Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen fehlerhafter Zustellung

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

16. 08. 2007


Aktenzeichen

27 O 71/06


Tenor

  1. Die durch Urteil des Kammergerichts vom 30. März 2007 - 9 U 67/06 - erlassene einstweilige Verfügung wird aufgehoben.

  2. Der Antragsteller hat die Kosten des Anordnungs- sowie des Aufhebungsverfahrens zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Antragsteller kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Kostenbetrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Kostenbetrages zuzüglich 10 % leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Antragsteller und Antragsgegner im Aufhebungsverfahren (nachfolgend: Antragsteller) hat die einstweilige Verfügung vom 9. Februar 2006 erwirkt, durch die der Antragsgegnerin und Antragstellerin im Aufhebungsverfahren (nachfolgend: Antragsgegnerin) unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden ist, ...

Die einstweilige Verfügung ist auf den Widerspruch der Antragsgegnerin durch Urteil vom 23. März 2006 bestätigt worden. Auf die Berufung der Antragsgegnerin hat das Kammergericht am 30. März 2007 dieses Urteil wie folgt geändert: ...

Die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers übersandten den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin eingehend am 5. April 2007 eine nicht beglaubigte Abschrift des Sitzungsprotokolls des Kammergerichts vom 30. März 2007 mit dem verkündeten Urteilstenor. Eine Zustellung des Urteils im Parteiwege unterblieb.

Die Antragsgegnerin sieht in der bloßen Übersendung des Sitzungsprotokolls keine Vollziehung der einstweiligen Verfügung und beantragt nach Ablauf der Vollziehungsfrist,

die durch Urteils des Kammergerichts vom 30. März 2007 (9 U 67/06) verkündete einstweilige Verfügung aufzuheben.

Der Antragsteller beantragt,

den Aufhebungsantrag zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, mit der Übersendung des Protokolls bereits eindeutig von dem gerichtlichen Titel Gebrauch gemacht zu haben. Da das Kammergericht weniger untersagt habe, als zuvor ausgeurteilt worden sei, sei eine erneute Parteizustellung ohnehin nicht erforderlich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die einstweilige Verfügung in der Fassung des Urteils des Kammergerichts vom 30. März 2007 ist aufzuheben, weil ihre Vollziehung gemäß § 929 Abs. 2 ZPO unstatthaft ist. Der Antragsteller hat die einstweilige Verfügung dadurch wirkungslos werden lassen, dass er es versäumt hat, sie innerhalb der durch § 929 Abs. 2 i. V. m. § 936 ZPO vorgeschriebenen Monatsfrist zu vollziehen. Der Antragsteller hätte durch Zustellung der einstweiligen Verfügung an die Antragsgegnerin im Parteibetrieb in der ab Urteilsverkündung laufenden Frist seinen Durchsetzungswillen bestätigen müssen, um die einstweilige Verfügung bestandskräftig werden zu lassen. Die am 25. Mai 2007 erfolgte Amtszustellung des Urteils wahrt die Frist nicht, da die Amtszustellung das Erfordernis der Vollziehung durch Zustellung im Parteibetrieb unberührt lässt (vgl. Kammergericht, Urteil vom 8.5.2007, 9 U 39/07 m. w. Nachw.). Einen Ordnungsmittelantrag, der die Vollziehungsfrist gewahrt hätte (vgl. BGH NJW 1990, 122) hat der Antragsteller nicht gestellt. Die Übersendung einer Abschrift des Sitzungsprotokolls vom 16. August 2007 mit dem daraus ersichtlichen Tenor reichte für die Vollziehung nicht aus; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Frankfurt (Beschluss vom 12.9.1994, WRP 1995, 45) verwiesen.

Es reichte vorliegend auch nicht aus, dass der Antragstellerin die durch Beschluss vom 9. Februar 2006 erlassene einstweilige Verfügung im Parteiwege hat zustellen lassen. Wenn eine einstweilige Verfügung durch Urteil wesentlich geändert wird, muss der Gläubiger durch Vollziehung dieses Urteils deutlich machen, dass er von dem modifizierten Titel Gebrauch macht (Kammergericht a.a.O.). Die einstweilige Verfügung vom 9. Februar 2007 wurde durch das Urteil des Kammergerichts vom 30. März 2007 wesentlich umgestaltet, wie schon ein Blick auf die unterschiedlichen Tenöre zeigt. Danach ist die einstweilige Verfügung vom 9. Februar 2007 nicht etwa mit Maßgaben bestätigt, sondern völlig neu erlassen worden. Der unbestimmte Unterlassungstenor "aus dem privaten Alltag" erhielt eine ganz andere Fassung; von bloß unwesentlichen Änderungen der einstweiligen Verfügung, die eine erneute Vollziehung nicht erfordert hätten, kann keine Rede sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Wird eine einstweilige Verfügung wegen Versäumung der Vollziehungsfrist aufgehoben, hat der Antragsteller nach ständiger Rechtsprechung der Kammer nicht nur die Kosten des Aufhebungs-, sondern auch die des Anordnungsverfahrens zu tragen (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 927 Rdz. 12). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.


Mauck
Stöß
von Bresinsky

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht