Forum-Shopping kann rechtsmissbräuchlich sein

Gericht

OLG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

06. 12. 2006


Aktenzeichen

5 U 67/06


Tenor

Auf die Berufung des Antragsgegners wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 7 für Handelssachen, vom 25.10.05 abgeändert.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 01.06 05 wird unter Abweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags vom 24.05.05 aufgehoben.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Zu der Verlagsgruppe der Antragstellerin gehört u.a. der „F.-Verlag“. Hierbei handelt es sich um einen sog. „Zuschussverlag“ bzw. „Dienstleistungsverlag“, dessen Tätigkeit u.a. dadurch geprägt ist, dass die Autoren, deren Werke veröffentlicht werden, zu einem erheblichen Anteil bzw. vollständig die hierbei anfallenden Kosten selbst tragen müssen.

Der Antragsgegner veröffentlicht unter der Bezeichnung „Autorenhaus Verlag“ u.a. Ratgeber für junge Autoren (Anlage AG6). Er ist auch selbst Autor von derartigen Ratgebern („Handbuch für Erst-Autoren – Wie ich mein Manuskript anbiete und den richtigen Verlag finde“ bzw. „Mini-Verlag“). Auf der von ihm zu verantwortenden Internet-Seite www.abc.de bietet der Antragsgegner in unterschiedlichen Rubriken Informationen zu Themenbereichen an, die sich in erheblichem Umfang mit Nachwuchsautoren und dem Verlagswesen befassen (Anlage AG7). Am 12.04.05 hatte der Antragsgegner auf dieser Seite unter der Überschrift „ZDF-WISO ermittelt: F.-Verlag“ Jede Woche ermittelt der Detektiv von WISO gegen „gegen Betrüger, Gauner und verbraucherfeindliche Geschäftspraktiken“ (ZDF) auf eine Sendung am 00.00.05 Bezug genommen, die sich mit dem F.-Verlag beschäftigt.

Dieses Verhalten beanstandet die Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt einer unlauteren Herabsetzung/ Verunglimpfung bzw. einer rufschädigenden Tatsachenbehauptung als wettbewerbswidrig.

Die Antragstellerin hatte im Anschluss an eine Abmahnung des Antragsgegners vom 22.04.05 (Anlage ASt8) zunächst am 19.05.05 bei dem Landgericht Stuttgart Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt (Anlage AG1). Nach Rücknahme dieses Antrags hat sie sodann am 25.05.05 bei dem Landgericht Hamburg einen inhaltsgleichen Antrag gestellt.

Die Antragstellerin hatte in erster Instanz beantragt,

den Antragsgegner zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, auf ihrer1 Internetseite „Autorenhaus.de“, über den F.-Verlag wörtlich oder sinngemäß zu berichten:

„ZDF-Wiso ermittelt: F. Verlag 12.04.05 Jede Woche ermittelt der Detektiv von Wiso „gegen Betrüger, Gauer und verbraucherfreundliche Geschäftspraktiken“ (ZDF) Diesmal ging es bei „Wiso ermittelt“ um den F. Literaturverlag. Sendung vom 11.04.2005, hier mehr, ZDF Wiso ermittelt. Der F. Verlag (Verlagsgründer DMHH) gehört zum yyyy Verlag GmbH Geschäftsführer DUF), einem Unternehmen des Zuschussverlagskonzerns xxxx Verlagsgruppe (Vorstand DUF).“

Das Landgericht hat den Antragsgegner mit einstweiliger Verfügung vom 01.06.05 entsprechend zur Unterlassung verpflichtet und diese Verfügung auf den mit einem Abweisungsantrag verbundenen Widerspruch des Antragsgegners mit Urteil vom 25.10.05 mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Worte „oder sinngemäß“ im Verbot entfallen..

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Antragsgegners. Der Antragsgegner verfolgt in zweiter Instanz unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags sein Abweisungsbegehren weiter. Die Antragstellerin verteidigt auf der Grundlage der bereits erstinstanzlich gestellten Anträge das landgerichtliche Urteil.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist auch begründet. Die mit der angefochtenen Entscheidung vom 25.10.05 im Wesentlichen bestätigte Verbotsverfügung des Landgerichts vom 01.06.05 kann keinen Bestand haben, weil hierfür die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Denn der Antragstellerin steht der für eine Anspruchsdurchsetzung in der gewählten Verfahrensart erforderliche Verfügungsgrund nicht zur Seite. Die bei der Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche zu ihren Gunsten streitende Dringlichkeitsvermutung aus § 12 Abs. 2 UWG ist durch das eigene vorprozessuale Verhalten der Antragstellerin widerlegt. Für die daneben geltend gemachten Ansprüche aus § 823 BGB gilt dieses Ergebnis im Anwendungsbereich von §§ 935, 940 ZPO, die ohne Vermutungswirkung eine konkrete Darlegung der Dringlichkeit durch den Antragsteller erfordern, in gleicher Weise.

