Nur ein praktizierender Mediziner ist ein Arzt (Gegendarstellung)

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

10. 08. 2007


Aktenzeichen

14 U 86/07


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Betroffene kann der in einer Erstmitteilung enthaltenen Bezeichnung als „Krebsarzt“ mit der Gegendarstellung die Behauptung entgegensetzen, daß er ausschließlich als forschender und publizierender, nicht aber als praktizierender Mediziner tätig sei.

  2. Eine Gegendarstellung braucht sich nicht darauf zu beschränken, die in der Erstmitteilung enthaltene Tatsachenbehauptung als falsch zu bezeichnen und ihr eine andere Tatsachenbehauptung gegenüberzustellen. Vielmehr ist ein erklärender Zusatz zulässig, soweit dieser zum Verständnis der Erwiderung notwendig ist.

  3. Eine Gegendarstellung ist nicht von unzulässiger Länge, wenn die Zusammenfassung einer in zwei Sätzen erfolgenden Aussage in einem einzigen Satz zwar möglich wäre, dies aber nicht zu einer wesentlichen Verkürzung des Textes führen würde.

Tenor


Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 11.05.2007 - 2 O 119/07 - wird als unbegründet zurückgewiesen.

  2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

  3. Der Streitwert wird für die Berufung auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand


Tatbestand

I.

Der (Verfügungs-) Kläger ist in der Krebsforschung tätiger Mediziner. In der Ausgabe Nr. 12/2007 vom 17.03.2007 der von der (Verfügungs-) Beklagten herausgegebenen Zeitschrift „N. W.“ wurde auf Seite 17 unter der Überschrift „Krebstod, weil Eltern Vitamin-Guru glaubten“ über den Tod eines Kindes berichtet, welches ein Vitamin-Präparat angewendet hatte, das Gegenstand der Forschungen des Klägers gewesen war.

Aufgrund dieser Veröffentlichung hat der Kläger beantragt, die Beklagte zum Abdruck einer Gegendarstellung zu mehreren der in dem Artikel enthaltenen Äußerungen zu verpflichten.

Wegen der vom Kläger verfolgten Ansprüche und des zugrundeliegenden Sachverhalts im einzelnen, wegen des Vorbringens der Parteien sowie wegen der gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Auf den Hilfsantrag und unter Abweisung des Hauptantrags hat das Landgericht die Beklagte zum Abdruck einer Gegendarstellung gemäß der Urteilsformel der angefochtenen Entscheidung verurteilt.

Während der Kläger das landgerichtliche Urteil hinnimmt, verfolgt die Beklagte mit der Berufung ihr Begehren auf Zurückweisung auch des Hilfsantrags weiter. Sie ist der Auffassung, die Gegendarstellung des Klägers, zu deren Abdruck das Landgericht die Beklagte verurteilt hat, stelle in bezug auf Nr. 1 lit. a keine Erwiderung auf die Erstmitteilung dar und sei in bezug auf Nr. 1 lit. b und lit. c, Nr. 2 und Nr. 3 „geschwätzig“, d. h. unangemessen lang. Somit entspreche sie insoweit nicht den gem. § 11 bad.-württ. LPG an eine Gegendarstellung zu stellenden Anforderungen. Nach dem Grundsatz „ganz oder gar nicht“ müsse die Gegendarstellung daher insgesamt nicht abgedruckt werden. - Ferner beanstandet die Beklagte die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Was die Beklagte gegen das landgerichtliche Urteil vorbringt, greift nicht durch.

1. Nr. 1 lit. a der Gegendarstellung lautet:

„Ich praktiziere nicht als Arzt. Ich bin ausschließlich forschender und publizierender Mediziner.“

Sie bezieht sich auf folgende Erstmitteilung:

„Der Neunjährige starb an Knochenkrebs, weil seine Eltern den Theorien des selbsternannten Krebsarztes Dr. M. R. (51) glaubten“.

a) Die Beklagte meint, mit ihrer Gegendarstellung wende sich die Klägerin nicht gegen eine mit der Erstmitteilung aufgestellte Behauptung: Indem sie - Beklagte - den Kläger als „Krebsarzt“ bezeichnet habe, habe sie ihn der Berufsgruppe der Heilkundigen zugeordnet. Damit sei aber nicht gesagt worden, dass er selber als praktizierender Arzt behandele. Um letzteres zum Ausdruck zu bringen, hätte es der Verwendung eines Begriffs wie „Krebsdoktor“ o.ä. bedurft.

b) Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Maßgeblich für die Interpretation des Sinngehalts veröffentlichter Äußerungen ist das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers (vgl. die Nachweise bei Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Rdn. 4.4).

Die Auffassung der Beklagten, wonach der praktizierende Heilkundige nicht als „Arzt“, sondern ausschließlich als „Doktor“ bezeichnet werde, ist nicht richtig. Das Wort „Arzt“ stellt die Berufsbezeichnung für Personen dar, die nach einer wissenschaftlichen Ausbildung „den Heilberuf ausüben und zum Führen dieser Bezeichnung aufgrund der Approbation berechtigt“ sind (Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage, Stichwort „Arzt“). Demgemäß wird der praktizierende Mediziner üblicherweise als „Arzt“ bezeichnet. Daran ändert nichts der Umstand, dass umgangssprachlich der Arzt bisweilen auch als „Doktor“ bezeichnet wird. Im Zusammenhang mit einer Gebietsbezeichnung (Augenarzt, Zahnarzt) wird für praktizierende Mediziner indessen so gut wie ausschließlich der Begriff „Arzt“ verwendet; Bezeichnungen wie „Augendoktor“, „Zahndoktor“ usw. würde ein ironischer Unterton anhaften und sind absolut ungebräuchlich. Demgemäß war die inkriminierte Äußerung zweifelsfrei dahin zu verstehen, dass sich der Kläger zumindest auch mit der Behandlung von Krebspatienten befasst.

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Gegendarstellung des Klägers in Nr. 1 lit. b und lit. c sowie in Nr. 2 und Nr. 3 nicht von unangemessener Breite. Richtig ist zwar, dass sich die Gegendarstellung in den genannten Abschnitten nicht darauf beschränkt, die jeweils in Bezug genommene Ausgangsmitteilung als falsch zu bezeichnen. Sie enthält vielmehr jeweils einen erklärenden Zusatz. Derartige Zusätze sind dann zulässig, wenn sie zum Verständnis notwendig sind. Dies ergibt sich aus der Funktion der Gegendarstellung, dem Leser den den Gegenstand der Erstmitteilung bildenden Sachverhalt aus der Sicht des von ihr Betroffenen gegenüberzustellen (vgl. Wenzel/Burkhardt, aaO, Rdn. 11.104, m.w.N.). An diesen Grundsätzen gemessen gehen die hier in Rede stehenden gegendarstellenden Äußerungen noch nicht über den Rahmen des Zulässigen hinaus.

a) Die Gegendarstellungen Nr. 1 lit. b und c beziehen sich auf die in der Erstmitteilung enthaltene Behauptung, wonach das Kind an Knochenkrebs starb, weil seine Eltern den Theorien des Beklagten glaubten und deswegen eine Chemotherapie abgebrochen haben.

Die bloße Verneinung einer Kausalität zwischen dem behaupteten Glauben der Eltern an die Theorien des Klägers und dem Abbruch der Therapie sowie zwischen dem Abbruch der Therapie und dem Tod des Kindes wäre - wie der Kläger in der Berufungserwiderung richtig ausführt - nicht geeignet gewesen, dem Leser den Sachverhalt aus der Sicht des Klägers verständlich zu machen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Kläger in die Gegendarstellung den Hinweis aufnahm, dass die Eltern des Kindes bei Abbruch der Chemotherapie weder den Kläger noch seine Theorien kannten, ferner, dass zum Zeitpunkt des Abbruchs der Chemotherapie feststand, dass das Kind hierauf nicht ansprach, so dass deren Fortsetzung den Tod nicht verhindert hätte.

b) Die Gegendarstellung gem. Nr. 2 bezieht sich auf die Erstmitteilung, der Kläger biete im Internet Präparate an und mache damit nach Expertenschätzungen einen Umsatz von 60 Millionen EUR pro Jahr.

Eine Beschränkung auf die Verneinung dieser Behauptung wäre insbesondere deshalb nicht zur Darstellung des Standpunktes des Klägers geeignet gewesen, weil die Präparate von einem den Namen des Klägers tragenden niederländischen Unternehmen vertrieben werden. Der Hinweis, wonach der Kläger weder Geschäftsführer noch Anteilseigner des Unternehmens ist, dient daher dem Verständnis, so daß sie in die Gegendarstellung aufgenommen werden durfte.

c) Nr. 3 der Gegendarstellung greift die Beklagte mit der Begründung an, die Aussage hätte statt in zwei Sätzen auch in einem Satz erfolgen können. Letzteres ist zwar richtig, rechtfertigt nach Auffassung des Senats aber nicht das Verdikt der unzulässigen „Geschwätzigkeit“. Eine Zusammenfassung der Aussage in einem Satz hätte nämlich zu keiner wesentlichen Verkürzung des Textes geführt, wie der Formulierungsvorschlag der Beklagten zeigt, der mit 27 Wörtern lediglich 10 Wörter weniger aufweist als die Gegendarstellung des Klägers.


III.

Nach allem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung vertretenen Auffassung indiziert der Umstand, daß der Kläger die ohne weiteres vollstreckbare erstinstanzliche Entscheidung nicht zwangsweise durchgesetzt hat, nicht das Fehlen der Dringlichkeit und damit des Verfügungsgrundes. Daß er nicht vollstreckt hat, hat der Kläger damit erklärt, daß er in Unkenntnis der ständigen Rechtsprechung des Senats damit gerechnet habe, daß dem Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung entsprochen werde.

Für die von der Beklagten beantragte Änderung der das erstinstanzliche Verfahren betreffenden Kostenquote sieht der Senat keinen Anlass. Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren nämlich nicht drei, sondern lediglich zwei Gegendarstellungsverlangen.

Da das Urteil rechtskräftig ist (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO), bedarf es keines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit.

Rechtsgebiete

Presserecht