Ausgleichsleistung wegen Nichtbeförderung bei Verpassen eines Anschlussfluges

Gericht

AG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

25. 01. 2007


Aktenzeichen

29 C 499/06-46


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte - aus eigenem und unstreitig seitens ihres Ehemannes an sie abgetretenem Recht (§ 398 BGB) - auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von insgesamt 800,- EUR aus Art. 4 Abs. 3 i.V. m. Art. 7 Abs. 1 lit. b VO.

Unstreitig ist zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann einerseits sowie der Beklagten andererseits ein Luftbeförderungsvertrag über einen Flug Stuttgart - Istanbul - Bangkok (TK 1706/TK 0060) und Bangkok - Istanbul - Stuttgart (TK 0061/1701) zustande gekommen. Ebenfalls unstreitig wurden die Klägerin und ihr Ehemann mit dem Flug TK 1701 nicht befördert und kamen durch die anderweitige Beförderung mit Flug TK 1705 erst mehr als acht Stunden nach der planmäßigen Ankunft des Fluges TK 1701 in Stuttgart an.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anwendungsbereich nach Art. 3 Abs. 1 lit. a VO eröffnet. Hiernach gilt die Verordnung - unabhängig davon, dass die Beklagte ihren Sitz in einem Drittstaat hat - für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedsstaates, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin und ihr Ehemann haben den Flug vorliegend nämlich in Stuttgart angetreten. Es handelt sich insoweit um einen einheitlich gebuchten Flug von Stuttgart über Istanbul nach Bangkok und zurück. Dies ergibt sich insbesondere aus der vorgelegten Buchungsbestätigung, nach der sowohl Hin- als auch Rückflug gemeinsam gebucht und mit einem einheitlichen Reisepreis berechnet wurden sowie dem entsprechenden Flugplan, der ebenfalls Hin- und Rückflug einheitlich aufführt. Unter diesen Umständen ist von einem Rundflug mit einheitlichem Flugschein und Stuttgart als Ausgangspunkt auszugehen, so dass der Anwendungsbereich der Verordnung auch dann eröffnet ist, wenn die Nichtbeförderung erst nach einem Zwischenaufenthalt auf einer Teilstrecke des Rundflugs - hier von Istanbul nach Stuttgart - erfolgt (vgl. AG Frankfurt a. M., NJW¬- RR 1996, 1335, 1336; Führich, Reiserecht, [5. Aufl.], Rn. 1012 m.w.N.; Schmid, Die Bewährung der neuen Fluggastrechte in der Praxis, NJW 2006, 1841; a. A. AG Berlin-Mitte, NJW-RR 2006, 920, 921).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dabei unbeachtlich, dass die Klägerin und ihr Ehemann sich erst fünf Minuten vor dem planmäßigen Abflug in Istanbul am Check-in-Schalter einfanden. Zum einen gilt Art. 3 Abs.1 VO nach Abs.2 lit. b VO bereits dann ("oder"), wenn die Fluggäste von einem Luftfahrtunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug verlegt wurden, ungeachtet des Grundes hierfür. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden von der Beklagten von Flug TK 1701, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug, nämlich TK 1705, verlegt.

Unabhängig davon kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin und ihr Ehemann, sich entgegen Art. 3 Abs. 2 lit. a VO nicht spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit - auf die tatsächliche kommt es insoweit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an (vgl. OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1989, 1529) - zur Abfertigung am Check-in-Schalter eingefunden hatten. Nach Sinn und Zweck der Verordnung, die eine Verbesserung und Erweiterung des Schutzes der Fluggäste bezweckt (vgl. Führich, a.a.O., Rn. 1011; Schmid, a.a.O., S. 1841), wird die Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 VO jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn die Ursache für das verspätete Einfinden zur Abfertigung - wie hier - allein in der Sphäre des ausführenden Luftfahrtunternehmens liegt (vgl. für den Fall, dass die Fluggäste den Flug dadurch verpassen, dass sie vom Luftfahrtunternehmen aufgrund von Personalmangel und einer dementsprechend langen Warteschlange am Check-in¬-Schalter nicht planmäßig abgefertigt werden (AG Erding, RRa 2007, 41). Vorliegend lag der alleinige Grund dafür, dass die Klägerin und ihr Ehemann sich erst um 7:45 Uhr zum Einchecken am Schalter einfanden, darin, dass der Zubringerflug der Beklagten - anders unter Umständen bei einem Zubringerflug einer anderen Fluggesellschaft (vgl. OLG Frankfurt a. M., a.a.O.) - seinerseits eine entsprechende Verspätung hatte. Dass eine solche Verspätung offenbar kein Einzelfall ist und die Klägerin und ihr Ehemann dies wussten, vermag ein Mitverschulden (§ 254 BGB) - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht zu begründen. Die Klägerin und ihr Ehemann durften sich insoweit auf die vertragsgemäße Erfüllung des geschlossenen Luftbeförderungsvertrages durch die Beklagte verlassen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die Klägerin und ihr Ehemann auf die vertragsgemäß geschuldete Beförderung mit Flug TK 1701 auch nicht freiwillig verzichtet. Ein ausdrücklicher Verzicht liegt unstreitig nicht vor. Aber auch die Tatsache, dass die Klägerin und ihr Ehemann in Bangkok mit einem Durchchecken ihres Gepäcks bis Stuttgart einverstanden waren, obwohl nach dem - bestrittenen - Klägervortrag der Flug TK 1701 bereits zu diesem Zeitpunkt "not open" war, vermag einen solchen Verzicht nicht zu begründen. Abgesehen davon, dass die Klägerin und ihr Ehemann sich zu diesem Zeitpunkt in der Zwangslage befanden, dem Durchchecken des Gepäcks zuzustimmen, um überhaupt wieder nach Stuttgart geflogen zu werden, kann hierin eine Einwilligung in eine Umbuchung auf Flug TK 1705 insoweit allenfalls hinsichtlich des Gepäcks, nicht aber bezüglich der Klägerin und ihres Ehemanns selbst gesehen werden. Im Übrigen wurden die Klägerin und ihr Ehemann nach dem Beklagtenvorbringen zum Zeitpunkt des Eincheckens in Bangkok auch keineswegs "auf Warteliste" geführt, vielmehr hatte die Beklagte den Flug TK 1701 erst dann mit weiteren Passagieren "aufgefüllt", als die Verspätung der Klägerin und ihres Ehemanns absehbar war. Ausgehend von dem Beklagtenvortrag bestand für die Klägerin und ihren Ehemann daher beim Einchecken in Bangkok gar keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass bei einem "Durchchecken" ihres Gepäcks nach Stuttgart die Beförderung etwa nicht mit dem gebuchten Flug TK 1701 erfolgen würde.

Da der Klägerin und ihrem Ehemann damit die Beförderung gegen ihren Willen verweigert wurde, steht ihnen gemäß Art. 4 Abs. 3 i.V. m. Art. 7 der Verordnung ein Ausgleichsanspruch zu.

Hinsichtlich der Höhe sieht Art. 7 Abs. 1 lit. b VO bei Flügen über die hier streitgegenständliche Entfernung eine Ausgleichszahlung von jeweils 400,- EUR für die Klägerin und ihren Ehemann, insgesamt also 800,- EUR vor. ...

Rechtsgebiete

Reiserecht