Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung bei Versetzung

Gericht

ArbG Freiburg - Kammern Offenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

16. 08. 2007


Aktenzeichen

10 Ga 4/07


Tenor

  1. Die Anträge werden abgewiesen.

  2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Der Streitwert beträgt 6.000 €

Tatbestand


Tatbestand

Der Verfügungskläger verlangt im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren seine vertragsgemäße Beschäftigung und die Nutzung seines bisherigen Einzelbüros.

Der Verfügungskläger ist seit ... bei der Verfügungsbeklagten zu einem jährlichen Fixgehalt von ... € (zuzüglich einer leistungsabhängigen Bonuszahlung) beschäftigt. Ausweislich des Anstellungsvertrags vom ... (AS. 10 ff.) wurde der Verfügungskläger als "Leiter ..." eingestellt, wobei sich die Verfügungsbeklagte u.a. eine Änderung des Aufgabengebietes als auch der Unterstellung vorbehielt (s. im Einzelnen Ziffer 1 des Anstellungsvertrags). Dem Verfügungskläger war außerdem in Aussicht gestellt worden, ggf. zum stellvertretenden Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten bestellt zu werden (s. Schreiben vom 28.7.2006, AS. 18).

Dem Verfügungskläger wurde am ... von dem bisherigen alleinigen Geschäftsführer ... u.a. mitgeteilt, dass er nicht zum stellvertretenden Geschäftsführer bestellt werde. Am ... teilte Herr ... in einem weiteren Gespräch mit, dass die Tätigkeiten des Verfügungsklägers künftig dem Mitarbeiter ... zugeordnet würden.

Der Verfügungskläger wurde bis zum Beginn seines Urlaubs zur Bewertung einer Gesellschaft eingesetzt, um über einen Erwerb oder eine Beteiligung an dieser Gesellschaft zu entscheiden. Diese Aufgabe hatte er bereits vor der organisatorischen Veränderung begonnen. Es handelt sich um einen Teilaspekt seiner bisherigen Tätigkeit. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung dauerte der Urlaub des Verfügungsklägers noch an.

Wie sich aus dem vom Verfügungskläger vorgelegten Organigramm ... ergibt, befanden sich bisher der Verfügungskläger und Herr ... auf der gleichen Hierarchieebene, unmittelbar der Geschäftsführung unterstellt. Sowohl dem Verfügungskläger als auch Herrn ... waren bisher mehrere Mitarbeiter unterstellt. Die neue Organisationsstruktur ergibt sich aus dem Organigramm Stand..., auf das Bezug genommen wird. Danach ist nun Herr ... mit der "Leitung ..." betraut. Der Verfügungskläger ist laut Organigramm weiterhin direkt der Geschäftsführung unterstellt und - ohne Personalverantwortung - mit "Sonderaufgaben" betraut. Herr ... soll zum ... außerdem zum Geschäftsführer bestellt werden. Dass Herr ... Geschäftsführer werden soll, war dem Verfügungskläger bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses bekannt.

Der Verfügungskläger vertritt die Auffassung, dass die zugewiesene Tätigkeit nicht vom Direktionsrecht der Verfügungsbeklagten gedeckt sei. Herr ... habe am ... auf seine Frage, ob mit einer Kündigung zu rechnen sei, erklärt, dass man dem Verfügungskläger seine zukünftige Tätigkeit so langweilig gestalten könne, dass er von sich aus kündigen werden. Während seines Urlaubs sei das bisher von ihm genutzte Einzelbüro geräumt worden. Sein Schreibtisch befinde sich jetzt in einem Büro mit drei oder vier Arbeitsplätzen, in dem sich der ... der Verfügungsbeklagten befinde. Der Verfügungsgrund ergebe sich bereits daraus, dass der Verfügungskläger nur durch die beantragte Beschäftigungsverfügung wirksam vor der weiteren Vereitelung seines Anspruches auf vertragsgemäße Beschäftigung geschützt werde Außerdem ergebe sich für den Verfügungskläger im Falle der fortdauernden Entziehung seiner Aufgaben eine erhebliche Wiedereingliederungserschwerung. Der Verfügungskläger sei zudem insbesondere aufgrund seiner bisherigen Führungstätigkeit auf die Ausübung seiner Tätigkeit angewiesen, um seine beruflichen Chancen zu erhalten. Er sei insbesondere darauf angewiesen, dass von ihm in seinen bisherigen Führungspositionen aufgebaute Netzwerk weiter zu pflegen und bei den diesbezüglichen Netzwerkveranstaltungen funktional präsent zu sein. Entsprechende Einladungen seien jedoch durchgängig mit der Ausübung einer konkreten Funktion verbunden.

