Kostenbeschränkung auf die Kosten eines Prozessbevollmächtigten bei gleichgerichteter Interessenlage
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Beschluss
Datum
02. 05. 2007
Aktenzeichen
XII ZB 156/06
Tenor:
Der XII. Zivilsenat des BGH hat am 2. 5. 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Bekl. zu 1 gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 16. 8. 2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Wert: bis 900 €
Gründe:
I.
Im Hauptsacheverfahren hat die Kl. von dem Bekl. zu 1 als Gesamtschuldner mit den Bekl. zu 2 und 3 rückständige Miete in Höhe von 18.446,51 € begehrt. Die Bekl. sind als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zusammengeschlossene Rechtsanwälte. Sie haben sich jeweils selbst vertreten und mit nahezu wortgleichen Schriftsätzen auf die Klage erwidert.
Am 12. 4. 2005 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen. Danach haben die Kosten des Rechtsstreits zu 54 % die Kl. und zu 46 % die Bekl. zu tragen.
Auf die Kostenfestsetzungsanträge der Bekl., die insoweit von drei Einzelmandaten ausgingen, hat die Rechtspflegerin beim LG mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. 1. 2006 Anwaltsgebühren für die Bekl. in Höhe von jeweils 2.604 €, zusammen also 7.812 € festgesetzt.
Auf die sofortige Beschwerde der Kl. hat das BeschwGer. diesen Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG ‑ Rechtspflegerin ‑ zurückverwiesen. Der Bekl. zu 1 begehrt mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, die Entscheidung des Beschwerdegerichts aufzuheben und die sofortige Beschwerde der Kl. zurückzuweisen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 I Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
1. Das OLG hat einen Anspruch des Bekl. und seiner Sozien auf Abrechnung von drei Einzelmandaten verneint. Zwar könne bei einer gegen mehrere Rechtsanwälte einer Sozietät gerichteten Klage jeder dieser Anwälte sich selbst vertreten und im Falle des Obsiegens grundsätzlich auch volle Kostenerstattung verlangen. Dieser nach § 91 II ZPO zu beurteilende Erstattungsanspruch finde jedoch seine Grenze in dem Grundsatz von Treu und Glauben und dem Verbot des Rechtsmissbrauchs. Mit Rücksicht darauf könnten auch Rechtsanwälte, die als Streitgenossen verklagt werden, unter Kostengesichtspunkten verpflichtet sein, einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten mit ihrer Vertretung zu beauftragen oder sich zumindest im Rahmen der Kostenerstattung so behandeln zu lassen, als sei dies geschehen. Dies sei hier der Fall, weil die Sozietät Vertragspartner des Mietvertrages sei und bereits deshalb ein Gleichlauf der auf Abweisung der Klage auf rückständigen Mietzins gerichteten Interessen der Sozien von Anfang an nahe gelegen habe. Auch angesichts der Einheitlichkeit des zugrunde liegenden Sachverhalts habe weder die Gefahr widerstreitender Interessen bestanden noch sei sie zu befürchten gewesen. Auch sonst habe für die Bekl. kein sachlicher Grund vorgelegen, sich jeweils selbst zu vertreten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es der Kl. freigestanden habe, die Sozietät als Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Anspruch zu nehmen, statt deren Gesellschafter als Gesamtschuldner zu verklagen.
2. Die überzeugend begründete Entscheidung des OLG entspricht einer in Rechtsprechung und Literatur weit verbreiteten Ansicht (vgl. Musielak/Wolst ZPO 5. Aufl. § 91 Rdnr. 69; Zöller/Herget ZPO 26. Aufl. § 91 Rdnr. 13 „Sozietät“; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO § 91 Rdnr. 43; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. 11. 2006 ‑ I-24 W 79/06 ‑ (JURIS); OLG Naumburg, Beschluss vom 11. 8. 2005 ‑ 12 W 74/05 ‑ (JURIS); OLG Schleswig JurBüro 1988, 1030 f.; OLG Bamberg JurBüro 1985, 1876 f.; KG Berlin MDR 1985, 851; OLG Koblenz VersR 1985, 746; OLG Hamburg MDR 1980, 501; OLG München, Beschluss vom 5. 10. 1998 ‑ 11 W 2385/98 ‑ AGS 2000, 103; OLG Hamm OLGR 2003, 39 f.; OLG Karlsruhe Justiz 1988, 312 und Beschluss vom 31. 8. 1994 ‑ 11 W 86/94 ‑ (JURIS); LG Berlin RPfleger 1979, 465; LG Münster MDR 1989, 165 f.; Hessisches LArbG LAGReport 2002, 78 f.; OVG Berlin, Beschluss vom 4. 9. 1984 ‑ 7 K 1.84 ‑ (JURIS); einschränkend: OLG Nürnberg JurBüro 1981, 763 f.).