Die Antragstellerin hatte ihren Verfügungsantrag zunächst bei dem Landgericht Stuttgart zu dem Aktenzeichen 17 O 322/05 anhängig gemacht, jedoch kurze Zeit darauf wieder zurückgenommen, nachdem die beantragte einstweilige Verfügung nicht ohne mündliche Verhandlung erlassen, sondern Kammertermin anberaumt worden war. Selbst wenn durch die anschließende erneute Anspruchsverfolgung vor dem Landgericht Hamburg keine maßgebliche zeitliche Verzögerungen eingetreten ist, zeigt das Verhalten der Antragstellerin jedoch im Rahmen einer Gesamtwürdigung, dass der Antragstellerin an einer zeitnahen gerichtlichen Klärung ihrer vermeintlichen Ansprüche in Wirklichkeit nicht gelegen war. Für das erneut vor den Hamburger Gerichten anhängig gemachte Verfügungsverfahren hat die Antragstellerin das - als allgemeine Prozessvoraussetzung auch im Rahmen von § 12 Abs. 2 UWG zu berücksichtige - Rechtsschutzbedürfnis für den zweiten Versuch einer Antragsverfolgung vor einem anderen Gerichts verloren. Denn die Vorschrift des § 12 Abs. 2 UWG ist – ebenso wie die §§ 935, 940 ZPO- ihrerseits Ausdruck eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses (Harte/Henning/Retzer, UWG, § 12 Rdnr. 299).

1. Der gesetzlichen Vorschrift des § 12 Abs. 2 UWG liegt eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dergestalt zu Grunde, dass die Durchsetzung der begehrten Verbotsverfügung in Wettbewerbssachen für den Antragsteller in der Regel von besonderer Dringlichkeit ist. Diesem Gedanken tragen andere Oberlandesgerichte unter anderem dadurch Rechnung, dass im Rahmen der Verfolgung einer einstweiligen Verfügung in der Regel nur kurze Fristen als hinnehmbar angesehen werden, ohne dass eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung eintritt. Dieser Auffassung ist der Senats nicht beigetreten. Vielmehr bedarf es für die Beurteilung einer etwaigen Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung einer umfassenden Abwägung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, bei der die Ausnutzung bestimmter Fristen ein wesentlicher Gesichtspunkt sein kann, aber nicht stets sein muss (vgl. zuletzt Senat MD 06, 475 – Dringlichkeit bei StA-Ermittlungen; Senat MD 06, 457 – Tarif-Stress). Widerlegt ist die Dringlichkeitsvermutung nach Auffassung des Senats jedoch dann, wenn ein Antragsteller – wie hier die Antragstellerin - ein rechtsmissbräuchliches "forum-shopping" betreibt und hierdurch zum Ausdruck bringt, dass ihm an einer zeitnahen Klärung der Berechtigung seiner Ansprüche nicht wirklich gelegen ist. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Die gegenteilige Auffassung, die offenbar auch der 3. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts (GRURRR 02, 226, 227) jedenfalls in der Vergangenheit vertreten hat, teilt der zur Entscheidung berufene 5. Zivilsenat nicht.