Der Verfügungskläger hat zuletzt beantragt:

  1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Antragsteller vertragsgemäß als Leiter ... zu den bisherigen Bedingungen, insbesondere mit Berichtspflichten ausschließlich gegenüber der Geschäftsführung und mit entsprechender Personalverantwortung, vorgesetzt den der Leitung ... zugeordneten Abteilungen - derzeit die Abteilungen ... - zu beschäftigen.

  2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Wiederherstellung der bisher geltenden Berichtsstrukturen gegenüber den betroffenen Mitarbeitern, insbesondere den Mitarbeitern der Abteilungen ... zu kommunizieren.

  3. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, dem Antragsteller die Nutzungsmöglichkeit seines bisherigen Einzelbüros ... mitsamt den darin bisher befindlichen Möbeln und Arbeitsmitteln zu entziehen, ohne ihm zumindest unter Vermeidung jeglicher räumlicher Isolierung ein seiner Stellung in der Unternehmenshierarchie entsprechendes Ersatzbüro zur Verfügung zu stellen.

  4. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird ein Ordnungsgeld von bis zu 100.000 € gegen die Antragsgegnerin, ersatzweise Ordnungshaft gegen die Vertreter, festgesetzt.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen (einschließlich der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.8.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

I.

Die Anträge hatten keinen Erfolg. Ein Verfügungsgrund im Sinne von §§ 62 Abs 2 S. 1 ArbGG, §§ 935, 940 ZPO liegt nicht vor.

1. Mit Antrag 1 verlangt der Verfügungskläger die Beschäftigung als "...".

Es ist bereits fraglich, ob sich aus dem Anstellungsvertrag ein Anspruch ergibt, nur als "..." beschäftigt zu werden, da in Ziffer 1 des Anstellungsvertrags ein Versetzungsvorbehalt geregelt ist. Eine antragsgemäße Verurteilung käme deshalb wohl nicht in Betracht. Dass die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger eine andere Tätigkeit zuweisen kann, bedeutet allerdings noch nicht, dass die Zuweisung von "Sonderaufgaben" ohne weiteres von der Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag gedeckt ist. Letztlich können diese Fragen jedoch offenbleiben, da jedenfalls ein Verfügungsgrund fehlt.

Vorliegend verlangt der Verfügungskläger nicht eine vorläufige Regelung, sondern den Erlass einer Befriedigungsverfügung. Durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung hinsichtlich des Antrags 1 würde die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen. Es sind deshalb höhere Anforderungen an den Verfügungsgrund zu stellen. Dabei ist im vorliegenden Fall auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht freigestellt worden ist, sondern ihm eine andere Tätigkeit zugewiesen worden ist. Die vom Verfügungskläger angeführten Entscheidungen des LAG München (vom 19.8.1992 - 5 Ta 185/92) und des LAG Hamm (vom 18.2.1998 - 3 Sa 297/98 und vom 1212.2001 - 10 Sa 1741/01) beschäftigen sich alle mit Sachverhalten, in denen der Arbeitnehmer freigestellt worden war, also gar nicht beschäftigt wurde. Zwar will das LAG Chemnitz (Urteil vom 83.2006 - 3 Sa 77/96) die Versetzung mit einer Nichtbeschäftigung (nach einer Kündigung) gleichsetzen, dies überzeugt die vorliegend zur Entscheidung berufene Kammer jedoch nicht. Die Auswirkungen für einen Arbeitnehmer, der nicht beschäftigt wird, sind deutlich schwerwiegender als für einen Arbeitnehmer, der seine Beschäftigung nicht für vertragsgemäß hält.

Wehrt sich ein Arbeitnehmer gegen eine von ihm als unwirksam angesehene Weisung oder Versetzung durch den Arbeitgeber, so ist ein Verfügungsgrund nur gegeben, wenn die einstweilige Verfügung zur Abwehr wesentlicher Nachteile erforderlich ist; es darf dem Arbeitnehmer nicht zumutbar sein, zunächst der Versetzung Folge zu leisten und deren Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren überprüfen zu lassen (vgl. Karinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 2. Auflage 2007, I Rz. 51, 56; LAG Köln vom 26.8.1992 - 2 Sa 624/92 - LAGE § 940 ZPO Nr. 1) Ein Hauptsacheverfahren, um die Rechtmäßigkeit der Maßnahme überprüfen, hat der Verfügungskläger bisher gar nicht eingeleitet.