Sie hält der rechtlichen Überprüfung und den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt das Recht eines Rechtsanwalts, sich selbst vor Gericht zu vertreten, nicht automatisch zu einem Kostenerstattungsanspruch. Während § 78 Abs. 6 ZPO die anwaltlichen Befugnisse zur Selbstvertretung regelt (zu Einzelheiten Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 78 Rdnr. 22), bestimmt sich der Umfang der im Kostenfestsetzungsverfahren zu erstattenden Kosten nach §§ 91, 103 ZPO. Dabei sieht § 91 II Satz 3 ZPO vor, dass dem Rechtsanwalt in eigener Sache die Gebühren und Auslagen zu erstatten sind, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass aus dem Recht der anwaltlichen Selbstvertretung zwingend ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch folgt (vgl. auch MünchKomm-ZPO/Belz 2. Aufl. § 91 Rdnr. 64 zu Rechtsanwälten als GmbH-Geschäftsführern und Vereinsvorständen).
Insbesondere ist § 91 II Satz 3 ZPO entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde nicht lex specialis zu § 91 I ZPO. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber eine Kostenerstattung von vornherein nur insoweit vorgesehen, als es sich um notwendige Kosten handelt. Anders ist auch die Regelung für prozessfremde Kosten nicht zu verstehen (dazu Zöller/Herget aaO § 91 Rdnr. 7). Für diese Kosten gilt in gleichem Maße, dass sie nicht zu erstatten sind, soweit ihre Verursachung nicht notwendig war.
b) Jede Prozesspartei ist verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren läßt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. 3. 2007 ‑ V ZB 77/06 ‑ zur Veröffentlichung vorgesehen; Zöller/Herget aaO § 91 Rdnr. 12). Diese Verpflichtung folgt aus dem Prozessrechtsverhältnis (vgl. BGH, Beschluss vom 3. 6. 2003 ‑ VIII ZB 19/03 ‑ FamRZ 2003, 1461; vgl. auch BVerfG NJW 1990, 3072, 3073).
Sie beherrscht als Ausfluss von Treu und Glauben das gesamte Kostenrecht. So wäre es etwa rechtsmißbräuchlich, eine Forderung ohne sachlichen Grund in mehrere Teilbeträge aufzuspalten und in gesonderten Prozessen geltend zu machen. Das muss auch (und erst recht) gelten, wenn ein Rechtsanwalt mit einer eigenen Forderung so verfährt und sich dabei jeweils selbst vertritt. Auch an diesem Beispiel wird deutlich, dass § 91 II Satz 3 ZPO keine Spezialvorschrift darstellt, mit der der Grundsatz des § 91 I Satz 1 ZPO zugunsten sich selbst vertretender Anwälte durchbrochen werden könnte.
Dieses Beispiel zeigt zugleich, dass derartige Erwägungen ‑ entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ‑ den Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht sprengen. Denn wenn der Rechtspfleger die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung einer Forderung in mehreren Prozessen prüfen muss, ihm also abverlangt wird, bei der Kostenfestsetzung nicht nur die in dem ihm jeweils vorliegenden Verfahren entstandenen Kosten in den Blick zu nehmen, dann wird man ihm eine solche Prüfung erst recht zumuten können, wenn es ‑ wie hier ‑ um die Kosten eines einheitlichen Verfahrens geht.
c) Die Argumentation der Rechtsbeschwerde, die Kl. habe die Erstattungssituation selbst dadurch herbeigeführt, dass sie die Bekl. und nicht die Anwaltssozietät verklagt habe, überzeugt nicht.
Auch seit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Rechts- und Parteifähigkeit zuerkannt wird (BGHZ 146, 341), besteht keine Pflicht, diese und nicht die einzelnen Gesellschafter zu verklagen.
Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde insoweit geltend, die Kl. habe anstelle der Gesellschaft bürgerlichen Rechts deren Gesellschafter nur deshalb verklagt, um diese als sachkundige Zeugen auszuschalten, so dass es befremdlich sei, nunmehr wegen der sich daraus ergebenden Kostenfolge nicht der Kl., sondern den Bekl. Rechtsmissbrauch vorzuwerfen.
Erstens ist es der Kl. nämlich nicht zu verwehren, die drei Bekl. persönlich (allein oder neben der GbR) in Anspruch zu nehmen, denn aus einem allein gegen die GbR erstrittenen Titel hätte sie nicht in das Privatvermögen der Gesellschafter vollstrecken können (vgl. Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 736 Rdnr. 4 m.N.). Zweitens kann ihr nicht vorgehalten werden, auf diese Weise eine sonst mögliche Vernehmung der Gesellschafter als Zeugen vereitelt zu haben, denn auch bei einer allein gegen die GbR gerichteten Klage hätten deren Gesellschafter (als Gesamtvertreter, § 714 BGB) nicht als Zeugen, sondern allenfalls als Partei vernommen werden können (vgl. Wertenbruch NJW 2002, 324, 326; Stein/Jonas/Berger aaO vor § 373 Rdnr. 5; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann ZPO 65. Aufl. Übersicht § 373 Rdnr. 15).
d) Auch der Hinweis der Rechtsbeschwerde, der einheitliche Sachverhalt sei zum Zeitpunkt der Klageerwiderung nicht erkennbar gewesen, vermag nicht zu überzeugen. Soweit sie sich insoweit auf mögliche Ausgleichsansprüche der Gesellschafter untereinander gem. § 426 BGB beruft, sind diese nicht Gegenstand des zu führenden Rechtsstreits, sondern allenfalls dessen Folge.
Sonstige Umstände, die es vorliegend rechtfertigen könnten, einen Interessengegensatz anzunehmen (vgl. dazu OLG Naumburg, Beschluss vom 27. 1. 2005 ‑ 12 W 120/04 ‑ Rpfleger 2005, 482 f.; OLG München, Beschluss vom 5. 8. 1980 ‑ 11 W 1650/80 ‑ JurBüro 1981, 138 f. und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. 6. 1997 ‑ 10 W 78/97 ‑ MDR 1997, 981) sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil belegen die wortgleiche Rechtsverteidigung aller drei Bekl. in den Vorinstanzen sowie der Umstand, dass sie sich vor dem BGH ‑ wenn auch in drei gesonderten Rechtsbeschwerdeverfahren ‑ von einem gemeinsamen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen, dass Interessenkonflikte nicht vorliegen.
e) Schließlich bleibt auch der Einwand der Rechtsbeschwerde ohne Erfolg, die Pflicht zur Bestellung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten hätte für alle drei Bekl. die Frage aufgeworfen, wer von ihnen sich dann selbst vertreten dürfe und welche beiden anderen ihn kostenpflichtig zu mandatieren gezwungen wären. Hier hätte sich vielmehr angeboten, wie üblich die Sozietät zu mandatieren und nicht eines ihrer Mitglieder. Dann wäre keiner der drei Bekl. bevorteilt oder benachteiligt gewesen, weil sich die Frage, wer jeweils die Schriftsätze fertigt oder vor Gericht auftritt, ebenso wie die Gebührenrechnung nach den auch sonst in dieser Sozietät geltenden Gepflogenheiten gerichtet hätte.
3. Das BeschwGer. ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es nicht selbst in der Sache entscheiden konnte und somit eine Zurückverweisung erfolgen musste. Neben dem Mehrvertretungszuschlag gem. § 6 I BRAGO (vgl. Hans. OLG Hamburg MDR 1999, 256, OLG Schleswig MDR 2003, 1202 und OLG Düsseldorf MDR 2000, 851 f.) sind nämlich auch noch die von den Bekl. nachträglich geltend gemachten Kostenpositionen in die vom Rechtspfleger des LG nachzuholende Prüfung einzubeziehen.
III.
Der Senat konnte vorliegend seinerseits abschließend über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens gem. § 97 I ZPO entscheiden. Zwar ist der endgültige Ausgang des Kostenfestsetzungsverfahrens wegen der Zurückverweisung an das LG noch offen. Das Rechtsbeschwerdeverfahren selbst ist jedoch abgeschlossen und daher kostenrechtlich erledigt.
Hahne Sprick Fuchs
Ahlt Dr. Vézina
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