2. Die Antragstellerin hatte einen inhaltlich identischen Verfügungsantrag bereits am 19.05.05 bei dem Landgericht Stuttgart anhängig gemacht (Anlage AG1). Das Landgericht Stuttgart hatte - nicht ohne Grund - Bedenken, über den Verfügungsantrag ohne mündliche Verhandlung und ohne Anhörung der Antragsgegnerin im Beschlusswege zu entscheidenden. Es hat daraufhin mit Verfügung vom 20.05.05 (Anlage AG2) Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 05.07.05 anberaumt, hierzu das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet und dem Antragsgegner eine Stellungnahmefrist eingeräumt. Unmittelbar nach Erhalt dieser Terminsladung (jedenfalls dem Antragsgegner war die Terminsladung bereits am 24.05.05 zugegangen) hat die Antragstellerin am 24.05.05 ihren Verfügungsantrag sodann zurückgenommen und am selben Tag einen gleich lautenden Antrag an das Landgericht Hamburg gerichtet. Hierbei hat die Antragstellerin verschwiegen, dass sie diesen Antrag bereits zuvor an einem anderen Gerichtsstand verfolgt hatte. In diesem Verhalten liegt nach Auffassung des Senats ein Fall missbräuchlichen "forum-shoppings“, welches die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG - und damit den Verfügungsgrund der gewählten Verfahrensart - entfallen lässt. Aufgrund der zeitlichen Abfolge der Ereignisse kann nach Sachlage kein Zweifel daran bestehen, dass die Antragstellerin ihren Verfügungsantrag vor dem Landgericht Stuttgart allein bzw. zumindest in erster Linie deshalb zurückgenommen hat, weil sie schon eine Beteiligung der ntragsgegnerin bei der Entscheidungsfindung des Gerichts vereiteln wollte und nur Interesse an einem einseitigen Verfahren hatte, dessen Entscheidung sich allein auf ihrem Parteivortrag gründet.

3. Selbst wenn die Antragstellerin - wie sie es entgegen ihrer anderslautenden Behauptung im Senatstermin schriftsätzlich dargestellt hatte - bei der Rücknahme des Verfügungsantrags die Terminsladung noch nicht erhalten hatte, wird ihr Verhalten überhaupt nur dadurch nachvollziehbar, dass sie zuvor zumindest einen (telefonischen) gerichtlichen Hinweis auf das beabsichtigte Vorgehen erhalten hatte. Diese Darstellung des Antragsgegners nimmt die Antragstellerin auch nicht in Abrede. Nachdem die Antragstellerin erkannt hatte, dass das Landgericht Stuttgart zu dem beantragten – einseitigen - Vorgehen nicht bereit war, sondern den Antragsgegner beteiligen wollte, hat die Antragstellerin dem Landgericht Stuttgart die Entscheidungsbefugnis über den Verfügungsanspruch durch die Rücknahme des erfügungsantrags sogleich wieder entzogen. Ein derartiges Verhalten ist der Antragstellerin als Ausfluss prozesstaktischer Überlegungen zwar möglich. Es führt nach Auffassung des Senats jedoch dazu, dass die Antragstellerin damit das im Rahmen von § 12 Abs. 2 UWG vorausgesetzte Rechtsschutzbedürfnis für eine (weitere) Anspruchsverfolgung in einem Eilverfahren vor einem anderen Gericht verloren hat. Dieser Vorschrift liegt die gesetzgeberische Überlegung zu Grunde, dass es dem Antragsteller gerade in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten möglich sein muss, in einem Eilverfahren zeitnah zur Vermeidung schwerwiegender wirtschaftlicher Beeinträchtigungen eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, in der die Berechtigung des angegriffenen Wettbewerbsverhaltens eines Mitbewerbers überprüft und gegebenenfalls ein sogleich durchsetzbares Verbot verhängt wird.

4. Von dieser Möglichkeit hatte die Antragstellerin Gebrauch gemacht, indem sie bei dem Landgericht Stuttgart ihren Verfügungsantrag eingereicht hat. Dabei standen der Antragstellerin auch die sich im Rahmen des deutschen Wettbewerbsrechts eröffnenden - vielfältigen - Möglichkeiten eines zulässigen "forumshopping" zur Verfügung. Da sich die Antragstellerin gegen einen Internetauftritt des Antragsgegners wendete, konnte sie sich nach ihrem Belieben einen Gerichtsstand in Deutschland auswählen, da die Angebote im Internet bundesweit verfügbar sind. Diese prozessuale Besonderheit des sog. "fliegenden Gerichtsstandes" setzte die Antragstellerin insbesondere in den Stand, sich dasjenige Landgericht in Deutschland auszusuchen, vor dem sie sich die größten Erfolgsaussichten für ihr Begehren ausrechnete. Da die Wettbewerbskammern und –senate in Deutschland ihre Rechtsprechung umfangreich in Fachzeitschriften veröffentlichen, besitzen insbesondere die im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes tätigen Rechtsanwälte regelmäßig konkrete Informationen über die Besonderheiten der Rechtsprechung sowohl in materieller als auch in prozessualer Hinsicht in Bezug auf bestimmte Rechtsgebiete bzw. Streitgegenstände. Hierauf kann das prozesstaktische Verhalten der antragstellenden Partei – zulässigerweise - ausgerichtet und ein Gerichtsstand ausgewählt werden, an dem für das konkrete Begehren überwiegende Erfolgsaussichten bestehen. Zudem entspricht es gängiger, wenngleich nicht unbestrittener Praxis, dass einstweilige Verfügungen in der überwiegenden Zahl von Fällen ohne Anhörung der Gegenseite im Beschlusswege erlassen werden.