Solche wesentlichen Nachteile hat der Verfügungskläger bis zur mündlichen Verhandlung nicht darlegen können. Dass die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger offenbar erst nach seiner Urlaubsrückkehr mitteilen wollte, welche Tätigkeiten er künftig als "Sonderaufgaben" übernehmen soll, ist für den Kläger zwar sicher sehr unangenehm. Vor dem Hintergrund der vom Kläger behaupteten Äußerung des Geschäftsführers am 167.2007 ist auch die Befürchtung des Klägers nachvollziehbar, künftige Aufgaben könnten nicht der vertraglichen Vereinbarung der Parteien entsprechen. Diese Äußerung ist als unstreitig zu behandeln. Das Bestreiten des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung war gemäß §§ 138 Abs. 2 und 4, 141 Abs. 3 ZPO unzulässig. Bis zum Urlaubsantritt wurde der Verfügungskläger jedoch unstreitig mit einer Tätigkeit betraut, die einen Teilaspekt seiner bisherigen Aufgaben abdeckt. Zumindest bisher wurde der Verfügungskläger also nicht "unter Wert" beschäftigt. Dass er den Kontakt zu dem von ihm aufgebauten Netzwerk in der Zeit bis zu einer – sofort vollstreckbaren - Entscheidung im Hauptsacheverfahren (die Kammerverhandlung hätte bei Eingang des Hauptsacheverfahrens mit dem vorliegenden Verfahren noch Ende Oktober oder Mitte November 2007 stattfinden können) verloren hätte und damit seine beruflichen Chancen beeinträchtigt worden wären, hat der Verfügungskläger nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend dargelegt. Dem Gericht ist beispielsweise nicht bekannt, wie häufig die vom Verfügungskläger angesprochenen Veranstaltungen stattfinden. Den Mitarbeitern, die bisher dem Verfügungskläger unterstellt waren, ist die organisatorische Veränderung bereits bekannt. Soweit sich dadurch das Verhältnis zwischen Verfügungskläger und diesen Mitarbeitern verschlechtert haben sollte, ist dieser Schaden schon eingetreten Auch hier ist zudem zu berücksichtigen, dass der Verfügungskläger nicht freigestellt wurde, sondern weiterhin im Betrieb tätig ist. Er verliert also nicht den Kontakt zu seinen Mitarbeitern

2. Antrag 2 stellt inhaltlich einen Annex zu Antrag 1 dar. Antrag 2 ist nur begründet, wenn auch Antrag 1 Erfolg hat. Hinsichtlich des Verfügungsgrunds kann deshalb auf die Ausführungen zu Antrag 1 verwiesen werden. Gesonderter Vortrag zu Antrag 2 ist auch von Seiten des Verfügungskläger gar nicht erfolgt.

3. Antrag 3 fehlt ebenfalls der Verfügungsgrund. Ausführungen zu der besonderen Eilbedürftigkeit einer Entscheidung über Antrag 3 und damit zum Verfügungsgrund hat der Verfügungskläger nicht gemacht. Es stellt sich zwar die Frage, warum die Verfügungsbeklagte ausgerechnet während der Urlaubsabwesenheit des Verfügungskläger und ohne ihn vorher zu informieren, das Büro des Verfügungsklägers räumen und seinen Schreibtisch in einem Büro mit mehreren Arbeitsplätzen aufstellen muss. Aus diesem Sachverhalt allein ergibt sich jedoch noch nicht, warum der Verfügungskläger nicht die Entscheidung in der Hauptsache abwarten kann.

4. Antrag 4 fiel nicht zur Entscheidung an.


II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Für den gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzende Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO Antrag 1 mit 4000 € und die Anträge 2 und 3 mit je 1000 € bewertet. Antrag 4 hat keinen eigenen Wert.


RECHTSMITTELBELEHRUNG

1. Gegen dieses Urteil kann d. VKläg. Berufung einlegen.

Die Einlegung der Berufung hat binnen eines Monats nach Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg -, Habsburgerstraße 103, 79104 Freiburg i. Br. zu erfolgen. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landesarbeitsgericht zu begründen.

Der Berufungskläger muss sich vor dem Landesarbeitsgericht durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen Berufungs- und eine eventuelle Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
An seine Stelle kann auch ein Vertreter eines Verbandes (Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen) oder eines Spitzenverbandes (Zusammenschlüsse solcher Verbände) treten, sofern er kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt und die Partei Mitglied des Verbandes oder Spitzenverbandes ist. An die Stelle der vorgenannten Vertreter können auch Angestellte einer juristischen Person, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer dieser Organisationen stehen, treten, sofern die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung der Verbandsmitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und der Verband für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Ist die Partei Mitglied eines Verbandes oder Spitzenverbandes, kann sie sich auch durch einen Vertreter eines anderen Verbandes oder Angestellten einer der oben genannten juristischen Personen mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. Die Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts bittet, Schriftsätze in fünffacher Fertigung einzureichen.

2. Für d. VBekl ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

D. Vorsitzende:
Robrecht

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht