, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein Telefonanruf der Beklagten rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgte.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713, 97 ZPO

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 ZPO). Wie die vom Kläger vorgelegten Urteile zeigen, stellt sich die Frage, ob der Auftraggeber einer telefonisch durchgeführten Studie zu benennen ist, in einer Vielzahl von Fällen. Angesichts der ständigen Zunahme von Rechtsstreitigkeiten rund um das Thema Telefonmarketing und telefonische Marktforschung erlangt auch die Frage, ob der Auftraggeber zu benennen und damit als Störer in Anspruch zu nehmen ist, weit über diesen Fall hinaus gehende Bedeutung.

Die Revision war auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da bereits eine anderslautende Entscheidung des LG Berlin (Urteil vom 12.6.2007, Az. 15 O 966/06) vorliegt.

Der Streitwert wurde geschätzt (§ 3 ZPO).


Simon
Schneider
Distler

Vorinstanzen

AG Frankfurt a.M., 32 C 3456/06-18

Rechtsgebiete

Informations- und Telekommunikationsrecht; Markt- und Sozialforschung