5. Vor diesem Hintergrund hat ein Antragsteller aus Sicht des Senats kein weitergehendes schützenswertes Interesse daran, einem Gericht den im Wege eines Eilverfahrens wegen besonderer Dringlichkeit vorgelegten Antrag im Rahmen von § 12 Abs. 2 UWG sanktionslos wieder entziehen zu können, nur weil zweifelhaft ist, ob das zur Entscheidung berufene Gerichts seiner Rechtsauffassung uneingeschränkt zu folgen bereit ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht allein daran, zeitnah eine gerichtliche Überprüfung des Sachverhalts sowie eine vollstreckbare Entscheidung zu erhalten. Das im Rahmen von § 12 Abs. 2 UWG vorausgesetzte Rechtsschutzbedürfnisses umfasst hingegen nicht das Interesse, nur solche Verfahren beschreiten zu wollen, deren Ausgang mit Sicherheit dem erwünschten Ergebnis entspricht. Die Antragstellerin hat in einer derartigen Situation nach Auffassung des Senats einen rechtlichen Anspruch auf ein Eilverfahren, nicht jedoch auf mehrfache Versuche einer erfolgreichen Anspruchsdurchsetzung. Ein derartiges prozessuales Verhalten ist von dem besonderen Rechtsschutzbedürfnis, das § 12 Abs. 2 UWG voraussetzt, nicht gedeckt. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des OLG Frankfurt (GRUR RR 02, 44) sowie die überzeugenden Ausführungen bei Teplitzky (Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 54, Rdn. 24 m.w.N.) und Hefermehl/Köhler (UWG, 24. Aufl., § 12 Rdnr. 3.16). Der gegenteiligen Rechtsstandpunkt des 3. Zivilsenats (OLG Hamburg GRUR-RR 02, 226) sowie von Ahrens/Schmukle (Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 45 Rdnr. 45) und Beyerlein (WRP 05, 1463 ff.) vermag den Senat nicht zu überzeugen. Insbesondere kann der Umstand, dass ein derartiges Verhalten in der Praxis weitgehend üblich ist, nicht als Rechtfertigung dienen, wenn diese übliche Praxis ihrerseits einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten kann.

6. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann es bei dieser Art eines missbräuchlichen "forumshopping" auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Antragsteller durch die zweite Antragstellung noch (formal) den zeitlichen Aspekt dringlicher Anspruchsdurchsetzung erfüllt. Denn § 12 Abs. 2 UWG ist - wie dargelegt - Ausprägung eines besonderen (umfassenden) Rechtsschutzbedürfnisses, bei dem zeitliche Aspekte eine wesentliche, nicht aber die allein entscheidende Rolle spielen. Nach Auffassung des Senats kann es im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft sein, dass die Antragstellerin den Verfügungsantrag vor dem Landgericht Stuttgart nicht etwas deshalb zurückgenommen hat, weil der vorgesehene Verhandlungstermin am 05.07.05 zu weit hinausgeschoben war. Dies macht die Antragstellerin auch selbst nicht geltend. Insoweit hätte es im Übrigen auch ausgereicht, gegenüber dem zur Entscheidung berufene Spruchkörper um eine Vorverlegung des Termins zu bitten. Dieses ist nicht geschehen.

7. Auch im Übrigen kann ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin, eine zu ihren Ungunsten ergehende Entscheidung zu verhindern, nicht anerkannt werden. Dies gilt im vorliegenden Rechtsstreit in besonderem Maße schon deshalb, weil noch nicht einmal absehbar war, dass das Landgericht Stuttgart zu Lasten der Antragstellerin entscheiden werde. Es hatte den Verfügungsantrag nicht etwa abgelehnt oder der Antragstellerin eine Rücknahme nahe gelegt, sondern (lediglich) einen Termin zur mündlichen Verhandlung in Anwesenheit der Parteien anberaumt. Ein derartiges Vorgehen lässt nur darauf schließen, dass die Kammer nicht bereit war, auf der Grundlage des einseitigen Vortrags der Antragstellerin zu entscheiden. Damit ist indes über die Erfolgsaussichten des Verfügungsantrags noch keine verlässliche Entscheidung getroffen. Auch vor diesem Hintergrund war es der Antragstellerin ohne Weiteres - auch und gerade im Rahmen des Anwendungsbereichs von § 12 Abs. 2 UWG - zuzumuten und abzuverlangen, die Entscheidung des angerufenen Gerichts abzuwarten. Der Senat hat aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits nicht darüber zu entscheiden, ob (was allerdings nahe liegt) gleiches gilt, wenn das zunächst zur Entscheidung berufene Gericht dem Antragsteller telefonisch mitteilt, dass es seinen Antrag abweisen wird und der Antragsteller mit einer Antragsrücknahme einer ablehnenden Entscheidung zuvorkommen will. Darum geht es hier nicht, denn die Terminierung durch das Landgericht Stuttgart macht nur Sinn, wenn das Gericht dem Antrag gerade nicht von vornherein die Erfolgsaussichten abgesprochen hatte.

8. Das Bestreben, nach dem Bekanntwerden erster - noch nicht einmal eindeutiger - Zweifel an einer Begründetheit des Verfügungsantrags im Wege eines missbräuchlichen "forum-shoppings“ an einen anderen, vermeintlich günstigeren Gerichtsstand auszuweichen, ist prozessual nicht schutzwürdig. Jedenfalls in diesem Umfang sind auch die berechtigten Interessen des Antragsgegners angemessen zu berücksichtigen. Einstweilige Verfügungen werden im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes häufig ohne Anhörung der Gegenpartei erlassen. Dieses Vorgehen ist - worauf insbesondere in der Literatur hingewiesen wird (Teplitzky, a.a.O., Kap. 55, Rdn. 3; Hefermehl/Bornkamm, a. a. O., § 8 Rdn. 1.59) - nicht vollkommen unproblematisch.

Hat ein Gericht vor diesem Hintergrund aber Veranlassung gehabt bzw. die Notwendigkeit gesehen, jedenfalls in diesem konkreten Einzelfall den Antragsgegner vor einer Entscheidung zu beteiligen, so ist es von den Grundsätzen eines Rechtsschutzbedürfnisses als allgemeiner Prozessvoraussetzung jedenfalls für ein besonderes Eilverfahren nicht gedeckt, wenn die antragstellende Partei aus diesem Grund dem Gericht die Entscheidungsbefugnis wieder entzieht, nur um sich einen anderen Spruchkörper zu suchen, der die Entscheidung ohne Anhörung der Gegenpartei zu erlassen bereit ist. Ein derartiges Verhalten zeigt selbst dann, wenn die üblichen zeitlichen Grenzen der Dringlichkeit noch gewahrt sind, unmissverständlich, dass es der antragstellenden Parteien nicht in erster Linie um eine dringliche Rechtsdurchsetzung, sondern um eine Minimierung des Prozessrisikos geht. Dieses Interesse ist im Rahmen von § 12 Abs. 2 UWG jedenfalls in diesem Umfang nicht schutzwürdig. Auf die Frage, ob der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Rücknahme des Verfügungsantrags bereits rechtliches Gehör erhalten hatte, kann es im Hinblick auf diese Rechtslage nach Auffassung des Senats nicht entscheidend ankommen (auch insoweit offenbar abweichend: OLG Hamburg GRUR 02, 226). Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen braucht auch die Frage, ob die in dieselbe Richtung gehende Entscheidung des OLG Frankfurt (GRUR 2005, 972) nur solche Fallgestaltungen betrifft, in denen der Verfügungsantrags bereits (teilweise) zurückgewiesen worden ist, keiner näheren Vertiefung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für die zweite Instanz auf € 10.000.- festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung des Landgerichts ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht zu beanstanden. Eine abweichende Wertfestsetzung in Höhe von € 250.000.- bzw. € 100.000.- ist auch nicht dadurch veranlasst, dass die Antragstellerin selbst derartige Wertvorstellungen in der vorgerichtlichen Abmahnung bzw. dem an das Landgericht Stuttgart gerichteten Verfügungsantrag formuliert hatte.

1. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass übereinstimmenden Streitwertbeurteilungen durch beide Parteien in der Regel zu folgen ist, weil die Parteien am besten ermessen können, wie hoch der angemessene Wert unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interesse anzusetzen ist. So verhält es sich auch hier.

a. In dem vorliegenden Rechtsstreit hatte die Antragstellerin den Streitwert in dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 24.05.05 mit € 10.000.- angegeben. Diesen Wert hat auch das Landgericht Hamburg im Beschluss vom 01.06.05 festgesetzt. Dem Antragsgegner ist der Beschluss mit diesem Streitwert zugestellt worden. Er hat weder erstinstanzlich noch in der zweiten Instanz bis zu der Senatssitzung am 29.11.06 irgendwelche Einwände gegen die Streitwertfestsetzung erhoben, sondern durch sein Verhalten letztlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Auffassung zur Angemessenheit dieser Wertfestsetzung teilt und nicht zu beanstanden gedenkt. Dieses Verhalten ist umso bedeutsamer, als der Antragsgegner positiv wusste, dass die Antragstellerin vorprozessual (€ 250.000.-) bzw. gegenüber dem Landgericht Stuttgart (€ 100.000.-) ungleich höhere Wertangaben gemacht hatte, von denen er heute behauptet, sie seien allein angemessen. Er hat diesen Umstand in der Vergangenheit gleichwohl nicht zum Anlass für irgendwelche Beanstandungen genommen, obwohl sich dies auf der Grundlage der jetzigen Ausführungen aus seinem Schriftsatz vom 30.11.06 geradezu aufgedrängt hätte. Er hat insbesondere auch seine Verurteilung durch das Landgericht am 25.10.05 auf der Grundlage dieses Streitwerts (mit dem zu seinen Gunsten eine nur vergleichsweise geringe Kostenbelastung verbunden war) akzeptiert. Beide Parteien sind damit letztlich stillschweigend übereinstimmend von der Angemessenheit der Streitwertfestsetzung des Landgerichts ausgegangen.

b. Der Antragsgegner hat die Frage der Streitwerthöhe erstmals thematisiert, nachdem die Antragstellerin in der Senatsverhandlung am 29.11.06 darauf hingewiesen worden war, dass der Senat beabsichtige, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Verfügungsantrag abzuweisen. Rechtsmittel gegen diese Entscheidung waren nicht eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt entbehren die jetzt geäußerten Bedenken des Antragsgegners gegen die Wertfestsetzung allerdings jeglicher Überzeugungskraft. Denn sie sind unter Berücksichtigung des bisherigen prozessualen Verhaltens des Antragsgegners nach Sachlage allein von dem Bemühen geprägt, die Antragstellerin nunmehr mit möglichst hohen Kosten zu belasten (bzw. seinen Prozessbevollmächtigten eine möglichst hohe Gebührenforderung gegen den Gegner zu sichern), nachdem offenbar geworden war, dass ein Prozessrisiko für den Antragsgegner jetzt nicht mehr bestand. Ein derartiges Bestreben ist rechtlich nicht schutzwürdig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der angegriffene Streitwert noch im Rahmen zulässiger Wertfestsetzungen bewegt.

2. Der vom Landgericht festgesetzte Streitwert von € 10.000.- ist auch nicht unvertretbar niedrig. Denn es geht vorliegend – jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des für die Wertfestsetzung allein maßgeblichen Streitgegenstandes - nicht um die verbindliche Klärung grundsätzlicher Fragen im Verhältnis zwischen den Parteien, sondern um eine einzelne, in der Vergangenheit liegende Äußerung bzw. Bezugnahme des Antragsgegners.Da der Bezugsgegenstand der Äußerung letztlich zutreffend war, weil sich die Sendung ZDF WISO tatsächlich mit der Antragstellerin beschäftigt hatte und die Sendung ZDF-WISO sich z.B. auf ihrer homepage selbst mit den in dem Verfügungsantrag genannten plakativen Bezugnahmen auf „Betrüger“, „Gauner“ usw. darstellt (Anlage AG9), war Gegenstand der Beurteilung im vorliegenden Verfahren in erster Linie die Frage, ob bzw. in welcher konkreten Weise der Antragsgegner diese (nicht in erster Linie inhaltlich problematischen) Aussagen gerade im Äußerungszusammenhang seiner homepage verwenden durfte, ohne sich dem Vorwurf unlauteren bzw. geschäftsschädigenden Handelns auszusetzen. Für einen derartigen Sachverhalt liegt ein Streitwert von € 10.000.- auch in Anbetracht der offenbar nicht sehr erheblichen Marktbedeutung des F. Verlags sowie des Antragsgegners gerade noch im Rahmen vertretbarer Wertangaben.Das vergleichsweise geringe Wertinteresse belegt nachdrücklich auch der Umstand, dass das Landgericht Stuttgart ebenfalls einen Wert von (nur) € 15.000.- festgesetzt hat. Die Frage, ob auch wesentlich höhere Wertfestsetzungen für den identischen Streitgegenstand möglich bzw. vertretbar sind, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Entscheidung.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht